Deshalb Schluss mit Fahrradkoordinatoren, Förderung von Lastenräder, Experten-Workshops und anderem Kokolores.
Dennoch die Frage. Wie kann eine Radverkehrsstrategie zukünftig ausgestaltet werden? - Die Fristen für den Ausbau der Radwege müssen verkürzt werden. Es dauert einfach zu lange, bis Radwege schlussendlich gebaut sind. In meiner Heimatregion wurde bereits vor fünf Jahren die Planung für einen Radweg zwischen Staßfurt und Förderstedt begonnen - passiert ist bisher wenig. Das liegt an der Fülle von Bürokratie.
Allein die Radstrecke zwischen Burg und Parchau im Jerichower Land dauerte vom ersten Federstrich bis zur feierlichen Freigabe 15 Jahre. Ich wiederhole: 15 Jahre. Dabei hilft es nicht, Gelder für Lastenräder in Form von Förderrichtlinien bereitzustellen. Auch weitere Wasserköpfe wie Fahrradkoordinatoren sind wenig hilfreich. Die Lösung kann perspektivisch nur lauten, genug Mittel für den Bau von Radwegen bereitzustellen und gesetzliche Rahmenbedingungen anzupassen.
Sachsen-Anhalt ist im Vergleich zu vielen anderen Bundesländern ländlich geprägt. Damit einher geht auch die Herausforderung, Radwege in den kleineren Gemeinden vorzuhalten, damit auch hier der Radverkehr ergänzend zum regulären Straßenverkehr zum Einsatz kommen kann. Genau in diesem Zusammenhang muss auch die Perspektive aus ländlicher Sicht betrachtet werden.
Hierzu folgendes Beispiel: Wir haben ein Dorf mit ca. 800 Einwohnern, in der Mitte geteilt durch eine Bundesstraße; eine Zugverbindung existiert nur in der 5 km entfernten Kreisstadt. Weil der Gehweg nicht die entsprechende Breite aufweist, haben sich die Radfahrer die Bundesstraße mit den vorbeifahrenden Lkw zu teilen. Dass die Attraktivität des Radfahrens sich bei dem aufgezeigten Beispiel in Grenzen hält, ist natürlich nachvollziehbar.
Wie können wir also nachhelfen? - Bei zukünftigen Straßenneubauten sollte bereits ein straßenbegleitender Radweg geprüft und umgesetzt werden, auch über den Ausbau von Feld- und Waldwegen muss diskutiert werden. Ebenfalls sollte die Diskussion darüber geführt werden, Radfahrer nicht auf viel befahrene Bundesstraßen abzudrängen, sondern den Radverkehr stattdessen auch auf Gehwegen zuzulassen.
wobei sich unsere Motivation an der Förderung des Tourismus und Schaffung eines ergänzenden Verkehrsangebotes orientiert - ohne Zwang und ohne Hysterie, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Wir werden jedoch jede Form der Steuergeldverschwendung auch in diesem Bereich klar benennen und ihr entschieden entgegenwirken. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich sehe keine Fragen. Deswegen können wir die Debatte fortsetzen. Herr Grube macht sich bereits auf den Weg; denn er ist der nächste Redner und spricht für die SPD-Fraktion. - Herr Grube, Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Hohes Haus! Ich will meinen Redebeitrag mit einer Aussage beginnen, die hier niemanden überraschen dürfte: Für uns als SPD ist der Radverkehr wichtig.
Die Hälfte der Strecken, die heute mit dem Auto zurückgelegt werden, sind weniger als 5 km lang. Dafür ist das Fahrrad eine gesunde und vor allen Dingen umweltfreundliche Alternative. Zudem nimmt der Radtourismus zu.
Damit aber das Rad für Groß und Klein, für Jung und Alt eine sichere Alternative ist, braucht es natürlich eine bessere Infrastruktur. Nur dort, wo Wege für das Rad vorhanden sind, werden auch Wege mit dem Rad gefahren. Bessere Infrastruktur heißt für uns ein flächendeckendes, komfortabel zu befahrendes, gut ausgeschildertes und sicheres Wegenetz für den Alltags- und Freizeitradverkehr.
Und, meine Damen und Herren: besser reicht nicht. Wir wollen mindestens ein Gut. Denn in Sachsen-Anhalt - diesbezüglich habe ich einen gewissen Dissens mit dem Minister - sieht es mit den Radwegen an vielen Stellen eben doch ziemlich schwierig aus. Das wissen alle, die hier im Land regelmäßig auch auf längeren Touren mit dem Rad unterwegs sind. Das ist aber auch jenseits eigener alltäglicher subjektiver Erfahrungen so.
Wer auf der Seite des Verkehrsministeriums auf das Beteiligungstool zum Landesradverkehrsnetz Sachsen-Anhalt 2020 geht und auf den Entwurfsplan schaut, der sieht viele rote und orangefarbene, aber wenige dunkelgrüne Linien. Rot heißt übrigens: Netzlücke; orange heißt: erfüllt die Min
deststandards nicht. Dabei ist es relativ egal, ob man in den ländlichen Raum oder in die Städte schaut - diese beiden Farben sind - mit unterschiedlicher Wichtung - ziemlich dominant. Dunkelgrün markiert den Wunschzustand; diesen findet man allerdings eher selten.
Nun ist die Frage, woran das liegt. Was hat die Koalition bisher dafür getan, damit es besser wird, und was muss in Zukunft getan werden?
Zu der ersten Frage: Woran liegt es? - Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat der Hausspitze des MLV in der Rede der Fraktionsvorsitzenden mehr oder weniger direkt die Schuld dafür gegeben. Die Grundlage dafür ist die Antwort der Landesregierung auf die bereits erwähnte Kleine Anfrage.
Daran sieht man deutlich, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarten 8 % vom Straßenbautitel für den Radwegebau tatsächlich deutlich verfehlt wurden: im Jahr 2017 2,3 Millionen € von 4,8 Millionen € - das entspricht 48 % -, im Jahr 2018 3,5 Millionen € von 6,8 Millionen € - das entspricht 51 % -, im Jahr 2019 5,1 Millionen € von 6,5 Millionen € - das entspricht 80 % - und in diesem Jahr werden es voraussichtlich 3,5 Millionen € von 4,5 Millionen € sein - das entspricht 78 %, also noch immer nicht der volle Betrag.
Nun ist Thomas Webel wohl eher wenig verdächtig, jemand zu sein, bei dem der Radverkehr zu dessen Topprioritäten gehört. Ich hätte mir dabei tatsächlich ein wenig mehr Enthusiasmus gewünscht. Aber zu behaupten, man hätte die 8 % schaffen können, wenn man nur gewollt hätte, ist tatsächlich keine redliche Aussage.
Eine gewisse Schuld trifft den Minister aber trotzdem; denn das fehlende Planungsrecht ab dem Jahr 2017, das die Bilanz so verhagelt, liegt natürlich daran, dass es in der letzten Legislaturperiode eben auch nicht geschaffen wurde. Insofern es ist gut, dass die Koalition seit dem Jahr 2016 umsteuert. Aber die Infrastrukturplanung ist natürlich nicht nur ein Tanker, sondern eine Tankerflotte. Und so wird erst der nächste Kapitän auf der Brücke an der Turmschanzenstraße ein paar mehr neue Radrouten ansteuern können. So ist das manchmal im Leben.
Dass der Verweis der Landesregierung auf fehlende Ressourcen und Planungskapazitäten keine Schutzbehauptung ist, wissen alle, die sich auch nur am Rande mit dem Themen Planung und Umsetzung von Infrastrukturprojekten beschäftigen. Dem Land fehlen die Planerinnen und Planer ge
nauso wie den Kommunen und auch die privaten Planungsbüros sind in der derzeitigen konjunkturellen Situation ziemlich ausgelastet.
Hinzu kommt das Thema Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger und Beteiligung der kommunalen Vertretungen. Das ist übrigens ausdrücklich keine Kritik an den Beteiligungsinstrumenten. Diese sind wichtig für die Akzeptanz von Infrastrukturprojekten - das gilt übrigens für die Autobahn genauso wie für den Radweg -, aber sie verlängern eben objektiv die Zeit bis zur Erreichung des Baurechts, weil vor Ort über einige Details diskutiert werden muss.
Ich habe ein praktisches Beispiel mitgebracht, weil in dem Fall ich selbst an der Verzögerung Schuld trage, mittelbar übrigens auch die Kollegen Meister und Schumann. Wir sehen in der Antwort auf die Kleine Anfrage, dass in der Landeshauptstadt Magdeburg der Ausbau des Radweges Königstraße, der noch nicht abgeschlossen ist, gefördert wird. Diesen Ausbau hat die Bauverwaltung ab dem Jahr 2019 geplant. Dann gab es eine Verständigung mit dem ADFC über die Routenführung, weil dort ganz viele Bäume stehen, die nicht gefällt werden mussten.
Dann kam das Ganze in den Bauausschuss. Dort kam ich und habe gesagt: Die dortige Haltestelle machen wir im Zuge des Ausbaus gleich noch barrierefrei; denn wenn wir das jetzt nicht machen, wird das in den nächsten 30 Jahren nichts mehr. Deswegen hat es bei diesem Beispiel ein halbes Jahr länger gedauert. Das ist in der Sache richtig, es macht auch Sinn, aber es verhagelt am Ende trotzdem die Bilanz; denn dieser Radweg wäre sonst in die 8 % eingeflossen.
Nicht ohne Grund haben wir uns auf die Strategie Erhalt vor Neubau von Straßen geeinigt. Zur Einordnung sei auch gesagt, dass ca. 40 % der Landesstraßen sanierungsbedürftig und in einem schlechten Zustand sind. Nun wären rein mathematisch die Abflusszahlen für die Radwege noch schlechter, wenn der Straßenbautitel größer wäre - aber das nur am Rande.
Wichtig ist aber eines: Wer will, dass die Lücke im Radnetz in Zukunft geschlossen wird, der muss eben nicht nur die Planungsvorläufe schaffen, sondern der muss für den Radverkehr insgesamt mehr Geld in die Hand nehmen. Derzeit läuft die Aufstellung des neuen Radverkehrsplans; das ist gut. Der derzeit gültige datiert von 2010. Es ist gut, dass in die Landesplanung neue Erkenntnisse und Erfordernisse einfließen, aber wir hätten heute schon eine andere Situation im Radverkehr,
Was hat die Koalition bisher für den Radverkehr getan? - Einiges. Wir haben gemeinsam umgesteuert. Ohne die 8 % im Koalitionsvertrag wären die Abarbeitungszahlen noch niedriger. Wir fördern die „Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundliche Kommunen“.
Das Land hat eine Radverkehrskoordinatorin und wir haben ein erfolgreiches Lastenradprogramm ins Leben gerufen, übrigens zusätzlich zum Koalitionsvertrag.
Was muss aus unserer Sicht in Zukunft getan werden? - Ja, wir müssen eine Schippe drauflegen. Wir brauchen ein flächendeckendes Radwegenetz an Landes- und Bundesstraßen, eine Modernisierung der vorhandenen Wege und die konsequente Umsetzung des Landesradverkehrsplans. Und: Wir brauchen das tatsächlich in der Realität und nicht nur auf dem Papier.
8 % der Straßenbaumittel sind auch weiterhin für den Radverkehr aufzuwenden und wir müssen den Straßenausbau und die Straßenbauförderung außerorts an den Bau von Radwegen koppeln.
Wenn wir in Zukunft zulassen, dass Straßen gebaut werden, ohne einen Radweg anzulegen, wird an diesen Stellen auch in den nächsten Jahrzehnten kein Radweg entstehen; denn die Lebenswirklichkeit zeigt, neu gemachte Straßen und Wege fasst so schnell niemand wieder an.
Wir brauchen eine konsequente Anwendung der Ära 2010 mit den Standards, die dort festgelegt sind. Das Motto „Da ist doch ein bisschen Radweg“ reicht in Zukunft nicht mehr aus. Radverkehr darf in der Verkehrsplanung der Zukunft keine Alibiveranstaltung sein.
Wir wollen eine Landeskampagne mit dem Titel „Sachsen-Anhalt steigt auf“. Wir wollen den Radverkehrtourismus fördern. Wir brauchen ein Radschnellwegeprogramm zur Unterstützung des Baus von Radschnellwegen in Kommunen und als Verbindung zwischen Städten und Umland. Wir teilen übrigens die Forderung des ADFC, die Verkehrsplanung für Radverkehr im Landesstraßenbaubetrieb zu stärken und eine eigene Abteilung zu bilden. Ob man den Namen des Landesstraßenbaubetriebs nun unbedingt in „Betrieb für Mobilität“ umändern muss - das kann man tun, es wird aber keinen Radweg mehr schaffen.
Wir müssen und wollen das Know-how „Made in Sachsen-Anhalt“ setzen, und zwar egal, ob das ein Pilotprojekt zur Verlagerung von innerstädtischem Lieferverkehr auf Lastenräder oder selbstfahrende Fahrräder sind, wie sie an der Uni Magdeburg erforscht werden.
Last, but not least: Sicherheit. Wir wollen das gute und erfolgreiche Schnittstellenprogramm der Nasa fortsetzen und dabei ein besonderes Augenmerk auf die Förderung von modernen und diebstahlsicheren Fahrradabstellanlagen an Bahnhöfen, Bus- und Straßenbahnhaltestellen legen; denn neben den sicheren Wegen wird niemand auf das Rad umsteigen, wenn er nach Hause fahren will und das Rad nicht mehr dasteht. In diesem Zuge soll auch sichergestellt werden, dass die Mitnahme von Fahrrädern in Bus und Bahn verbessert wird.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zum Schluss sagen, Sachsen-Anhalt kann mehr im Radverkehr. Wir wollen das Unsrige dazu beitragen. Dazu ist das Schärfen der Strategie das eine, das entschlossene Umsetzen das andere. - Vielen Dank.