Protocol of the Session on November 19, 2020

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne hiermit die 114. Sitzung des Landtages von SachsenAnhalt der siebenten Wahlperiode und begrüße Sie alle auf das Herzlichste.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Mit Schreiben vom 15. November 2020 liegt mir eine Entschuldigung des Ministers Prof. Dr. Willingmann vor. Er lässt seine Abwesenheit für die Sitzungsperiode, das heißt, für heute und morgen, wegen einer häuslichen Quarantäne entschuldigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bevor wir unsere Sitzung beginnen, möchte ich darauf hinweisen, dass Sie auf Ihren Plätzen wieder Masken liegen haben. Ich habe beim letzten Mal schon darauf hingewiesen. Ich bitte darum, dass wir hier im Plenum diesen weißen Mund-NasenSchutz benutzen. - Vielen Dank.

Zur Tagesordnung. Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Tagesordnung für die 55. Sitzungsperiode des Landtages liegt Ihnen vor. Gibt es hierzu Bemerkungen oder Fragen? - Das sehe ich nicht. Dann können wir danach verfahren.

Zum zeitlichen Ablauf der 55. Sitzungsperiode. Auch die 115. Sitzung morgen beginnt um 9 Uhr.

(Unruhe)

- Ich würde Sie trotzdem bitten, Ihre Gespräche so langsam einzustellen. Ich sehe auch immer noch Abgeordnete, die nicht den weißen MundNasen-Schutz tragen. Ich bitte Sie noch einmal inständig, dass alle die auf ihren Plätzen bereitliegenden Mund-Nasen-Schutze verwenden.

Wir kommen somit in unserer Sitzung zu

Tagesordnungspunkt 1

Befragung der Landesregierung gemäß § 45a GO.LT

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die Befragung der Landesregierung entsprechend der Regelung in § 45a unserer Geschäftsordnung und blicke in die Reihen der SPD-Fraktion. Jetzt kommt die Abg. Frau KolbJanssen. Sie haben das Wort, Frau Kolb-Janssen.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Wir sind uns in diesem Hohen Haus darüber einig, dass es im Schulbereich das Ziel ist, auch unter Pandemiebedingungen möglichst lange Unterricht aufrechtzuerhalten. Viele Expertinnen sowohl aus dem Gesundheits- als auch aus dem Bildungsbereich sehen einen geeigneten Weg, um den Schulbetrieb so lange wie möglich aufrechtzuerhalten, darin, eine Kombination aus Präsenz- und digitalen Unterrichtsangeboten bereitzustellen, und zwar nicht erst dann, wenn eine große Anzahl von Schülerinnen und Schülern und möglicherweise auch Lehrkräften in Quarantäne ist, sondern schon vorsorglich vorher und planvoll.

Ich frage die Landesregierung, wie sie diese Möglichkeit von hybridem Unterricht bewertet, unter welchen Bedingungen sie sie befürwortet und welche Anstrengungen bisher unternommen worden sind, um einen solchen hybriden Unterricht auch praktisch zu ermöglichen.

Vielen Dank. - Herr Minister Tullner begibt sich schon zum Mikrofon. - Sie haben jetzt auch gleich das Wort. Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung ist in ganz verschiedener Hinsicht dabei, sich den Herausforderungen der Coronapandemie zu stellen. Politisch gesehen - darüber bin ich ausdrücklich sehr froh - ist es bei der letzten Verabredung - bei der vorletzten, muss man ja fairerweise sagen - der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin zu einer klaren Prioritätensetzung im Bildungsbereich gekommen. Man hat gesagt, bei allen kontaktbeschränkenden Maßnahmen wird ausdrücklich das Thema Bildung, also frühkindliche Bildung, aber auch schulische Bildung, vor die Klammer gezogen und unter den Coronabedingungen als akzeptabel und verantwortbar angesehen.

Wir haben seit dem 13. März, an dem die Ministerpräsidentenkonferenz und die parallel tagende Kultusministerkonferenz unter anderen Aspekten in den Schulschließungsmodus gegangen sind, einen tiefen Lernprozess erlebt oder erleben müssen, in dessen Folge wir sehr mühsam und sehr intensiv über die Frage gerungen haben, unter welchen Rahmenbedingungen die Schule wieder zu öffnen ist. Wir erinnern uns alle an die Themen Abschlussklassenpriorisierung, betreuungsintensive Jahrgänge etc. Diese Stufe ist dann bis zu den Sommerferien gegangen.

Wir haben dann in den Sommerferien sehr intensiv und sehr sorgsam mit den Kolleginnen und Kollegen der anderen Bundesländer über die Frage gerungen, unter welchen Bedingungen wir in das neue Schuljahr starten. Daraus sind dann - - Ich verkürze jetzt mal, weil wir sicherlich auch noch zu Fragen kommen wollen und ich, glaube ich, nur drei Minuten reden soll. - Okay. Dann muss ich mich mal kürzer fassen.

Also, dann haben wir

(Zuruf: Gewiss!)

über die Hygienerahmenpläne

(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

diskutiert und haben die dann sozusagen in dem Maße, wie die Sommerferien zu Ende und die Länder wieder in den Schulbetrieb gegangen sind, auf Länderrahmenpläne adaptiert und dann natürlich vor allen Dingen auch die konkreten Rahmenpläne der einzelnen Schulen, die ganz konkrete Bedingungen vor Ort haben - Gebäuderahmenbedingungen usw. in den Blick nehmend - konkretisiert. Das ist so weit alles gelaufen.

Dann kam die jetzt von uns leider zu verzeichnende zweite Welle. Jetzt flammt eine Debatte auf, die heißt: Bis wann ist es noch verantwortbar, den Schulbetrieb aufrechtzuerhalten? - Diese Frage ist wirklich keine ganz leichte. Wir ringen da auch beinahe täglich in verschiedenen Runden darum, das zu definieren.

Wir haben ja eine hohe Spreizung. Ich sage mal, Frankfurt am Main - ich kenne die konkreten Tageszahlen von heute nicht - hat bei einer Inzidenz von 250 oder mehr die Schulen offen. Wir haben ja, auch wenn man das Jerichower Land und solche Bereiche hat, doch deutlich geringere Maßgaben. Trotzdem müssen wir diese Dinge machen.

Fakt Nr. 1: Der Präsenzunterricht ist das prioritäre Ziel, mit dem wir Bildung gestalten wollen; denn nur so erreichen wir Kinder aus ganz verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und auch aus ganz verschiedenen Bildungsstandards. Das ist aus meiner Sicht und aus der Sicht aller Kollegen und Bildungsforscher alternativlos.

Wir müssen uns aber auch mit der Frage beschäftigen - da bitte ich Sie einfach, einmal in unseren Landeshygieneplan zu schauen, den wir in der letzten Woche modifiziert haben -, dass wir uns über Stufenmodelle unterhalten. Ab einer bestimmten Inzidenz, die wir an den Quarantänezahlen festgemacht haben, müssen wir über Maßnahmen des sogenannten Hybridunterrichts - früher haben wir Wechselmodell gesagt, heute sagen wir Hybridunterricht - nachdenken. Dafür haben wir viel Kraft und Energie investiert.

Ich habe, glaube ich, irgendwie in der letzten Woche versucht, in einem „Volksstimme“-Interview mit Zahlen deutlich zu machen, was sich sozusagen in digitalen Formaten getan hat. Dabei müssen wir unterscheiden zwischen der Betrachtung digitalen Unterrichts im Feuerwehrmodus, um Coronabedingungen zu begegnen, und den normal bodenständig zu implementierenden digitalen Lernformaten.

Da sind wir in Deutschland nach wie vor in einem Status, der uns nicht zufriedenstellen kann, wenn ich an die Anschlussquoten bei den Haushalten denke. Wir haben zum Beispiel - um ein Beispiel zu nennen; wir haben uns gestern gerade noch einmal informiert - Stand letzte Woche elf Schulen gehabt, die ganz geschlossen waren. Davon ist ein Teil mittlerweile wieder am Netz.

Die Erfahrungen, die diese Schulen gemacht haben, sind sehr differenziert. Es gibt eine freie Schule - ich sage jetzt bewusst nicht, wo -, in der ganz klar gesagt wird, wir können keine digitalen Lernangebote machen, weil unsere Eltern und Kinder nicht zu erreichen sind. Die sind in einer Region in diesem Land unterwegs, in der Digitalisierung nicht gelebt wird. Wir haben andere Schulen, in denen das über Moodle und anderes sehr gut klappt. Deswegen sind wir nach bestem Wissen darauf vorbereitet, beim Bildungsserver angefangen, der jetzt in stabilere Formate umzieht, bis hin zu den Angeboten auf Lernplattformen und Lernangeboten, die wir bereitgestellt haben.

Das Thema Endgeräte für Schülerinnen und Schüler ist auch zu nennen. Da will ich dem Bund ausdrücklich auch noch einmal ein kräftiges Danke dafür sagen, dass er uns da geholfen hat. Bei den Bestellungen, die wir zentral als Land verantworten, ist der überwiegende Teil bei den Schulträgern. Ich glaube, mittlerweile sind 13 000 von 15 000 Geräten sind bei den Schulträgern.

Die anderen 30 000 Geräte, die die Schulträger selbst bestellen wollten, also die, die das selbst machen wollten, brauchen - das überrascht mich jetzt nicht - offenbar ein bisschen länger. Aber auch da haben uns die kommunalen Spitzenverbände zugesichert, dass die bis zum Jahresende bei den Schulträgern sein können.

Somit können wir insgesamt beim Thema Digitalisierung, wenn die Frage dahin zielte, sagen, dass wir einen großen Schritt vorangekommen sind.

Aber die Schule lebt nicht im luftleeren Raum. Wir brauchen die Breitbandanbindung an den Schulen. Wir brauchen eine Breitband- und bessere Internetanbindung der Elternhäuser. Stichwort Halle - jetzt geht es nicht um die Altmark oder um den Bereich hinter Wittenberg. In Halle schreibt eine Schülerin - Sie hat sogar an den Telekom-Vorstand geschrieben -, dass sie endlich

nicht eine halbe Stunde brauchen will, um ein Youtube-Lernvideo herunterzuladen. Das sind die Lebenswirklichkeiten in diesem Land.

Solange die Digitalisierung in der Grundinfrastruktur nicht flächendeckend im Land vorhanden ist, werden wir immer wieder an konkrete Grenzen stoßen. Die Kolleginnen und Kollegen in Schulen sind aber bereit, willens und in der Lage, andere Möglichkeiten zu finden und diese enge Kommunikation mit den Elternhäusern trotzdem zu organisieren. - So, ich mache meinen ersten Punkt. Es gibt sicherlich Nachfragen.

Ja, es gibt tatsächlich mehrere Fragesteller, und zwar habe ich inzwischen fünf auf meiner Liste. - Wir beginnen mit Frau von Angern. Sie haben das Wort. Bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Minister, wir teilen das Ansinnen, dass die Schulen möglichst lange offengehalten werden, um auch gerade sozialen Spaltungen vorzubauen. Ich habe mir jetzt angehört, was Sie gesagt haben. Sie haben mehr gesagt, als gefragt worden ist. Aber das eigentlich Entscheidende fehlt mir.

Deswegen folgt meine Nachfrage: Was hindert Sie daran, nicht darauf zu warten, dass die Zahl der Infektionen an den Schulen steigt und mehr und mehr Schulen geschlossen werden müssen, vor dem Hintergrund, dass wir sehen, dass sich das Infektionsgeschehen immer mehr in die jüngeren Alterskohorten hineinbewegt?

Was hindert Sie daran, die Empfehlungen, die die Leopoldina gegenüber den Ministerpräsidenten und auch Ihnen gegenüber abgegeben hat, unverzüglich umzusetzen und unverzüglich in einen Halbtagsunterricht umzusteigen, in einen hybriden Unterricht da, wo es möglich ist, und somit sowohl die Lehrerinnen und Lehrer als auch die Schülerinnen und Schüler und alle Angehörigen in den Familien zu schützen?

Herr Minister, bitte.

Frau von Angern, wir müssen hier, glaube ich, sehr genau unterscheiden. Das Schöne an der Debatte ist ja, dass in der Kultusministerkonferenz, glaube ich, acht Kolleginnen und Kollegen sind, die in der Sozialdemokratie beheimatet sind. Ein Kollege, mit dem ich sehr eng und gut zusammenarbeite, Herr Holter, gehört Ihrer Fraktion an. Der Rest ist bei der CDU und ähnlichen

Dingen zu Hause. Also, grundsätzlich sind wir bereit, in den Hybridunterricht umzusteigen.

(Zuruf von Eva von Angern, DIE LINKE)

Technisch haben wir viele Voraussetzungen geschaffen, in dem Maße, wie es möglich ist. Ich habe die Risiken, glaube ich, beschrieben. Wir können über hybride Modelle nachdenken.

Wenn aber allein die Erfahrungen aus dieser einen Grundschule in der letzten Woche gezeigt haben, dass digitale Kommunikationsmöglichkeiten scheitern, weil die Elternhäuser nicht erreichbar sind, dann stehen wir vor verschiedenen Herausforderungen.

Deswegen sagen wir: Solange es verantwortbar ist, bleiben die Schulen im Vollmodus, und zwar aus einem ganz einfachen Grunde. Es gibt das Recht auf Bildung. Sie haben die Dimensionen kurz angerissen. Und Bildung - das haben wir in der Phase vor den Sommerferien gemerkt - ist ein zutiefst sozialer Prozess.

Es gibt viele Eltern, die meinen, im Hybridmodell wäre alles einfacher. Das sind Elternhäuser, die die Ressourcen, Möglichkeiten und Kompetenzen haben, um sich um ihre Kinder zu kümmern.

(Zuruf)

Wir haben aber die intensive Erfahrung gemacht, dass wir eine bestimmte Klientel, bestimmte Schülerinnen und Schüler nicht erreicht haben. Das belegen übrigens auch Studien, die jetzt gerade in Belgien erschienen sind. Auch die Kinderforscher warnen davor - das ist ja ein Thema, das Ihnen sehr wichtig ist -, dass die Armutsrisiken, die sich später aus mangelnder Bildung ergeben, deutlich steigen werden.

Deshalb sind wir in der Bildungsministerkonferenz fest entschlossen, solange es irgendwie verantwortbar ist, den analogen Schulbetrieb aufrechtzuerhalten, weil wir alle wissen, dass unsere Kinder - ich möchte mich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich bei den Kolleginnen und Kollegen bedanken, die in den Schulen tagtäglich unter diesen schwierigen Bedingungen einen herausragenden Job machen und den Schulbetrieb aufrechterhalten - einen Schulbetrieb brauchen, in dem sie gemeinsam sozial lernen können. Das ist die Herausforderung, vor der wir stehen. Zu dieser Position stehen 16 Kultusminister ganz klar.