Protocol of the Session on November 3, 2020

(Zurufe)

- Herr Rausch, ich möchte mit Ihnen kein Zwiegespräch führen.

(Zustimmung)

Wir führen eine aktuelle Debatte, in der alle anderen Abgeordneten auch das Recht haben, eine Frage zu stellen, so wie Sie es hatten. Das habe ich Ihnen gegönnt und ich habe es Ihnen erlaubt. Jetzt sind die anderen an der Reihe. Lassen Sie die anderen auch einmal zu Wort kommen. Ihr Kollege Höse steht dort oben und möchte eine kurze Nachfrage stellen. - Diese gewähre ich Ihnen jetzt.

Vielen Dank. - Herr Haseloff, ich wollte eigentlich bloß nachfragen, warum Sie mir wieder einmal, wie im letzten Plenum, nicht auf meine Frage geantwortet haben.

(Zuruf: Oh! - Weitere Zurufe - Lachen)

Ich wiederhole es gern noch einmal. Es geht nicht nur um die 0,2 %. Ja, es geht auch um sie, aber es geht auch um jeden einzelnen in unserer Gesellschaft. Es gibt immer eine Verhältnismäßigkeit insgesamt von dem, was eine Gesellschaft leisten kann, um auch ein Einzelschicksal zu begleiten und aufzufangen, gegenüber der Gesamtverantwortung. Diese Maßnahmen ergreifen wir nicht nur des Gesundheitssystems, des Notstandes wegen, sondern weil wir einen Vorgang bremsen müssen, der ansonsten im Sinne einer - - Schauen Sie nach Amerika, in die Vereinigten Staaten, wo so etwas letztlich ungebremst durch die Gesellschaft läuft. Schauen Sie sich dann die dortigen wirtschaftlichen Daten an und vergleichen Sie das einmal mit unserer Situation.

(Zurufe)

Dann wissen Sie, warum wir diesen Prozess nicht mit allem Drum und Dran ungesteuert laufen lassen können.

Sie stellen Fragen und beantworten Sie dann selbst. Dann braucht der Ministerpräsident diese hier gar nicht mehr zu beantworten, wenn Sie das nicht zulassen.

(Zustimmung)

Dann verstehe ich das nicht mehr.

Herr Poggenburg, Sie haben jetzt die Möglichkeit. Und bitte auch an Sie der Rat, den ich gerade gegeben habe. Versuchen Sie, sich kurzzufassen; wenn möglich auch beim Ministerpräsidenten. Aber das ist manchmal nicht einfach. Bitte.

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, in dieser aufgeheizten Debatte - mittlerweile ist es doch irgendwie eine Debatte - möchte ich etwas ganz sachlich und mit allem Respekt sagen. Sie haben angeführt, dass Kontaktbeschränkungen oder eben auch Kontaktverbote, je nachdem wie weit man das jetzt treiben möchte, natürlich das Mittel seien, um die weitere Ausbreitung einer Coronapandemie zu verhindern. Das klingt erst einmal sehr logisch. Das ist ja ganz klar.

Eine Pandemie oder Epidemie, die sich nicht weiter ausbreiten soll, kann durch Kontaktbeschränkungen natürlich behindert werden. Vor diesem Hintergrund gibt es aber einen Fakt, eine Tatsache. Ich selbst war auch mehrmals bei Großdemonstrationen mit - ich kann es wirklich bestätigen - Hunderttausenden Menschen, die durch in dem Moment schlechte Polizeimaßnahmen oder eine schlechte Führung der Polizei nicht mit Kontaktbeschränkungen, sondern mit Vollkontakt - mit Vollkontakt! - unterwegs waren. Danach hätte doch eine Welle der Infizierungen über Deutschland hereinbrechen müssen, wenn alles so stimmt, wie es dargestellt wird. Das ist aber nicht passiert. Es ist nicht passiert!

Wenn man das ernst nimmt, was immer gesagt und erzählt wird - ich übertreibe es jetzt absichtlich etwas bildhaft -, dann müssten theoretisch nach solchen Veranstaltungen, nach solchen Kontakten Leichenberge die Straßen säumen. Gott sei Dank ist das nicht der Fall. Aber es zeigt doch irgendwie, dass das ganze Theater so nicht stimmt. Was sagen Sie dazu?

Herr Ministerpräsident.

Sie sprechen von Theater. Ich habe eine andere Vorstellung davon, was dieser Begriff bezeichnet.

Wenn wir von den gleichen Demonstrationen sprechen, die Sie jetzt hier angeschnitten haben, dann meinten Sie Demonstrationen, zu denen aus ganz Deutschland Menschen zusammengekommen sind und wieder in ihre Herkunftsorte zurückgefahren sind. Nehmen Sie sich einmal die Deutschlandkarte zur Hand und schauen Sie sich an, was dort abgegangen ist. Dann wissen Sie, warum es teilweise in Bundesländern einen Inzidenzwert von mehr als 100 gibt; gerade auch dort, wo es mehr oder weniger sehr, sehr intensive Kontakte gibt und wo es aufgrund der Bevölkerungsdichte usw. usf. nicht verhindert oder vermindert werden konnte. Dann wissen Sie, warum letztendlich die Zahlen entstanden sind, die dort das System an die Grenze der Belastbarkeit führen.

Es gibt eine ganz klare Korrelation. So möchte ich es einmal bezeichnen. Wir müssen jetzt etwas leisten, nämlich 75 % der Kontakte zu reduzieren, damit wir wieder auf ein zu bewältigendes Niveau kommen. Wir werden es nicht auf Null senken können, weil die Wirtschaft ja bis auf die ganz wenigen Bereiche, die wir herausgenommen haben, weiterläuft. Die Gesamtgesellschaft ist dieses Mal - ich kann jetzt keine Faustformel entwickeln - gegenüber dem Frühjahr nur zu einem sehr geringen Teil betroffen. Wir tragen Verantwortung dafür, dass die Lasten und die entsprechenden Ausfälle von uns solidarisch getragen werden. Ansonsten läuft die Gesellschaft weiter in einem geordneten Verfahren mit Hygieneregeln. Das ist der Unterschied zum Frühjahr. Das lässt uns letztendlich auch hoffen, dass wir die nächsten Monate vernünftig durchstehen, wenn die Menschen verstehen, dass es um unsere gemeinsame Zukunft geht, und wenn alle versuchen mitzumachen.

(Zustimmung)

Herr Poggenburg, Sie können eine wirklich nur ganz klitzekleine Nachfrage stellen.

Ja. - Herr Haseloff, ich erkenne an, dass Sie sich bemüht haben, die Frage zu beantworten. Ich merke aber auch, dass Sie sie letztlich nicht beantwortet haben. Ich rechne es Ihnen trotzdem positiv an, dass Sie sich bei der ganzen Sache sehr unwohl fühlen. Das zeigt auch das ganze Dilemma dieser Veranstaltung. - Danke.

Herr Lieschke ist der nächste Fragesteller. Danach kann sich Frau von Angern schon vorbereiten. - Herr Lieschke, bitte.

Sie haben gravierende Einschränkungen für unser Land beschlossen, und zwar in der Ministerpräsidentenkonferenz, die Sie durchgeführt haben. Es ist klar, dass alle Länder einen anderen Status bei den Infektionszahlen, den Krankheitszahlen, Todesfällen usw. haben. Unser Land ist wirklich sehr, sehr wenig beeinflusst.

Sie haben hier vorhin ein bisschen abfällig über die AfD als eine nicht wirkliche Opposition gesprochen. Ihnen sollte aber doch klar sein, dass wir alle 2016 in den Landtag gewählt worden sind, weil wir den Willen des Volkes vertreten möchten. Genau das möchten wir als AfD-Fraktion natürlich auch tun. Deswegen fragen wir uns letztendlich, warum Sie die Entscheidungen allein treffen. Vielleicht sind gar nicht die Gaststätten das Problem. Vielleicht sind das die fünf Monteure, die ständig Woche für Woche in einem Auto irgendwohin zur Montage fahren müssen, oder andere Maßnahmen.

Meinen Sie nicht, dass es sinnvoller gewesen wäre, hier im Landtag darüber zu debattieren, also dort, wo der Volkswille umgesetzt wird, anstatt allein zu sagen: Wir machen es jetzt so und reden vielleicht mit ein paar Leuten von den Koalitionsfraktionen darüber, was gut für das Land ist. Meinen Sie nicht, dass diese ganze Diskussion darüber, welche Maßnahmen gerechtfertigt sind, womit man vielleicht warten kann oder was man vielleicht noch dringender erledigen müsste, als die Gaststätten zu schließen, genau hierher gehört?

Sie haben eine Branche ausgesucht, die jetzt trotz Förderung flächendeckend große Probleme hat. Maßnahmen, über die wir sagen können, dass der Wille des Volkes, sagen wir einmal, mitbestimmt, hat es nicht gegeben. Sie haben es entschieden. Ich glaube, deswegen sind wir und viele Bürger dort draußen auch sauer. - Vielen Dank.

(Zustimmung)

Herr Ministerpräsident.

Das Land Sachsen-Anhalt ist kein autarker Nationalstaat, sondern wir sind in einer bundesstaatlichen Ordnung eingebettet in ein Gesamtsystem. Wir exekutieren ein Bundesgesetz. Es ist durch den Bundestag eine Pandemie festgestellt worden. Das entsprechende Bundesgesetz - das habe ich vorhin schon erklärt - hat mit Verordnungsermächtigungen letztendlich einen Umsetzungsmodus vorgesehen, den wir praktizieren. Wenn das Gesetz verändert wird, dann sind auch

andere Wege vorstellbar. Vieles ist denkbar. Aber die Prozedur ist momentan so.

Ich kann Ihnen sagen: Es war gut so, dass wir in den letzten Monaten relativ schnell auf die Situation reagieren konnten. Ich denke, dass wir insgesamt aus der Bewältigung dieser Pandemie, die noch nicht endgültig bewältigt ist - ich bin aber der frohen Hoffnung, dass wir es schaffen -, letztendlich für das Gesetzgebungswerk unserer Bundesrepublik sicherlich noch weitere Entwicklungen sehen werden. Darin bin ich mir ziemlich sicher. Jetzt haben wir aber unsere Aufgaben zu erfüllen. Das ist halt so.

Herr Lieschke.

Das sagen sie alle.

Grundlegend ist es eine Landesverordnung. Hätten Sie das Parlament mit einbeziehen dürfen oder können? Wäre das gegangen?

Herr Ministerpräsident.

Eine Verordnung zur Exekutierung eines Bundesgesetzes sieht eine Landtagsabstimmung in der Form nicht vor. Es ist kein Landesgesetz als Grundlage vorhanden.

Frau von Angern, Sie haben jetzt die Möglichkeit, Ihre Frage zu stellen. Bitte.

Danke, Frau Präsidentin. - Herr Ministerpräsident, Sie haben das Problem der Kontaktnachverfolgung bzw. der nicht mehr möglichen Kontaktnachverfolgung angesprochen. Nun kann ich mich daran erinnern, dass Sie der einzige Ministerpräsident waren, der beschlossen hat, dass in Sachsen-Anhalt die Kontaktnachverfolgung bzw. die Nachweispflicht für das Gastgewerbe aufgehoben wurde. Ist das etwas, was Sie nunmehr bereuen, bzw. verstehen Sie vor dem Hintergrund dieser erst kürzlich getroffenen Entscheidung und vor dem Hintergrund, dass nicht nachverfolgt

werden kann, wo Infizierungen stattfinden, dass das Verständnis in der Bevölkerung gerade für die Maßnahme der Schließung des Gastgewerbes nunmehr angesichts Ihres widersprüchlichen Agierens schwindet?

Herr Ministerpräsident.

Frau von Angern, die Entscheidung ist nicht politisch getroffen worden, sondern es war eine klare Empfehlung des Pandemiestabes auf der Basis der klaren Ansagen der Gesundheitsämter dazu, welche Daten sie für die Kontaktnachverfolgung in den Zeiten, als diese noch relativ einfach war, zugrunde gelegt haben. Wenn diese Listen - es gibt zusätzlich das Datenschutzproblem, das Sie auch kennen - nicht verwendet werden, dann kann man sie sich auch schenken. Sie sind auch nicht relevant für das gewesen, was sich im Lande und in der Bundesrepublik an Ausbreitungsgeschehen generell abgespielt hat. Denn überall, wo die Kontaktlisten geführt wurden - sie waren auch nicht verwendungsfähig -, haben sie praktisch keine Wirkung auf die dortigen Infektionszahlen gehabt. Allerdings möchte ich jetzt keine Zusammenhänge herstellen.

Ich will einfach nur sagen, dass wir viele Dinge auf den Weg gebracht haben im Sinne folgender Aspekte: Was grenzt man ein? Was macht man transparent? Was erfasst man? Was ist nachher verwendungsfähig? - Das ist schlicht und einfach ein Instrument gewesen, das fachlich aussortiert wurde. Deswegen ist es auch abgeschafft worden und wird wahrscheinlich in der Form nicht wieder eingeführt werden, weil die Infektionen in anderen Zusammenhängen und in anderen Bereichen erfolgt sind.

Ich habe es vorhin schon versucht zu erläutern. Wenn wir die Fälle, die wir nachverfolgen konnten, zugrunde legen - momentan spielt es ohnehin keine Rolle, weil die Gaststätten geschlossen sind -, wenn wir die Zeit zugrunde legen, in der wir sozusagen noch in der zweiten oder dritten Generation der Infektionskette waren - „Generation“ bezieht sich jetzt auf die Infektionsweitergabe -, dann sehen wir sehr, sehr gut, was mehr oder weniger die eigentlichen Ursachen sind. Wir sehen, wo es mehr oder weniger durch Superspreader hochgegangen ist und dann mehr oder weniger auch den GAU erzeugt hat bzw. dann sozusagen die Herde außer Kontrolle geraten sind.

Das ist dann meist auch in einer Phase, in der die Quantitäten einfach nicht mehr ausreichen und in der eine Liste in einem Restaurant auch nicht

dienlich gewesen wäre. Das kann Frau GrimmBenne Ihnen gern im Ausschuss darstellen. Das war eine fachliche Entscheidung, die nicht politisch begründet gewesen ist.

Vielen Dank. - Es gibt zwei letzte Wortmeldungen. Als Erster spricht Herr Lippmann und dann Herr Gallert. Danach schließe ich die Liste. - Herr Lippmann, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Haseloff, Sie haben in Ihrem Vortrag mehrfach darauf hingewiesen, dass es darauf ankommt, was in den nächsten 14 Tagen passiert und was dann in der vereinbarten Zwischenevaluation am 16. November 2020, wenn ich das richtig mitbekommen habe, weiter besprochen wird.

Meine Frage richtet sich darauf, welche Evaluationsmaßstäbe man sich vorzustellen hat. Welche Evaluationsmaßstäbe wollen die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin anlegen? - Ich frage Sie das sowohl als Ministerpräsidenten als auch als Physiker, der mit Evaluationen vertraut ist. Welche Szenarien stellt man sich vor? Welche Erwartungshaltung gibt es dazu, was am 16. November auf dem Tisch liegen könnte? Welche neuen, welche anderen verschärften oder gelockerten Maßnahmen könnte das nach sich ziehen? Welche Überlegungen gibt es für den Fall, dass man - das ist heute schon angesprochen worden - feststellt, dass man eventuell die falschen Treiber angefasst hat? Macht man dann trotzdem weiter?