Frau Präsidentin, wenn Sie gestatten: Wir könnten deren Anliegen durchaus nähertreten. Ich teile aber die Auffassung, dass wir das in einer regulären Sitzung machen. Dann geht das geordnet vonstatten und dann wissen es auch alle.
Ich habe nur gesagt: In der heutigen Sitzung machen wir das nicht. - Wir werden es an anderer Stelle auf jeden Fall nachholen.
Ich sehe, es gibt keine Anmerkungen oder Änderungswünsche zur Tagesordnung. Damit können wir so verfahren.
Bevor wir aber in die heutige Tagesordnung einsteigen, möchte ich gern die Gelegenheit nutzen und das Mitglied des Europäischen Parlaments Herrn Sven Schulze recht herzlich im Hohen Hause, dem Landtag von Sachsen-Anhalt, begrüßen. Er wird - wie wir das derzeit handhaben - unten in unserem Besucherzentrum sitzen und die Plenarsitzung verfolgen. Er hatte ein Anliegen, hat er den Weg zu mir gefunden und hat mich das vorab wissen lassen. Deswegen an dieser Stelle: Herzlich willkommen im Hohen Hause!
ten Herrn Dr. Reiner Haseloff zum Thema: „Stand der SARS-CoV-2-Pandemie und die zu ihrer Bekämpfung notwendigen Maßnahmen“
Herr Ministerpräsident, ich bitte Sie, zum Rednerpult zu gehen. Dort dürfen Sie Ihre Maske absetzen. Sie haben das Wort, bitte.
Frau Präsidentin! Verehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Coronakrise betrifft nicht allein Deutschland, sie betrifft nicht allein Europa, die Coronakrise betrifft die ganze Welt. Und so, wie wir heute hier diskutieren, wird überall auf der Welt diskutiert. Die Maßnahmen, die wir im Kampf gegen das Virus verhängt haben, werden manchmal weniger einschneidend, manchmal drastischer auf der ganzen Welt verhängt.
Sachsen-Anhalt ist keine Insel der Glückseligen, die vom Coronavirus verschont bleibt; das muss uns allen bewusst sein. Gewiss: Lange haben wir es durch ein fein abgestimmtes Instrumentarium und eine gute Abstimmung zwischen Land und Kommunen geschafft, die Ausbreitung des Virus zu verzögern und zeitweise zurückzudrängen. Ich möchte allen Bürgerinnen und Bürgern in Sachsen-Anhalt danken, die dies durch ihr verantwortungsbewusstes Handeln ermöglicht haben.
Doch nun steigen auch bei uns die Fallzahlen rapide, auch wenn wir immer noch besser dastehen als die meisten anderen Bundesländer. Selbst wenn die Lage bei uns noch nicht so zugespitzt ist wie in anderen Regionen Europas: Machen wir uns bitte nichts vor! Es hat keinen Sinn, jetzt in Vogel-Strauß-Manier den Kopf in den Sand zu stecken und die Existenz des Virus auszublenden. Das bringt das Virus nicht zum Verschwinden. Es ist jetzt auch nicht die Zeit für parteipolitische Ränkespiele, gegenseitige Schuldzuweisungen und Belehrungen.
Was die Menschen von uns erwarten, ist, dass wir handeln, dass wir Lösungen für den Weg aus der Krise finden. Die Menschen erwarten ebenso, dass dies schnell und fundiert geschieht.
Schon jetzt ist offenkundig: Wenn wir jetzt nicht gehandelt hätten, würden wir auf den Intensivstationen bald chaotische Verhältnisse haben. Es würde noch viel mehr Tote geben und die Ärzteschaft müsste in einer Triage Menschen abweisen, die damit dem sicheren Tod geweiht wären.
Diese Schreckensdystopie, die in anderen Staaten bereits Realität ist, wollen und müssen wir gemeinsam verhindern. Dieser Aufgabe haben wir uns in Sachsen-Anhalt gestellt. Das haben auch die Regierungschefs der Länder in Abstimmung mit der Bundeskanzlerin in der letzten Woche getan.
Seit Beginn der Pandemie war der Landesregierung und mir dabei immer die Abstimmung mit dem Landtag von Sachsen-Anhalt wichtig. Ich habe mich an dieser Stelle seit Ende März bereits viermal an Sie gewandt, um Maßnahmen der Landesregierung zur Eindämmung der Covid-19Pandemie zu erläutern, um Ihre Fragen zu beantworten und Hinweise aus dem Parlament aufzunehmen. Angesichts der dramatischen Zuspitzung der Situation und aufgrund der Schwere der neuerlichen Eingriffe ist es der Landesregierung wichtig, nicht allein die sie tragenden Fraktionen, sondern die Gesamtheit dieses Hohen Hauses
über die Lage in Deutschland und im Speziellen in Sachsen-Anhalt zu informieren sowie die beschlossenen Maßnahmen Ihnen gegenüber zu erläutern.
Dass die Lage dramatisch ist, steht außer Zweifel. Wir beobachten in Sachsen-Anhalt, wie in Deutschland insgesamt, seit Anfang Oktober eine stetig zunehmende Anzahl an Neuinfizierten. Darüber hinaus ist zuletzt eine so auch von Experten nicht erwartete Beschleunigung der Verbreitung des Covid-19-Virus zu verzeichnen. In einem Zeitraum von wenigen Wochen hat sich in Sachsen-Anhalt die Zahl der Neuinfizierten je 100 000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen mehr als verachtfacht und in den meisten anderen Ländern liegt der Wert noch bedeutend höher.
Wie in Deutschland insgesamt bereits seit geraumer Zeit können wir auch in unserem Land inzwischen etwa drei Viertel der Neuinfektionen nicht mehr eindeutig einem konkreten Ansteckungskontakt zuordnen und daher nicht mehr wirksam eindämmen. Setzt sich diese Entwicklung fort, droht eine unkontrollierbare Ausbreitung des Virus, die, wie es die Kanzlerin richtig darstellte, nicht allein den phasenweisen Zusammenbruch unseres Gesundheitssystems zur Folge hätte, sondern mittelfristig auch andere Infrastrukturen in Gefahr bringen würde, dies mit massiven sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen.
Die Regierungschefinnen und -chefs der Länder und die Bundeskanzlerin haben in diesem Zusammenhang gemeinsam die Gefahr eines nationalen Gesundheitsnotstandes festgestellt, der in wenigen Wochen alle Teile der Bundesrepublik erfassen würde, sollte sich diese Entwicklung fortsetzen.
Auch in Sachsen-Anhalt wird die Pandemie ohne weiteres Zutun mit einer nur kurzen Verzögerung denselben Verlauf nehmen wie in den anderen, bisher noch stärker betroffenen Bundesländern. Um dies abzuwenden, müssen temporär auch in Sachsen-Anhalt Eindämmungsmaßnahmen wieder ausgeweitet werden. Dies tun wir nicht allein aufgrund der Lage in Sachsen-Anhalt, sondern wir verstehen dies auch als ein Zeichen der nationalen Solidarität, der Solidarität gegenüber den Bundesländern, die besonders unter den Auswirkungen der Pandemie zu leiden haben. Aber wir tun es auch im Wissen darum, dass die derzeitigen Maßnahmen nur Erfolg haben können, wenn sie in der gesamten Bundesrepublik gleichzeitig und identisch greifen.
Darum hat die Landesregierung letzten Donnerstag in einer Sondersitzung des Kabinetts beschlossen, die zwischen Bund und Ländern abgestimmten Maßnahmen im Rahmen einer zweiten Änderung der Achten Eindämmungsverord
nung umzusetzen. Hauptziel ist es, dass alle Bürgerinnen und Bürger die Kontakte zu Menschen außerhalb des eigenen Hausstands auf ein absolut nötiges Minimum reduzieren. Dies soll helfen, die Zahl der Kontakte möglichst schnell um bis zu 75 % zu senken.
Wir alle haben gesehen, wie wirksam Kontaktbeschränkungen in der ersten Zeit der Pandemie zu deren Eindämmung beigetragen haben. Das muss uns nun erneut gelingen.
Die Unterbindung von möglichst vielen Kontakten soll zudem dadurch erreicht werden, dass auch die Anzahl der Orte, an denen es zu vielen Kontakten kommen kann, für eine absehbare Zeit reduziert wird.
Wir sollten dabei aber nicht vergessen, dass die Kontaktbeschränkungen für den November sehr viel weniger rigide sind als diejenigen im Frühjahr. So ist es das vorrangige Ziel der Länder und des Bundes, Kindern und Jugendlichen weiterhin den Besuch von Kindertagesstätten, Horten und Schulen zu ermöglichen. Auch bleiben Einrichtungen des Handels und des Handwerks, die im Frühjahr noch schließen mussten, unter Beachtung der Hygieneregeln geöffnet. So sollen die Auswirkungen der notwendigen Eindämmungsmaßnahmen auf die deutsche Wirtschaft so weit wie möglich begrenzt werden. Wir dürfen schließlich in der Pandemie nicht die Zukunftschancen unseres Landes verspielen.
Daher haben wir beschlossen, zur Reduzierung der Kontaktmöglichkeiten in erster Linie Institutionen und Einrichtungen zu schließen und Veranstaltungen zu untersagen, die der Freizeitgestaltung zuzuordnen sind. Darüber hinaus soll auf nicht notwendige Reisen und überregionale tagestouristische Ausflüge verzichtet werden, dies mit dem Ziel, die Mobilität und damit die Möglichkeit vieler Kontakte zu verringern.
Der Bundeskanzlerin und den Regierungschefinnen und -chefs der Länder war bei dieser Entscheidung sehr bewusst, dass von den beschriebenen Schließungen und Verboten erneut Selbstständige, Unternehmen und deren Mitarbeiter in einem hohen Maße betroffen sind, die bereits seit dem Beginn der Pandemie massiv unter den beschlossenen Maßnahmen leiden. Ich persönlich kann daher die Enttäuschung und vor allem die Sorge derjenigen Betroffenen, deren Briefe, E-Mails und Telefonanrufe mich in den vergangenen Tagen erreichten bzw. die ich persönlich sprechen konnte, wie den DEHOGA-Vorstand und weitere Vertreter von Kammern und Verbänden, gut nachvollziehen.
Für mich war es in diesem Zusammenhang bei meiner Entscheidung für erneute Kontaktbeschränkungen daher besonders wichtig, dass der Bund ein Hilfsprogramm in einem außergewöhnlichen Umfang über insgesamt 10 Milliarden € zugesagt hat. Die von den beschlossenen Maßnahmen erfassten Betriebe, Selbstständigen, Vereine und Einrichtungen sollen zeitnah und unbürokratisch für die Einschränkung ihres Geschäftsbetriebes Hilfe erhalten. Ich füge ein: Das war eine ganz wesentliche Voraussetzung und daran wollen wir uns auch insgesamt messen lassen. Deswegen werden wir dieses Prozedere, das die Bundesregierung derzeit bearbeitet, jeden Tag beschleunigen helfen.