Protocol of the Session on November 3, 2020

(Zustimmung)

Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern sowie Selbstständigen soll ein Anteil von 75 % des entsprechenden Umsatzes aus dem November 2019 erstattet werden. Für Unternehmen und Selbstständige, die im November 2019 noch keine Umsätze aufwiesen, zum Beispiel weil die Unternehmen erst danach gegründet wurden, soll zudem eine adäquate Regelung verabredet werden. Bei Soloselbstständigen, die es vor allem im Kulturbereich gibt, soll ein Zwölftel des Jahresumsatzes 2019 die Bemessungsgrundlage sein.

Für größere Unternehmen werden die Hilfen so gestaltet sein, dass die beihilferechtlichen Möglichkeiten voll ausgeschöpft werden. Darüber hinaus werden die Programme für die hauptsächlich betroffenen Wirtschaftsbereiche, wie die Kultur- und Veranstaltungswirtschaft, sowie für Soloselbstständige verlängert und verbessert.

Ein weiteres Element wollen wir gemeinsam auf den Weg bringen. Morgen befasst sich der Finanzausschuss dieses Hohen Hauses mit der Beschaffung von 500 000 Antigen-Schnelltests. Die ersten 100 000 Tests könnten, sofern der Ausschuss dem zustimmt, noch in dieser Woche bestellt, somit schnellstmöglich geliefert und über die Bundeswehr an die Gesundheitsämter verteilt werden. Damit stellen wir ein wichtiges Instrument für den Schutz vulnerabler Gruppen zu Verfügung.

Verehrte Abgeordnete! Wir stehen vor der Notwendigkeit, einerseits schnell effektive Eindämmungsmaßnahmen umzusetzen. Andererseits

wollen wir zugleich Kindertagesstätten, Horte und Schulen offen halten sowie die negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft, soweit dies möglich ist, begrenzen. Angesichts dieser Herausforderung sind - damit teile ich die Einschätzung der Bundesregierung - die beschlossenen

Maßnahmen geeignet, erforderlich und verhältnismäßig.

Bezogen auf Sachsen-Anhalt bedeutet die Übertragung dieses Beschlusses, dass wir zumindest vorübergehend den Weg der verantwortlichen Rückführung der Covid-19-Eindämmungsmaßnahmen, also unseren Sachsen-Anhalt-Weg, verlassen müssen und erst in einigen Wochen weitergehen können. Das ist aus den von mir beschriebenen Gründen richtig und wichtig. Es ist wichtig für die Menschen, die jetzt motiviert werden müssen, sich auf das, was wir gemeinsam auf den Weg gebracht haben, einzulassen. Zugleich hält die Landesregierung grundsätzlich an ihrem Kurs der regional differenzierten Interventionen und des Grundvertrauens gegenüber der breiten Mehrheit der Bevölkerung fest.

Aus diesem Grund haben wir auch bewusst keine neue Eindämmungsverordnung beschlossen, sondern lediglich die bestehende Achte Verordnung für vier Wochen abgeändert bzw. ergänzt. Diese Änderungsverordnung liegt Ihnen vor, weshalb ich nicht jede Maßnahme im Detail benennen muss. Ergänzt wird sie durch zielgenaue Allgemeinverfügungen der Landkreise und kreisfreien Städte, wo dazu Anlass besteht. Die große Differenzierung im Lande kann man jeden Tag den Medien entnehmen.

Lassen Sie mich jedoch ausdrücklich festhalten, allen beschlossenen Maßnahmen liegt eine grundsätzliche Überlegung zugrunde: Je später die Infektionsdynamik umgekehrt wird, desto länger oder umfassender sind Beschränkungen erforderlich und desto größer wird die Gefahr, dass es wie in anderen Staaten zu Ausgangsverboten kommen kann. Das ist eine Erkenntnis, die die Landesregierung dazu bewog, den Beschluss der Regierungschefinnen und -chefs und der Bundeskanzlerin fast eins zu eins zu übernehmen, anstatt einen eigenständigen Weg Sachsen-Anhalts zu gehen.

Zur Durchsetzung dieser Maßnahmen hat die Landesregierung zudem zeitlich befristet den Bußgeldkatalog angepasst und die Möglichkeit geschaffen, die Ordnungskräfte vor Ort durch Sicherheitskräfte zu unterstützen. Das heißt, die Umsetzung der Maßnahmen wird kontrolliert und Verstöße dagegen werden sanktioniert. Dies sind wir all jenen Mitbürgerinnen und Mitbürgern schuldig, die ihre Verantwortung wahrnehmen und die ihr persönliches Verhalten der verschärften Situation anpassen. Es sind notwendige Maßnahmen, die wir in den einzelnen Regionen praktizieren und die in sehr unterschiedlicher Form zur Anwendung kommen, je nachdem, wie es die jeweilige Situation erfordert.

Die Akzeptanz dieser temporären Maßnahmen ist wichtig und wird darüber entscheiden, inwieweit

das, was wir zeitlich auf vier Wochen limitiert haben, ausreicht. Das ist auch das, was wir mit der Kanzlerin verabredet haben. Wir werden in 14 Tagen, am Montag in zwei Wochen, die vorliegenden Zahlen evaluieren und möglicherweise über fachliche Konsequenzen nachdenken, wenn es darum geht, die verbleibenden zwei Wochen so zu nutzen, dass die Eindämmung der Pandemie deutschlandweit erfolgreich sein kann.

Genauso wichtig ist es, die Wirkung der Maßnahmen jederzeit im Blick zu behalten. Ich sage den Bürgerinnen und Bürgern Sachsen-Anhalts nicht nur zu, dass die Landesregierung gemeinsam mit dem Bund zwei Wochen nach Inkrafttreten der Maßnahmen eine Evaluierung vornehmen wird, sondern auch, dass keine Einrichtung und kein Betrieb länger geschlossen werden, keine Veranstaltung länger untersagt bleiben wird, als es zur akuten Bekämpfung der Pandemie notwendig ist.

Damit sich diese Notwendigkeit für die beschlossenen Maßnahmen möglichst zeitnah erübrigt, müssen wir uns alle darauf besinnen, dass wir selber Teil der Lösung sind. Es muss uns gelingen, in Deutschland die zweite Welle der Covid-19-Pandemie zu brechen. Wir müssen es schaffen, die Zahl der Neuinfektionen nachhaltig zu reduzieren und damit wieder eine deutlich flachere Infektionskurve zu erreichen.

Die aktuellen Zahlen für heute haben Folgendes zutage gefördert: Allein von gestern Nachmittag zu heute Vormittag sind weitere 104 infizierte Personen in Sachsen-Anhalt registriert worden. Wir haben im Land eine pro 100 000 Einwohner gerechnete auf sieben Tag saldierte Quote von 56 Infizierten erreicht. Das ist eine Situation, die jenseits der Schwelle ist, die wir politisch vereinbart haben, um automatisch mit Sondermaßnahmen zu reagieren.

Wenn wir mit den Maßnahmen erfolgreich sind, kann das Wiedererreichen eines höheren Maßes an Lebensqualität in der Advents- und Weihnachtszeit Ergebnis der Anstrengungen aller Bürgerinnen und Bürger in Sachsen-Anhalt und in Deutschland sein. Aber - das füge ich ein - das ist kein Automatismus. Das hängt davon ab, wie wir die nächsten vier Wochen gemeinsam und mit großer Akzeptanz der getroffenen Maßnahmen gestalten.

Daher appelliere ich an alle Sachsen-Anhalterinnen und Sachsen-Anhalter: Helfen Sie dabei mit! Nehmen Sie Verantwortung für Ihre Mitmenschen wahr! Befolgen Sie die beschlossenen Maßnahmen! Lassen Sie uns gemeinsam zurück auf den Sachsen-Anhalt-Weg finden!

(Zustimmung)

Leisten Sie Ihren Beitrag dazu - das geht nur gemeinsam -, dass wir unser Land gut durch diese bisher noch nicht da gewesene Krise bringen.

Lassen Sie mich abschließend noch Folgendes sagen, verehrte Abgeordnete, Frau Präsidentin. Wenn wir unseren Blick auf unser Land richten, dann sehen wir, wie sich in den letzten Monaten eine in Teilen auch sehr gegenläufige Entwicklung gezeigt hat. Die Effekte, die wir im Frühjahr erreicht haben, und die hohe Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger damals, auch sehr stark beeinflusst von den Bildern, die weltweit über die Medien transportiert worden sind, haben dazu geführt, dass wir es - auch mit dem saisonalen Vorteil des Sommer - geschafft haben, auf ein sehr, sehr niedriges Niveau bei den Infektionen zu kommen. In dieser Zeit haben wir es auch geschafft, in vielen Bereichen unserer Gesellschaft mit entsprechenden Hygieneplänen wieder die Arbeitsfähigkeit zu sichern, und konnten damit versuchen, die wirtschaftliche Stabilität wiederherzustellen.

Die jetzige Situation, wiederum sehr stark negativ beeinflusst durch saisonale Einflüsse - das ist, wie gesagt, ein europaweites Phänomen -, führt dazu, dass wir glauben, wir würden viele Dinge, die wir erlangt und erreicht haben, wieder verlieren. Ich bin aber, weil jeder Tag neu darüber entscheidet, was in den folgenden 14 Tagen in unserem Lande passiert, zutiefst überzeugt davon, dass wir es durchaus in der Hand haben, diesen Prozess weiterhin zum Positiven zu steuern, und dass es zumindest in deutlichem Maße gelingen kann, den Anstieg der Zahlen, die wir gerade in den letzten zwei, drei Wochen erlebt haben, deutlich zu bremsen und gegebenenfalls sogar trotz der bevorstehenden Wintermonate umzudrehen. Das ist keine Unmöglichkeit.

Unabhängig davon ist klar, dass wir uns nicht aus dem Gesamtgeschehen herauslösen können. Wir wissen, dass sich aus vielen Bereichen Deutschlands und Europas infolge der Mobilität und aufgrund der entsprechenden logistischen Beziehungen immer wieder auch Effekte in unser Land hineinbewegen.

Aber entscheidend ist - das ist unsere Erkenntnis -, dass die Hotspots, die wir derzeit im Lande haben und die insbesondere die Landkreise und Städte in sehr große Schwierigkeiten gebracht haben, auf ganz wenige individuelle Versagensmomente und Versagensprozesse zurückzuführen sind, die man bezüglich der Kausalkette sehr stark eingrenzen kann. Solange das in den letzten Tagen noch möglich war, ist zumindest auch die Erkenntnis gewachsen, dass es ein zu bewältigender Prozess ist.

Aber die Entscheidung weniger Menschen, sich gegen die verordneten Maßnahmen, die wir auf

den Weg gebracht haben, bewusst aufzulehnen, führt dazu, dass der überwiegende Teil der Gesellschaft in Mitleidenschaft gezogen wird und sehr starke Einschränkungen der Grundrechte hinnehmen muss, was eigentlich vermeidbar wäre.

Deswegen ist es unser gemeinsames soziales Verantwortungsgefüge, das wir in unserem Lande aufrechterhalten müssen, wenn es darum geht, dass wir nicht wegsehen, dass wir alle in der Verantwortung stehen und dass wir vor allen Dingen auch dafür werben, dass das, was wir jetzt tun, nicht ein Stressfaktor ist, den wir in die Gesellschaft hineintransportieren, um polarisierend zu wirken. Wir wollen vielmehr genau das Gegenteil bewirken, nämlich eine Gesellschaft erhalten, die sowohl im Hinblick auf die Generationenverantwortung als auch im Hinblick auf den sozialen Zusammenhalt weiterhin zusammensteht und die die Probleme, die vor uns stehen, auch gemeinsam bewältigt.

Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass das möglich ist. Dafür brauche ich auch Ihre Kraft als Abgeordnete, die als Multiplikatoren und wesentliche Beispielgeber in unserer Gesellschaft mit der Landesregierung gemeinsam diesen Prozess bewältigen und entsprechend gestalten können. Also lade ich Sie ganz herzlich dazu ein. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. - Es gibt mehrere Wortmeldungen. Doch bevor ich die erste Wortmeldung zulasse, möchte ich der Ordnung halber darauf hinweisen, dass noch zwei Anträge der Fraktion DIE LINKE, zum einen in der Drs. 7/6786 zu dem Thema „Stärkung der Rechte des Parlaments und verantwortungsvolles Handeln während der Covid-19-Pandemie“ und zum anderen in der Drs. 7/6787 zu dem Thema „Sachsen-Anhalt in der zweiten Coronawelle - solidarischer Schutz und zielgenaue Maßnahmen“, sowie ein Alternativantrag der AfD-Fraktion in der Drs. 7/6798 vorliegen, über die in verbundener Debatte mit beraten wird.

Jetzt lasse ich die erste Wortmeldung zu. Der Abg. Tobias Rausch hat sich als Erster zu Wort gemeldet.

(Daniel Roi, AfD: Da ist noch eine Interven- tion!)

- Ich habe Sie gesehen.

(Daniel Roi, AfD: Das ist aber eine Kurz- intervention! Dafür muss man sich hier hin- stellen!)

- Ja, Herr Roi, das machen Sie vorschriftsmäßig. Das finde ich auch korrekt. Aber jetzt kommen erst die Fragesteller an die Reihe. Diese haben sich vorher gemeldet. - Bitte Herr Rausch, Sie haben jetzt das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Haseloff, ich glaube, ich spreche für viele, wenn ich sage, keiner leugnet Corona. Aber niemand ist bereit, für ein Virus, bei dem eine Überlebenschance von 99 % besteht, unseren Wohlstand, unsere Arbeitsplätze, unsere Freiheit, unsere Demokratie und unser Privatleben zu opfern. Das ist der Diskurs, den wir führen müssen. Sie können nicht sagen, diesen Diskurs wollten Sie nicht führen, weil das alles so schlimm sei.

Die Statistik, die Sie als Land selbst herausgeben, sieht wie folgt aus: Wir haben bei 2,2 Millionen Einwohnern derzeit 5 338 Coronainfizierte bzw. Personen, die infiziert waren, zu verzeichnen. Bei den Intensivbetten sind es elf Personen. Das entspricht einem Anteil von 0,2 % der Infizierten bzw. einem Anteil von lediglich 0,0005 % der gesamten Bevölkerung. Das besagt Ihre Statistik mit Stand vom 1. November 2020, 12:18 Uhr.

Dann sagen Sie gegenüber der „MZ“: Die Infektionszahlen in Sachsen-Anhalt hätten diesen Schritt nicht erfordert - das betonen Sie noch einmal -, es gehe jetzt aber um einen Akt nationaler Solidarität. Dazu ist meine Frage an Sie, ob Sie als Ministerpräsident den Lockdown unter Berücksichtigung der Interessen des Landes Sachsen-Anhalt aufgrund der Zahlen und der Sachlage, die vor Ort und nicht irgendwo im Berchtesgadener Land vorherrschen, tatsächlich für gerechtfertigt halten.

Und ich frage Sie, wie Sie damit leben können, dass Sie für zahlreiche Unternehmenspleiten in Sachsen-Anhalt und für zahlreiche Schicksale von Mitarbeitern verantwortlich sind, die nämlich ein Kurzarbeitergeld von nur 60 %

(Zuruf)

oder 67 % bekommen, die ihre Rechnungen nicht bezahlen können, die nicht wissen,

(Zurufe: Frage!)

wie sie ihre Miete bezahlen können,

(Zuruf: Frage! - Weiter Zurufe)

wie Sie damit leben können, dass Kinder sozial isoliert werden,

(Zuruf: Frage! - Weitere Zurufe)

weil Sie auf einmal auf die Idee gekommen sind, Sportstätten zu schließen, sodass Jugendsport nicht stattfinden kann

(Zurufe)

und diese ganzen Dinge? Wie können Sie persönlich als Landesvater, als Ministerpräsident Dr. Reiner Haseloff, mit dieser Entscheidung leben, dass Sie das den Bürgern aufgrund der vorweg genannten Zahlen, die Sie selbst als Land festlegen - -

Herr Rausch, Ihre zwei Minuten sind um.

Wie können Sie damit leben?