Wir befinden uns seit eineinhalb Jahren in einer AbwÀrtsspirale. Eine Trendwende ist nicht in Sicht.
So ist zum Beispiel der Haushalt der Landeshauptstadt Magdeburg im Jahr 2021 nicht mehr ausgeglichen. Das coronabedingte Haushaltsdefizit inklusive der NebengerĂ€usche belĂ€uft sich fĂŒr das Haushaltsjahr 2021 auf knapp 30,7 Millionen âŹ.
Die Stadt hat darauf schon mit entsprechenden Kreditaufnahmen reagiert, womit die Verschuldungsobergrenze um 20 Millionen âŹ ĂŒberschritten wird. Deshalb fordert das Landesverwaltungsamt von der Stadt Magdeburg nun sogar ein Konsolidierungskonzept ein.
Allein die Erhöhung der BezĂŒge fĂŒr alle TarifbeschĂ€ftigten und Beamten um 1 % wĂŒrde fĂŒr das Magdeburger StadtsĂ€ckel Mehrausgaben von ĂŒber 2 Millionen ⏠bedeuten. Bei einer Entgelterhöhung von 4,8 % wĂ€ren es ĂŒber 10 Millionen ⏠pro Jahr, die die Stadt Magdeburg mehr zu zahlen hĂ€tte.
Selbst in den Zeiten, in denen die Steuereinnahmen sprudelten, wĂ€re ein solcher Tarifabschluss als fiskalisch waghalsig zu bezeichnen gewesen. Aber in Anbetracht einer aufziehenden Finanz- und Weltwirtschaftskrise und sich abzeichnender Neu- und Mehrverschuldung der öffentlichen Haushalte wĂ€re ein solcher Tarifabschluss verantwortungslos gegenĂŒber kommenden Generationen, die die Schulden abzutragen hĂ€tten.
So stelle ich fest, dass die Frage der Generationengerechtigkeit fĂŒr die Fraktion DIE LINKE offensichtlich kein Thema ist.
Aber auch gegenĂŒber den jetzigen Steuerzahlern, die diese Gehaltserhöhung mitfinanzieren mĂŒssten, wĂ€re ein solcher Tarifabschluss nicht vermittelbar. Denn zu denen zĂ€hlen auch Leute, die keinen sicheren Job haben und die sich in prekĂ€ren ArbeitsverhĂ€ltnissen oder in Kurzarbeit befinden. Hinzu kommen noch SelbststĂ€ndige wie zum Beispiel Gastronomen, Hoteliers oder Ladenbetreiber, die jetzt noch unter coronabedingten EinnahmeausfĂ€llen leiden.
Zu erwĂ€hnen sind auch die Freiberufler wie Schausteller, Musiker, KĂŒnstler jeglicher Art sowie die gesamte Veranstaltungsbranche, die gern
Um es klar zu sagen: Das, worĂŒber wir hier debattieren, trĂ€gt gesamtgesellschaftlichen Sprengstoff in sich. Es ist meiner Meinung nach dem BĂŒrger nicht vermittelbar, dass der öffentliche Dienst in dieser Zeit einen krĂ€ftigen Schluck aus der Gehaltspulle nimmt, wĂ€hrend andere, die diesen Schluck bezahlen, dĂŒrsten.
Daher wĂŒnsche ich mir, dass die Tarifparteien einen Tarifvertrag abschlieĂen, der die berechtigten Forderungen der Arbeitnehmer, aber auch die Kassenlage der öffentlichen Arbeitgeber berĂŒcksichtigt und im Ergebnis in Einklang bringt. - Vielen Dank fĂŒr Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Es gibt keine Fragen. - Somit kommen wir zum nĂ€chsten Debattenredner. FĂŒr die Fraktion BĂNDNIS 90/DIE GRĂNEN wird der Abg. Herr Meister sprechen. Sie haben jetzt das Wort, Herr Meister.
Frau PrĂ€sidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Stellungnahme zu dieser Aktuellen Debatte könnte man mit einem Wort zusammenfassen. Das wĂŒrde lauten: Tarifautonomie. Dann habe ich aber noch viel Redezeit ĂŒbrig. Deswegen werde ich jetzt doch die Gelegenheit nutzen, um einige kurze grundsĂ€tzliche Anmerkungen zum Thema zu machen.
Das hohe Gut der Tarifautonomie garantiert, dass die Tarifpartner frei und ohne staatliche Eingriffe ĂŒber ihre VertrĂ€ge verhandeln und diese abschlieĂen können. Das gilt auch fĂŒr den öffentlichen Dienst.
Insofern ist eine Befassung mit den Tarifverhandlungen in der Legislative, also hier im Parlament, nicht sinnvoll und auch völlig unĂŒblich;
egal ob nun die Zielstellung auf mehr oder auf weniger hohe TarifabschlĂŒsse abzielt. Auch umgekehrt finde ich die Nutzung des Tarifkampfes fĂŒr politische Zwecke - das ist wohl letztlich der Sinn der Aktuellen Debatte im Landtag - nicht gut.
Ob die Instrumentalisierung im Sinne des gewerkschaftlichen Tarifpartners ist, weiĂ ich nicht. Ich bin mir sicher, dass ver.di weiĂ, wie sie handeln. Ob sie allerdings die heutige Vereinnahmung tatsĂ€chlich als sinnvoll empfinden, entzieht sich meiner Kenntnis.
Solch eine Tarifverhandlung hat ihre ganz eigene Choreografie und Strategie. Ob das hineinpasst, weiĂ ich nicht.
Die Feststellungen der beantragenden Fraktion in Bezug auf das positive Wirken der BeschĂ€ftigten des öffentlichen Dienstes im Allgemeinen und wĂ€hrend der Coronakrise im Besonderen sind völlig korrekt. Ich möchte ergĂ€nzend anmerken, dass auch BeschĂ€ftigte auĂerhalb des öffentlichen Dienstes Bemerkenswertes leisteten und leisten.
Der Rechtscharakter des jeweiligen Arbeitgebers sagt nicht per se etwas ĂŒber die Leistung der Arbeitenden aus. Da lieĂen viele Sektoren aufzĂ€hlen. Mir fallen besonders der medizinische Bereich, vor allem jedoch auch der Einzelhandel und der Dienstleistungsbereich ein. Gerade Kassiererinnen und Friseurinnen waren und sind in einer ganz besonderen Weise gefordert.
Wenn man die Tarifautonomie nun schon ignoriert, mĂŒsste man dann nicht auch die sicherlich viel schwierigeren TarifkĂ€mpfe dieser Branchen hier auch regelmĂ€Ăig thematisieren? Wieso sind die schwieriger? - Sie sind schwieriger, weil die Kollegen einen schlechteren Organisationsgrad haben.
Aktuell sind sie auch deshalb schwieriger, weil die Unternehmen, mit denen sie verhandeln mĂŒssen, in erheblichen Teilen um ihr Ăberleben und mit starken wirtschaftlichen Problemen kĂ€mpfen. Das Herbstgutachten kam gerade. Man rechnet mit einer Senkung des BIP um 5,4 %. Da muss man tatsĂ€chlich dann die Frage stellen, ob Entkoppelungen sinnvoll sind.
Die vergangenen Monate waren in vielerlei Hinsicht hart. Es gab und gibt Gruppen in der Bevölkerung, in denen die blanke wirtschaftliche Existenzangst umgeht. Das Ziel des politischen Handelns war es oder sollte es doch zumindest sein, gerade in diesen Bereichen zu helfen, Ăngsten entgegenzuwirken und den Zusammenhalt der Gesellschaft zu sichern.
Das haben wir in den letzten Monaten auch getan, nicht immer aber so schnell und konsequent, wie es nötig und sinnvoll gewesen wĂ€re. Ich nenne als Stichwort mal die Debatten ĂŒber den Unternehmerlohn fĂŒr SoloselbststĂ€ndige im Rahmen der Coronahilfe. Das betraf in besonderem MaĂe KĂŒnstler und Kulturschaffende.
Ich habe aber auch Veranstaltungen erlebt mit Gastronomen und mit Menschen aus der Reisebranche, aus dem Tourismus und mit Schaustellern etc., die schier verzweifelt waren. Das lÀsst sich weiterspannen auf die vielen in den unterschiedlichsten Branchen, die ihre Arbeit verloren
Ich habe dazu hĂ€rteste Diskussionen gefĂŒhrt, in denen ich als Politiker und noch dazu als Vertreter einer regierungstragenden Partei mit dem Problem konfrontiert wurde, ja, ganz persönlich als Mitverantwortlicher gesehen und gegebenenfalls auch hart angesprochen werde. Das ist ja auch völlig in Ordnung.
Bei diesen emotionalen GesprĂ€chen waren Angehörige des öffentlichen Dienstes nie meine GesprĂ€chspartner, weil sie von dieser speziellen wirtschaftlichen Existenzangst, wie sie SelbststĂ€ndige und Angestellte in der freien Wirtschaft umtreibt, naturgemÀà nicht betroffen sind. Das ist natĂŒrlich auch gut so, weil es sich aus dem SelbstverstĂ€ndnis der öffentlichen Hand als verlĂ€sslicher und sicherer Arbeitgeber ergibt.
Es ist doch aber auch klar, dass Menschen, die um ihre wirtschaftliche Existenz kĂ€mpfen, schon einen sehr nĂŒchternen Blick auf den Gegenstand der heutigen Aktuellen Debatte haben werden. Ob diese Debatte die Gesellschaft in der Coronakrise zusammenfĂŒhrt, kann man sich fragen.
Ich finde die Verengung auf den öffentlichen Dienst in dieser Situation tatsĂ€chlich zweifelhaft. Herr Lippmann sagt, der öffentliche Dienst zahle jetzt fĂŒr die Dinge, die aufgelaufen seien, und trage sozusagen die Last. Das sehen die vielen Gruppen, die ich eben aufgefĂŒhrt habe, anders. Das ist tatsĂ€chlich aus deren Sicht nicht der Fall.
Weiter sprach Herr Lippmann von der Stunde der Wahrheit und davon, dass die Kommunen das jetzt bringen mĂŒssen. Auch da bin ich skeptisch. Sie sind ja in Ihrer Rede auch auf das eingegangen, was das fĂŒr die Kommunen heiĂt.
Wenn wir in Magdeburg ĂŒber 1 % reden, sind das 2 Millionen âŹ. Das ist die GröĂenordnung, in der wir uns bewegen. Was das fĂŒr einen kommunalen Haushalt an Problemen bedeutet, wissen wir auch.
Die Dinge, die Sie ansprachen, um das zu regeln, also eine grundsĂ€tzliche VerĂ€nderung bei den Kommunalfinanzen, sind VorschlĂ€ge, die weit ĂŒber das Land und die Möglichkeiten des Landes hinausgehen. TatsĂ€chlich haben wir gestern ĂŒber die Frage, wer trĂ€gt welche Lasten und wie organisiere ich das, gesprochen. Das sind aber wirklich dicke Bretter, die wir am Ende dieses Arbeitskampfes nicht gelöst haben werden. Bei den Kommunen schlĂ€gt das dann so auf.
Lösung finden werden. Ich werde mich in meiner politischen Funktion aber nicht mit öffentlichen Tipps, Hinweisen oder gar Druck an eine der Tarifparteien wenden. - Danke schön.
Vielen Dank, Herr Meister. Es gibt eine Wortmeldung vom Abg. Herrn Lippmann. - Sie dĂŒrfen, Herr Lippmann. Bitte.
Vielen Dank, Frau PrĂ€sidentin. - Ja, Kollege Meister, auch Sie möchte ich mit dieser Fehlinterpretation unseres Themas nicht aus der BĂŒtt entlassen. Auch Sie möchte ich bitten, mir zu bestĂ€tigen, dass ich - zumindest gehe ich davon aus, dass Sie meiner Rede zugehört haben - in meiner Rede mit keinem Wort die Tarifautonomie infrage gestellt habe.
Ich habe auch mit keinem Wort verlangt, dass wir uns als Landtag in einer bestimmten Art und Weise in den Tarifkampf einmischen und uns an die Tarifpartner wenden. Vielmehr habe ich am Ende meiner Rede darauf hingewiesen, dass wir als Landtag mittelbar Beteiligte sind, nÀmlich als Finanzier oder zumindest als Teilfinanzier der Kommunen.
Die öffentlichen Arbeitgeber sind nicht so frei wie private Arbeitgeber, sondern sie hÀngen an den GeldhÀhnen von anderen und wir haben an dieser Stelle eine Verantwortung, auch als Besoldungsgesetzgeber, weil dieses Ergebnis durchschlagen wird.
Wir werden nicht in der Lage und auch nicht willens sein, ein anderes Ergebnis herbeizufĂŒhren als das, was bei den den TVöD-Verhandlungen herauskommt. Das war noch nie so. Um diese Verantwortung geht es. Deshalb haben wir das Thema aufgemacht. Da bitte ich Sie, schon zu sagen, ob das zumindest insoweit angekommen ist.
Danke. - Schon die Debatte, die wir jetzt fĂŒhren, ist natĂŒrlich ein Eingriff in die Tarifautonomie. Jetzt Ă€uĂert sich das Legislativorgan des Landes Sachsen-Anhalt - das ist zumindest das Ziel - in der Debatte zu den verschiedenen Punkten eines aktuell laufenden Tarifkampfes.
Der Passus âStreik oder nichtâ ist in der Ăberschrift enthalten. Das finde ich, wenn man die Tarifautonomie hochhĂ€lt, unangemessen. Wir neh
men natĂŒrlich trotzdem an der Debatte teil. Dazu kann man ja das eine oder andere sagen. Aber tatsĂ€chlich hat das in dieser Phase und in dieser Form hier nichts zu suchen.