war Raum für stille Trauer, Erinnerung, Anteilnahme, für die anhaltende Empörung über das Verbrechen und für die Entschlossenheit, sich gegen Gewalt zu behaupten, für die politische Debatte darüber, wie weiter mit den Schlussfolgerungen aus dieser Tat umgegangen werden muss, für das Bekenntnis zu einem Zusammenleben in Vielfalt und Solidarität und für demonstrative Zeichen des Zusammenhaltens der Stadtgesellschaft.
Allein mit einer staatlich organisierten Trauerfeier hätte man diesem Gedenktag nie gerecht werden können. So traten neben diese Gedenkfeier auch die Demokratiekonferenz, zu der für die Landesregierung Petra Grimm-Benne eingeladen hatte, und vor allem eine Vielzahl von selbstorganisierten Veranstaltungen und Aktionen. Dadurch gab es für die Angehörigen und Überlebenden, für die jüdische Gemeinde und für andere Religionsgemeinschaften, für alle, die sich von rassistischer Gewalt bedroht sehen, für das Bündnis gegen Rechts und zahlreiche andere aus der Zivilgesellschaft breite Möglichkeiten, ihren Empfindungen, aber auch ihren Forderungen Ausdruck zu verleihen.
Erstens. Es bleibt wichtig und notwendig, dieses Verbrechen auch politisch einzuordnen. Was im laufenden Strafprozess über die Motivlage und über den Tathergang bislang herausgearbeitet wurde, unterstreicht die rechtsextremistische und antisemitische Motivlage des Täters, seinen Hass auch auf Musliminnen und Muslime, seine Verachtung für Frauen und seine terroristischen Absichten. Diese Motivlage festzuhalten ist deshalb so wichtig, weil, wie die soeben getätigten Äußerungen noch einmal gezeigt haben, Einzelne sich davon freizeichnen wollen - insbesondere die AfD. Die antisemitische Stoßrichtung dieses Verbrechens wollen Sie gewissermaßen einkapseln und den rechtsextremistischen Hintergrund und die politische Relevanz der Tat leugnen. Das wird übrigens auch in der Feststellung, dass es sich um einen Einzeltäter handele, sichtbar.
Diese Feststellung ist auch deshalb wichtig, weil Motive und Absichten des Täters ein Verbindungsglied zu den Morden an den zehn Menschen darstellen, die in Hanau umgebracht wurden, zum Mord an Regierungspräsident Walter Lübcke und an den zehn Opfern des NSU überall in Deutschland. Kurz gesagt: Die rechtsextreme Motivation ist und bleibt - bei allen Unterschieden - das Verbindungsglied zu den anderen
Zweitens. Wir alle, gerade auch wir Parlamentarierinnen und Parlamentarier, müssen darauf achten, dass die gemeinsam aus dem Attentat gezogenen Schlussfolgerungen auch umgesetzt werden und nicht in der Alltagsroutine versanden. Wir können es nicht verantworten, dass sich die Vorsätze von heute in der nächsten Wahlperiode als Sonntagsreden erweisen.
Das gilt für die vielen Vorhaben im Landesprogramm für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, die die Landesregierung in der vergangenen Woche beschlossen hat. Ich nenne hier nur beispielhaft - gewissermaßen als Arbeitsaufträge an die Demokraten hier im Parlament -: eine verlässliche Grundlage für die Arbeit der Moses Mendelssohn Akademie, die Weiterentwicklung der Rolle des Ansprechpartners in der Staatskanzlei zu einem Landesbeauftragten mit entsprechenden Möglichkeiten und die Ausfinanzierung der baulichen Maßnahmen zum Schutz der Synagogen und der jüdischen Gemeinden, aber auch - das halte ich für einen wichtigen Merkposten - die Frage, wie wir weiter mit gefährdeten Einrichtungen in unserem Land umgehen und sie schützen, die schon im Fokus von Menschenfeinden standen und immer noch stehen.
Mehr als ein wachsames Auge müssen wir auch auf die Umsetzung der Empfehlungen haben, die der Beirat zum Landesprogramm für Demokratie, Vielfalt und Weltoffenheit nach dem Attentat gegeben hat. Hierbei denke ich ganz besonders an die Ausweitung der Angebote zur Demokratiebildung -nicht für die, die man ohnehin oft bei solchen Veranstaltungen trifft, sondern als Chance in Bezug auf die Weiterbildung der Beschäftigten von Polizei, Kommunen und vielen anderen Bereiche, und ebenso in der Ausbildung von Menschen, die an den Bildungseinrichtungen des Landes tätig sein wollen - einerlei ob Kita, Schule, Aus- oder Weiterbildung.
Natürlich geht es bei der Umsetzung von Konsequenzen aus dem Attentat auch um den weiteren polizeilichen Schutz für jüdische Gotteshäuser und Gemeindezentren.
Um es an dieser Stelle noch einmal ganz klar zu sagen: Dass jüdische Bürgerinnen und Bürger in unserem Land in Sicherheit leben können, ist eine Staatsaufgabe - und sie ist uns jeden Euro wert.
Diese Aufgabe darf nicht gegen andere polizeiliche Aufgaben aufgerechnet werden, und das muss sie auch nicht. Herr Innenminister Stahlknecht, ich muss das an dieser Stelle noch einmal
unterstreichen. Mit Ihren Äußerungen bei der Polizei in Dessau haben Sie fatale Stichworte für die Leute geliefert. Sehen Sie sich bitte in den einschlägigen Kommentarspalten um. Sie haben das Verhältnis zu den jüdischen Gemeinden schwer belastet. Ich hoffe weiterhin, dass Sie einen Weg finden, das auszuräumen.
Drittens. Wir müssen uns vor einer besonders perfiden Bedrohung schützen, von der immer mehr bekannt wird. Wir müssen unsere Demokratie, unsere Rechtsordnung und die Institutionen unseres Rechtsstaates vor denen schützen, die sich mit rechtsextremistischen, antisemitischen und rassistischen Auffassungen bei Polizei, Bundeswehr und Verfassungsschutz einnisten und sich vernetzen. Denn nichts ist bedrohlicher für unseren demokratischen Staat als Feinde der Demokratie, die Zugang zu Waffen und sensiblen Daten haben. Und nichts untergräbt das Vertrauen von besonders schutzbedürftigen Bürgerinnen und Bürgern in unserem Staat stärker, als wenn sie im Umgang mit der Polizei Erfahrungen mit Racial Profiling machen müssen, wenn unter dem Kürzel „NSU 2.0“ Drohungen mithilfe von Daten aus Polizeicomputern ausgesprochen werden oder wenn bekannt wird, dass antisemitische Sprache in der Bereitschaftspolizei zum Alltag gehören.
Ich bin deshalb sehr froh, dass Minister Stahlknecht an dieser Stelle große Konsequenz bewiesen und die gesamte Landespolizei in den gebotenen Aufklärungsprozess einbeziehen will. Wir werden auch hier die Umsetzung der angekündigten Maßnahmen sehr genau verfolgen.
Meine Damen und Herren! Ich komme noch einmal auf den Anfang meiner Rede und den Dank für die verschiedenen Aktionen und Veranstaltungen zum Gedenken an den 9. Oktober zurück. Ich will diesen Dank noch erweitern: Wir wissen, ohne die Aktivitäten der Zivilgesellschaft, ohne das, was Bündnisse gegen rechts, was die Opferberatungen, was viele Aktive in Verbänden, Gewerkschaften und Kirchengemeinden sowie im Verein „Miteinander“ täglich an Arbeit gegen Rassismus und Antisemitismus leisten - ohne diesen Einsatz sähe unser Land im Umgang mit Hass und Gewalt und bei der Aufarbeitung der Folgen rechtsextremer Straftaten ziemlich alt aus.
Deshalb möchte ich für diese Arbeit und diese Zivilcourage über den 9. Oktober hinaus Danke sagen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich finde es schon sehr bemerkenswert, dass Sie Ihre gesamte Rede und das Geschehen an diesem Tag dazu missbrauchen, Ihren angeblichen Kampf gegen Rechts und Rechtsextremismus, der sich eindeutig gegen die AfD richtet, aufzuzeigen, und auch dafür nutzen, um eine völlig falsche Legende aufzubauen. Rechtsextremismus ist das, wenn man mit Gewalt gegen Personen und Sachen vorgeht, und das macht kein Mensch, der mit der AfD in Verbindung steht - keiner, gar keiner.
In jeder Rede, die Sie hier verbreiten, versuchen Sie den Eindruck zu erwecken, dass AfD-Mitglieder irgendetwas mit Gewalt gegen Personen und Sachen zu tun hätten. Umgekehrt ist es in der Praxis: In Leipzig-Connewitz wurde neulich bei der illegalen Besetzung eines Hauses, das von der Polizei eingenommen wurde, Gewalt angewendet und auch bei den Hunderten Messerstechereien, die Muslime in unserem Land gegen deutsche Menschen veranstalten.
Das, was Sie praktizieren, ist Rassismus. Sie verurteilen eine nationale - nicht nationalistische - Kraft in diesem Land, die sich für die Interessen der Menschen einsetzt und den Rechtsstaat verteidigt, sehen aber weg, wenn es um die tatsächliche Verfassungsfeindlichkeit auf der linksextremistischen Seite geht. Das ist nicht verzeihlich.
Sie wiederholen einfach nur Phrasen. Heuchelei nenne ich das Ganze, denn Sie müssten sich in Wahrheit gegen Rechts- und gegen Linksextremismus aussprechen. Eines ist auch ganz klar:
Herr Farle, ich lasse Ihnen die zwei Minuten Redezeit. Aber Sie müssen schon darauf reagieren. Wenn ich Ihnen sage, die zwei Minuten sind um, dann müssen Sie Ihre Rede beenden.
Ich denke, wir sollten uns an die Regeln halten, die wir uns in der Geschäftsordnung gegeben haben. - Wenn Frau Dr. Pähle darauf erwidern möchte, hat sie die Möglichkeit. Bitte.
Vielen Dank. - Wissen Sie, Herr Farle, wir haben mittlerweile schon eine alte Tradition: Das, was ich sage, stimmt nicht. - Dann bekommen Sie danach Zugang zu Daten, die wir haben. Ich erinnere an dieser Stelle an Videomitschnitte aus dem Blog von Herr Tillschneider, in dem er die antisemitische Geschichte von der Weltverschwörung genau weiterdreht. Ich erinnere Sie gern an aufgedeckte Chatprotokolle von AfD-Mitgliedern. Ich erinnere Sie gern an Ihren ehemaligen Mitarbeiter, der in ein Netzwerk im Burgenlandkreis eingebunden war. Erzählen Sie doch nicht - bei allem Respekt - so einen Blödsinn.
Das ist doch Blödsinn! Herr Tillschneider hat in seiner Rede vorhin selbst ausgeführt, dass man Herr Orbán Antisemitismus nicht unterstellen könne. Selbst Herr Krull hat gesagt: Wer solche Sachen unterstützt, der hat eine antisemitische Ausrichtung. Erzählen Sie mir doch nicht, dass das alles nichts mit Ihnen zu tun habe. Das ist doch eine Heuchelei. Das ist unglaublich. Wenn Sie sich so differenziert mit Ihrer Partei auseinandersetzen würden und das Ihre wirkliche Einschätzung ist, hätten Sie schon längst das Parteibuch in die Ecke schmeißen können. Sie machen sich mit schuldig an all diesen Vorgängen in Ihrer Partei.
Frau Dr. Pähle, es gibt noch eine Wortmeldung des Abg. Herrn Dr. Tillschneider. - Sie haben das Wort, bitte.
Ich will jetzt mal dieses Extremismus-Pingpong und das ganze Gedöns lassen und eine sachliche Frage stellen.
Wir sind ja wirklich nicht verdächtig, Herrn Minister Stahlknecht zu verteidigen. Aber wenn ungerechtfertigte Vorwürfe im Raum stehen und sich Irrationalität ausagiert, dann müssen wir widersprechen.
Ich verstehe nicht, weshalb Sie die Äußerung zum Schutz der Synagogen skandalisieren. Ich will Folgendes dazu sagen: Natürlich muss in jeder demokratischen Gesellschaft die Minderheit geschützt werden. Das ist ganz klar, und dazu bekennt sich auch die AfD.