Protocol of the Session on October 27, 2016

(Zustimmung bei der AfD - Oh! bei der CDU)

und den Antrag „Mehr Demokratie wagen“ vorgelegt. Der Titel Ihres Alternativantrags ist ein Zitat von Willy Brandt aus einer Zeit, in der die Sozialdemokraten noch sozial waren und sich noch für die Belange des deutschen Arbeiters eingesetzt haben.

(Beifall bei der AfD)

Mein erster Gedanke war, nachdem ich das gestern gelesen hatte: Wäre doch nur mehr von dem Erbe Willy Brandts heute noch übrig geblieben, dann würden Sie wahrscheinlich nicht nur in einem kleinen Grüppchen hier sitzen.

(Beifall bei der AfD)

Aber lassen wir das an der Stelle.

(Unruhe bei der CDU)

Zum Inhalt Ihres Antrages ist zu sagen, dass hier erste richtige Schritte zu erkennen sind. Es verwundert jedoch, dass hierin noch wenig Konkretes steht. Es verwundert auch, dass Sie sich bis 2018 Zeit lassen wollen, um das Kommunalverfassungsgesetz zu ändern.

Wenn das Ihr Arbeitstempo ist, brauchen Sie sich nicht zu wundern, warum unser Land in vielen Bereichen die rote Laterne hat, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der AfD)

Aber keine Sorge, wir sind jetzt da und wir schlafen nicht und sorgen auch dafür, dass Sie nicht einschlafen. Das verspreche ich Ihnen an der Stelle. Das kann sich unser Land auch nicht mehr leisten.

(Unruhe bei der CDU)

Um Ihnen abschließend noch einmal zu erklären, was wir wollen, fasse ich zusammen:

Erstens. Wir wollen sehen, ob Sie zu dem stehen, was Sie an dieser Stelle in der letzten Sitzung erzählt haben. Es wurde von einer gemeinsamen Anstrengung geredet und davon, dass alle Fraktionen gemeinsam etwas erarbeiten sollen, um die Demokratie insgesamt zu reformieren und zukunftsfähig zu machen. Genau das möchte unser Antrag. Wir machen konkrete Vorschläge, wie wir das gemeinsam erarbeiten können. Daher bitte ich nochmals um Zustimmung zu unserem Antrag.

Zweitens. Sollten Sie, wie so oft, sich nicht an das halten, was Sie hier erzählt haben, und unseren konstruktiven Antrag ablehnen, dann kommt laut unserer Geschäftsordnung automatisch der Alternativantrag zur Abstimmung.

Die AfD-Fraktion würde dem mit einigen Vorbehalten zustimmen, um den Prozess in Gang zu setzen, wobei der erste Punkt, dass man den Durchschnitt Deutschlands annehmen möchte, natürlich nicht in unserem Sinne ist. Das hatte ich vorhin erklärt. Aber der Alternativantrag käme zur Abstimmung. Wir würden dem zustimmen, um, wie gesagt, den Prozess in Gang zu bringen. Denn wenn auch sehr zaghaft, sind dort richtige Ansätze zu sehen. Ich kann feststellen: AfD wirkt!

(Beifall bei der AfD)

Drittens. Meine sehr verehrten Damen und Herren - damit komme ich zum Ende -, ich verspreche Ihnen jetzt schon, dass wir Sie wieder beim Wort nehmen werden. Wahrscheinlich werden wir Sie wieder beim Bruch Ihrer Wahlversprechen ertappen. Aber die Bürger können sicher sein, dass die AfD hier im Hause dafür sorgen wird, dass dieses so wichtige Projekt zur Wiederbelebung und Erneuerung unserer Demokratie nicht wieder einschläft und der Bürger nicht ein weiteres Mal in Ihre intransparente Röhre guckt.

(Beifall bei der AfD)

Insofern appelliere ich an Sie: Überlegen Sie genau, was Sie heute hier tun! Stehen Sie zu Ihrem Wort und stimmen Sie unserem Antrag zu. Ihren Alternativantrag braucht es dann nicht mehr. Den bringen Sie dann einfach in die parteiübergreifende Kommission mit, die wir in unserem Antrag vorschlagen, wo wir dann gemeinsam unser Land endlich ein Stück demokratischer machen. Denn unser Land sollte nicht länger in so vielen Bereichen die rote Laterne haben.

Meine Damen und Herren, ich bin gespannt auf Ihr Abstimmungsverhalten heute und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. - Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD - Siegfried Borgwardt, CDU: Ja, ja!)

Vielen Dank, Herr Abg. Roi. Ich sehe keine Wortmeldung. - Dann schaue ich zur Landesregierung. Herr Minister Stahlknecht wird jetzt zu Ihnen sprechen. Herr Minister, Sie haben das Wort. Bitte.

Frau Landtagspräsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das bürgerschaftliche Engagement ist in der Tat ein unverzichtbarer Bestandteil unseres demokratischen Gemeinwesens und einer funktionsfähigen und lebendigen Gesellschaft. Ohne eine Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger ist Demokratie nicht möglich.

Die Stärkung der direkten Demokratie ist, anders als von meinem Vorredner dargestellt, daher immer ein Thema gewesen, das seit Jahren regelmäßig im politischen Raum diskutiert wurde und auch nach wie vor diskutiert wird, und auch ein Thema, mit dem wir uns im Landtag schon oft und intensiv beschäftigt haben, zuletzt in der vergangenen Legislaturperiode. Daran möchte ich kurz erinnern.

So waren die Änderungen der Regelungen zum Volksabstimmungsgesetz im Rahmen des Gesetzes zur Parlamentsreform 2014 ein wichtiger Schritt zu mehr direkter Demokratie. Das Unterschriftenquorum für ein erfolgreiches Volksbegeh

ren wurde danach von 11 % der Wahlberechtigten des Landes auf 9 % gesenkt. Erleichtert wurde auch die Einleitung eines Volksbegehrens durch die Senkung der Anzahl der erforderlichen Unterstützungsunterschriften von 8 000 auf 6 000.

Was die direkte Demokratie auf Landesebene angeht, steht Sachsen-Anhalt im Bundesdurchschnitt eben nicht schlecht da, so wie Sie es gerade dargestellt haben.

Nicht nachvollziehbar und letztlich, da ohne weitere Angaben dazu, auch wenig aussagekräftig ist in meinen Augen Ihre Aussage hinsichtlich der Platzierung im bundesdeutschen Ranking. Wenn die AfD auf ein bundesdeutsches Ranking im Jahr 2013 hinweist, verkennt sie, dass unser Land nach der Parlamentsreform 2014 bei der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger auf der Landesebene, sich mittels Volksantrag, Volksbegehren und Volksentscheid direkt in die Politik einzuschalten, auf einem guten Weg ist.

Der Verein Mehr Demokratie stellte in einem letzten Volksentscheidungsranking 2015 zu Regelungen der direkten Demokratie auf Landesebene fest, dass Sachsen-Anhalt im Vergleich der 16 Bundesländer zusammen mit Berlin und Thüringen auf Platz sieben - und nicht auf Platz 14 - und damit im Mittelfeld liegt. Sechs Länder, davon drei mit gut bzw. befriedigend, liegen demnach vor und sieben Bundesländer hinter Sachsen-Anhalt. Das Notenranking reicht von 2,0 für Hamburg bis 5,3 für Baden-Württemberg. Aber diese Angaben sind allein nicht maßgeblich; vielmehr hat Sachsen-Anhalt bereits erkannt, dass es einer weiteren Stärkung der Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger bedarf.

Auf der Ebene der Städte, Gemeinden und Verbandsgemeinden sowie der Landkreise ist die Einbeziehung und unmittelbare demokratische Beteiligung der Einwohnerinnen und Einwohner sowie der Bürgerinnen und Bürger an den kommunalen Entscheidungsprozessen durch das am 1. Juli 2014 in Kraft getretene Kommunalverfassungsgesetz erweitert und gestärkt worden.

In Bezug auf Einwohneranträge von Einwohnerinnen und Einwohnern der Kommunen, die das 16. Lebensjahr vollendet haben - sie können beantragen, dass die Vertretung über bestimmte Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises in der Kommune berät -, ist auf das Zulässigkeitserfordernis eines Deckungsvorschlages verzichtet worden. Die Mindestzahl der Unterstützungsunterschriften für den Einwohnerantrag ist herabgesetzt worden. Die Einreichungsfrist für den Einwohnerantrag ist von sechs Wochen auf zwei Monate verlängert worden.

In Bezug auf Bürgerbegehren, mit dem die Bürgerinnen und Bürger beantragen können, dass sie über eine Angelegenheit der Kommune selbst ent

scheiden, wurde der Katalog der Angelegenheiten, die dem Grunde nach Gegenstand eines Bürgerbegehrens sein können, erweitert. Das heißt konkret: Die bisherige Themenbegrenzung auf wichtige Gemeindeangelegenheiten wurde erweitert und für grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft und alle gesetzlich zugewiesenen Pflichtaufgaben geöffnet.

Zudem wurde die Kommune zur Unterstützung bzw. Hilfeleistung für die Initiatoren eines Bürgerbegehrens bei dessen Einleitung verpflichtet, die Mindestzahl der Unterstützungsunterschriften für das Bürgerbegehren abgesenkt und die Einreichungspflicht bei einem kassatorischen Bürgerbegehren von sechs Wochen auf zwei Monate verlängert.

Den Bürgerbescheid betreffend wurde die Möglichkeit der Verlängerung der regulären Frist von drei Monaten zur Durchführung des Bürgerentscheids unter der Voraussetzung des Einvernehmens mit den vertretungsberechtigten Personen des Bürgerbegehrens um weitere bis zu drei Monate verlängert.

Allein die vorstehend skizzierten Erweiterungen im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten direktdemokratischer Beteiligungs- und Mitwirkungsformen für sich genommen entkräften bereits den im vorliegenden Antrag der AfD lediglich thesenhaft, auch insoweit ohne nähere Anführung von Gründen erhobenen Vorwurf äußerst mangelhafter Mitbestimmungsrechte.

Dies wird noch weiter verstärkt durch das mit dem Kommunalverfassungsgesetz über die bestehenden Beteiligungsinstrumente hinaus neu eingeführte Instrument der Bürgerbefragung. Die in § 28 Abs. 3 des Kommunalverfassungsgesetzes normierte Bürgerbefragung gibt der Kommune die Möglichkeit, alle Bürgerinnen und Bürgern zur Meinungsäußerung zu einer bestimmten Selbstverwaltungsangelegenheit aufzufordern.

Die Bürgerbefragung dient zwar originär der Gewinnung von Informationen der kommunalen Mandats- und Amtsträger und damit der Schaffung einer Entscheidungshilfe für deren Meinungs- und Willensbildung, zugleich kann sie jedoch auch einen Beitrag dazu leisten, das Interesse der Bürgerschaft an der Verwaltung ihrer eigenen Angelegenheiten zu fördern.

Eine stärkere Einbeziehung der Einwohnerinnen und Einwohner in das kommunalpolitische Geschehen erfolgt ferner auch durch die Ausweitung der Einwohnerfragestunden über die öffentlichen Sitzungen der Vertretung hinaus auf öffentliche Sitzungen der beschließenden Ausschüsse.

Meine Damen und Herren! Das ist der Punkt, an dem wir gegenwärtig stehen. Das, was wir haben, ist entgegen dem, was Sie dargestellt haben, eben nicht schlecht. Aber nichts ist so gut, dass

man es nicht besser machen kann. Dem folgend und von dem derzeitig rechtlichen Status quo ausgehend, sind sich die regierungstragenden Fraktionen einig, dass es zur Stärkung der direkten Demokratie auf kommunaler Ebene weiterer Maßnahmen bedarf. Dementsprechend ist im Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass das Kommunalverfassungsgesetz im Sinne der Stärkung von Demokratie und Transparenz weiterzuentwickeln ist.

Konkret bedeutet dies, dass für Ortschaften unter 300 Einwohnern ab 2019 - dann sind erst wieder Kommunalwahlen - die Möglichkeit eingeräumt werden soll, eine von den wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürgern direkt gewählten Ortschaftsrat oder Ortsvorsteher zu haben. Darüber hinaus ist beabsichtigt, die Möglichkeit der Gründung und der Wahl von Ortschaftsräten in Stadtteilen vorzusehen. Das Instrument der Einwohnerfragestunde soll künftig auch auf öffentliche Sitzungen in beratenden, also nicht nur in beschließenden Ausschüssen der Vertretung zur Anwendung kommen. Ferner sollen die Kontroll- und Informationsrechte kommunaler Mandatsträger in Bezug auf kommunale Beteiligungen und Zweckverbände gestärkt werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man die Fortentwicklung der Möglichkeiten direkter Demokratie auf Landesebene und auf kommunaler Ebene betrachtet, die bereits vor zwei Jahren in Kraft getreten und die in dieser Legislaturperiode noch vorgesehen sind, vermag ich die Einschätzung der AfD, wonach wir zwingend eine Kommission brauchen, die dem Landtag Handlungsempfehlungen zu weiteren Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger vorgeben soll, nicht teilen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. Es gibt eine Anfrage. - Herr Roi, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Sehr geehrter Herr Minister, ich stelle erst einmal positiv fest, dass Sie, nachdem Sie zunächst versucht haben, den Antrag zu zerreden, durchaus dafür sind, dass wir die Demokratie an verschiedenen Stellen noch stärken müssen. Mich interessieren aber zwei inhaltliche Sachen, die ich gern von Ihnen beantwortet haben möchte.

Sie haben unter anderem vom Einwohnerantrag gesprochen. Halten Sie den Einwohnerantrag für ein geeignetes Instrument für bürgerschaftliches Engagement? Und vielleicht noch die Frage an Sie als Minister: Ist Ihnen bekannt, wie viele solcher Einwohneranträge bisher überhaupt initiiert wurden? - Das ist meine erste Frage.

Die zweite Frage betrifft die Ortschaften. Sie haben von Ortschaftsräten gesprochen, aber mir geht es um eine andere Frage. Und zwar ist es so, dass wir nach der Gebietsreform viele ehemalige Gemeinden haben, die quasi untergegangen bzw. in anderen Gemeinden und Städten aufgegangen sind. Nun haben wir das Problem, dass die Bürger dieser teilweise sehr großen Ortsteile keine Elemente mehr einbringen können.

Beispielhaft ist Wolfen mit knapp 18 000 Einwohnern zu nennen. Im Ortsteil Wolfen, der sich jetzt wieder Stadt nennt, können die Bürger nichts Direktdemokratisches initiieren. Vielmehr müssen Unterschriftshürden erfüllt werden, die sich auf die ganze Stadt Bitterfeld-Wolfen mit 40 000 Einwohnern beziehen. Halten Sie das für richtig - das gilt sowohl für den Einwohnerantrag als auch für das Bürgerbegehren -, oder sollte es nicht lieber so sein, dass sich Bürgerinnen und Bürger eines Ortsteils zukünftig für ihre eigene Ortschaft einbringen können, indem sie sich an ihre gewählten Vertreter in den Ortschaftsräten wenden? Denn es gibt viele Dinge, die nur die jeweilige Ortschaft betreffen.

Herr Minister, Sie haben das Wort.