Ganz selbstbewusst kann ich sagen, dass wir auch schon einiges erreicht haben und als LINKE maßgeblich - neben vielen anderen gesellschaftlichen Partnerinnen und Partnern, den GRÜNEN, aber auch ein wenig der SPD - den ersten und bisher einzigen Volksentscheid im Land SachsenAnhalt herbeigeführt haben. Jene, die damals schon in Sachsen-Anhalt lebten und hier politisch aktiv waren, erinnern sich sicher, wie hochpolitisch diese Zeit war, nicht nur hier im Landtag, sondern - das ist das Wichtige - auch außerhalb des Hauses.
In der Folge haben wir gemeinsam die Landesverfassung und das Volksabstimmungsgesetz geändert. Wir haben gemeinsam die Geschäftsordnung des Landtages geändert. Wir haben die Wahlgesetze für Land und Kommunen geändert, und zumindest in den Kommunen konnten wir uns auf eine Herabsetzung des Wahlalters einigen.
Ich sage aber auch ganz deutlich, dass uns diese Änderungen noch nicht weit genug gehen. Wir werden deshalb an dem Thema dranbleiben und fordern noch immer einen leichteren Zugang zu Formen direkter Demokratie. Damit sagen wir deutlich: Direkte Demokratie darf kein elitäres Recht einzelner Gruppen seien. Wir fordern die Beschränkung der Zustimmungsquoren für Bürgerbegehren und Bürgerentscheide auf maximal 5 % der wahlberechtigten Einwohner, die Senkung der Quoren für Volksinitiativen und Volksbegehren und weitere Dinge und vor allem die Senkung des Wahlalters auch auf Landesebene bzw. das Wahlrecht für Migrantinnen und Migranten.
Wir fordern außerdem - auch das hat etwas mit mehr Transparenz zu tun - ein Transparenzgesetz für das Land Sachsen-Anhalt.
Was wollen nun eigentlich Sie, meine Damen und Herren von der AfD-Fraktion? Ich könnte sagen, ich habe Ihre Rede schon mit Spannung erwartet,
und ich finde es fast faszinierend, wie man 15 Minuten reden kann und dabei nichts Gehaltvolles sagt. Ich bin aus Ihrer Rede nicht schlauer geworden.
Man kann als Parlament sicher viel von der Landesregierung fordern, und das tun wir als Opposition auch sehr häufig; aber eine Kommission zur Stärkung der Demokratie gehört ausdrücklich zu den Kernaufgaben des Parlaments, also der Legislative.
Unsere Arbeit müssen wir schon allein machen. Meine Damen und Herren! Aus der Sicht meiner Fraktion ist heute entscheidend: Wir wissen, was wir wollen - und das im Interesse einer wirklichen Stärkung der Demokratie auf Landes- wie auch auf kommunaler Ebene für alle Menschen in unserem Land. Jetzt gilt es unsere Vorhaben auf den parlamentarischen Weg zu bringen und umzusetzen. Die Menschen müssen tatsächlich spüren, dass wir sie ernst nehmen und sie einbeziehen wollen. Meine Fraktion wird deshalb auch parlamentarisch hierzu aktiv werden.
Den Antrag der AfD-Fraktion werden wir ablehnen, der Antrag der Koalition erhält unsere Zustimmung. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich fasse die Ausführungen der Abg. von Angern so auf, dass alle Menschen, die hier leben, einbezogen sind, also auch Asylbetrüger, Dokumentenfälscher, abgelehnte Asylantragsteller und illegal hier lebende Menschen an der direkten politischen Gestaltung in diesem Land teilhaben sol
Als nächster Debattenredner hat der Abg. Herr Striegel vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte schön, Herr Striegel.
„Wenn wir aufhören, die Demokratie zu entwickeln, fängt die Demokratie an aufzuhören.“ - Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieses Zitat von Willy Brandt, der ja heute schon Thema war, hat sich der überparteiliche Verein Mehr Demokratie als Motto genommen, um die Möglichkeit direkter Mitbestimmung für die Bürgerinnen und Bürger Sachsen-Anhalts und auch darüber hinaus zu fördern und auszubauen. Auch unser Alternativantrag trägt den Titel „Mehr Demokratie wagen“.
Als BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Landtag von Sachsen-Anhalt stellen wir unsere Arbeit schon seit Jahren unter das Motto „Mitmachen möglich machen“. Das ist dringend notwendig, weil von vielen Menschen beklagt wird, dass politische Entscheidungen auf intransparenten Wegen zustande kämen und es zu wenige Möglichkeiten der Mitgestaltung politischer Prozesse gebe. Das mag an einigen Stellen gefühlte Wahrheit sein, wenn wir uns die vielfach ungenutzten Chancen zur Einflussnahme anschauen, das gepflegte Desinteresse für die Mühen, denen sich zum Beispiel kommunale Mandatsträger aussetzen, den Unwillen mancher Online-Kommentatoren, die zwar über alles meckern können, aber konkrete Ideen zur Gestaltung ihres direkten Umfelds vermissen lassen.
Gleichwohl finden sich bislang auch objektive Hindernisse. Sachsen-Anhalt steht im Bundesvergleich schlecht da, wo es um direktdemokratische Möglichkeiten der Einflussnahme von Bürgerinnen und Bürgern auf Politik geht. Regelmäßig landet unser Bundesland dabei auf hinteren Platzierungen. Das gereicht uns nicht zur Ehre, vor allem weil direktdemokratische Möglichkeiten zur Mitbestimmung von Bürgerinnen und Bürgern ein repräsentativ-demokratisches System wie das der Bundesrepublik deutlich ergänzen und komplettieren können.
Die im Landtag vertretenen Fraktionen - mit Ausnahme der AfD - haben bereits in der sechsten Wahlperiode Änderungen herbeigeführt und direkte Demokratie gestärkt. Ich bin besonders froh, dass wir in diesem Zusammenhang auch ein Faktenheft bei Volksentscheiden nach Schweizer Vorbild eingeführt haben; denn die Bürgerinnen und Bürger sollen nach umfassender Bewertung zu
einer Entscheidung kommen können. Wir wollen keine Abstimmungen, die von Bauchgefühlen oder, schlimmer noch, zielgenau geweckten Ressentiments getragen werden. Direkte Demokratie darf niemals zur Diktatur der Mehrheit werden.
Grundrechte stehen auch für Mehrheiten nicht zur Disposition. Ein vermeintlicher Volkswille, der böswillig gegen Schwache gelenkt wird, ist eine reale Gefahr. Vor solchem Missbrauch gilt es Gesellschaften zu schützen.
Der Antrag, denn die AfD heute vorlegt, ist gänzlich ungeeignet, für mehr Transparenz und Mitbestimmungsmöglichkeiten zu sorgen. Mit Ihrer „Kommissionitis“ schieben Sie die Dinge erstens auf die lange Bank. Ihr Vorschlag ist zweitens zudem völlig unausgegoren und unsystematisch; die Kollegin hat es bereits erwähnt.
Warum soll der Landtag die Landesregierung auffordern, eine Kommission einzusetzen, die dann wiederum beim Landtag angesiedelt ist und in der die Landesregierung dann nur Gaststatus hat? Benötigt das Hohe Haus zur Entscheidungsfindung die Unterstützung einer Kommission, so ist es in der Lage, eine solche selbst zu schaffen.
Diese Koalition ist aber bereits weiter. Sie hat sich im Koalitionsvertrag klar zur Demokratieförderung bekannt. Mit unserem Alternativantrag konkretisieren wir dieses Bekenntnis und legen einen Zeitplan zur Umsetzung vor. Unsere Politik agiert für eine Gesellschaft, die Freiheit und mehr Mitverantwortung fordert. Dies zu fördern ist Teil unserer Aufgabe als verantwortungsvolle Politikerinnen und Politiker.
Freiheit und Verantwortung hängen für uns, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, untrennbar zusammen. Bürgerinnen und Bürger an Entscheidungen, von denen sie betroffen sind, zu beteiligen und dafür zu sorgen, dass sie diese auch nachvollziehen können, das bedeutet gelebte Demokratie. Damit meine ich alle, die bei uns leben. Ich halte den Ansatz der Kollegin von Angern, auf die Bevölkerung und nicht auf das Volk abzuzielen, für genau den richtigen Weg. Wer von Politik betroffen ist, sollte auch mitbestimmen können.
Das Kommunalverfassungsgesetz ist angesprochen worden. Ich möchte nicht im Einzelnen noch einmal alles durchhecheln, denn die betroffenen Änderungen, die wir vorhaben, sind bekannt. Ich stimme aber auch ausdrücklich dem zu, was unser Innenminister heute sagte: Wer jetzt daran denken will, die Gemeindegebietsreform quasi durch die Hintertür wieder rückabzuwickeln, der liegt falsch und schädigt letztlich dieses Land. Wir brauchen an dieser Stelle miteinander einen Zu
stand von Stabilität. Man kann im Detail noch einmal nacharbeiten, aber wir sollten der Versuchung widerstehen, zu dem zurück zu wollen, was sich in der Vergangenheit als nicht mehr zukunftsfähig erwiesen hat.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt beim Thema direkte Demokratie noch sehr viel zu tun. Es ist auch kein ein einfacher Weg, weil die Vorstellungen an der einen oder anderen Stelle auch in dieser Koalition noch auseinandergehen. Aber ich bin sehr sicher und zuversichtlich, dass wir gemeinsam mit all jenen, die die Demokratie im Land stärken wollen, zu guten Lösungen kommen, dass wir sie im Landtag besprechen und sie mit breiter Mehrheit hier im Hause verabschieden können.
Lassen Sie uns losgehen, lassen Sie uns miteinander mehr Demokratie wagen, aber lassen Sie uns das nicht in Form von sinnfreien Kommissionen tun! - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Abg. Striegel. Es gibt eine Nachfrage von Herrn Poggenburg. Möchten Sie diese beantworten?
Sehr geehrter Herr Striegel, Sie haben darauf hingewiesen, dass in der Vergangenheit schon Gutes bezüglich dieses Themas getan wurde, dass auch Regularien zur direkten Demokratie verbessert wurden. Ist es aber tatsächlich nicht so - Sie haben ja auch die Gemeindegebietsreform angesprochen -, dass nun Bürger ehemaliger Ortschaften, die jetzt nur noch Ortsteile - in Anführungsstrichen - sind, einige dieser Instrumente der direkten Demokratie überhaupt nicht mehr für sich anwenden können, und führen sich Ihre Ausführungen dadurch nicht selbst ad absurdum? - Danke.
Herr Poggenburg, das ist nicht zutreffend. Alle Bürgerinnen und Bürger haben die Möglichkeit, auf die entsprechenden Bestimmungen des Kommunalverfassungsgesetzes etc. pp - -
- Selbst Reichsbürger haben diese Möglichkeit. - Nutzen können sie sie alle. Die Frage ist, ob sie die notwendigen Quoren erfüllen. Das ist die Aufgabe. Das heißt, man muss für das Anliegen, das man hat, Mehrheiten organisieren oder jedenfalls qualifizierte Minderheiten. Das ist ein in der Demokratie völlig übliches Verfahren. Man findet Verbündete und ist gemeinsam erfolgreich. - Vielen herzlichen Dank.
Vielen Dank, Herr Striegel. - Der nächste Debattenredner ist für die CDU-Fraktion der Abg. Herr Krull. Sie haben das Wort, Herr Krull.
Sehr verehrte Frau Landtagspräsidentin! Sehr verehrte Mitglieder des Hohen Hauses! Wir beschäftigen uns heute im Rahmen der Debatte mit dem Antrag zur Verbesserung der Möglichkeiten der direkten Demokratie in Sachsen-Anhalt - ein wichtiges Anliegen, welches sich auch im Koalitionsvertrag von CDU, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN findet. Ich zitiere folgende Textpassage: