Das will ich gerne tun. Fangen wir mit der zweiten Frage an. In Sachsen-Anhalt ist es völlig eindeutig, nämlich Abschluss der Baumaßnahme heißt Entstehen der Beitragspflicht, und Entstehen der Beitragspflicht ist nach der Rechtsprechung in Sachsen-Anhalt der Eingang der geprüften
Schlussrechnung des Bauunternehmers bei der Gemeinde. Das ist Entstehen der Beitragspflicht. Das heißt, wenn irgendwo eine Straße gebaut worden ist und die geprüfte Schlussrechnung am 5. Januar 2020 eingegangen ist, dann brauchen wir über die Kannregelung gar nicht mehr zu reden; denn die Beitragspflicht ist im Jahr 2020 entstanden, und da besteht ein Beitragserhebungsverbot. Ab da darf nicht mehr erhoben werden.
Nun gibt es aber Konstellationen - diese sind nicht selten -, bei denen die Schlussrechnung beispielsweise im Jahr 2017 eingegangen ist. Dann haben die das in der Gemeinde nicht so richtig hingekriegt, die Beitragsbescheide zu verschicken. Zudem haben sie gesagt, eigentlich wollen wir den Leuten auch gar kein Geld abnehmen; das kommt ja manchmal auch noch dazu. Diese Beitragspflichten sind entstanden, und sie sind auch nicht verjährt. Diesbezüglich wollen wir erreichen - diesen Wunsch gibt es in vielen Kommunen -, dass wir sagen: Okay, wenn ihr die nicht mehr erheben wollt, dann müsst ihr das auch nicht. - Das betrifft die Fälle, in denen die Beitragspflicht in den Jahren 2017, 2018 und 2019 entstanden ist, aber die Beiträge noch nicht eingesammelt worden sind. Um diese Fälle geht es.
Da gerade der Zwischenruf betreffend die Kommunalaufsicht von Herrn Knöchel kommt: Damit genau das nicht passiert - lesen Sie Artikel 2 unseres Gesetzentwurfs -, ändern wir das KVG an dieser Stelle. Bisher ist die Situation doch die: Wenn es irgendwo in diesem Bereich eine Kannregelung gibt, kommt durch die Hintertür meistens der Bürgermeister oder die Kommunalaufsicht und verweist auf die Einnahmebeschaffungsgrundsätze im Kommunalverfassungsgesetz oder damals in der Gemeindeordnung. Danach haben spezielle Entgelte, also Gebühren und Beiträge, Vorrang beispielsweise vor Kreditaufnahmen oder Steuererhöhungen oder was man sich so alles vorstellen kann. Um das auszuhebeln, dass nämlich die Kannregelung in dem Fall Anwendung findet, müssen wir § 99 KVG ändern.
Vielen Dank, Herr Erben. Es gibt eine weitere Wortmeldung für eine Frage. - Herr Abg. Roi, Sie haben das Wort. Bitte.
Vielen Dank. - Ich habe nur eine Frage zur Zukunft. Sie haben im Zusammenhang mit den 15 Millionen €, die vom Land kommen sollen, gesagt, man könne es noch nicht abschätzen, wie es sich am Ende auswirkt. Ich gebe Ihnen vollkommen recht, das kann keiner. Die Frage, die sich schon jetzt viele stellen, ist jedoch: Gibt es eine Berechnung, wie sich das am Ende auswirken könnte?
Hintergrund ist folgender: Wenn man die Straßenlandschaft in Halle oder Magdeburg - dort gibt es auch sehr viele kommunale Straßen - mit der in einem ländlich strukturierten Landkreis, in dem sich eine Gemeinde mit 10 000 Einwohnern und sehr vielen Dörfern befindet, vergleicht, so besteht einfach die Befürchtung, dass man, wenn man die
Einwohnerzahl und die ganzen Parameter, die Sie nannten, mit hineinnimmt, im ländlichen Raum am Ende mit sehr wenig Geld auskommen muss, gerade da, wo der Bedarf hinsichtlich der Erneuerung von Straßen sehr groß ist. In Halle oder in Magdeburg wohnen natürlich viel mehr Menschen an einer kommunalen Straße, als es in irgendeinem Dorf der Fall ist. Können Sie dazu etwas sagen? Gibt es da Ansätze einer Berechnung, wie sich das in Zukunft im Land verteilt?
Zunächst einmal: Der Mehrbelastungsausgleich ist nicht für den Straßenbau gedacht, sondern wird dafür gewährt, dass keine Beiträge mehr erhoben werden dürfen. Das heißt, geringe Einwohnerzahl, lange Straßen zwischen den Dörfern, das hat mit unserem Sachverhalt hier nichts zu tun; denn für eine Gemeindestraße, die Dorf A und Dorf B verbindet, können ja auch heute schon keine Beiträge erhoben werden. Vielmehr geht es um Straßen, für die heute eine Beitragspflicht besteht.
Zweitens wissen wir das noch nicht. Wir wissen es deswegen nicht, weil wir die Gesamtlänge der Gemeindestraßen in Sachsen-Anhalt noch nicht kennen. Niemand in diesem Land kann zurzeit verlässlich sagen, wie lang die Gemeindestraßen in Sachsen-Anhalt insgesamt sind. Das war für mich zugegebenermaßen ein erhellendes Erlebnis. Wir haben ja geprüft, welche Kriterien man heranziehen kann, und haben da sehr intensive Gespräche mit dem MLV sowie mit anderen Bundesländern geführt. Es gibt zurzeit keine verlässliche Zahl dazu, wie lang die Gemeindestraßen insgesamt sind. Deswegen ist die Regelung im Gesetzentwurf auch so kompliziert, indem wir nämlich auf das Straßenbestandsverzeichnis der Gemeinden abstellen.
Kleiner Exkurs: Seit dem 1. Juli 1993 sind Gemeinden verpflichtet, ein Straßenbestandsverzeichnis zu haben. Wie man hört, hat etwa die Hälfte der Gemeinden ein selbiges. Wenn es überall ein solches gibt, dann kennen wir auch die Gesamtlänge der Gemeindestraßen. Wir reden im Übrigen über einen Ausgleich im Jahr 2022. Aktuell brauchen wir das nicht. Wenn wir die Länge der Gemeindestraßen kennen, können wir abschließend sagen, wie sich das verteilt. Heute können wir das nicht.
Das, was Sie heute vortragen, ist Ihre Vermutung. Ich könnte mich der Vermutung anschließen. Ich weiß es nämlich auch nicht, weil ich die Gesamt
länge der Gemeindestraßen nicht kenne. Erst recht weiß ich nicht - da haben Sie mir indirekt recht gegeben -, welche Straßen denn im Jahr 2024 in diesem Land wo gebaut werden und welche Beitragsausfälle sich im Jahr 2026 aus den Straßenbaumaßnahmen im Jahr 2024 ergeben.
Vielen Dank. Ich habe noch eine weitere Wortmeldung. Der Abg. Herr Loth hat sich noch gemeldet. - Sie haben das Wort, Herr Loth.
Die Verteilung der Mittel erfolgt auf der Grundlage der Einwohnerzahl, der Fläche der Gemeinde sowie der Länge der in der Baulastträgerschaft der Gemeinde befindlichen Straßen entsprechend dem Bestandsverzeichnis. Wir haben uns gerade über das Letzte unterhalten. Herr Roi fragte aber, wie diese Rechnung aussehen wird. Also Gemeindestraße mal Einwohnerzahl mal Fläche der Gemeinde geteilt durch das Bruttoinlandsprodukt? Ich weiß es nicht. Mich interessiert, wie diese Verteilung berechnet wird. Was also steckt hinter diesen Variablen? Welche mathematischen Zeichen sind dazwischen, plus, minus, mal, geteilt?
Also, ich finde, jetzt machen Sie sich unwissender, als Sie sind. Jetzt machen Sie sich wirklich unwissend. Diese Regelung haben wir doch an sehr vielen Stellen. Schauen Sie einmal ins FAG. Im Finanzausgleichsgesetz zieht sich diese Regelung betreffend Einwohner, Fläche und die entsprechende Verteilung durch fünf Paragrafen.
- Natürlich kann ich das erklären. Wenn man die Einwohnerzahl hat, dann wird eins zu eins zu eins verteilt, Einwohner, Fläche, Länge der Gemeindestraßen. Das machen wir doch woanders auch. Das machen wir übrigens auch bei den Kreisstraßen. Sie sind doch schon eine Weile dabei. Da müssten Sie das eigentlich wissen.
Vielen Dank, Herr Erben. Es gibt keine weiteren Fragen. - Somit steigen wir in die Aussprache ein. Wie vereinbart, haben alle Fraktionen und die Landesregierung eine Redezeit von jeweils zehn Minuten. Die Landesregierung hat Verzicht ange
kündigt. Wir kommen nunmehr zu den Fraktionen. Erster Redner wird für die AfD-Fraktion der Abg. Herr Büttner sein. Sie haben das Wort, Herr Abg. Büttner.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine sehr geehrten Damen und Herren! Werte Kollegen! Hohes Haus! Am 9. März 2018 hallte es durch dieses Plenum:
So zitierte Minister Stahlknecht Nathan den Weisen. Es ging seinerzeit um einen Antrag der AfDFraktion in der Drs. 7/2525. Gegenstand des Antrages war die Forderung des Landtages nach Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen bzw. die Erteilung eines Arbeitsauftrages an die Landesregierung, nämlich ein Konzept zu erarbeiten, das die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge möglich macht. Für uns stand bereits damals fest, dass die Bevölkerung in einem Bundesland wie Sachsen-Anhalt, deren Einkommensverhältnisse am unteren Ende der Verdienstskala der Deutschen liegen, nicht auch noch bei Straßenausbaubeiträgen abkassiert und gesetzgeberisch gedeckt abgezockt werden kann.
Es war bereits vor knapp zweieinhalb Jahren unsere Position und unser Anliegen, diese Gerechtigkeitslücke zu schließen. Deshalb freuen wir uns heute, dass die Parteien trotz der verstrichenen Zeit endlich die richtige Erkenntnis gewinnen konnten und - man muss es an der Stelle leider sagen - dass die AfD wieder einmal Wirkung entfaltet hat.
Ich muss aber auch sagen, dass Sie alle hier in diesem Parlament bewusst und aus taktischen Gründen die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge verschleppt haben. Wir hätten schon im Jahr 2018 über diese Abschaffung befinden können, wenn man unseren Antrag ernst genommen hätte. Bei der Diskussion im Jahr 2018 hat sich Minister Stahlknecht laut Plenarprotokoll vollumfänglich für die Beibehaltung der Straßenausbaubeiträge ausgesprochen. Zitat:
Wo waren Sie denn in diesem Augenblick, die Parteien von LINKEN, GRÜNEN und SPD, die sich heute als die Retter der Bürger aufspielen?
Ich kann Ihnen sagen, wo Sie waren. Ich brauche bloß die Zitate aus dem Plenarprotokoll nachzuverfolgen. So sagte Frau Schindler von der SPD:
Herr Henke von den LINKEN verzichtete auf seinen Redebeitrag zu diesem heute so wichtigen Thema ebenso wie Olaf Meister von den GRÜNEN. Sie hatten den Menschen draußen zu diesem Thema nichts zu sagen und reihten sich in die Phalanx für eine weitere Abzocke der Bürger ein. Das muss man an dieser Stelle ganz deutlich sagen.
Alle Fraktionen hatten tatsächlich die Möglichkeit, fortschrittlich-vorausschauend zu handeln. Leider sind Sie dann vor der eigenen Courage geflüchtet, nein, schlimmer noch, abgetaucht wie Haubentaucher, um es im Jahr 2019 dann zu einem Thema im Kommunalwahlkampf zu machen, in dem Sie vorgaben, sich als großer Kümmerer für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge einzusetzen. Nun, ich habe ja gerade ausgeführt, wie glaubwürdig das ist. Das, meine Damen und Herren, ist Politik der untersten Schublade. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Sie sollten sich schämen, sich jetzt damit zu schmücken.
An dieser Stelle möchten wir als AfD-Fraktion uns bei den Bürgern der Volksinitiative bedanken, die mit großem Engagement für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge gekämpft haben. Ihnen möchte ich im Namen meiner gesamten Fraktion noch einmal ein ganz herzliches Dankeschön aussprechen; denn ohne diesen zusätzlichen Druck würde es heute wahrscheinlich immer noch keine Abschaffung geben bzw. hätten wir keinen Gesetzentwurf, über den wir debattieren.
Kommen wir noch einmal zum Gesetzentwurf. Ich möchte dazu jetzt nicht weiter ausführen. Herr Erben hat das an der Stelle wirklich ganz gut gemacht; das muss ich sagen.
- Ein Lob an Herrn Erben. - Ich denke, wir sollten im Ausschuss noch einmal genauer darüber sprechen, ob der vorgesehene Stichtag, 1. Januar 2020, nicht vielleicht doch ein Stück zurückgesetzt werden sollte; denn wie ich gerade ausgeführt habe, ist das Anliegen hier im Landtag schon seit 2018 bekannt, und es liegt allein an Ihrer Unfähigkeit, dass die Sache verschleppt worden ist, bis Sie diese Sache als Ihr Wahlkampfthema missbraucht haben. - Vielen Dank für Ihre Zeit.
- Es hat sich erledigt? - Es gibt also keine Wortmeldung. Damit hat sich das tatsächlich erledigt; Herr Erben hat zurückgezogen. - Wir kommen zum nächsten Redner. Für die CDU-Fraktion spricht der Abg. Herr Krull. Sie haben das Wort, Herr Abg. Krull.
Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren des Hohen Hauses! Wir beschäftigen uns heute erneut mit der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge im Land Sachsen-Anhalt - diesmal mit dem besonderen Aspekt der Volksinitiative, deren Vertreterin heute hier im Landtag geredet und mit sehr eindrücklichen Worten den Hintergrund und die Motivation dieser Volksinitiative geschildert hat.