Protocol of the Session on September 9, 2020

Wir müssen, wenn wir den ländlichen Raum stärken wollen, dafür sorgen, dass die Schulen in den einzelnen Orten erhalten bleiben. Das, was Sie machen, ist das genaue Gegenteil, Herr Tullner.

An Sie, Herr Ministerpräsident, richte ich die Frage: Wollen Sie ein solches rechtswidriges Verhalten Ihres Ministers dulden, decken oder unterstützen? Oder wollen Sie etwas für die Leute in dem Ort tun? - Dann setzen Sie sich bitte dafür ein, dass wirklich eine Änderung eintritt und dass auch der Bürgermeister in Siersleben vernünftig und nicht gegen seine eigene Bevölkerung im Ort agiert. Sorgen Sie dafür, dass der Innenminister dort nicht mit Polizei aufmarschiert, um Unterricht zu verhindern. Das ist meine Frage.

Bitte setzen Sie sich dafür ein. Sie müssen nicht auf meine Frage antworten. Es reicht auch, wenn Sie das einfach so tun. Aber ich möchte eigentlich schon, dass Sie sich hier dazu bekennen. Denn das, was Herr Tullner hier gemacht hat, ist einfach nur rechtswidrig. Die Schule ist nie geschlossen worden.

(Zuruf: Frage!)

Wer erkennt denn hier überhaupt noch Gerichtsbeschlüsse an? - Diese Frage stellt sich mir mittlerweile.

(Zustimmung)

Noch einmal mein Hinweis - bevor Sie antworten, Herr Tullner -: Wir führen eine Regierungsbefragung durch. Die Idee der Regierungsbefragung

geht zumindest von der theoretischen Konstruktion aus, dass die Landesregierung mit einer Stimme spricht. Das bedeutet, die Landesregierung darf selbst darüber entscheiden, wer für sie spricht. Es spricht nicht der Minister oder die Ministerin, sondern derjenige, der hier vorn steht, spricht für die Landesregierung. Insofern steht es Ihnen frei. Wenn ich Herrn Tullner hier vorn stehen sehe, heißt das wohl, dass die Landesregierung weiter in Person von Herrn Tullner spricht. Er hat jetzt das Wort und muss auf die Frage antworten. Bitte.

Vielen Dank, Herr Vizepräsident. - Herr Farle, auch wenn Sie hier versuchen, Legenden zu stricken - ich sage es noch einmal: Die Entscheidung, diese Schule zu schließen, ist auf kommunaler Ebene getroffen worden.

(Zurufe)

In einem Rechtsstaat gibt es Möglichkeiten, diese Entscheidung juristisch zu überprüfen. Das ist erfolgt.

(Zurufe)

Wir sind natürlich willens und in der Lage und auch in der Pflicht, Recht und Gesetz einzuhalten, aber unter den Voraussetzungen, die ich beschrieben habe. Der Innenminister war heute den ganzen Tag über in Magdeburg. Ich habe nicht gehört, dass er in Siersleben mit der Polizei aufgetaucht wäre.

(Zurufe)

Deswegen, Herr Farle, lassen Sie uns doch einfach zur Kenntnis nehmen, dass wir alle Voraussetzungen getroffen haben, um den Schulbetrieb in Siersleben aufnehmen zu können. Zwischen dem Schulträger und dem Schulamt besteht eine enge Kommunikation. Und wenn die Voraussetzungen dafür geschaffen worden sind, wird der Schulbetrieb schnellstmöglich aufgenommen, von mir aus auch gern morgen. Aber dazu muss der Schulträger seine Aufgaben erledigen. Das weiß er. Ich hoffe und ich gehe fest davon aus, dass er bereit ist, diese Aufgaben umzusetzen. Parallel wurde bereits die Kommunalaufsicht eingeschaltet, damit sie den Schulträger dabei unterstützen kann.

Jetzt hat Herr Aldag das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, ich war vielfältig mit Ihnen im Austausch, und zwar schon sehr lange, bevor das Ganze eskaliert ist. Ich war zwei Wochen vor Schulbeginn in Siers

leben, habe vier Stunden lang mit den Leuten gesprochen und habe Sie und die Staatssekretärin unmittelbar danach kontaktiert. Ich habe auch den Ministerpräsidenten kontaktiert und auf die Situation aufmerksam gemacht, dass es dort zu eskalieren droht.

Trotzdem ist man sehenden Auges ins Verderben gerannt. Das finde ich schade, zumal aus dem Parlament heraus die Information kommt, dass es dort schwierig wird. Heute haben wir gemerkt, dass es ein riesiges Kuddelmuddel ist. Ich habe gerade aus Siersleben zugespielt bekommen, dass die Leute dort die Debatte live verfolgen. Sie fallen gerade vom Glauben ab angesichts dessen, was hier passiert.

Vor diesem Hintergrund möchte ich Sie fragen, ob Sie bereit sind, persönlich nach Siersleben zu gehen. Denn dort waren bisher wenige Verantwortliche, außer ein paar Abgeordneten. Verantwortliche waren bisher nicht in Siersleben, sondern nur in Gerbstedt. Sind Sie bereit, mit den Leuten zu reden und eventuell meinem Vorschlag nachzugehen, den ich schon von Anfang an, auch vor vier Wochen, an Sie gerichtet habe, nämlich das ganze Prozedere auszusetzen, Ruhe hineinzubringen, dort weiterhin zu beschulen, wie es vor den Sommerferien der Fall war, und sich dann gemeinsam an einen Tisch zu setzen und eine Lösung zu finden, die ergebnisoffen sein kann? Das habe ich auch den Leuten vor Ort gesagt: Das kann ergebnisoffen sein. Sind Sie dazu bereit?

(Zustimmung)

Sie haben das Wort.

Lieber Wolfgang Aldag, Informationen über den konkreten Diskussionsstand in Siersleben, der sich gelegentlich verändert hat, haben wir vielfältige bekommen. Ich kenne den Kollegen Jantos, der sich dort intensiv eingebracht hat. Es war aber nicht nur ein Abgeordneter. Die LINKEN haben mir, glaube ich, einen Brief geschrieben - ich glaube, mit Ihnen zusammen.

Die Staatssekretärin in ihrer Eigenschaft als Schulamtsdirektorin hat sich dort vor dem Sommer auch in intensive Diskussionen eingebracht, sodass der Eindruck falsch wäre, der hier möglicherweise entstanden ist, dass man hier oben in Magdeburg in einem bürokratischen Elfenbeinturm sitzt und die Dinge mit wenig Interesse vorbeiziehen sieht.

Ich bitte aber, nur zur Einordnung, Folgendes zu berücksichtigen: Morgen - heute ist Mittwoch - sind gerade einmal 14 Tage des Schuljahres ver

gangen. Dem vorausgegangen sind angesichts von Corona die intensivsten Vorbereitungen ever, die einem Schuljahr jemals angediehen sind.

(Lachen)

Dieses Ministerium hat sehr intensiv und engagiert - ich will nicht in Metaphern von Tag und Nacht reden, aber in die Richtung läuft es - im Takt gemeinsam mit den Kollegen der Kultusministerkonferenz versucht, Schule unter Coronabedingungen zu organisieren. Es gibt niemanden, der entspannt in einem Bürostuhl sitzt und sich nicht für Dinge interessiert.

Da wir aber über 440 Grundschulen in diesem Lande haben zuzüglich der ca. 100 freien Schulen, können wir nicht jede Grundschule intensiv betreuen. Deswegen sage ich es noch einmal: Ich bin gern bereit, mich auch in Siersleben den Diskussionen zu stellen. Aber das darf nicht nach dem Motto passieren, wir bilden einen Stuhlkreis und dann finden wir eine wohlige Lösung. Recht und Gesetz gelten in diesem Land.

(Zurufe - Unruhe)

- Entschuldigung, aber Sie können sich nicht nur den Teil des Rechtsstaates herauspicken, der Ihnen gerade genehm ist, sondern Sie müssen - -

(Zuruf von Thomas Lippmann, DIE LINKE)

- Dass ausgerechnet Sie, Herr Lippmann, als ehemaliger Gewerkschafter die Belange des Arbeitsschutzes hier so nonchalant wegwischen

(Zurufe)

und Ihre ehemaligen Kollegen dort unter Rahmenbedingungen - -

(Zurufe)

Sie fordern mich faktisch auf, wissentlich Missstände zu ignorieren und den Arbeitsschutz an der Stelle außer Kraft zu setzen.

(Zurufe)

Das ist, finde ich, eine interessante Erkenntnis am Rande.

(Zurufe)

Aber an dieser Stelle sage ich ganz deutlich: Geschlossen wurde die Schule vom Gemeinderat.

(Zuruf: Die wurde nicht geschlossen! - Wei- tere Zurufe - Unruhe)

Dagegen hat eine Bürgerinitiative geklagt. Dann gab es dazu Beschlüsse des Verwaltungsgerichts, die wir umsetzen unter den Rahmenbedingungen, die ich beschrieben habe.

Lassen Sie uns doch gemeinsam konstruktiv diese Dinge abarbeiten. Auch Sie können Ihren Beitrag vor Ort dazu leisten. Ich höre ja, dass Sie

sehr engagiert dabei sind. Lassen Sie uns doch gemeinsam die kommunale Selbstverwaltung an der Stelle befähigen, ihre Aufgaben zu erfüllen, und dann wird die Schule geöffnet.

(Zuruf)

Jetzt ist Herr Jantos dran.

Ich versuche jetzt einmal, eine Frage zu formulieren. Die Schulschließung ist Folge einer Untersuchung bezüglich des Brandschutzes und des Zustands der Schule. Daraufhin hat der Stadtrat angesichts des Nichtbedarfs, weil keine Kinder vorhanden sind, beschlossen, die Schule endgültig zu schließen; denn bei einer Gemeinde von 8 000 Einwohnern stehen nicht ausreichend Investitionsmittel zur Verfügung, um drei Schulen, die zudem nicht ausgelastet sind, zu betreiben. Eine Prüfung hat ergeben, dass alle Kinder nach Gerbstedt in die Schule gehen können, ohne dass die belasteten Räume genutzt werden.

Meine Frage geht dahin: Wir hatten im Petitionsausschuss der Bürgerinitiative und auch der Landesregierung die Frage gestellt, ob die Kinder in Gerbstedt oder in Siersleben angemeldet waren, und es gab eindeutig die Aussage: in Gerbstedt. - Herr Minister, stimmt das?

Ja.

Dann gehen wir weiter. Als Nächstes ist Herr Lippmann dran.