Protocol of the Session on July 9, 2020

dort viele Sachen etablieren. Aber es muss doch wenigstens möglich sein, eine schwarze Null zu erwirtschaften. Es dürfen nicht weiterhin rote Zahlen geschrieben werden. Das ist die Zukunft zum Beispiel in Gardelegen.

Jetzt komme ich zu Havelberg. Ich drücke mich vor einer Debatte dazu nicht. Havelberg ist die Blaupause für eine Situation, in der sich ein privater Betreiber zurückzieht, weil sich ein Angebot in einer ländlichen Region nicht rechnet. Das heißt nicht, dass kein Bedarf bestünde.

Man muss deutlich sagen, der damalige Kreis hat das Krankenhaus an einen Privaten verkauft. Jetzt hat der Kreis zwei Möglichkeiten, wenn er bezüglich der Versorgung dort wirklich etwas machen will: Entweder geht er auf das Angebot ein, das Krankenhaus für 1 € zu übernehmen. Ich hoffe, dass das passiert. Das bedeutet aber auch, dass er das restliche Personal zurückführt, um dann, wenn er es nicht selber machen will, mit einem neuen Betreiber in Havelberg eine medizinische Versorgung hinzubekommen.

Oder er muss von der Rückfallklausel Gebrauch machen und dann schauen, wie er es macht. Da geht es wieder um die Verantwortung für die Daseinsvorsorge, um innovative Modelle, wie Herr Heuer gesagt hat, darum, wie man ambulante und stationäre Versorgung gemeinsam macht, wie man sektorenübergreifend arbeitet.

Ja, gerade um solche Prozesse zu stützen, bräuchten wir Geld im Haushalt. Da haben wir nichts, gar nichts. Deshalb würde ich mir wünschen, wir könnten das stärker unterstützen, und zwar auch kurzfristig.

Das Scheinheilige an der Debatte ist jedoch: Fördermittel gibt es erst ab dem Jahr 2022. Bis dahin würde es, selbst wenn wir alles machen würden, keine Finanzierung geben, sondern eben erst 2022. Was machen wir denn in den zwei Jahren? - Dafür ist nichts vorgesehen.

Nun komme ich zu Bitterfeld-Wolfen. Das ärgert mich richtig. Es gibt eine unternehmerische Entscheidung des Landkreises, der das übrigens in Coronazeiten wirklich toll hinbekommen hat. Klar haben wir gesagt: Ihr müsst Betten freihalten. Aber das Klinikum ist wirklich das einzige Klinikum, das sich entschieden hat, die Geburtshilfe ganz zu schließen, um sie für Coronapatienten freizuhalten. Deshalb hat man sich entschieden, alle Entbindungen an die Uniklinik Halle zu überweisen.

Man kann ja sagen, das Gesundheitszentrum Bitterfeld-Wolfen hat für die Ausfälle, die es seit Mitte März durch die Nichtbelegung von Betten hatte, die aufgrund der Coronapandemie entstanden ist - deshalb habe ich diese großen Beträge genannt -, eine Ausgleichszahlung von fast 5 Mil

lionen € erhalten zuzüglich Ausgleichszahlung für zusätzlich geschaffene ITS-Beatmungskapazitäten in Höhe von 300 000 € vom Bund und 140 000 € vom Land. Das sind Gelder, die man im normalen Geschäft in der Geburtshilfe jedenfalls nicht hätte erzielen können.

(Zurufe)

Das sind Beispiele für die Baustellen im Gesundheitswesen, die uns auch in Zukunft beschäftigen werden. Ich will gar nicht auf das eingehen, was in der Zeitung stand, dass wir über die Bürgertelefone sehr viele Anrufer aus der Bevölkerung hatten, die das nicht verstanden hatten, weil man in der Region gesagt hat: Grimm-Benne will, dass die Betten freigehalten werden, und deshalb müssen wir das so machen. - Kann man tun. Man kann immer das Spiel spielen: Landkreismeinung gegen Landesmeinung. Aber das geht auf jeden Fall immer zulasten der Bevölkerung.

Noch ein Punkt: Deshalb ist auch die Kooperation mit Dessau kaputtgegangen. Die hatten nämlich schon einen gemeinsamen Chefarzt, der jetzt gesagt hat: Ich mache hier nichts mehr.

(Zuruf)

Deshalb bin ich gespannt, wo Sie den benötigten Pädiater herbekommen, wenn Sie die Geburtshilfe wieder hochfahren wollen. Ich kann nur davor warnen, dass sie die Geburtshilfe und die Gynäkologie schließen. Es gibt dort noch eine tolle Kinder- und Jugendmedizin. Wenn das eine wegfällt, bleibt das andere auch nicht, da können Sie zuschauen, und dann haben Sie eine noch größere Baustelle.

Wir haben der Kommune schon lange Empfehlungen gegeben. Dort ist der einzige Bereich, der das geriatrische Zentrum noch haben kann. Das kann nicht Helios am -Standort Köthen, das kann nicht ein anderer. Warum bauen Sie das nicht aus?

Wir haben im Psychiatriebericht über alle Standorte geschrieben, an denen noch stationäre Plätze fehlen. In ganz Anhalt-Bitterfeld gibt es keine stationären Plätze. Wir haben ganz dringend gesagt: Geht doch in diesen Bereich hinein. Aber man muss auch schauen: Das sind unternehmerische Entscheidungen, die im Landkreis gefällt werden müssen. Ich bin nicht diejenige, die sagt, wie etwas vor Ort gestaltet werden soll.

Ich weiß, ich überziehe heute, aber ich habe mir auch lange angehört, was die anderen zu diesem Bereich zu sagen haben. Deshalb würde ich gern noch etwas zum Thema Arbeitnehmerüberlassung sagen.

Die Arbeitnehmerüberlassung im Krankenhaus ist ein Phänomen, das seit Langem zu beobachten ist. Zum Problem wurde sie aber erst mit dem

Mangel an Pflegekräften, und hier insbesondere in Ballungszentren. Die Bestrebungen der Ameos, ihr Personal in Beschäftigungsgesellschaften zu überführen, entsprechen leider dem bundesweiten Trend. Sie möchten, dass die Landesregierung prüft, ob mit der durch Ameos geplanten Auslagerung des nichtärztlichen Personals in eine Beschäftigungsgesellschaft eine unzulässige Arbeitnehmerüberlassung vorliegt. Dafür sehe ich bei der Landesregierung leider keine Zuständigkeit.

(Zuruf)

Aber will man die Regelungen zur Arbeitnehmerüberlassung generell angreifen, dann muss man bundesrechtliche Änderungen auf den Weg bringen. Das Land Berlin hat im Februar eine Initiative gestartet, die allerdings im Bundesrat zurzeit auf Eis liegt. Ich persönlich halte Änderungen für wichtig, sehe ein komplettes Verbot, wie es Berlin fordert, allerdings eher skeptisch. Aber wir müssen dranbleiben. Dies ist aber auch die vornehmste Aufgabe des jeweiligen Landkreises, denn nur der hat den Auftrag der Gesundheitsversorgung an den privaten Träger übertragen.

(Zuruf)

- Nein, ich kenne ihn leider nicht so gut, aber ich weiß, dass diese Verträge alle sehr schlecht, zum Nachteil der Kommunen gemacht worden sind. Sie sind sträflich schlecht, und nach meinem Kenntnisstand gibt es bei Ameos noch nicht einmal die Möglichkeit, außerordentlich zu kündigen oder in Rückfall zu gehen, wenn die ärztliche Versorgung dort nicht mehr sichergestellt ist. Das sind Dinge, über die wir tatsächlich einmal debattieren müssen, aber nicht so theoretisch, wie es jetzt hier gelaufen ist, und nicht mit Schuldvorwürfen. Vielmehr haben wir auch in unserer Krankenhauslandschaft Verwerfungen, die es wirklich schwierig machen.

Ich möchte gern noch einen Ausblick nach vorn geben, warum ich meine, dass wir auch dafür das Gutachten nicht brauchen. Wir haben die Möglichkeit, dass wir die Strukturen in Sachsen-Anhalt nachhaltig stützen können, auch aus - wenn ich es einmal einfach sagen darf - Coronamitteln. Die Bundesregierung hat sich auf ein Konjunkturpaket „Coronafolgen bekämpfen, Wohlstand sichern, Zukunftsfähigkeit stärken“ geeinigt. Ein Bestandteil ist das Zukunftsprogramm Krankenhäuser mit 3 Milliarden €. Förderfähige Investitionen aus diesem Konjunkturprogramm sind Investitionen in IT- und Cybersicherheit.

Eine weitere Unterstützung der Krankenhäuser kann durch Kofinanzierung der Bundesmittel erfolgen, hierzu stehen allerdings die Regelungen noch nicht fest. Spätestens in der nächsten Legislaturperiode wird sich der Bund mit einem Strukturwandel - der Ihnen eigentlich entgegenkommt -,

der mit der Krankenhausfinanzierung verbunden sein muss, auseinandersetzen. Das kann aber nicht bedeuten, dass wir jetzt schon die Krankenhausstandorte zusammensparen. Ich will es noch einmal deutlich sagen: Ich stehe zu allen 47 Standorten. Sie können aber nicht im Status quo erhalten bleiben, sondern sie müssen sich bewegen und umgebaut werden. Dann besteht die Möglichkeit, sie aufrechtzuerhalten.

Wenn man meint - das konnte ich jedenfalls vor der Coronakrise feststellen -, wir hätten immer noch zu viele Krankenhäuser, dann bitte ich nochmals zu bedenken: Wir hatten immer ein Referenzland, das ist Schleswig-Holstein. Dieses Land hat ungefähr die gleiche Bevölkerungszahl wie wir - etwas mehr - und die gleiche demografische Entwicklung sowie viel ländlichen Raum. Nun frage ich Sie: Wie viele Krankenhäuser hat Schleswig-Holstein? Und dort ist man nicht dabei, deren Anzahl zu kürzen, in keiner Form. - Sie haben doppelt so viele wie wir. Ich verstehe deshalb nicht, warum wir noch weiter zentralisieren wollen. Wir hängen damit den ländlichen Raum total ab.

(Beifall)

Alle Lippenbekenntnisse, die heute hier kamen, sind im Grunde genommen heuchlerisch.

Mal angenommen, wir geben jetzt das gewünschte Gutachten in Auftrag, und ich würde mich selbst dafür einsetzen. Es würde bis Ende des Jahres geschrieben sein. Dann muss es in den Krankenhausplan hinein. Das dauert noch einmal locker drei Jahre. Dann brauche ich das Geld nicht mehr. Von daher: Lassen Sie uns gemeinsam anpacken, aber nicht noch einmal in einer Parallelstruktur.

Was mich bei den Mitgliedern des Finanzausschusses besonders wundert: Wir haben die Affäre um die Beraterverträge durch, wir haben einen Untersuchungsausschuss durch. Ich fand es sehr interessant, dass die Investitionsbank beauftragt wird, die aber nichts damit zu tun hat. Warum kann nicht das zuständige Ministerium das selbst beauftragen, wenn es dies als notwendig erachtet? - Zuwendungsbescheide ausreichen - das können wir im Ministerium auch allein.

(Zuruf - Zustimmung)

- Ja, natürlich haben Sie die Frage gestellt. Ich konnte aber in der Bereinigungssitzung meine Auffassung dazu nicht kundtun. - Herzlichen Dank.

Frau Ministerin, es gibt neun Abgeordnete, die Fragen stellen möchten.

Jetzt geht es los.

Als Erste ist Frau Funke an der Reihe. Frau Funke, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Sehr geehrte Frau Ministerin, ich bin auch immer sehr an Lösungen interessiert. Die Frage ist: Sie kennen sicher den Paragrafen zu den Sicherstellungszuschlägen aus dem SGB V. Ich hatte für den Kreistag des Burgenlandkreises beantragt zu prüfen, ob die Möglichkeit besteht, dies zu tun, und habe beispielsweise einen sogenannten Pro-Kopf-Geburts

zuschlag beantragt bzw. habe darum gebeten, diesen zu prüfen.

Wie ist Ihre Meinung dazu? - Sie hatten sich explizit zu anderen Krankenhäusern geäußert. Gut, das Burgenlandklinikum ist jetzt verkauft, aber die Situation ist so, dass seitens des Burgenlandkreises trotzdem noch Ausgleichszahlungen erfolgen sollen. Ich sehe hier eigentlich die Lösung, dies über die Sicherstellungszuschläge zu tun. Ich weiß aber, ehrlich gesagt, nicht, wo diese beantragt werden müssen, beim Land oder beim Bund; es ist ja eigentlich Bundesgesetzgebung.

Ich hätte gern gewusst, wie Ihre Ansicht zu den Sicherstellungszuschlägen für solche Basisversorgungskrankenhäuser ist - es ist ja Basisversorgung und die Geburtenstation gehört dazu - und wie Sie zu dem Pro-Kopf-Geburtszuschlag stehen, um Differenzen auszugleichen, wenn sich die Station bis zu einer bestimmten Geburtenanzahl noch nicht rechnen würde.

Frau Ministerin, Sie haben das Wort.

In der Tat gibt es zu den Sicherstellungszuschlägen Empfehlungen des Gemeinsamen Bundesausschusses, wo diese gezahlt werden müssen. Dies ist auch für Zeitz im Burgenlandkreis geprüft worden. Dazu muss man aber sagen: Es wird im Umkreis einer Fahrtzeit von 30 Minuten geschaut, ob es noch ein weiteres Angebot gibt. Dabei geht man auch über Kreis- und Landesgrenzen hinweg. Dann können Sie sich schon selbst die Antwort auf die Frage geben, welche Krankenhäuser in der Lage waren, dort auch noch eine Geburtsstation aufrechtzuerhalten; und dann

hat man keinen Anspruch auf den Sicherstellungszuschlag.

Ich habe jetzt die Möglichkeiten für den ländlichen Raum nicht ganz im Kopf, aber ich meine, dass die Regionen Gardelegen und Salzwedel einen Sicherstellungszuschlag - allerdings nur in Höhe von 400 000 € - bekommen haben, weil sie eine Daseinsvorsorgeaufgabe haben. Wir sagen immer noch - jedenfalls ist das die politische Forderung -, das ist nicht auskömmlich.

Zur Geburtshilfe muss ich Folgendes sagen: Leider hat der Bundesausschuss dafür sehr konkrete Kriterien festgelegt. Wir sind der Auffassung, dass Geburtshilfe und Pädiatrie genauso finanziert werden müssen wie zum Beispiel Chirurgie und Inneres, da alle diese Bereiche zur Grundversorgung gehören. Deshalb sagen einige: Das kann ich so nicht wirtschaftlich machen. Aber es besteht die Möglichkeit, in anderen Bereichen möglicherweise mehr Geld zu verdienen, zum Beispiel in der Geriatrie, um damit die Geburtshilfe, die negativ ist, zu stützen. Das sind auch die Empfehlungen, die ich für Bitterfeld-Wolfen geben möchte: Dort muss man schauen, wie man so etwas etabliert.

Außerdem muss man natürlich attraktiv sein, auch an den kleinen Standorten. Ich habe mich immer gewundert: Wir haben Personalkosten für Hebammen finanziert, für Pilotprojekte - den Auftrag hatten wir im Koalitionsvertrag -, zum Beispiel für hebammengeleitete Kreißsäle; das ist sehr attraktiv. Leider haben dies nur die Uniklinik und das Krankenhaus St. Elisabeth in Halle in Anspruch genommen. Aber gerade für solche Regionen, wenn man engagierte Hebammen hat, muss man schauen,

(Cornelia Lüddemann, GRÜNE: Das wäre eine Lösung!)

- wir wollen auch versuchen, es für Gardelegen hinzubekommen - dass man dort so etwas ermöglicht.

Vorhin sagte ein Debattenredner, dass man auch kreativ sein müsse. Wir mussten immer kreativ sein. Trotzdem würde ich mir wünschen, dass ich für solche Möglichkeit einen Topf habe, mit dem ich das stützen kann. Aber wir haben besprochen, dass wir möglicherweise Gelder aus dem Hebammenfonds, die nicht ablaufen, für solche Kreißsäle zur Verfügung stellen können.

Bei den sektorenübergreifenden Zentren werden wir jetzt noch einmal an die Krankenkassen herantreten, ob diese nicht bereit sind, solche Pilotprojekte zu stützen, wenn ich im Landeshaushalt dafür kein Geld bekomme.

Frau Funke hat noch eine Nachfrage.