Protocol of the Session on July 8, 2020

Zurück zum Minister und zu den Aspekten Transparenz und Ehrlichkeit. Zwei Dinge; zum einen zu dieser Stundentafel. Wir müssen einmal zur Kenntnis nehmen, dass jetzt praktisch täglich eine Stunde oder insgesamt fünf Stunden in der Woche aus einer bisher definierten, gesellschaftlich etablierten und akzeptierten Stundentafel herausgenommen werden sollen. Das betrifft sowohl den Bereich der Kernfächer als auch den Bereich der Naturwissenschaften, zu einem kleinen Teil sogar, wenn ich an die alte Geschichte denke, die gesellschaftswissenschaftlichen Fächer und jetzt insbesondere den Bereich der Profilfächer, nämlich Wirtschaft und Technik.

Diese Stunden werden in einen sehr großen, fächerübergreifenden Pflichtstundenpool gepackt, zu dem es nur sehr allgemeine und sehr schwammige Formulierungen gibt, außer dass das Wort „Pflicht“ darin steht. Das heißt lediglich: Wenn man die Stunden hat und wenn man sie

einsetzt, dann müssen die Kinder dort hingehen. Mehr heißt das Wort „Pflicht“ nämlich nicht. Sie können es sich nicht aussuchen. Was die Schulen aber damit machen, das wird sich künftig jeder Übersicht entziehen.

Wir werden wahrscheinlich auch nicht die Chance haben, nachzufragen und vernünftige Antworten zu bekommen, weil sie es nicht erfassen werden und weil es unterschiedlich sein wird, was die Schulen mit diesem großen Pool von wöchentlich fünf Stunden über alle Klassen hinweg machen werden, also ob sie das wieder in den Kernfachbereich zurückgeben werden, ob sie projektübergreifend arbeiten werden und wie sie das aufteilen werden. Das heißt, wir werden einen ganz großen Unterschied zwischen den Schulen bekommen bei dem, was dort jeweils passiert.

Das ist nicht per se schlecht. Es ist aber angesichts des zweiten Punktes schlecht, der nicht beantwortet wird, nämlich was diese Flexibilisierung, diese Strukturierung - von mir aus auch von Mangel - mit der Reduzierung der Zuweisung zu tun hat. Die beiden Dinge haben nämlich nicht per se etwas miteinander zu tun. Die Zuweisung reduziert lediglich den Spagat zwischen dem, was die Schulen eigentlich an Lehrkräften brauchen, und dem, was sie haben. Das führt lediglich dazu, dass im nächsten Jahr auf die Frage nach der Unterrichtsversorgung eben nicht 89,7 % genannt werden, was vermutlich der Fall wäre, sondern wahrscheinlich 93,5 % oder 94,6 % oder eine ähnliche Zahl. Das ist also wieder das alte Zahlenspiel, das nicht transparent ist.

Genau das war der Anlass für die Volksinitiative und für das Volksbegehren. Genau das sollte beenden werden, nämlich an diesen Schrauben zu drehen und den Leuten etwas vorzumachen. Unterm Strich ist für die Eltern und für die Kinder nur wichtig, was an Unterricht stattfindet. Wie wir das nennen, wie wir das aufschreiben, welchen Tanz wir uns dabei vorführen, das spielt für sie überhaupt keine Rolle. Unterm Strich zählt nur, dass innerhalb von sechs Jahren oder, wenn wir das nächste Jahr dazu nehmen, innerhalb von sieben Jahren das Unterrichtsangebot, also der Einsatz der Lehrkräfte, um knapp 25 % reduziert wird. Das ist mehr als ein ganzes Schuljahr. Damit werden die Leistungen, die wir von dieser Schulform erwarten könnten, nicht mehr kommen.

Auch das, was die Eltern erwarten, was mit ihren Kindern im Rahmen der Schulpflicht passiert, wird nicht mehr stattfinden. Mit diesem Erlass - deswegen kritisieren wir ihn so scharf, das habe ich neulich schon mit meiner Frage deutlich gemacht - signalisieren Sie nicht nur „ich habe die Lehrkräfte nicht“ sondern auch „ihr braucht sie auch nicht“.

Diese Änderung wird auch wieder schnell vergessen werden, so wie die vorletzte und die vorvor

letzte auch vergessen wurden. Wir werden irgendwann denken, dass das normal ist; das ist doch immer so. - Nein, es ist nicht normal, dass es so eine geringe Zuweisung an die Sekundarschulen und die Gemeinschaftsschulen gibt. Deswegen ist es wichtig, dass die Zuweisungen wieder hochgefahren werden und dass zumindest erklärt wird, dass das nur für ein, zwei Jahre so sein wird und es dann wieder hoch geht.

(Zustimmung)

Ich sehe keine Fragen. Deswegen können wir zum letzten Debattenredner kommen, nachdem das Rednerpult desinfiziert worden sein wird. - Für die Fraktion der AfD hat Herr Dr. Tillschneider das Wort. Bitte sehr.

Es liegt mir nun wirklich fern, Minister Tullner in Schutz zu nehmen. Aber wenn Herr Lippmann dem Minister vorwirft, er gaukele der Öffentlichkeit etwas vor, dann springt mir das Messer in der Tasche auf. Wenn hier nämlich einer etwas vorgaukelt, dann Sie mit Ihrem verlogenen und überflüssigen Volksbegehren „Den Mangel beenden“. Hätten Sie nämlich mit dieser Aktion Erfolg, dann müssten wir von heute auf morgen 2 000 Lehrer einstellen, die es nirgendwo gibt. Sie wollen uneinlösbare Ansprüche in das Schulgesetz schreiben. Das ist der Gipfel der Verantwortungslosigkeit.

(Zustimmung)

Sie machen Wahlkampf auf dem Rücken der Schulen. Sie selbst sind ein roter Vorgaukler und Volksverdummer. - Das dazu.

Zu unserem Inklusionsantrag. Sie haben uns vorgeworfen, er sei inhuman. - Nein, was wir hier vorgelegt haben, ist die Vollendung der Humanität. Denn es ist für behinderte Kinder das Beste und das Humanste, wenn sie optimal, differenziert und genau entsprechend ihren Bedürfnissen gefördert werden.

(Zustimmung)

Die Förderschulen ermöglichen ihnen maximale Entfaltung, wenn die Schüler dort unter ihresgleichen entsprechend ihren Voraussetzungen beschult werden.

Sie haben ein paar Titel von Studien genannt, die den Förderschulen ein vernichtendes Urteil ausstellen. Es gibt genügend Gegenstudien. Ich empfehle Ihnen einmal den Psychologieprofessor und Pädagogikprofessor Bernd Ahrbeck, der ausreichend zum Thema Inklusion publiziert hat. Lesen Sie das; vielleicht erweitert es Ihren Horizont.

Ich frage mich, woher Ihre Angst vor Differenzierung kommt. Weshalb die Angst vor einem differenzierten Schulsystem? - Ich kann mir das nur mit Ideologie erklären und mit irrationaler Verblendung. Sie geben selbst den Hinweis, woher das kommt. Sie haben gesagt, es sei durch soziale Problemlagen determiniert, wer auf eine Förderschule komme. Es war die ausdrückliche Aussage, das sei durch soziale Problemlagen determiniert. Wissen Sie, das ist - mit einer etwas anderen Formulierung - der Satz „Das Sein bestimmt das Bewusstsein.“ Sie outen sich damit als dialektischer Materialist und Sie unterliegen einem Denkfehler. Denn die Kinder kommen nicht an Förderschulen, weil sie aus sozial schwachen Familien kommen

(Zuruf)

- nein, nein -, sondern diese Familien sind sozial schwach, weil unter ihnen die Güter Intelligenz und Begabung gering verteilt sind.

(Zuruf: Buh! - Weitere Zurufe)

- Nee, nee. Es ist die Frage, wie man denkt. Wohin Ihre materialistische Weltanschauung führt, haben wir in der DDR gesehen. Sie führt geradewegs in den Zusammenbruch.

Jetzt zum Minister. Sie haben sich zu den Förderschulen bekannt. Aber die Förderschulen werden systematisch kaputtgespart; sie sind unterfinanziert. Daran ändert auch Ihr Lippenbekenntnis nichts. Sie haben sich von den LINKEN in dieser Frage treiben lassen und Sie werden sich auch immer noch von den LINKEN treiben lassen.

Sie würden gut daran tun, sich in dieser Frage einmal von der AfD treiben zu lassen, dann würden Sie nämlich in die richtige Richtung getrieben.

(Zustimmung)

Zu den Fächerkürzungen. Ihre Verteidigung war ja wirklich ein Witz. Sie haben sich damit herausgeredet, dass wir nicht übertreiben sollen und nicht so viel gekürzt wird. In Mathe, Deutsch und den Naturwissenschaften darf gar nicht gekürzt werden; keine einzige Stunde darf dort gekürzt werden. Gehen Sie doch bitte an Ethik, Sport, Musik, Kunst und was es sonst noch gibt und kürzen Sie dort.

Zu Frau Kolb-Janssen. Frau Kolb-Janssen ist wieder die Fantasie durchgegangen. - Jetzt ist sie nicht da. - Sie hat wieder den Nazi halluziniert und irgendwie von lebensunwertem Leben gesprochen. Euthanasie hat sie nicht gesagt, aber es war so zwischen den Zeilen herauszuhören.

(Zuruf)

Es ist absolut lächerlich. Was wir wollen, ist ein gutes, auskömmlich ausfinanziertes Förderschulsystem. Wir wollen mehr Geld für die Förderschu

len ausgeben. Damit zeigen wir, dass unsere behinderten Kinder uns etwas wert sind. Unsere Politik ist also Ausdruck von Wertschätzung und hat nichts damit zu tun, dass wir irgendetwas für lebensunwert halten.

(Beifall)

Zu Herrn Aldag. Er hat es sich ganz einfach gemacht. Er kam hierher und hat einmal „menschenverachtend“ gesagt. Damit war für ihn die Debatte erledigt. Dann kam er noch mit der UNBehindertenrechtskonvention.

Wissen Sie, diese UN-Behindertenrechtskonvention ist nicht eindeutig. Es gibt widerstreitende juristische Meinungen dazu, wozu genau uns diese Konvention verpflichtet. Sie ist hochgradig auslegungsbedürftig. Ich hatte wirklich die Hoffnung, dass wir vielleicht einmal - auf gewissem Niveau - darüber diskutieren können, wozu uns diese Konvention verpflichtet und wozu nicht, was die Begriffe dort bedeuten. Diese Hoffnung wurde leider nicht erfüllt. - Vielen Dank.

(Beifall)

Ich sehe dazu keine Wortmeldungen. Dann können wir hiermit die Debatte beenden. Wir kommen zum Abstimmungsverfahren, zunächst zu dem Gesetzentwurf der Fraktion der AfD in der Drs. 7/6219. Ich habe dem Vortrag entnommen, dass dieser in den Bildungsausschuss überwiesen werden soll. Habe ich das richtig verstanden, Herr Tillschneider? - Gut.

Wer möchte, dass dieser Gesetzesentwurf der Fraktion der AfD in den Bildungsausschuss überwiesen wird, den bitte ich jetzt um sein Kartenzeichen. - Das ist die AfD-Fraktion. Wer ist dagegen? - Die Koalition und die Fraktion DIE LINKE. Gibt es Stimmenthaltungen? - Nein. Dann ist die Überweisung abgelehnt worden. Weder ist es die Mehrheit, noch sind es 22 Stimmen, die wir ansonsten dafür gebraucht hätten.

Wir fahren fort. Es geht um den Antrag der Fraktion DIE LINKE zur Sicherung des Unterrichtsangebotes an Sekundar- und Gemeinschaftsschulen in der Drs. 7/6260. Soll dieser Antrag ebenfalls in den Bildungsausschuss überwiesen werden, Herr Lippmann? - Ja, davon gehe ich aus.

(Zuruf: Überweisung!)

- Ich hatte Überweisung vernommen. Genau, Frau Gorr, alles klar.

Wer für die Überweisung dieses Antrages ist, den bitte ich jetzt um sein Kartenzeichen. - Das sind die Koalition und die Fraktion DIE LINKE. Wer ist dagegen? - Die Fraktion der AfD. Gibt es Stimmenthaltungen? - Die gibt es nicht. Damit ist der

Antrag in den Bildungsausschuss überwiesen worden.

Jetzt kommen wir noch zu dem Antrag der Fraktion der AfD zum Thema „Keine Reduzierung der Stundenzahlen für Kernfächer in den Sekundar- und Gemeinschaftsschulen“ in der Drs. 7/6264. Dieser soll ebenfalls in den Bildungsausschuss überwiesen werden.

Wer für die Überweisung ist, den bitte ich jetzt um sein Kartenzeichen. - Das sind die AfD und die Koalition. Wer ist dagegen? - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Gibt es Stimmenthaltungen? - Das sehe ich nicht. Damit ist auch dieser Antrag in den Bildungsausschuss überwiesen worden. Wir können nunmehr den Tagesordnungspunkt 10 beenden.

Wir sind übrigens im Zeitplan 45 Minuten im Verzug.

Wir kommen zum

Tagesordnungspunkt 11

Zweite Beratung

Beteiligung des Haushaltsgesetzgebers bei der Verteilung von EU-Mitteln

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 7/3971

Beschlussempfehlung Ausschuss für Finanzen - Drs. 7/6222