Protocol of the Session on September 30, 2016

Im Kinder- und Jugendbericht wurde auf die Etablierung bundesweit einheitlicher Standards hingewiesen. Diese sollten die aktuellen Forschungsergebnisse berücksichtigen. Zudem sei die personelle Besetzung deutlich zu verbessern.

Des Weiteren wurde konstatiert, dass die derzeitige Ausstattung der meisten Pflegekinderdienste in Deutschland defizitär ist, und dies, obwohl es

Befunde aus der internationalen Forschung gibt, die Hinweise darauf geben, dass mangelnde personelle und materielle Ressourcen zum Misserfolg von Pflegeverhältnissen beitragen. Auch der Personalschlüssel der Pflegekinderdienste ist in vielen Bundesländern zu hoch.

Diese Hinweise aus dem Kinder- und Jugendbericht decken sich zum größten Teil mit denen, die wir von den Akteurinnen in Sachsen-Anhalt gehört haben. Diese Feststellungen und auch der Umstand, dass die Pflegeverordnung des Landes von 2007 im nächsten Jahr ausläuft, veranlassten uns zu diesem Antrag.

Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich näher auf unseren Antrag eingehe, möchte ich kurz auf die Änderung der Pflegeverordnung, die vor zehn Jahren hier stattfand, eingehen. Auf der Grundlage der Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge wurde damals die Pflegeverordnung überarbeitet. Drei wesentliche Anpassungen wurden im Jahr 2007 vorgenommen.

Erstens. Die Pflegesätze wurden an den Bundesdurchschnitt angepasst.

Zweitens. Die Aufwendungen für die Altersvorsorge und für die Unfallversicherung wurde in das Vergütungssystem einbezogen.

Drittens. Die Pflegeeltern sollten in der Regel höchstens zwei Pflegekinder bzw. ein behindertes Pflegekind aufnehmen.

Außerdem schuf das Land ein Pflege-Eltern-Kompetenzzentrum, welches Weiterbildungen und Informationen anbieten und Vernetzungen unterstützen sollte. Mit der Schaffung eines solchen Zentrums bekämen Pflegeeltern Rückhalt und könnten sich untereinander austauschen.

Der Diskussion im damaligen Ausschuss konnte ich entnehmen, dass mit dieser Verordnung Verbesserungen, aber auch Verschlechterungen, vor allem in finanzieller Hinsicht, verbunden waren.

Was ist nun in den zehn Jahren passiert? - Seit dem Jahr 2009 sind die Pflegesätze nicht mehr angepasst worden. Das Fachzentrum hatte einst drei Vollzeitäquivalente, also drei Vollzeitmitarbeiter, die damals auf sechs Fachkräfte aufgeteilt worden sind, und eine Sachkostenausstattung; heute hat es nur noch 1,75 Stellen und keine Sachkostenfinanzierung mehr.

Die finanziellen Mittel des Landes reduzierten sich von 162 000 € im Jahr 2007 auf 98 984 € im Jahr 2015 und auf 100 469 € im Jahr 2016 - nachzulesen im Einzelplan 05. Mit unserem Antrag möchten wir die entstandene Unzulänglichkeit wieder gerade rücken.

Im Zuge der geplanten Neufassung der Kinder- und Jugendhilfe-Pflegegeld-Verordnung sollen die

Pauschalen an die aktuellen Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge angepasst werden. So steht es auch im Koalitionsvertrag.

Darüber hinaus erachten wir es als notwendig,

dass erstens auch eine Erhöhung der Pauschalen für die Alterssicherung vorzunehmen ist,

dass zweitens ein Stellenaufwuchs auf wieder drei Vollzeiteinheiten im Fachzentrum für Pflegekinderwesen zu organisieren ist,

dass drittens im Dialog mit den Pflegekinderdiensten der Jugendämter die Vorbereitung von Pflegefamilien auf ihre Arbeit, Fortbildungen und unterstützende Hilfen für Pflegefamilien sicherzustellen sind und

dass viertens im Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration vor der Neufassung der Kinder- und Jugendhilfe-Pflegegeld-Verordnung über die Situation des Pflegekinderwesens in SachsenAnhalt zu berichten ist.

Diese Gelegenheit sollte genutzt werden, um weitere Verbesserungen im Pflegekinderwesen zu ermöglichen und um einen Blick auf dessen Gesamtsituation zu werfen. Dazu zählen auch die gegenwärtigen Fallzahlen der Pflegekinderdienste, die auch hier im Land viel zu hoch sind.

Sehr geehrte Damen und Herren! Zum Abschluss noch einige Bemerkungen zum Alternativantrag der Koalitionsfraktionen. In den meisten Punkten stimmen Sie mit unserem Ansinnen überein; das ist erst einmal positiv. Wobei ich aber sehr große Bedenken habe, das ist der Punkt 2 Ihres Antrags. Sie möchten einen Stellenaufwuchs im Fachzentrum für Pflegekinderwesen prüfen. Was wir von Prüfaufträgen zu halten haben, das wissen wir alle nur zu gut.

(Zustimmung von Hendrik Lange, DIE LIN- KE)

Deshalb werden wir genau hinsehen - das verspreche ich Ihnen -, wenn uns der Doppelhaushalt vorgelegt wird.

Die Gespräche mit den kommunalen Spitzenverbänden halte ich für zielführend. Es muss wirklich gelingen, gleichwertige Rahmenbedingungen für Pflegeeltern in Sachsen-Anhalt zu schaffen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind für eine Überweisung beider Anträge an den Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration. Sollte eine Direktabstimmung erfolgen, in der unser Antrag abgelehnt wird, werden wir uns bei der Abstimmung über den Koalitionsantrag der Stimme enthalten. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke, Frau Hohmann. Ich sehe keine Nachfragen. - Deshalb hat sofort die Ministerin Frau Grimm-Benne das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Derzeit ermöglichen etwa 1 590 Pflegeeltern für 2 425 Kinder und Jugendliche in Sachsen-Anhalt ein neues Zuhause mit einem familiären Charakter. Dies gilt es, im Sinne der heranwachsenden Kinder und Jugendlichen bestmöglich zu unterstützen und zu befördern. Nur so kann man dem zentralen Anspruch des Kinder- und Jugendhilfegesetzes gerecht werden, das jedem jungen Menschen das Recht auf Förderung seiner Entwicklung und Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zuspricht.

Während den Landkreisen und kreisfreien Städten die konkrete Ausgestaltung und Sicherstellung des Pflegekinderwesens obliegt, ist das Land hinsichtlich der Gestaltung der Rahmenbedingungen gefragt.

Landesseitig besteht das Ziel, für die Pflegeeltern in den Landkreisen und kreisfreien Städten analoge Voraussetzungen zum Wohle der Pflegekinder zu erreichen. Dies wird nur im Miteinander mit den kommunalen Spitzenverbänden möglich sein. Ferner heißt es dabei, gegenüber den Landkreisen und kreisfreien Städten dem gesetzlich verankerten Beratungsauftrag des Landes gerecht zu werden.

Die Landesregierung tut dies beispielsweise, indem sie sich derzeit der Neuregelung der auslaufenden Kinder- und Jugendhilfe-Pflegegeld-Verordnung widmet. Der Koalitionsvertrag gibt uns dazu einen klaren Auftrag. Wir werden uns an den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge orientieren. Dabei ist mir und, ich glaube, auch Ihnen bewusst, dass Pauschalen allein, egal wie hoch sie sein mögen, für die Kinder und Jugendlichen niemals den Wert widerspiegeln können, den die Pflegefamilien durch ihren Einsatz erbringen.

(Zustimmung von Dr. Verena Späthe, SPD, und von Monika Hohmann, DIE LINKE)

Mit der Förderung des Fachzentrums für Pflegekinderwesen zeigt die Landesregierung darüber hinaus, dass an der Unterstützung des Pflegekinderwesens ein besonderes Landesinteresse besteht. Es heißt, den wachsenden Herausforderungen in diesem Bereich gerecht zu werden.

So stellt die Betreuung und Versorgung von Pflegekindern Pflegeeltern zunehmend vor große Her

ausforderungen, die diese in der Regel mit einem höheren Aufwand zu bewältigen haben. Das Fachzentrum für Pflegekinderwesen stellt dafür wertvolle Hilfen zur Verfügung, indem es beispielsweise die Pflegeeltern berät bzw. ihnen Informationsmaterialien zur Verfügung stellt.

Ich habe mich aber nicht nur darüber gefreut, dass das Fachzentrum auch wieder mehr in den Fokus unserer politischen Diskussion getreten ist, sondern auch darüber, dass es nach einer ganz langen Durststrecke offensichtlich wieder gelungen ist, dass sich der Landesverband der Pflegeeltern wieder etablieren konnte, einen neuen Vorstand gewählt und seine innerdemokratischen Schwierigkeiten beseitigt hat, sodass wir wirklich wieder ein Know-how aus allen Landkreisen bekommen, wie sich Familien dort, selbst organisiert, engagieren und gegenseitig informieren.

Es hat mich gefreut, dass sie der Landesarbeitsgemeinschaft der Familienverbände beigetreten sind. Ich denke, das ist ein gutes Miteinander und kann auch dem Landeszentrum gut beim Austausch helfen.

Ich bin selbstverständlich bereit, im Rahmen der Neufassung der Kinder- und Jugendhilfe-Pflegegeld-Verordnung über die Situation des Pflegekinderwesens in unserem Bundesland im Ausschuss für Arbeit, Soziales und Integration zu berichten. Das ist eine Selbstverständlichkeit. Wir werden Sie auch über die einzelnen Schritte informieren. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der SPD, von Markus Kur- ze, CDU, und von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Ich sehe keine weiteren Nachfragen. Dann können wir in die Debatte der Fraktionen einsteigen. Diese beginnt Herr Krull für die Fraktion der CDU. Bitte, Herr Krull, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Landtagspräsident! Geschätzte Mitglieder des Hohen Hauses! An erster Stelle gilt mein Dank der Fraktion DIE LINKE, die mit großem Eifer und Akribie die Umsetzung des Koalitionsvertrages kontrolliert. Seien Sie versichert, dass es das gemeinsame Ziel der Koalitionspartner ist, diesen Vertrag auch mit Leben zu erfüllen.

(Zustimmung von Monika Hohmann, DIE LINKE)

Jetzt zum eigentlichen Thema. Wie in den Anträgen deutlich wird, ist das Thema des Pflegekinderwesens den Koalitionspartnern so wichtig,

dass es auch Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden hat. Ich zitiere:

„Im Zuge der notwendigen Neufassung der Kinder- und Jugendhilfe-Pflegegeld-Verordnung im ersten Quartal 2017 werden wir die Unterstützung von Pflegefamilien an den dann aktuellen Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge orientieren.“

In den Pflegefamilien wird von den Pflegeeltern Außerordentliches geleistet. Hierfür haben sie nicht nur Respekt und Anerkennung verdient, sondern auch ein hohes Maß an Unterstützung. Unser Alternativantrag geht genau in diese Richtung.

Die Betreuung von Kindern und Jugendlichen kostet auch Geld. Die entsprechenden Anpassungen vorzunehmen, ist überfällig. Die aktuelle Pflegegeldverordnung stammt aus dem Jahr 2007. Das wurde schon mehrfach erwähnt. Die vorgeschlagene Anpassung bedeutet in der Realität eine Erhöhung der entsprechenden Pflegesätze um etwas mehr als 100 € pro Monat und Pflegekind. Dies ist natürlich noch immer weit von dem entfernt, was tatsächlich an Ressourcen von den Pflegeeltern eingesetzt wird.

Pflegeeltern brauchen aber nicht nur finanzielle Mittel, sondern auch die Möglichkeit zum fachlichen Austausch mit Dritten. Nicht selten sind die Kinder und Jugendlichen aufgrund ihrer Vorerfahrungen traumatisiert und ist der Umgang mit ihnen entsprechend herausfordernd. Das Fachzentrum für Pflegekinderwesen ist hierbei ein wichtiger Partner.

Auch der Landesverband für Pflege- und Adoptiveltern im Land Sachsen-Anhalt e. V. muss bei den geplanten Veränderungen als aktiver Partner und Interessenvertreter einbezogen werden. Dort sitzen die Praktikerinnen und Praktiker, die alltäglich ihr Bestes geben, um den Kindern und Jugendlichen einen guten Start ins Leben zu ermöglichen.

Es sollte unser aller Ziel sein, mehr Pflegeeltern zu gewinnen. Dabei spielt der Aspekt, dass eine Unterbringung in einer Pflegefamilie die öffentlichen Kassen deutlich günstiger kommt als eine Heimunterbringung, eine Rolle, allerdings nur eine untergeordnete. Vielmehr geht es darum, dass Kinder und Jugendliche vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben erleben, was es heißt, in einer Familie groß zu werden, die von gegenseitigem Schutz, gegenseitiger Zuneigung und gegenseitigem Respekt geprägt ist.

Die Gewinnung von Pflegefamilien wird immer schwieriger, nicht nur wegen der Auswirkungen des demografischen Wandels, sondern auch aufgrund der faktischen Verpflichtungen, die man als