Protocol of the Session on September 30, 2016

Vielen Dank. - Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir dürfen nicht zulassen, dass gleichstellungspolitische Maßnahmen, zumal wenn sie durch den vorigen Landtag einstimmig beschlossen worden sind, durch die Verdrehung von Argumenten in ein schlechtes Licht gerückt werden.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir dürfen nicht zulassen, dass Gruppen gegeneinander ausgespielt werden: lesbische, schwule und transgeschlechtliche Bürger und Bürgerinnen auf der einen Seite und Familien mit Kindern auf der anderen Seite. Ein Blick in die Wortwahl des AfD-Antrages macht dies bereits deutlich.

Es ist erstaunlich, dass Sie von einer bundesweiten Gruppe von Schwulen und Lesben in Ihrer AfD reden und gleichzeitig mit solchen Worten in Ihrer Begründung arbeiten. Sie schreiben, dass mit einem Aktionsprogramm verpflichtet werde.

(Zuruf von der AfD)

Sie reden von einer Radikalität der Maßnahmen und von einem Druck, der ausgeübt wird. Lassen Sie mich klarstellen: Das Aktionsprogramm ent

hält Maßnahmen wie die Einrichtung einer Informationsseite auf den Seiten des Landesportals, den Austausch mit verschiedenen Aufklärungsprojekten im Land oder die Ermittlung von Schulungsbedarfen in bestimmten Berufszweigen. Der Fokus des Aktionsprogramms besteht damit in Bildung und Aufklärung, in Fortbildungsangeboten für verschiedene Berufsgruppen sowie im Fachaustausch und in Fachveranstaltungen.

Ich erkenne darin keine Radikalität, keine Verpflichtung der Bevölkerung auf extreme Weise, keine Verschiebung des Koordinatensystems unserer Gesellschaft.

(Zustimmung bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und von Frank Scheurell, CDU)

Die Maßnahmen des Aktionsprogramms sollen sensibilisieren und informieren. Sie sollen Gewalt und Diskriminierung entgegenwirken - nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Klare Zielrichtung des Aktionsprogramms ist die Gleichstellung, nicht eine Überprivilegierung. Homosexuelle, trans- und intergeschlechtliche Menschen stehen in unserer Gesellschaft nicht überall auf einer Stufe mit der Mehrheit der Bevölkerung. Daher wird die Bezeichnung der Überprivilegierung dieser Diskussion und der gesellschaftlichen Wirklichkeit in keinerlei Hinsicht gerecht.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Zudem befördert das Aktionsprogramm nicht die vereinzelten Interessen von LSBTTI-Menschen, sondern es richtet sich an Fachkräfte, an Mitbürgerinnen und Mitbürger, an die Öffentlichkeit im Land. Das Programm soll einen sachlichen Dialog zu dem Thema ermöglichen und Diskriminierung abbauen.

Noch einige Worte zu dem Begriff der Minderheit. Ja, das Aktionsprogramm zur Akzeptanz von LSBTTI ist ein Programm, in dem die Anliegen von Minderheiten thematisiert werden - jawohl. Artikel 3 des Grundgesetzes und Artikel 7 der Landesverfassung gebieten, alle Menschen vor dem Gesetz gleichzubehandeln, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln.

Diese verfassungsrechtliche Grundentscheidung entfaltet ihre Wirkkraft ohne Rücksicht darauf, ob ein Mensch zu einer Mehrheit oder zu einer Minderheit gehört.

(Beifall bei der CDU, bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Offenheit für ein breites Spektrum von Meinungen und Auffassungen ist eine Grundvoraussetzung, ist konstitutiv für eine freiheitlich-demokratisch ausgestaltete Gemeinschaft.

Insbesondere mit Artikel 3 Abs. 3 des Grundgesetzes hat der Verfassungsgeber auch einen Auftrag geschaffen, der auf die Verwirklichung der Gleichberechtigung in der Gesellschaft zielt. Dabei ist es die gesellschaftliche und unsere Aufgabe, auch des Staates, die gesellschaftliche Wirklichkeit wahrzunehmen, Diskriminierungs

gefahren zu erkennen und benachteiligende Auswirkungen zu mindern, insbesondere dann, wenn die Betroffenen den Diskriminierungen nur schwer durch eigenes Verhalten begegnen können.

Ich war draußen bei der Demonstration. Auf einem der Plakate, die ich übrigens in der Mehrzahl sehr gut fand, stand der Spruch: „Ihr werdet nicht schlechtergestellt, wenn wir gleichgestellt werden!“

(Beifall bei der CDU, bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Was ist das hier schon für eine Aussage!

Zu dem Antrag möchte ich abschließend sagen, er konstruiert ein Problem und einen Gegensatz, der nicht besteht. Akzeptanz und Gleichstellung aller Lebensweisen zu fördern, ist eine Aufgabe, der sich die Koalition und ich als Gleichstellungsministerin ganz besonders verpflichtet fühlen. Aktionen sind so lange notwendig, wie die Worte schwul und lesbisch als Schimpfwörter auf Sportplätzen, in Schulen oder auf Straßen gebraucht werden.

(Lebhafter Beifall bei der CDU, bei der LIN- KEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Katrin Budde, SPD: Genau!)

Vielen Dank, Frau Ministerin. Frau Ministerin, Sie müssen eine Frage beantworten. Herr Farle hat eine Frage. - Bitte, Herr Farle.

Wir können das völlig unaufgeregt besprechen.

(Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Fragen Sie einmal Ihren Vorsitzenden! - Oh! bei der LINKEN)

Wir haben in Baden-Württemberg erlebt, dass das zu einer riesigen Diskussion in der Bevölkerung geführt hat. Vor diesem Hintergrund spreche ich Sie einfach an und frage Sie: Sollen bei diesen Schulungen, bei denen es um die Frühsexualisierung geht, Pädagogen - -

(Eva von Angern, DIE LINKE: Es geht nicht um Frühsexualisierung! - Cornelia Lüdde- mann, GRÜNE: Ich ertrage das nicht!)

- Sie können noch nicht einmal eine Frage ertragen. Ist es mittlerweile so schlimm bei Ihnen? Sind Sie mittlerweile so verbohrt?

(Katrin Budde, SPD: Wer ist hier verbohrt? - Zurufe von Eva von Angern, DIE LINKE, und von den GRÜNEN)

Ich frage Sie - -

(Unruhe)

Lassen Sie Herrn Farle doch erst einmal ausreden.

Ich frage Sie jetzt ganz einfach

(Zuruf von der AfD: Unmöglich!)

und ganz ruhig und sachlich: Wer sind die Adressaten der Schulungen? Handelt es sich um Schulungen für pädagogische Kräfte an Kindereinrichtungen dieses Landes?

Die zweite Frage, die sich anschließt, ist: Soll in diesem Land dieser Kita-Koffer eingeführt werden und was soll er enthalten? - Ich bitte Sie, mir das zu beantworten.

Ich habe gestern schon einen Hinweis von einem Kollegen aus der Regierung bekommen, der gesagt hat, so schlimm ist das ja bei uns nicht. Er hat mir gesagt: Wir wollen das nicht zwingend machen, sondern nur dort, wo solche Probleme auftreten. Ich hätte diese Auskunft gern von Ihnen. - Vielen Dank.

Frau Ministerin, bitte.

Wir haben eine Liste mit Bücherempfehlungen erarbeitet. Diese sind versandt worden an Träger von Jugendhilfeeinrichtungen, von Kindertagesstätten, an die Fachkräfte dort, die diese Liste von Büchern, teilweise von Bilderbüchern, empfohlen bekommen haben, falls ein solches Problem bei ihnen im Kindergarten auftaucht, falls die Kinder mit solchen Fragen kommen, falls es um Fragen der Familienvielfalt geht und vielleicht auch um Fragen der Rollenzuschreibung, der Rollengerechtigkeit.

Ich halte es für gut, dass man Erzieherinnen und Erziehern Material an die Hand gibt, damit sie darauf in eigener pädagogischer Kompetenz antworten können, und sie damit nicht allein lässt.

Dieser Kita-Koffer - ich freue mich über die Frage und darf das eben noch ausführen - ist mit dem Aktionsprogramm von der Landesregierung beschlossen worden. Auf Seite 8 heißt es bei der dritten Maßnahme: Bereitstellung von drei Metho

denkoffern für die Sensibilisierung zu Rollenzuschreibungen, Geschlechtervielfalt und Familienmodellen an Kitas und Grundschulen.

Ab dem Jahr 2017 sollen diese Methodenkoffer für diejenigen zur Verfügung gestellt werden, die Bedarf daran haben und die sagen, wir möchten oder müssen - es gibt beide Varianten - dieses Thema in unseren Kindertagesstätten ansprechen.

Das ist keine Verpflichtung. Es hat auch überhaupt nichts mit sexueller Früherziehung zu tun. Ich glaube, Sexualkunde ist wirklich ein Thema für die Schule. Das hat nichts damit zu tun, wenn ich mir überlege, ob es richtig ist, dass Jungen geärgert werden, wenn sie mit Puppen spielen, und Mädchen, wenn sie lieber nach draußen gehen, um auf den Baum zu klettern oder Fußball zu spielen oder sonst etwas. Mir fällt gar nicht so etwas Typisches für Jungen ein, was man anführen sollte.

(Heiterkeit bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Ich weiß nicht, was in Baden-Württemberg in den Kita-Koffern enthalten ist; sie scheinen für viel Aufregung gesorgt zu haben. Damit werden unsere Medienkoffer, die wir überhaupt erst einmal erarbeiten wollen, wenig zu tun haben.

Es gibt zwei weitere Anfragen, von Herrn Raue und von Herrn Dr. Tillschneider. Bitte.

Frau Ministerin, was hat das mit Kinderbildung zu tun, so eine Frühsexualisierung? Was hat das mit Kinderbildung zu tun?

(Eva von Angern, DIE LINKE: Aber sie hat es doch gesagt! Wir haben sie verstan- den! - Weitere Zurufe von der LINKEN - Zu- ruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)