Protocol of the Session on October 15, 2015

Nun zum Kleinteiligen. Die Beschlussvorlage sieht Erhöhungen vor. Im Jahr 2015 wird das Gesamthaushaltsvolumen 11,06 Milliarden € betragen und 10,92 Milliarden € im Jahr 2016. Das sind Aufwüchse in Höhe von 200 Millionen € bzw. von 400 Millionen € in den jeweiligen Jahren. Finanzminister Herr Bullerjahn hat gesagt, wir sollen die Zahlen wegschmeißen. So weit muss man vielleicht nicht gehen. Sie haben es angedeutet. Es sind natürlich Änderungen dabei; das ist klar.

Die Hauptursache für diesen Nachtragshaushalt ist auch klar. Das sind die Herausforderungen, die uns durch die aktuelle Flüchtlingssituation aufgegeben sind. Wir als Land müssen unserer Verantwortung gerecht werden. Dazu gehört nun einmal auch die Regelung der fiskalischen Aspekte.

Die zukünftige Entwicklung der Flüchtlingszahlen ist unsicher. Es scheint aber doch wahrscheinlich zu sein, dass sich das aktuelle Niveau zumindest im kommenden Jahr bestätigt. Zumindest wird es keinen abrupten Rückgang geben. Dafür spricht nun überhaupt nichts. Die Mehrausgaben im Nachtragshaushalt sind vor dem Hintergrund der aktuell drängenden Aufgaben, nämlich der Unterbringung, Betreuung und vor allem der Integration der vor Krieg und Terror in unser Land geflohenen Menschen zweifelsohne ohne Alternative.

Dass die in den Doppelhaushalt eingestellten Mittel, die im Rahmen des Finanzausgleichsgesetzes an die Kommunen ausgereicht werden sollten, schon für die damals erwartete Zahl der Asylbewerber nicht ausreichend sein würden, war im Prinzip schon damals allen Beteiligten klar. Der jetzt allerdings tatsächlich erforderlich gewordene Umfang war nicht prognostizierbar und hat sich sogar während der Beratungen über den Nachtragshaushalt noch deutlich erhöht, sodass letztlich im Nachtragshaushalt ein Nachtrag notwendig wurde.

Natürlich sind die jetzt geplanten Ausgaben im Bereich Asyl und Migration für unser Land eine fiskalische Herausforderung. Leider gibt es auch Leute, die ein gutes Geschäft wittern. Die Marktpreise für Unterkünfte und Einrichtungen sind geradezu explodiert. Darüber grummeln nicht nur die Finanzpolitiker.

Die Kommunen unseres Landes stehen vor erheblichen finanziellen Problemen. Die von der Landesregierung angesetzten Fallkostenpauschalen für Unterbringung, Betreuung und Integration der Flüchtlinge von 8 600 € muss als absolute Untergrenze angesehen werden. Denn der Berechnung dieser Pauschale lagen die Preise des Jahres 2014 zugrunde. Jedem in diesem Hause muss klar sein, dass die Preisentwicklung seitdem deutlich nach oben gegangen ist.

Realistischer, aber dann auch kostenintensiver dürfte die Pauschale sein, die bei den Bund-Länder-Verhandlungen Gegenstand war. Das war ein Betrag von 12 500 €. In diese Richtung gehen auch die Äußerungen der kommunalen Spitzenverbände.

Die Landesregierung hat sich in dieser Frage leider unklar verhalten. Einerseits hält man an der Pauschale von 8 600 € fest, sagt aber andererseits - auch heute haben wir das wieder gehört - und verspricht es sogar, dass man die Kommunen nicht auf den Kosten sitzen lassen wird.

Nun ist eine pauschalierte Kostenbetrachtung in einem Land mit unterschiedlichen Mietpreisen durchaus nicht unproblematisch. Wenn man aber zu einer nicht kostendeckenden Pauschalierung greift, dann muss man auch erklären, wie man die Finanzierungslücke, die sich aus dem Versprechen ergibt, schließen will.

Dazu finden wir keine konkreten Angaben. Dazu finden wir keinen Mechanismus. Ich fordere die Landesregierung dazu auf, dass sie den Kommunen die entstehenden Kosten für die ihnen übertragene Aufgabe letztlich doch über eine Spitzabrechnung ersetzt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Neben den Kosten für die Unterbringung und die Integration, welche den Kommunen ersetzt werden müssen, trägt das Land in den kommenden Jahren auch die Kosten für die zusätzlichen Erstaufnahmeeinrichtungen. Die jetzt notwendigen Mittel für den Bau, die Einrichtung und den organisatorischen Betrieb sind erheblich, aber gleichfalls letztlich unvermeidbar. Tatsächlich stehen im Mittelpunkt der Flüchtlingspolitik die Humanität und die sich daraus ergebende Handlungsnotwendigkeit, und nicht der fiskalische Aspekt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Die Diskussion im Finanzausschuss zu dem Thema war überwiegend erfreulich, möchte ich meinen. Im Großen und Ganzen wurden die Maßnahmen sogar einstimmig beschlossen, also über die Fraktionsgrenzen hinweg.

Es gab eine Ausnahme. Darauf will ich auch eingehen. Meine Vorredner sind ebenfalls zum Teil

darauf eingegangen. Es geht um die Position der Landesregierung und der Koalition zu der ZASt Halle und ihrer Finanzierung. Das war ein Trauerspiel, das dem Ernst der Sache nicht gerecht wird.

Die Einstellung der Mittel für die ZASt Halle in den Nachtragshaushalt wurde begleitet von einer - nun ja - für den Finanzausschuss ungewöhnlich turbulenten Sitzung. Ich meine, mich an drei Auszeiten zu erinnern, die vonseiten der Koalitionsfraktionen zu diesem Punkt beantragt worden sind. - Szenen einer Ehe. Dies war insofern irritierend, als eben eine gangbare Alternative weder benannt wurde, noch bestand und auch nicht besteht.

Nachdem die Finanzierung der ZASt dann endlich beschlossen war, durfte ich der Presse entnehmen, dass man an der Fortführung der ZASt erst einmal nicht festhält. Frau Feußner sagte, es kommt auf den Prüfstand. Zur Begründung diente ein Verweis darauf, dass der Ministerpräsident bei den Flüchtlingszahlen nur von 11 000 Personen im Jahr ausgehe und man deshalb die ZASt nicht benötige.

Die Zahl 11 000 ist in keiner Weise seriös untersetzt, sondern sie ist ein Wunsch des Ministerpräsidenten. Den kann man haben. Aber darauf kann man doch nicht die Planungen aufbauen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Angesichts der Tatsache, dass derzeit täglich etwa 200 bis 250 Menschen das Land erreichen und dass 800 Menschen aktuell noch in Zelten untergebracht sind - gestern gab es in Teilen des Landes Schnee -, ist es nicht möglich, die Zahl 11 000 ernsthaft zur Grundlage unserer Planungen zu machen. Das ist unverantwortlich.

Nichts gegen einen ordentlichen Koalitionsknatsch. Ihr dürft ihn aber nicht auf dem Rücken der Menschen austragen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wir brauchen für die Flüchtlinge ausreichende Unterkünfte. Die Menschen im Land dürfen erwarten, dass die Landespolitik gerade in dieser nicht einfachen Situation verlässlich und besonnen handelt und nicht nach Tagesform Zahlen in den Raum ruft, deren Bedeutung sich nur aus Koalitionszwistigkeiten ergibt.

Was in der Diskussion noch zu wenig beachtet wird, ist die Frage der Betreuung und Integration von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und der psychosozialen Betreuung traumatisierter

Flüchtlinge. Wir glauben nicht, dass die in den Nachtragshaushalt eingestellten Mittel dem Problem gerecht werden und ausreichen. Sollten wir mit dieser Einschätzung Recht behalten, muss im Haushaltsvollzug nachgesteuert werden. Zu der

Volatilität, der Veränderlichkeit des Haushalts und des Vollzugs haben wir heute schon etwas gesagt.

Schlussendlich muss die Landesregierung, welche die verfassungsgemäße Verantwortung für die schutzsuchenden Flüchtlinge hat, handeln. Der Bund wird sich an den anfallenden Kosten ebenfalls in Größenordnungen beteiligen. Ob dies ausreichend ist, muss jeweils geprüft werden. Gegebenenfalls darf man vor Nachverhandlungen nicht zurückschrecken.

Kommen wir zu den anderen Problemfeldern des Haushaltes. Da gibt es noch einige. Das wäre zum Beispiel die unzureichende Personalausstattung der Schulen. Aufgrund der aktuellen Altersstruktur der Lehrerinnen und Lehrer an den öffentlichen Schulen in Sachsen-Anhalt stehen wir vor der Herausforderung, eine ausreichende Unterrichtsversorgung in den kommenden zehn Jahren zu gewährleisten. Die von Ihnen jetzt nachgeschobenen Neueinstellungen und Kapazitätserweiterungen

sind erfreulich, werden aber nach unserer Einschätzung letztlich nicht ausreichen.

Neben der Sicherung des Lehrkräftebestandes müssen wir auch den Vorbereitungsdienst stärken. Meine Fraktion forderte daher in den zuständigen Ausschüssen für das Haushaltsjahr 2016 die Einstellung von zusätzlichen 180 Lehrkräften im Vorbereitungsdienst in unterschiedlichen Schulformen sowie die Neueinstellung von insgesamt 180 zusätzlichen Lehrkräften. Wir konnten uns damit jedoch leider nicht durchsetzen.

Ein weiterer Punkt ist die unzureichende Finanzausstattung der Kommunen, unabhängig von der Flüchtlingsthematik. Die Finanzschwäche der

Mehrzahl unserer Kommunen hat tiefe strukturelle Ursachen. Der jetzige Schluck von zweimal 25 Millionen € extra ist nett - wir haben dem im Ausschuss auch zugestimmt -,

(Zuruf von Frau Niestädt, SPD)

- das haben wir getan - stellt aber keine dauerhafte Lösung dar. Ich habe im Finanzausschuss mehrmals nachgefragt, wie sich die Summe vor dem Hintergrund unseres auf den Bedarf abstellenden FAG errechnet. - Es gab keine Antwort, natürlich nicht. Sie errechnet sich natürlich überhaupt nicht, sondern ist kurz vor der Wahl ein beruhigender Schluck aus der Pulle, damit die Quengelei aufhört.

(Zustimmung von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE)

Diese Herangehensweise halte ich für unangemessen und nicht nachhaltig.

(Zustimmung von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE)

Was darüber hinaus in dem aktuellen System völlig fehlt, sind Anreize für Kommunen zur Haus-

haltskonsolidierung. Wenn man jeden Konsolidierungserfolg der Kommunen sofort 1 : 1 für den Landeshaushalt einsammelt, dann gibt man keine Anreize, sondern erzeugt Frust. Auch hierbei kommen Sie nicht voran. Meine Fraktion hatte diesbezüglich im Ausschuss einen Weg aufgezeigt und eine nur teilweise Anrechnung der kommunalen Aufwandssteuern vorgeschlagen - leider aber auch hierbei ohne Erfolg.

Interessant ist die Entwicklung im GRW-Bereich. Die Kollegin Bull hatte in der letzten Woche eine sehr schöne, treffende Formulierung gefunden, die muss ich jetzt bringen: Die Wirtschaftskompetenz der CDU ist eine Legende.

(Frau Bull, DIE LINKE: Das ist von gestern!)

Freimütig wird jetzt seitens der Landesregierung eingeräumt, dass für die Jahre 2015 und 2016 Fördermittel in Höhe von rund 110 Millionen € nicht in die hiesige Wirtschaft abfließen können. Das ist unglaublich. Vor nicht einmal einem Jahr war das noch eine heilige Kuh.

Wir Bündnisgrünen hatten damals das Dogma der unbedingten Drittmittelbindung und den hohen vorgesehenen Bedarf infrage gestellt und Teile der Landesmittel für andere Deckungszwecke vorgesehen. Ui, ui, ui, das war dicht am Untergang des Abendlandes! Jetzt sieht man es entspannt und übertrifft unsere Ansätze noch erheblich. Was ist denn in weniger als einem Jahr passiert? Wieso fließen die Mittel in diesem Umfang nicht mehr ab? War es wirklich nicht möglich, das im Vorfeld zu erkennen und schon bei der Aufstellung des Doppelhaushaltes eine sinnvolle Verwendung freier Landesmittel zu ermöglichen?

Ein weiterer Problemkreis ist das Leerfahren der Steuerschwankungsreserve. Ursprünglich hatte

der Finanzminister einmal das Ziel einer Auffüllung der Steuerschwankungsreserve auf 500 Millionen € ausgegeben. Warum genau 500 Millionen €, blieb dann offen. Aber ja, bei schlechter laufenden Steuereinnahmen ist eine angemessene Steuerschwankungsreserve sinnvoll, um nicht sofort wieder in die Verschuldung zu geraten. Jetzt wird die Steuerschwankungsreserve auf einen Schlag trotz steigender Steuereinnahmen weitgehend entleert.

Nun kann man sagen: Gut, die Flüchtlingssituation ist tatsächlich eine besondere Situation. Aber dieser Griff in die Steuerschwankungsreserve war schon vor der deutlichen Ausweitung der Flüchtlingssituation geplant und stand im ursprünglichen Nachtragshaushaltsplan. Ursache ist vor allem, die Schuldentilgung im anvisierten Umfang weiterzuführen. Finanzpolitisch handelt es sich hierbei um ein eher kurzsichtiges Manöver.

(Frau Niestädt, SPD: Dazu kann man unter- schiedlicher Auffassung sein!)

- Richtig, dazu kann man unterschiedlicher Auffassung sein. - Die Steuerschwankungsreserve war als Vorsorgeinstrument geplant,

(Vizepräsident Herr Miesterfeldt macht auf das Ende der Redezeit aufmerksam)

- ich komme zum Ende - damit beim Wegbrechen der Steuereinnahmen in konjunkturellen Abschrumpfphasen ein Haushaltsausgleich möglich ist, ohne zu große Neuverschuldungen eingehen zu müssen. Der nächste Finanzminister hat dann den Schlamassel.