Protocol of the Session on October 14, 2015

Dass der Druck von der Straße und aus der Zivilgesellschaft heraus schon jetzt Erfolge zeitigt, hat der Wirtschaftsminister dargelegt. Auch Herr Hövelmann legte dar, dass es tatsächlich Veränderungen in den Positionen gibt, weil jetzt breit über die Verhandlungen und den Sinn solcher Abkommen diskutiert wird. Wir wollen keine Handelsabkommen, die direkt oder indirekt zu einer Absenkung bestehender Umwelt-, Verbraucher-, Gesundheits-, Sozial- oder Datenschutzstandards

führen würden. Herr Hövelmann sagte, dass solche Standards nicht zur Debatte stehen.

Man kann sich aber fragen: Was ist der Sinn solcher Verhandlungen? Wenn wir unterschiedliche Standards haben und wir über diese Standards reden, dann ist natürlich immer die Frage: An welchen Standard passt man sich an? Geht man nach oben oder nach unten? - Das ist der Kern des Prozesses, den wir haben. Daher muss darauf ein besonderes Augenmerk liegen.

Wir wollen keine Handelsabkommen, die die Regulierungshoheit der Parlamente, ein hohes

Schutzniveau und das Vorsorgeprinzip nicht ausreichend definieren und sichern. Die Entscheidungen über die Regeln unseres Gemeinwesens sollen in den Parlamenten und an den Wahlurnen getroffen werden, nicht in Schiedsgerichten.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Wir wollen keine Abkommen, deren Regelwerke geeignet sind, den Ausbau oder die Modernisierung von Schutzstandards zu verzögern oder zu verhindern. Wir sind aber offen für einen Neustart von Verhandlungen, wobei wir die jetzigen Konstruktionsfehler des Prozesses vermeiden und die Ziele auf ein angemessenes Maß von Verbesserungen im bilateralen, besser im multilateralen Handel reduzieren wollen.

In diesem Sinne werden wir dem Antrag zustimmen. - Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Danke sehr, Kollege Meister. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Thomas.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Kollege Czeke, Sie haben in Ihrem Redebeitrag insbesondere auf die Verantwortung hingewiesen, die wir für die nachfolgenden Generationen haben. Ich habe mir die Frage gestellt, wie sich die vor uns liegenden Generationen, deren Erbe wir quasi antreten, heute verhalten hätten; denn ohne die Generationen vor uns, die sich schon auf viele Handelsabkommen eingelassen hat - die Abkommen gibt es ja schon -, hätten wir Deutsche - wir sind nach wie vor Exportweltmeister, wenn man die Einwohnerzahl nimmt -, glaube ich, heute nicht unseren Wohlstand, unseren Reichtum, ein so hohes Wohlstandsniveau. Ich glaube, wir tun gut daran, deswegen Freihandelsabkommen positiv und nicht negativ zu diskutieren.

(Beifall bei der CDU)

Ich möchte Ihnen eine Zahl nennen: Schon heute werden für rund 2 Milliarden € täglich Güter und Dienstleistungen zwischen der EU und den USA gehandelt. Die heute zur Debatte stehenden Freihandelsabkommen TTIP und CETA sollen die transatlantischen Handelsbeziehungen vereinfachen und noch günstiger gestalten; denn mit den Freihandelsabkommen sollen Warenzölle an den Grenzen wegfallen und technische Regelwerke und Zulassungsverfahren vereinfacht werden. Wer kann etwas dagegen haben? - Ersparnisse in Millionenhöhe bedeuten Hunderttausende neue Arbeitsplätze.

Mehr als 800 Millionen Menschen in Europa und in den USA würden direkt von den Freihandelsabkommen profitieren. Zölle und Vorschriften verteuern eben gerade Lebensmittel und machen sie nicht günstiger, und das bei der Einfuhr in die USA um sage und schreibe 77 %. Werden sie gestrichen, stärkt das die Wirtschaft, stärkt das auch unsere Wirtschaft, die lokale Wirtschaft in Sachsen-Anhalt.

Experten erwarten einen Anstieg der jährlichen Wirtschaftskraft von 1 % in der gesamten EU. Dies entspricht 120 Milliarden €. Der pauschale Vorwurf mancher TTIP-Gegner, die hohen EU-Standards würden zugunsten niedriger oder nicht existierender US-Standards abgesenkt, ist in der Sache gleich mehrfach falsch. So sind die Standards in Europa nicht generell höher als in den USA. Im Gegenteil: Gerade beim Kinderspielzeug oder bei Lebensmitteln sind viele Standards in den USA höher als in der Europäischen Union.

(Herr Schröder, CDU: Hört, hört!)

Meine Damen und Herren! TTIP sorgt für die gegenseitige Anerkennung gleichwertiger Standards und schafft unnötige, weil doppelte Zulassungsverfahren ab.

Gerade bei Industrieprodukten zielen die Produktvorschriften dies- und jenseits des Atlantiks auf ein ähnliches Sicherheitsniveau ab, die sich oft nur in technischen Details unterscheiden.

Meine Damen und Herren! Genau diese Unterschiede sorgen aber für hohe Zusatzkosten bei Produktion und Zulassung, ohne die Sicherheit des Produktes tatsächlich zu verbessern.

Wenn zum Beispiel ein Auto den Sicherheitsnormen in der Europäischen Union entspricht und zugelassen ist, muss es bislang in den USA einem weiteren Zulassungsverfahren unterzogen werden, und das obwohl die Sicherheitsstandards in beiden Ländern sehr ähnlich sind.

Eine gegenseitige Anerkennung der Zulassungsverfahren würde deutsche Sicherheitsstandards weder aushöhlen noch absenken, gleichzeitig jedoch die Unternehmen von hohen Zusatzbelastungen befreien.

Meine Damen und Herren! Wir erwarten durch TTIP einen spürbaren Abbau bei Regelungen im Bereich Zoll und Zulassung. Allein der Rückgang der mit durchschnittlich 6 % bereits heute geringen Zölle würde nach Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln für die heimische Industrie jährlich Kosten in Höhe von 3,5 Milliarden € einsparen.

Meine Damen und Herren! Meine Fraktion sieht in TTIP die Chance, gewerbliche Schutz- und Urheberrechte zu harmonisieren. Diese sind Grundlage einer innovativen Wirtschaft in dem Sinne, Kollege Czeke: Global denken, lokal handeln. Gerade hierin bestehen aber große Unterschiede zwischen den USA und der Europäischen Union.

Wir begrüßen ausdrücklich, dass die Europäische Kommission eine bessere Transparenz herstellt und zusätzliche Informationen über die Verhandlungen zur Verfügung stellt. Damit werden nicht nur demokratische Beteiligungsrechte verteidigt, sondern auch Aufklärung, Sachkenntnis und eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung herbeigeführt.

Europäer und Amerikaner haben das Ziel vereinbart, dass es weder beim Verbraucherschutz noch beim Umwelt- und Datenschutz oder bei der Nahrungsmittelsicherheit geringere Standards geben wird; das haben wir von den Vorrednern schon gehört.

Ich warne ausdrücklich vor einem Scheitern der Verhandlungen; denn TTIP stärkt nicht nur die Handelsbeziehungen mit den USA. Es bietet auch die Chance, gemeinsam mit den Vereinigten Staaten Regulierungsstandards festzulegen, die die Grundlage für die Verhandlungen der Welthandelsorganisation WTO werden könnten. - Kollege Hövelmann hat ja auf die Freihandelszone der EU hingewiesen, auch darauf, wie sich diese bewährt hat.

Deswegen möchte ich davor warnen, falsche Argumente immer wieder zu wiederholen, und dazu ermutigen, sich dieser Diskussion offensiv und transparent zu stellen.

Meine Damen und Herren! Den Wettbewerb ausschalten hat bisher immer noch zum Scheitern geführt. Ich glaube, wir wollen nicht scheitern.

(Zustimmung bei der CDU)

Deswegen möchten auch wir uns dieser Diskussion stellen. Ich beantrage deswegen die Überweisung in den Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft, um dort über die Sachen im Detail weiter zu diskutieren. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr, Kollege Thomas. - Für die Fraktion DIE LINKE hat noch einmal Herr Czeke das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Es war schon interessant, die Debatte zu verfolgen. Vor allen Dingen: Herr Möllring, Transparenz sieht anders aus. Es gibt nicht ein Blatt Papier, die die US-amerikanische Seite veröffentlicht hat; das ist doch nicht transparent.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wenn der Bundestagspräsident Herr Lammert - ich muss es wiederholen - auch Informationen für die Mitglieder des Deutschen Bundestages einfordert, kann er doch nicht ein „Fehlgeleiteter“ sein; er wird nur aussprechen, was die Mehrheit der Bundestagsabgeordneten letztlich einfordert.

Eine Letztentscheidung durch das Europaparlament würde ich mir wünschen. Ich würde mir sogar wünschen, dass die nationalen Parlamente der EU-Mitgliedstaaten entscheiden müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

In der Schweiz gäbe es einen Volksentscheid darüber, ob die Regierung zustimmen darf oder nicht; darin sind wir uns alle in diesem Hohen Hause garantiert einig.

Die Kanzlerin hat der Europäischen Kommission ein Mandat erteilt. Diese verhandelt jetzt. Es ist noch nicht entschieden, ob das Europäische Parlament beteiligt wird.

Freier Handel. Warum dann nicht fairer Handel? Das kann genauso frei sein.

Nachhaltigkeit - ich komme nun einmal aus dem „grünen“ Sektor; das tut mir schrecklich leid - ist der Dreiklang aus Ökonomie, Ökologie und Sozialem; ich habe versucht, das deutlich zu machen.

Meine Vorredner, auch Sie, Kollege Thomas, haben soeben alles wieder auf den Bereich Ökonomie fokussiert; das wird so komprimiert: Das drücken wir der normalen Welt auf und vernachlässigen dabei die Ökologie, alles, was die anderen angeht.

(Zuruf von Herrn Leimbach, CDU)

- Herr Leimbach, solange Sie darauf Obacht geben würden, wäre ich begeistert. Sie sind aber leider an dem Verfahren nicht beteiligt.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Schröder, CDU: Wir auch nicht!)

Weiterhin vernachlässigen wir dabei auf jeden Fall das Soziale. Das Problem ist, dass es beim Sozialen genau zu den Verwerfungen kommt, die ich genannt habe,

(Zuruf von der CDU: Was?)

die dann auch Flucht und Vertreibung nach sich ziehen können.

Warum hat die USA in dem Prozess, der jetzt läuft, sechs Arbeitnehmerinnenrichtlinien noch nicht ratifiziert, die die Rechte festschreiben?

Herr Möllring, die Schiedsgerichte - diesbezüglich muss ich Ihnen wirklich widersprechen - stehen so in der Form in CETA. Warum liegt denn CETA auf Eis? - Weil man den Diskussionsprozess über TTIP nicht gefährden will. Weil der Wunsch der Kanzlerin darin besteht, das bis Ende des Jahres abzuräumen.

Wir haben Präsidentschaftswahlen in den USA und im Jahr 2017 plötzlich und unerwartet in der Bundesrepublik Deutschland Wahlen zum Deutschen Bundestag; da wäre das nur störend.