Protocol of the Session on September 18, 2015

(Beifall bei der LINKEN)

Aber das ist nicht mein Problem, weil die Dinge auf dem Tisch liegen. Und die gelten nicht nur bei uns als Problem, sondern in Deutschland insgesamt. Die Frage ist: Mit welchen mutigen Schritten gehen wir der Sache entgegen?

Man könnte über dieses Thema durchaus auch im Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft reden,

weil eine moderne Wirtschaftspolitik im Einklang mit einer modernen Beschäftigungspolitik stehen muss. Man könnte im Ausschuss für Landesentwicklung und Verkehr über das Thema demografische Entwicklung reden: Was hat das für Konsequenzen?

Aber ich glaube, wir sind uns alle einig, dass wir die Sache bis zum Jahresende zum Abschluss bringen müssen. Deswegen würde unsere Fraktion diesen Überweisungsantrag unter dem Aspekt durchaus mittragen können, dass wir tatsächlich zu einem Ergebnis kommen, dem zu entnehmen ist, welchen Auftrag wir der jetzigen oder der künftigen Landesregierung erteilen.

Kollege Rotter, wenn Sie für die Diskussion Zeit brauchen, dann sage ich Ihnen, dass ich da voll bei Ihnen bin. Ich habe eine gewisse Hoffnung, dass bei dem Zukunftskongress, den Sie am 26. September veranstalten, vielleicht auch über diese Frage noch einmal diskutiert wird und vielleicht auch einmal die Aspekte, die Sie heute genannt haben, Gehör finden.

Es kann aber sein, dass ich am Ende des Tages schwarz sehe oder dass Sie ein Anhangschreiben zu Ihrem Wirtschaftspapier anfertigen. Aber es ist wichtig, die Dinge zu diskutieren und zu sagen, wo sind denn die eigentlichen Probleme, was beschäftigt denn die Leute - auch wenn es nur 7 % sind, lieber Norbert Bischoff. Die Konsequenzen gehen an der Stelle viel weiter.

Deswegen bedanke ich mich für die sachliche Diskussion. Wir wollen nicht alles über einen Kamm scheren, lieber Herr Rotter. Wir wollen aber auch nicht alle Läuse zählen in diesem Kontext. Es geht uns um die Sache. Wenn in diesem Hohen Haus eine Übereinstimmung darin besteht, dass das Thema sachgrundlose Befristung zu einem zügigen Ende gebracht werden muss, dann sollten wir uns dieser Verantwortung stellen. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Kollege Dr. Thiel. - Damit können wir die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt abschließen.

Es wurde in der Debatte von mehreren Rednern die Überweisung des vorliegenden Antrags in der Drs. 6/4353 in den Ausschuss für Arbeit und Soziales gewünscht. Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Ich stehe Zustimmung bei allen Fraktionen. Möchte ich jemand dagegen stimmen? - Das sehe ich nicht. Stimmenthaltungen? - Auch nicht. Damit ist der Antrag in den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen worden. Der Tagesordnungspunkt 23 ist abgeschlossen.

Vor dem Aufruf des Tagesordnungspunktes 24 möchte ich noch eine Mitteilung an das Haus geben. Ich wurde gebeten, darauf hinzuweisen, dass zehn Minuten nach dem Ende der heutigen Landtagssitzung die Ausschüsse für Finanzen sowie für Inneres und Sport im Raum B0 05 zu einer Beratung zusammentreffen.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 24 auf:

Beratung

Für eine moderne Sozialpolitik in Sachsen-Anhalt: Ziele entwickeln, nachhaltig planen, Haushaltsmittel effektiv einsetzen

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/4358

Alternativantrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/4390

Für die einbringende Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Lüddemann.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der Sozialbericht der Landesregierung liegt nun seit einigen Wochen, sogar seit Monaten vor. Ich muss sagen: Ich war überrascht. Ich was ausnahmsweise positiv überrascht. Das will ich hier auch gern sagen.

Der aktuelle Sozialbericht weist nämlich nicht nur kreisgenaue Daten aus, er versäumt es auch nicht, diese auszuwerten, beispielsweise nach bestimmten Kriterien zu clustern. Das halte ich für eine sehr wertvolle Übersicht zur sozialen Lage im Land, wertvolle Angaben, mit denen wir alle arbeiten können. Außerdem finden sich mehrfach programmatische Aussagen und Forderungen zum Thema integrierte Sozialplanung. Es scheint sich bemerkbar zu machen, dass neue Mitarbeiter diesen Bericht neu angegangen sind. Dabei hat sich eindeutig ein neuer Drive im Sozialministerium entwickelt. Das will ich an dieser Stelle auch ausdrücklich loben.

Ich hoffe, die Kommunen sehen sich diesen Bericht ebenfalls aufmerksam an, da die Daten auf die kommunale Ebene heruntergebrochen sind. Dort kann der Sozialbericht ebenfalls als wertvolles Arbeitsmittel Verwendung finden, sofern er entsprechend bekannt wird.

Wir Landespolitikerinnen und -politiker können in dieser Legislaturperiode natürlich keine großen Initiativen mehr aus diesem Bericht entwickeln; denn er liegt erst seit Kurzem vor. Dafür ist es deutlich zu spät.

Das trifft leider auch für andere Berichte zu, wie beispielsweise für den Kinder- und Jugendbericht.

Für meine Fraktion kann ich versprechen, dass wir sehr darauf drängen werden, dass in den kommenden Legislaturperioden diese Berichte früher vorgelegt werden, damit das Parlament hiermit gut arbeiten kann.

Aktuell dürfen wir diesen Bericht dennoch nicht links liegen lassen, sondern wir sollten mit ihm arbeiten. Dazu haben wir in unserem Antrag Konkretes vorgeschlagen. Wir wollen diese gute Vorarbeit nutzen, um endlich verbindliche Sozialziele für Sachsen-Anhalt zu entwickeln. Verschiedentlich habe ich dieses Thema und auch das Thema der Sozialplanung bereits angesprochen. Ich habe das auch schon in anderen Anträgen gefordert. Sie sehen, ich werde nicht locker lassen und fühle mich durch den Sozialbericht auch unterstützt.

Der Sozialbericht bietet nämlich die Gelegenheit, fundiert in diesen Prozess einzusteigen. Die Sozialziele der Liga, die bereits in Vorleistung gegangen ist, gehören an dieser Stelle auf den Prüfstand. Denn wir alle wissen: Es ist so viel Zeit ins Land gegangen, dass wir an dieser Stelle nachsteuern und anpassen müssen, um die Landespolitik konkret an diesen Sozialzielen ausrichten zu können. Auch das wird in dieser Legislaturperiode nicht mehr machbar sein. Deswegen - das ist auch Teil des Antrages - will meine Fraktion gesichert haben, dass wir diese Vorarbeiten für die nächste Legislaturperiode verbindlich festschreiben.

(Zustimmung von Frau Frederking, GRÜNE)

Der Prozess darf nicht mit dem Auslaufen dieser Legislaturperiode zum Erliegen kommen und frühestens im Sommer 2016 wieder aufgenommen werden.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Es ist niemanden mehr zu vermitteln, dass wir über mehrere Legislaturperioden hinweg am Anfang stets sagen, dass wir Ziele bräuchten, dass die Liga eine tolle Arbeit geleistet habe. Dann geht eine Legislaturperiode dahin, vier oder fünf Jahre, und am Ende stellt man fest, es wurde leider nicht geschafft, aber es kommt eine neue Legislaturperiode. Dann beginnt das gleiche schlechte Spiel von vorn.

Wir wollen einen legislaturperiodenübergreifenden Arbeitsprozess sicherstellen. Ich weiß, das ist ungewöhnlich, aber ich will es einmal versuchen. Im Grunde begann die Erarbeitung der Sozialziele bereits 2005 parallel zum sozialpolitischen Gesamtkonzept. Daran werden sich viele nicht mehr erinnern können. Ich selber war damals als Mitarbeiterin des Landesfrauenrates quasi auf der anderen Seite darin involviert. Auch das war eine gute Sacharbeit, die im Sande verlaufen ist.

Im Jahr 2010 hat die Liga diesen Prozess wieder aufgenommen, hat eigenständig Sozialziele formu

liert und wurde, wie ich es bereits ausgeführt habe, auf die nächste Legislaturperiode vertröstet.

Der vorliegende Antrag ist also ein weiterer Versuch, Politik in diesem Land nachhaltiger zu gestalten. Ich glaube, wir haben eine Verpflichtung, dies zu tun. Das Leben findet auch nicht in wiederkehrenden Schleifen von vier oder fünf Jahren statt. Das Leben ist fortlaufend aufeinander aufbauend. Sachgerechte Politik sollte dies begleiten.

Wir haben in unserem Antrag drei thematische Vorgaben für die Sozialziele formuliert: zum einen die Beteiligung junger Menschen, zum zweiten der Quartiersansatz in der Pflege- und Altenpolitik und drittens schulische und berufliche Inklusion.

Wenn man sich den Sozialbericht ansieht und auch den bereits erwähnten Kinder- und Jugendbericht, dann sollten diese drei Punkte ganz oben stehen. Das ist keine abschließende Aufzählung der Sozialziele. Wir kennen die Ziele der Liga. Wir kennen auch die Anforderungen im Land. Selbstverständlich muss Weiteres gemeinsam erarbeitet werden. Das ist das dezidiert ausgesprochene Ziel unseres Antrags. Wir wollen spezifische abrechenbare Zielwerte, die gemeinsam mit den Wohlfahrtsverbänden erarbeitet werden sollen.

Lassen Sie mich am ersten Ziel, der Beteiligung junger Menschen, einmal ausführen, was der Gewinn solcher Sozialziele wäre.

Das Recht auf Kinderbeteiligung ist ein durch die UN-Kinderrechtskonvention verbrieftes Recht. Wir haben dieses Thema bereits mehrfach aufgeworfen, ein Gesetz hierzu vorgelegt, die Arbeiten am jugendpolitischen Programm initiiert. Es ist auch etwas erreicht worden. Aber dieses muss auch auf andere politische Felder übertragen werden.

Meine Fraktion hat das unter das Motto gestellt: Mitmachen möglich machen, damit jungen Menschen im Land von Anfang an mitentscheiden können. Es ist eine Machtfrage. Unter den derzeitigen demografischen Entwicklungen gerät die junge Generation immer mehr zur Minderheit. Deren Stimme muss gestärkt werden, umso mehr, da Jungendbeteiligung quasi Minderheitenschutz ist.

Es lassen sich zur Förderung der Beteiligung junger Menschen zahlreiche weitere Maßnahmen entwickeln. Das fängt an bei konkreten Beteiligungsprojekten in den Kommunen und reicht bis zum grundsätzlichen Verständnis über Kindheit und Jugend.

Noch viel zu oft hören die jungen Menschen lediglich, die Zukunft zu sein, aber für das Hier und Jetzt interessiert sich keiner. Zu oft werden sie nur als zukünftige Fachkräfte angesprochen, als Humankapital. Aber ihr Hier und Jetzt als demo

kratische Bürgerinnen und Bürger wird nicht angesprochen, sondern quasi vernachlässigt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wollen mit einem Ziel explizit die Beteiligung und Identifikation im Land befördern. Wir wollen junge Menschen im Land halten. Wir glauben, dazu ist es nötig, ihnen von Anfang zu zeigen, es ist euer Land, in dem ihr mitgestalten und mitbestimmen könnt. Das muss Ziel der Landespolitik, in diesem Fall ein Sozialziel sein: junge Menschen auf allen Ebenen einbinden, sie einbeziehen, sie beteiligen.

Wir werden unser Land nur zukunftsgerecht gestalten können - das ist das wesentliche Ziel aller Sozialziele -, wenn wir in diesem konkreten Fall die jungen Menschen belastbar einbeziehen.

Wenn wir uns die andere Seite der Generationenfolge ansehen, dann muss das Thema Wohnen im Alter und Pflege bedacht werden. Unter der Perspektive, die Zukunft der Pflege liegt im Quartier, müssen wir unsere Aktivitäten auf der Landesebene neu ausrichten und bündeln. Als wir in einer der vorangegangenen Landtagssitzungen ein Förderprogramm für das Quartiersmanagement gefordert haben, hieß es, das gebe es schon und das bräuchten wir nicht.

Ich habe deswegen eine Kleine Anfrage gestellt, um das zu überprüfen und genauer anzuschauen. Ja, im Rahmen des Programms Soziale Stadt kann auch Quartiersmanagement gefördert werden.

(Herr Felke, SPD: Wird doch schon!)

- Ja, ich sage ja, es kann gefördert werden. Das wird auch gemacht. Im Jahr 2013, so war die Antwort des Sozialministeriums, wurden sage und schreibe 2 % der Gelder für sechs Stellen ausgegeben. Das ist nicht mehr bzw. nicht weniger als ein Tropfen auf den heißen Stein.

(Herr Borgwardt, CDU: Ist aber ein Anfang!)

- Es ist ein kleiner Anfang. Aber wenn die Gelder nur in Beton fließen, kann es nicht die richtige Richtung sein. Eine Gewichtung von 98 % zu 2 % ist für meine Begriffe falsch. Investitionen nur in Beton sind nicht das Richtige. Ich stehe eher für die Investitionen in Köpfe.