Lassen Sie mich die Tatsachen an konkreten Beispielen erläutern. Bei der Deutschen Post AG gibt es 14 000 Dauerbefristete und 10 000 Saisonkräfte. Gegen Dauerbefristungen zu klagen, fällt den Betroffenen schwer. Das aktuelle Teilzeit- und Befristungsgesetz ermöglicht keine klare Rechtsprechung, weil die Sachgründe nicht abschließend definiert sind. Die Chancen, eine Klage zu gewinnen, stehen in der Regel bei 50 : 50. Das führt dann zu solch skurrilen Situationen wie in Magdeburg, wo es zwei Beschäftigte gab, die in 18 bzw. 15 Jahren
Seit Anfang des Jahres läuft die aktive Umstrukturierung bei der Post AG. Am Sitz jeder Niederlassung wurde eine sogenannte Delivery GmbH gegründet, in die Arbeitskräfte ausgelagert worden sind mit dem Ziel, zulasten der Beschäftigten die Unternehmensgewinne zu optimieren.
Geködert wurde diese Verlagerung mit der Übernahme in unbefristete Verträge, allerdings perspektivisch mit 25 bis 30 % weniger Einkommen im Vergleich zu den Post-AG-Angestellten.
Unfassbar ist auch die Tatsache, dass diese Verträge mit einer Probezeit vereinbart wurden, obwohl alle schon zuvor bei der Post beschäftigt waren. Viele trauten sich nicht, sich gegen den Zwang zum Lohnverzicht zur Wehr zu setzen und sich von Betriebsräten unterstützen zu lassen. Einen Gewinn von 3,2 Milliarden € erwartet die Deutsche Post AG in diesem Jahr. Aber mit diesem Vorgehen wurde die These „Wenn es dem Unternehmen gut geht, geht es auch den Mitarbeitern gut“ aufgekündigt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Deshalb stellen wir die Forderung an die Landesregierung, sich dafür einzusetzen, dass folgende Änderungen des Teilzeit- und Befristungsgesetzes vorgenommen werden:
Viertens. Beim Vorliegen von sachlichen Gründen bei demselben Arbeitgeber ist höchstens zwei Mal aufeinanderfolgend der Abschluss eines mit Sachgrund versehenen befristeten Arbeitsvertrages zulässig oder höchstens die einmalige Verlängerung eines sachlich befristeten Arbeitsvertrages möglich. Das regelt das Gesetz schon eindeutig und das ist deshalb durchzusetzen. Es gilt, Kettenbefristungen zu verhindern und als gesetzwidrig zu ahnden.
Vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Entwicklung und des in einigen Branchen massiv zunehmenden Fachkräftemangels müssen für Fachkräfte Perspektiven im Land geschaffen werden. Befristungen hingegen stellen eine Unsicherheit beim Einkommen und bei der Perspektive dar. Wir wollen gute Arbeit, insbesondere durch unbefristete und sichere Arbeitsverträge.
Meine Damen und Herren! Es gibt natürlich durchaus berechtigte Sachgründe für einen befristeten Vertrag. Bei Krankheit, Erziehungszeit oder plötzlichem Ausfall eines Mitarbeiters muss der Arbeitgeber die Arbeitslücke schließen können. Doch das aktuelle Teilzeit- und Befristungsgesetz geht weit über diese berechtigten Gründe hinaus. Es bietet Arbeitgebern viel zu weit gehende Möglichkeiten, Dauerarbeitsplätze rechtlich legal durch Zeitverträge zu ersetzen. Das macht Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Manövriermasse, es macht sie zu marktgerechten Arbeitsbürgern.
Die Forderung nach unbegrenzter Flexibilität ist mit dem Schutzbedürfnis der Beschäftigten nicht vereinbar. Es ist daher dringend erforderlich, die gesetzlichen Möglichkeiten der Befristungen entsprechend einzuengen.
Abschnitt 1 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes stellt übrigens klar, dass es sich bei den Bestimmungen um einseitig zwingende Arbeitnehmerschutzvorschriften handelt. Das ist klar im Gesetz beschrieben. Abweichungen von den gesetzlichen Bestimmungen zulasten des Arbeitnehmers lässt das Gesetz durchaus zu, nämlich in drei Fällen, bei der Arbeit auf Abruf, bei der Arbeitsplatzteilung und bei den zeitlichen Grenzen einer sachgrundlosen Befristung. In allen drei Fällen muss jedoch die Abweichung durch Tarifvertrag zugelassen sein.
Wie sieht die Praxis dort aus, wo Unternehmen keinem Tarifvertrag unterliegen? - Dort haben die Beschäftigten solche Rechte verloren. Deshalb muss das Teilzeit- und Befristungsgesetz auf der Bundesebene geändert werden. Die Unterstützung durch andere Länder im Bundesrat ist sehr wahrscheinlich. Zumindest sehen wir hierbei einen hohen Grad an Übereinstimmung mit der SPD, gerade auch deswegen, weil auf diese Weise Auswüchse der Hartz-IV-Gesetzgebung korrigiert werden können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das eigene Leben planen zu können, sollte selbstverständlich sein. Aber für immer mehr Menschen ist das nicht möglich, weil sie in unsicheren Arbeitsverhältnissen stecken. Befristete Verträge schwächen den Kündigungsschutz und machen die Beschäftigten erpressbar. Ich habe bereits gesagt, wer Angst hat, seine Arbeit zu verlieren, der setzt sich seltener zur Wehr.
Eine unbefristete Stelle ist für alle Betroffenen wie ein Sechser im Lotto. Besonders junge Menschen und Berufseinsteigerinnen und -einsteiger landen in befristeten Jobs. Die Folge sind Existenzängste und Stress. Die Lebensplanung bleibt auf der Strecke. Geldnöte hindern viele Menschen, am sozialen Leben teilzunehmen. Zudem droht Altersarmut. Erwerbslose werden drangsaliert, jeden Job anzunehmen, auch Leiharbeit. Das erhöht
Vielfach wird das Märchen erzählt, dass Befristungen eine Chance für junge Menschen seien. Für viele junge Leute sind sie jedoch kein Sprungbrett, sondern eher eine bleierne Kugel, die sie daran hindert, ihre Zukunft zu planen. Nur weniger als ein Drittel der befristet Beschäftigten wird irgendwann einmal übernommen.
Aber, meine Damen und Herren, es gibt auch positive Signale, sich der Ausnutzung als Manövriermasse zu widersetzen.
Im Jahr 2014 stieg in Sachsen-Anhalt laut IAB-Betriebspanel der Anteil von Arbeitnehmerkündigungen gegenüber dem Vorjahr enorm an. Der Anteil der arbeitnehmerbedingten Personalabgänge belief sich auf 41 %. Seit dem Jahr 2005 hat sich der Anteil somit mehr als verdreifacht. Ein Warnsignal an alle, dass sich der Wettbewerb um Fachkräfte verschärft.
Wir bitten um Zustimmung zu unserem Antrag; denn Beschäftigte wollen ohne Dauerstress und Angst arbeiten, sie wollen eine planbare Zukunft. Das muss wohl drin sein. - Vielen Dank.
Danke schön, Kollege Thiel, für die Einbringung. - Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Bischoff.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gleich vorweg: Herr Dr. Thiel, ich bin der Meinung, dass die Fraktion DIE LINKE mit dem vorliegenden Antrag zur Begrenzung der Befristung von Arbeitsverträgen ein wichtiges Thema aufgreift, insbesondere unter dem Aspekt, den Sie zum Schluss genannt haben, nämlich der Fachkräftesicherung und des Erhalts attraktiver Arbeitsplätze mit guten Arbeitsbedingungen in Sachsen-Anhalt.
Dass die Überschrift glücklich gewählt ist, wage ich zu bezweifeln; denn Arbeit an sich kann nicht würdelos sein, sondern nur die Bedingungen, die daran geknüpft sind. Aber dies beschreibt nicht den Inhalt Ihres Antrages.
Ich möchte zunächst auf Fakten hinweisen, die man in diesem Zusammenhang auch wissen sollte, um einzuordnen, wo Sachsen-Anhalt tatsächlich steht.
Auch meine Quelle ist das IAB-Betriebspanel Sachsen-Anhalt, das hierzu jährlich gemeinsam mit dem Sozialministerium eine repräsentative Arbeit
geberbefragung durchgeführt. Darin ist aufgeführt, dass der Anteil der befristet Beschäftigten an allen Beschäftigten in Sachsen-Anhalt seit vielen Jahren konstant bei 7 % liegt und somit leicht unter dem ostdeutschen Durchschnitt von 9 %.
Es ist richtig - das kritisiert DIE LINKE zu Recht -, dass der Anteil atypischer Beschäftigung angestiegen ist, und zwar auf 36 % aller Beschäftigungsverhältnisse. Dies ist also weniger auf die Befristungen generell zurückzuführen, sondern auf die Zunahme der Teilzeitarbeit inklusive der Minijobs.
Richtig ist, dass in Sachsen-Anhalt 31 % der befristeten Arbeitsverhältnisse sogenannte sachgrundlose Befristungen sind. Dieser Anteil ist deutlich geringer als der ostdeutsche Durchschnitt, der 40 % beträgt, bzw. der westdeutsche Durchschnitt, der 51 % beträgt. Trotzdem ist dieser Anteil in Sachsen-Anhalt viel zu hoch.
In Sachsen-Anhalt wie auch in Ostdeutschland insgesamt spielen nach wie vor Befristungen wegen öffentlicher Förderung eine bedeutend größere Rolle als in Westdeutschland. In Westdeutschland beträgt dieser Anteil 16 % und in Ostdeutschland 3 %. Die öffentliche Förderung ist immer an einen bestimmten Zeitraum gebunden.
Ich will jetzt nicht die Frage aufwerfen, ob hierbei beispielsweise Mitnahmeeffekte eine Rolle spielen. Gleichwohl spielen die Befristungen auch in unseren eigenen Einrichtungen, beispielsweise an den Universitäten, eine Rolle. Über die Frage, ob diese alle notwendig sind, kann man trefflich streiten.
Diese Fakten zeigen aus meiner Sicht, dass Sachsen-Anhalt hinsichtlich der Befristung von Arbeitsverhältnissen nicht das Bundesland ist, das an letzter Stelle steht und das man vorführen muss. Aber sie zeigen ein Problem auf, das wir in ganz Ostdeutschland haben.
Richtig ist allerdings - darauf will ich den Fokus legen; das haben auch Sie getan - und dies ist aus meiner Sicht auch höchst problematisch, dass ein sehr großer Anteil der Neueinstellungen zunächst nur in Form einer befristeten Beschäftigung erfolgt, und dies bei einer Arbeitsmarktlage, in der jeder Arbeitgeber sagt: Wir brauchen Fachkräfte noch und nöcher. Dann stellt sich die Frage - das kritisiere ich jedes Mal -, warum so wenige junge Leute nach ihrer Ausbildung einen unbefristeten Arbeitsvertrag erhalten. Es handelt sich hierbei zumeist lediglich um ein Drittel.
Der Anteil der befristeten Arbeitsverhältnisse liegt hierbei in Sachsen-Anhalt mit 45 % etwa im ostdeutschen und westdeutschen Durchschnitt, der 43 % bzw. 44 % beträgt. Dies ist aus meiner Sicht eindeutig das falsche Signal der Wirtschaft an die
knapper werdenden Fachkräfte. Wer so auf dringend benötigte Fachkräfte zugeht, der darf sich nicht wundern, dass er diese am Ende nicht dauerhaft binden kann.
Ein Ergebnis der IAB-Studie ist auch der starke Anstieg von Arbeitnehmerkündigungen in Sachsen-Anhalt in diesem Zusammenhang. Ich habe dies bei der Vorstellung des Panels nicht negativ gewertet, weil viele von denen, die kündigen, nicht unbedingt weggehen. Manche gehen in Unternehmen, in denen sie mehr verdienen oder in denen die Bedingungen besser sind.
Diese Studie hat auch gezeigt, dass viele Arbeitnehmer in Sachsen-Anhalt bleiben, weil es nicht nur um das Geld geht, sondern auch um gute Arbeitsbedingungen und um Familienfreundlichkeit von Betrieben.
Dies ist zumindest ein Grund dafür, dass sich Arbeitnehmer auf den Weg machen, um zu sehen, ob sie einen Arbeitgeber finden, der sie unbefristet einstellt und der sie gut bezahlt. Ein solcher Arbeitgeber wird die Nase vorn haben. Die Wirtschaft gerät richtig unter Druck. Dies kann man von dieser Stelle aus auch deutlich sagen.
Sachgrundlose Befristungen halte ich für nicht mehr zeitgemäß. Ich weiß nicht, warum man sie überhaupt noch benötigt.
Eine wichtige Rahmenbedingung, die die starke Nutzung der Befristungsmöglichkeit bei Neueinstellung ermöglicht - das ist unstreitig -, ist das Teilzeit- und Befristungsgesetz. Das ist der eigentliche Grund hierfür. In § 14 dieses Gesetzes wird die zweijährige Befristung ohne Sachgrund ermöglicht.
Viele Arbeitgeber haben dies bisher offensichtlich als Einladung verstanden, ihr Risiko bei Einstellungen zu minimieren und die Probezeit auszudehnen. Dies ist meiner Meinung nach grundsätzlich falsch und vor dem Hintergrund der aktuellen Fachkräftesituation geradezu kontraproduktiv.
Im Jahr 2012 wurde die Bundesregierung auf Antrag Sachsen-Anhalts - diesem haben alle A-Länder zugestimmt - auf der Arbeits- und Sozialministerkonferenz aufgefordert, diesen Paragrafen gänzlich zu streichen. Das ist bisher noch nicht von Erfolg gekrönt worden.
Wenn künftig entsprechende Anträge gestellt werden, dann muss man sehen, wie man damit umgeht. Es stellt sich die Frage, ob Sachsen-Anhalt die Initiative ergreifen sollte; denn es gibt auch Länder, in denen andere Mehrheitsverhältnisse herrschen. Ich glaube, die Zeit ist reif, diesbezüglich zu einer Änderung zu kommen, weil diese Re