Protocol of the Session on September 17, 2015

(Beifall bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Wanzek.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Als wir uns die Antwort auf die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN durchgelesen haben, haben wir festgestellt, dass sich hierin einmal mehr zeigt, wie schnell sich die Zahlen bezüglich der Flüchtlinge überholt haben. Deswegen ist es nicht verwunderlich, dass Kollege Herbst nicht 1 : 1 auf diese Große Anfrage eingegangen ist. Ich dachte mir schon, dass es hier eine Generaldebatte wird. Deswegen auch von mir einiges Generelles.

(Herr Striegel, GRÜNE: Visionäres wäre noch besser!)

- Ich bin ein Anhänger von Bundeskanzler Schmidt in dieser Hinsicht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was wir in den letzten Monaten erlebt haben, wird uns allen, denke ich, in Erinnerung bleiben. Nachdem Tausende von Flüchtlingen in Budapest tagelang auf öffentlichen Plätzen und Bahnhöfen ausgeharrt hatten, immer verzweifelter wurden und sich einige bereits auf den Fußmarsch nach Mitteleuropa gemacht hatten, hat die Bundesregierung vor zwei Wochen entschieden, diese Menschen aufzunehmen.

Mir sind noch Bilder aus den Nachrichten im Kopf, wie Wachleute Nahrungsmittelrationen in die Menge werfen, anstatt sie geordnet auszugeben. Diese Szenerie sah eher nach Raubtierfütterung als nach humanitärem Handeln aus. Daher war die Entscheidung der Bundesregierung richtig. Sie war ein humanitärer, solidarischer und christlicher Ansatz zum Lösen dieses Problems.

(Zustimmung bei der SPD)

Durch die täglichen Gespräche ist mir aber auch bewusst, dass viele Bürgerinnen und Bürger in unserem Land Angst haben vor der immer stärker wachsenden Zahl von Flüchtlingen. Der Herr Minister hat es bereits angesprochen: Die in dieser Woche veröffentlichte Umfrage des MDR zeigt, dass 52 % der Befragten eine solche Angst geäußert haben. Zwar haben auch 50 % angegeben, sie könnten sich vorstellen, sich für Flüchtlinge zu engagieren, oder tun es bereits, und 55 % haben die Frage, ob man jetzt einen Stopp der Aufnahme vorsehen sollte, verneint, sind sozusagen für die

Aufnahme, doch diese Angst dürfen wir nicht unterschätzen.

Es ist die Aufgabe jedes Einzelnen von uns, die Leute darüber aufzuklären, was wir in Bezug auf die steigende Zahl von Asylbewerbern unternehmen. Wir müssen frühzeitig informieren und aufklären. Es geht vor allem um Menschen, die vor Krieg und Elend geflüchtet sind. Auch das müssen wir immer wieder betonen; denn das rückt immer mehr in den Hintergrund bei den öffentlichen Diskussionen, bei Vereinsveranstaltungen oder bei anderen öffentlichen Veranstaltungen.

Es ist unsere Pflicht, gegen Stammtischparolen und Halbwissen vorzugehen. Solche Falschaussagen, wie: der Bund bezahlt jedem Flüchtling ein Handy, oder: er bekommt mehr als den Hartz-IVSatz, sind leicht zu widerlegen. Ich höre das aber leider täglich, und zwar von Vertretern aller Schichten. Dagegen müssen wir etwas tun. Das müssen wir alle tun.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten Wochen haben wir aber auch die große Hilfsbereitschaft der Menschen in unserem Land gesehen. Viele Bürgerinnen und Bürger engagieren sich bereits ehrenamtlich für Flüchtlinge und Asylbewerber. Sie geben Sprachkurse, helfen bei der Orientierung in der Umgebung, schaffen Kontaktmöglichkeiten, organisieren Spenden usw. All diesen Bürgerinnen und Bürgern möchte ich von hier aus Dank sagen; denn ihre Hilfe ist nicht nur unbezahlbar, sondern sie ist auch gelebte Willkommenskultur.

(Beifall bei der SPD und bei der LINKEN - Zustimmung von Minister Herrn Stahl- knecht)

Auch beim DRK, bei den Feuerwehren, beim THW und bei den anderen Hilfsorganisationen müssen wir uns bedanken; denn sie helfen bei der Unterbringung, sie richten Unterkünfte ein, wenn wir wieder innerhalb von 48 Stunden die Information bekommen, dass ein neuer Bus kommt. Sie helfen auch bei der Versorgung, die sie zum Teil mit organisieren, aber eben auch durchführen. Auch hierfür unser Dank an die Vertreter dieser Hilfsorganisationen.

(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und von Herrn Striegel, GRÜNE)

Wir dürfen aber nicht Gefahr laufen, dieses ehrenamtliche Engagement quasi auszunutzen, uns darauf zu verlassen. Auch der Staat ist gefragt. Jetzt müssen die notwendigen Entscheidungen getroffen werden. Wir müssen zeigen, dass der Staat nicht nur Herr der Lage ist, sondern auch fähig ist, die Aufnahme der Flüchtlinge so zu gestalten, dass der soziale Zusammenhalt in unserer Gesell

schaft nicht verloren geht. So können wir auch diese erwähnte Angst minimieren.

Es ist zu begrüßen, dass sich die Bundesregierung zu weiteren Maßnahmen entschlossen hat, auch wenn das immer nur stückchenweise, Schritt für Schritt geht. Auch wir würden uns da den großen Wurf wünschen. Ich nehme zur Kenntnis, dass jetzt auch die Kollegen der CDU-Bundestagsfraktion für ein Einwanderungsgesetz sind. Unser Fraktionsvorsitzender im Bundestag Herr Oppermann rennt damit schon seit einem halben Jahr herum und hat dafür sogar einen Vorschlag.

(Minister Herr Stahlknecht: Und ich seit ei- nem Jahr!)

- Ja, dann hätten wir schon seit einem Jahr darüber diskutieren können.

Ich freue mich auch über die Zusage der stärkeren Unterstützung und Finanzierung der Erstaufnahme und über die weiteren Projekte. Ich hoffe, dass wir beim nächsten sogenannten Asylgipfel einen großen Befreiungsschlag seitens der Bundesregierung erleben.

Für unser Land besteht die dringendste Aufgabe im Moment in der Aufnahme und Unterbringung der Flüchtlinge. Mit Blick auf den herannahenden Winter muss es uns gelingen, dass kein einziger Flüchtling oder Asylbewerber in einem Zelt untergebracht wird. Die klare Ansage der Landesregierung ist: Das soll nicht passieren.

(Zustimmung bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Seit der letzten Woche kennen wir die Pläne der Landesregierung hierfür. Dieses Konzept ist für meine Fraktion tragbar. Vor allem danke ich auch unserem Finanzminister. Wenn das ein Sozial- und Bildungspolitiker macht - das machen wir so gut wie nie oder gar nicht -, dann soll dieser Dank sozusagen noch einmal doppelt so stark sein; denn er hat klar gesagt, er möchte eine menschenwürdige Unterbringung, er sorgt dafür, dass jeder ein Dach über dem Kopf hat, und vor allem möchte er auch so weit vorsorgen, dass wir ein - ich sage es einmal so - Back-up von möglichen Einrichtungen haben, damit wir noch aufstocken können.

Es ist richtig, meine sehr verehrten Damen und Herren, dass wir mehrere Erstaufnahmestellen im Land schaffen. So schaffen wir wieder ein geregeltes Verfahren, nicht wie zurzeit, dass wir die Asylbewerber durchschleusen, und die Kreise erfahren wenige Stunden oder Tage vorher, wie viele sie bekommen. Das schaffen die Kreise leider nicht mehr. Deswegen brauchen wir ein etwas geordneteres Verfahren. Dazu brauchen wir auch diese Entlastung der ZASt, damit wir den Aufenthalt wieder etwas verlängern können, damit das BAMF die

Anträge bearbeiten kann und wir dann geregelt schauen können, wo wir sie in den Kreisen unterbringen.

Wir haben seit Kurzem auch die Vertreter der BA da, die gleich die Qualifikationen aufnehmen, um zu schauen, dass wir die Menschen koordiniert dorthin bringen können, wo sie für bestimmte Ausbildungen oder Berufe gebraucht werden. Wir versuchen auch zu koordinieren, wo die Sprachklassen sind. Wir versuchen, schon besser zu werden. Wir haben unsere Fehler erkannt.

Neben der Unterbringung muss uns jedoch vor allem die Integration gelingen. Das Bildungssystem und der Arbeitsmarkt müssen daher schnell für Flüchtlinge geöffnet werden. Für eine alternde Gesellschaft, wie wir es sind, ist dies eine gute Chance, junge Fachkräfte zu gewinnen. Die Handwerkskammern und die Industrie- und Handelskammern haben erst in der vergangenen Woche im Sozialausschuss dringend gefordert, wir mögen flexiblere, schnellere und vereinfachte Vorschriften für den Zugang von Flüchtlingen zur Ausbildung und zum Arbeitsmarkt machen. Bei der hohen Zahl von nicht besetzten Ausbildungsplätzen ist dies auch kein Wunder.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jeder Euro, den wir heute in Ausbildung und Qualifizierung stecken, wird sich in Zukunft um ein Vielfaches auszahlen. Je besser wir Flüchtlinge aufnehmen und je besser es uns gelingt, sie zu integrieren, desto besser ist es um die Zukunft unseres Landes bestellt. In diesem Bereich hat unsere Landesregierung bereits Handlungsfähigkeit gezeigt. Es wird immer kritisiert, unser Land hätte bislang nichts getan. Nein! Wir haben es geschafft, innerhalb von sechs Wochen 90 Sprachlehrer zu organisieren, und haben 150 Sprachklassen eingerichtet. Es waren einmal elf, noch im letzten Schuljahr. Jetzt haben wir 150!

(Zustimmung bei der SPD)

Des Weiteren haben wir seit dem 1. September 2015 eine Servicestelle für interkulturelle Kompetenz, die dafür sorgen soll, unsere Lehrer, unsere Erzieherinnen und Erzieher in diesem Bereich zu bilden, aber auch Elternarbeit mit zu organisieren und zu begleiten, vor allem auch durch Sprachmittler.

Wir haben durch das Umswitchen von ESF-Mitteln im Bereich des Inneren jetzt Sprachkurse, die finanziert werden, zu denen ein Zugang für alle besteht, unabhängig vom Aufenthaltsstatus. Und: Seit dieser Woche fangen wir mit EQ ++ an. Das ist eine ausbildungsbegleitende Maßnahme, bei der das zweite Plus dafür steht, dass neben Berufsschule und Ausbildung extra Sprachförderung erfolgt, weil vor allem die Sprachkompetenz in den Fachtermini gestärkt werden muss.

Wir müssen auch unserer Landesintegrationsbeauftragten Susi Möbbeck danken, die sich seit Jahren in dem Bereich Integration unseres Landes verdient gemacht hat. Sie ist die verlässliche Ansprechpartnerin für die Flüchtlinge für uns.

Mir wird durch die Frau Vizepräsidentin das Ende der Redezeit signalisiert. Aber ich sehe leider die Zeit nicht, weil das Display kaputt ist.

Sie haben Ihre Redezeit bereits weit überschritten.

Noch einen Abschlusssatz?

Gut, noch einen Abschlusssatz.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein Abschlusssatz zur Großen Anfrage: Wir waren auf einem guten Weg. Wir hatten schon zwei Drittel der Asylbewerber dezentral untergebracht. Leider gibt es noch drei Kreise, in denen es mehrheitlich andersherum war. Auch bei der Qualifizierung der Sozialarbeiterinnen und Betreuer waren wir auf einem guten Weg. Die Leitlinie auszusetzen, sehen große Teile von uns kritisch.

(Beifall bei der SPD)

Bevor wir die Aussprache fortsetzen, können wir wiederum zwei Besuchergruppen bei uns begrüßen. Zum einen handelt es sich um Damen des Vereins in der DDR geschiedener Frauen aus Dessau. Seien Sie recht herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Weiterhin sitzen Damen und Herren der Firma Kali und Salz aus Zielitz auf der Tribüne. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Hause)

Ich sehe außerdem eine Gruppe von Flüchtlingen. Auch Sie sind herzlich willkommen bei uns!

(Beifall im ganzen Hause)

Ich wollte noch sagen: Das Display am Rednerpult funktioniert nicht. Deshalb werde ich es ansagen, wenn die letzte Minute läuft, damit man ungefähr eine Orientierung hat.

Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abgeordnete Frau Quade. Bitte sehr.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Meine Damen und Herren! Auch ich werde mich in meinem Redebeitrag jetzt nicht durch die Zahlen der Großen Anfrage hangeln. Wir alle wissen, dass sie überholt sind. Ich will vielmehr über die aktuelle Situation in Sachsen-Anhalt sprechen und über aus meiner Sicht und aus der Sicht aus meiner Fraktion dringende Baustellen.

Erlauben Sie mir eine Anmerkung zum bisherigen Debattenverlauf. Sie kennen mich, Sie wissen, dass ich wirklich gern Grundsatzdebatten, erst recht in Fragen der Flüchtlingspolitik führe. Aber ich glaube, eine Konzentration auf den Entschließungsantrag, auf die konkret zur Debatte und Abstimmung stehenden Punkte hätte uns gutgetan; denn wir haben hier mehr als genug Baustellen. Ich zumindest habe mir meine europapolitischen Aussagen, die ich beabsichtige zu treffen, für die europapolitische Debatte aufgehoben, die wir im übernächsten Tagesordnungspunkt noch vor uns haben.