Protocol of the Session on September 17, 2015

Welche Zielrichtung hat die jetzt vorgesehene schwammige Regelung? Welche Fälle sollen erfasst werden? Was ist ein Katastrophenfall im Sinne des Gesetzes? Wie unmittelbar muss der Zusammenhang sein? - Sie sprachen das entsprechende Gesetz an.

Eine Katastrophe kann natürlich auch ein räumlich sehr eng begrenztes Ereignis sein. Deshalb erscheint es nicht logisch, dass man das Vergaberecht ändern muss, wenn die Strukturen im Großen und Ganzen völlig in Ordnung sind und auch die Maßnahmen und Mittel zur Verfügung stehen. Mir scheint eine solche Regelung nur sinnvoll zu sein, wenn sie einen sehr engen Anwendungsbereich hat. Auch darüber müssen wir in den Ausschüssen reden.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN unterstützt grundsätzlich den Ansatz, den Kommunen und Landkreisen durch vereinfachte Vergabeverfahren die Möglichkeit zu geben, ihren Aufgaben bei der Unterbringung von Flüchtlingen schneller gerecht zu werden. Wir sehen insbesondere bei der Frage einer möglichen Befristung des Gesetzes sowie der weitreichenden Ausdehnung der Regelung auf den Katastrophenfall noch erheblichen

Diskussionsbedarf. Wir stimmen aber einer Ausschussüberweisung zu. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und von Herrn Henke, DIE LINKE)

Für die Einbringerin, die Fraktion der SPD, könnte jetzt Frau Kollegin Schindler noch einmal sprechen. - Sie verzichtet. Dann können wir die Aussprache zu den beiden Drucksachen abschließen. Wir treten jetzt in das Abstimmungsverfahren ein.

Zunächst ist über den Gesetzentwurf in der Drs. 6/4371 abzustimmen. Alle Fraktionen haben sich für eine Überweisung ausgesprochen. Die Zuständigkeit für diese Thematik liegt beim Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft. Weitere Überweisungsanträge habe ich nicht gehört.

Wer der Überweisung des Gesetzentwurfs in den Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft zustimmt, der möge jetzt die Hand heben. - Zustimmung bei allen Fraktionen. Gibt es Gegenstimmen? - Das sehe ich nicht. Stimmenthaltungen? - Die gibt es auch nicht. Damit ist der Gesetzentwurf in den Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft überwiesen worden.

Ich lasse nun über den Antrag der Koalitionsfraktionen abstimmen. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Auch hierzu sehe ich Zustimmung bei allen Fraktionen. Gibt es Gegenstimmen? - Das sehe ich nicht. Möchte sich jemand der Stimme enthalten? - Auch nicht. Damit ist der Antrag einstimmig so beschlossen und Tagesordnungspunkt 2 ist erledigt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes des Landes SachsenAnhalt

Gesetzentwurf Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/4368

Einbringerin ist Frau Professor Dr. Dalbert. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es mag ungewöhnlich erscheinen, in der fünften Sitzung vor dem Ende der Legislaturperiode eine Änderung des Schulgesetzes einzubringen. Ich möchte aber namens meiner Fraktion dafür werben, dass wir uns dieser Aufgabe annehmen.

Es gibt einen konkreten Anlass, der uns auf die Idee gebracht hat, eine Änderung des Schulgesetzes vorzuschlagen, nämlich ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts anlässlich eines Vorgangs in Sachsen. Aufgrund dieses Vorgangs in Sachsen hat das Bundesverfassungsgericht noch einmal darauf hingewiesen, dass es zu dem grundgesetzlich geschützten Gestaltungsbereich von Gemeinden gehört, über die Gestaltung von Grundschulen zu entscheiden. Das Eröffnen und das Schließen von Grundschulen, all das gehört in den grundgesetzlich geschützten Bereich der Gestaltungskraft von Gemeinden.

Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang festgestellt, dass die Schulentwicklungsplanung in Sachsen nicht verfassungskonform ist, weil danach mit den Gemeinden nur ein Benehmen hergestellt wird. Das hat das Bundesverfassungsgericht moniert und gesagt, dass es schon eine tatsächliche Gestaltungsmöglichkeit geben müsse, und die sei durch das Herstellen des Benehmens nicht gewährleistet.

Wenn man sich das Schulgesetz des Landes Sachsen-Anhalt anschaut, dann ist festzustellen, dass es eine analoge Regelung gibt. Das heißt unserer Auffassung nach, dass das Schulgesetz von Sachsen-Anhalt eben in diesem Punkt auch nicht verfassungskonform ist. Ich freue mich, dass andere Akteure im Land wie der Landkreistag zu einer ähnlichen Einschätzung gekommen sind, nämlich dass Nachbesserungsbedarf besteht.

Das ist für uns der Anlass gewesen, uns das Schulgesetz vorzunehmen und nachzubessern. Deshalb habe ich die herzliche Bitte, dass wir uns das für die letzten Sitzungen noch vornehmen. Zeitlich ist das möglich. Das sollten wir auch tun, um Rechtssicherheit herzustellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gemeinden müssen also materiell mitbestimmen können, wenn es um die Gestaltung von Grundschulen geht. Wir halten es für eine gute demokratische Praxis, das Einvernehmen zwischen relevanten Akteuren herzustellen. Deswegen ist unser Vorschlag in dem vorgelegten Gesetzentwurf, dass die Gemeinden zunächst sagen, wie sie sich die Grundschulen vorstellen, und dass dann nach einer Anhörung der Elternschaft und Schülerschaft das Einvernehmen mit den Landkreisen hergestellt wird. Das ist sozusagen der Kern unserer Änderungen.

Wenn Sie sich den Gesetzentwurf anschauen, dann werden Sie feststellen, dass wir nicht der Ansicht sind, dass das Kultusministerium, also die Landesregierung hierbei genehmigend eingreifen muss. Das halten wir nicht für notwendig. Wir wollen die lokale Kompetenz vor Ort stärken.

Das Kultusministerium und seine nachgeordneten Behörden sollten das ermöglichen, was vor Ort

gewünscht wird. Dabei kommt ihnen die wichtige beratende Funktion zu, die Schulentwicklungsplanung zu begleiten. Aber Vorschriften des Kultusministeriums halten wir für überflüssig. Wir wollen tatsächlich die Kompetenz vor Ort stärken und Vielfalt ermöglichen, die dann die lokalen Bedingungen aufgreift.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das heißt konkret, dass wir keine Vorschriften zur Zügigkeit oder zu Mindestgrößen brauchen. Darüber kann vor Ort vernünftig entschieden werden. Die Aufgabe der Landesregierung ist es, nach einem vernünftigen Schlüssel ausreichend Lehrkräfte zur Verfügung zu stellen - damit ist sie im Moment schon überfordert - und die Bildungsqualität zu prüfen, also zu schauen, ob die Gestaltung der Bildung vor Ort zu den Lernergebnissen führt, die wir gemeinsam in der Kultusministerkonferenz vereinbart haben. Wenn wir diesen Schritt gehen, dann können die Schulträger tatsächlich den lokalen Bedingungen Rechnung tragen.

Weil es unser zentrales Anliegen ist, die Kompetenz vor Ort zu stärken, haben wir in dem Gesetzentwurf das Thema „Schulverbünde“ aufgegriffen. Wir wollen die Möglichkeit erweitern, Schulverbünde einzurichten. Das Thema der Schulverbünde ist ja anlässlich der Grundschulschließungen in die öffentliche Debatte gekommen, also unter einem Mangelaspekt. Schulverbünde werden als ein Mittel angesehen, den Mangel zu verwalten.

Zweifellos kann man mit Schulverbünden bisweilen auch den Mangel verwalten. Wenn sich mehrere kleine Grundschulen zusammentun und sich die Schulleitung und etwa den Englischlehrer teilen, dann ist das Motiv dafür zumeist, den Mangel zu verwalten. Aber Schulverbände sind nicht nur sinnvoll, um den Mangel zu verwalten, sondern eben auch, um progressive Bildungskonzepte nach vorn zu bringen.

Beispielsweise sind Schulverbünde auch zwischen Schulen unterschiedlicher Schulformen möglich. So könnten sich drei Grundschulen und eine Gemeinschaftsschule zu einem Schulverbund zusammenschließen. Damit hätten sie ganz andere Möglichkeiten, den Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule zu gestalten, selbstverständlich ohne Eingriff in das Elternwahlrecht. Die Eltern sind trotzdem völlig frei zu entscheiden, auf welche Schule sie ihr Kind nach der Grundschulzeit schicken. Ein Schulverbund kann den Übergang gestalten.

Schulleiter sind auf mich zugekommen und haben gesagt, sie würden gern einen Schulverbund gründen zwischen mehreren Gemeinschaftsschulen und Gymnasien, die sich in der Nachbarschaft befinden, um eine profilierte Sekundarstufe II anzubieten. Dadurch könnte man sich absprechen und ein bestimmtes Profil anbieten. Warum soll das

nicht möglich sein? - Das sind tolle Ideen. Wir wollen es mit dem Schulgesetz ermöglichen, Schulverbünde nicht nur als Mangelverwaltung, sondern eben auch als eine Möglichkeit zu sehen, progressive Bildungskonzepte nach vorn zu bringen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Um die lokale Kompetenz zu stärken, würden wir im Schulgesetz gern noch einmal deutlich machen, dass für uns die Einrichtung von Schuleinzugsbereichen bzw. Schuleinzugsbezirken tatsächlich nur ein Mittel zweiter Wahl ist. Wir würden es begrüßen, wenn die Eltern im Bereich eines Schulträgers die freie Wahl haben. Das soll im Gesetz noch einmal klargestellt werden.

Wir wollen damit den Schulträgern nicht die Möglichkeit aus der Hand schlagen, Schulbezirke einzurichten; so weit wollen wir nicht gehen. Aber unserer Ansicht nach ist das Elternwahlrecht wichtiger. Sie sollen im Bereich des Schulträgers entscheiden können, welche Grundschule oder welche Sekundarschule ihr Kind besuchen soll. All das, die lokale Kompetenz vor Ort und das Elternwahlrecht, wollen wir gern stärken. Das ist unser großes Anliegen bei diesem Gesetzentwurf.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein Punkt, zu dem wir einen eigenen Antrag eingebracht haben und zu dem es eine hohe Einigkeit im Hohen Hause gibt, ist, dass es Berufsorientierung an allen Schulen geben soll. Dazu haben wir eine Anhörung durchgeführt, in der mit Ausnahme des Philologenverbandes - das war keine Überraschung - alle Angehörten der Meinung gewesen sind, dass wir Berufsorientierung an den Schulen brauchen. Wenn wir nun einmal das Schulgesetz anfassen, um es verfassungskonform zu machen, sollte man diesen Punkt, über den wir uns alle einig sind, gleich mit berücksichtigen. Deshalb haben wir diesen Aspekt in unseren Gesetzentwurf aufgenommen.

Ein weiterer Punkt, der uns besonders am Herzen liegt, betrifft die Schülerbeförderung. Sie wissen, dass BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in diesem Land dafür gekämpft hat, die Schülerbeförderung für die Eltern kostenfrei anzubieten. Nach der derzeitigen Regelung ist ab der elften Klasse ein Elternbeitrag von 100 € fällig. Das halten wir nicht für angemessen.

Wir möchten nicht, dass solche Beiträge eine Hürde darstellen, dass Eltern deshalb darüber nachdenken, ihr Kind nach der Sekundarstufe I von der Schule zu nehmen. Insofern sollten wir diese Last schultern, die Mittel in den Landeshaushalt einstellen und die Eltern von diesem Beitrag, der ab der elften Klasse zu zahlen ist, entlasten.

Ich sage Ihnen auch sehr klar, dass die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an dieser Stelle weiter denkt. Wir denken im nächsten Schritt - das ist

unsere Vision - an ein Kinder- und Jugendticket, das 365 Tage im Jahr klimafreundliche Mobilität im Land befördert. Das hätte den guten pädagogischen Effekt, dass die jungen Menschen mit einem kostenfreien Kinder- und Jugendticket gleich daran gewöhnt werden, sich klimafreundlich im Land zu bewegen.

Im Übrigen gehört - das finde ich bedauerlich - das Schwarzfahren zu den häufigsten Delikten, die in den Jugendarrest führen. Das ist nicht hinnehmbar. Jugendliche wollen ihre Peers, ihre Freunde treffen. Das ist ein Grundbedürfnis. Wenn das mit dem Fahrrad nicht möglich ist, dann fahren sie eben schwarz.

Deshalb sage ich: Dann lasst uns doch Jugendliche nicht wegen des Schwarzfahrens kriminalisieren, sondern lasst uns ein kostenfreies Kinder- und Jugendticket anbieten. Damit können sie die Bedürfnisse, die zu diesem Entwicklungsalter gehören, befriedigen, ohne ein rechtliches Problem zu bekommen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ein weiterer Punkt, den wir in den Gesetzentwurf mit aufgenommen haben, ist das bürgerschaftliche Engagement. Wir leben in einer Zeit, in der viel über bürgerschaftliches Engagement gesprochen wird. Gerade angesichts der vielen Menschen, die zu uns kommen, ist das Thema bürgerschaftliches Engagement in der Debatte wieder ganz nach vorn gerückt.

Wir haben auch in diesem Hohen Haus schon häufiger zu unterschiedlichen Anlässen über bürgerschaftliches Engagement gesprochen. Dabei ging es auch um die Frage, wie das Land bürgerschaftliches Engagement bestärken und auch honorieren kann.

Deswegen schlagen wir vor, dies ins Schulgesetz aufzunehmen. Wenn Schülerinnen und Schüler sich im Rahmen von Service-Learning, wie es heute so schön heißt, bürgerschaftlich engagieren, dann wollen wir dies honorieren. Wir wollen es so honorieren, dass sie bis zu fünf Tage im Jahr in Anerkennung ihres bürgerschaftlichen Engagements von der Schule befreit werden können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Über einen Punkt haben wir in verschiedenen Ausschüssen schon debattiert, aber eben nicht anhand des Schulgesetzes, weshalb wir ihn gern im Rahmen dieser Debatte noch einmal nennen würden: Schulschwänzen ist keine Ordnungswidrigkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das müssen wir endlich anerkennen. Diese Regelung muss endlich aus dem Schulgesetz heraus.

(Herr Borgwardt, CDU: Das müssen Sie Ih- rer Bundestagsfraktion sagen!)