Protocol of the Session on September 17, 2015

Danke sehr, Frau Kollegin Dr. Späthe, für die Berichterstattung. - Für die Landesregierung spricht Minister Herr Bischoff. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will nicht alles wiederholen, was Frau Dr. Späthe soeben gesagt hat, was im Ausschuss mehrfach beredet worden ist und was unterdessen in allen Landesparlamenten und deren Ausschüssen beredet wird. Es kommt nicht selten vor, dass Menschen mehrere Behinderungen haben. Aber gerade blind und taub zu sein, ist eine besonders schwere Behinderung, weil man von der Kommunikation, von der wir alle leben, so ziemlich abgeschnitten ist. Deshalb halten es die Landesminister wie auch ich für richtig, ein entsprechendes Merkzeichen einzuführen. Dies obliegt aber dem Bund und nicht den Ländern.

Mit einem Merkzeichen sind Leistungsansprüche verbunden. Um diese Leistungsansprüche gibt es immer heiße Diskussionen. Bekannte Leistungsansprüche sind Parkplätze für gehbehinderte oder sehschwache Menschen. Die Abgrenzungen, die diesbezüglich vorzunehmen sind, führen bei den Verwaltungsgerichten, beim Landesverwaltungsamt und bei den dafür vorgesehenen Einrichtungen zu Diskussionen und bei den Betroffenen zu großen Enttäuschungen.

Deshalb ist es ein Wunsch der Landesminister an den Bund, wenn dieses Merkzeichen eingeführt werden sollte, wofür ich plädiere, auch deutlich zu machen, welche Leistungen damit verbunden sind. An dieser Stelle gibt es derzeit keine Bewegung. Es ist völlig klar, dass dann, wenn das Merkzeichen eingeführt wird, auch eine Leistung dahinter stehen muss, die bundesweit einheitlich sein

muss. Das ist bisher nicht geklärt. Daher ist es wahrscheinlich noch ein langer Weg.

Der Fairness halber muss man sagen, dass die Menschen, die taub und blind sind, natürlich zurzeit für beide Merkzeichen Leistungen bekommen. Aber angesichts der Tatsache, dass hier zwei Behinderungen im Zusammenhang auftreten, kann man darüber nachdenken, ob man dafür eigene Leistungsansprüche vorsieht. Das ist aber eine Angelegenheit des Bundes. Die Länder sollten weiter an der Sache dran bleiben. - Danke.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Danke sehr, Herr Minister. - Es ist eine Dreiminutendebatte zu diesem Thema vorgesehen. Als erste Debattenrednerin spricht Frau Zoschke für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Was lange währt, wird nicht immer gut. So ist es auch diesem unserem Antrag ergangen. Im Oktober 2011, also vor nunmehr vier Jahren, hat meine Fraktion das Ansinnen in den Landtag eingebracht, sich mittels einer Bundesratsinitiative für die Anerkennung der Taubblindheit als Behinderung eigener Art einzusetzen und dies entsprechend mit einem eigenen Merkzeichen, nämlich dem Merkzeichen „TBI“ im Schwerbehindertenausweis zu verbinden.

Die Argumente dafür haben wir in der Einbringung hinlänglich dargestellt. Ich kann und will das heute nicht alles wiederholen. Nur noch einmal so viel: Es ist eine massive Beeinträchtigung, wenn einem Menschen ein Sinn fehlt. Dieser wird durch die besondere Ausprägung der anderen Sinne teilweise kompensiert. Hierin liegt die Crux. Fehlt ein weiterer wichtiger Sinn, kommt es zu einer Potenzierung der Beeinträchtigung. In der behördlichen Anerkennung und in der Gewährung von Nachteilsausgleichen kommt es indes nur zu einer Addierung eben dieser Beeinträchtigungen. Das ist der Kern des Problems.

Die Regierungsfraktionen hatten ihrerseits einen Änderungsantrag gestellt. Wieder einmal sollte ein Antrag von uns in die Richtung gewandelt werden, dass man sich ja zunächst einmal informieren müsse. - In Ordnung. Warum nicht? Doch die nüchterne Bilanz nach nunmehr vier Jahren lautet, nicht einmal das hat vollumfänglich stattgefunden. Beispielsweise haben wir keinen Bericht darüber erhalten, wie spezielle Nachteilsausgleiche für Taubblinde ausgestaltet werden könnten.

Auch die inhaltliche Diskussion war ernüchternd. Es hieß, man sei ja nicht grundsätzlich dagegen,

aber das von der Arbeits- und Sozialministerkonferenz vorgeschlagene mehrstufige Verfahren sei unzureichend gewesen, die Definition von Taubblindheit sei etwas ganz Schwieriges und das Merkzeichen „TBI“ allein verändere noch nicht den Nachteilsausgleich. - Ja, Letzteres stimmt fraglos. Aber immerhin wäre das Merkzeichen ein erster Schritt der Anerkennung.

(Beifall bei der LINKEN)

Zum Verfahrenshickhack muss ich an dieser Stelle auch noch zwei Sätze loswerden. Die Regierungsfraktionen hatten das formale Problem, dass sie ihren Antrag für erledigt erklären wollten, damit aber gleichzeitig hätten in Kauf nehmen müssen, dass dann in der zweiten Beratung heute im Plenum nur unser Antrag auf der Tagesordnung gestanden hätte. Nun soll das Plenum quasi beschließen, dass der Ausschuss den Antrag für erledigt erklärt. - Nun ja, eine parlamentarische Glanzleistung ist das wahrlich nicht. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr, Frau Zoschke. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Rotter.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nach der doch sehr detaillierten und kompetenten Berichterstattung durch meine Kollegin Frau Dr. Späthe und nach den Ausführungen des Herrn Minister Bischoff kann ich mich relativ kurz fassen. Denn aus der Sicht meiner Fraktion ist damit zu diesem Thema alles gesagt, zumindest alles, was zum jetzigen Zeitpunkt dazu gesagt werden kann.

Zudem hat zu der heute zur Beschlussfassung vorliegenden Beschlussempfehlung eine durchaus intensive Diskussion im Fachausschuss stattgefunden. Bei allem Verständnis für die Unzufriedenheit der Antragstellerin darüber, dass sich seit der Einbringung des Antrags im Oktober 2011 für die Betroffenen nichts geändert hat, bleibt festzuhalten, dass sich die Landesregierung dennoch intensiv dieses Themas angenommen hat.

Die Zuständigkeit für die Einführung dieses neuen Merkzeichens liegt beim Bund; der Minister erwähnte es. Unabhängig davon ist die Anerkennung der Taubblindheit als Behinderung eigener Art nur sinnvoll, wenn dies bundeseinheitlich geschieht. Aus der Berichterstattung der Landesregierung im Fachausschuss wissen wir, dass sich dieser Prozess leider überaus mühsam gestaltet und daher ein Ende im Moment noch nicht absehbar ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Landesregierung hat wiederholt dargestellt, dass die Einführung eines Merkzeichens „taubblind“ nur dann sinnvoll ist, wenn zeitgleich eine bundeseinheitliche Regelung der Nachteilsausgleiche erfolgt. Der Minister sagte es, und ich möchte hier betonen, dass ich diese Einschätzung ausdrücklich teile.

Auch wenn die Landesregierung bereits wiederholt im Ausschuss zu dieser Thematik berichtet hat, werden wir der Beschlussempfehlung, die eine Berichterstattung der Landesregierung zur Systematik der Merkzeichen im Schwerbehindertenrecht, zu Möglichkeiten der Inanspruchnahme von speziellen Nachteilsausgleichen sowie zur Aufnahme eines besonderen Merkzeichens „taubblind“ im Schwerbehindertenausweis zum Gegenstand hat, zustimmen. - Damit danke ich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Danke sehr, Kollege Rotter. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Frau Lüddemann.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Ich wollte es eigentlich nicht noch einmal sagen, aber ich glaube, nach der Debatte muss man es einfach noch einmal sagen: Taub und blind zu sein, kann sich einfach niemand vorstellen. Ich traue mir das nicht zu. Das Erleben der Welt, seiner selbst und der Mitmenschen, wenn beide Fernsinne fehlen oder so stark eingeschränkt sind, dass sie praktisch nicht mehr vorhanden sind, kann man als Mensch, dessen Sinne normal ausgeprägt sind, nicht nachempfinden.

Es ist eine Beeinträchtigung besonderer Art; das haben Sie, Herr Rotter, auch gesagt. In dieser Einschätzung sind wir uns offensichtlich einig. Aber offensichtlich sind wir uns nicht darin einig, dass man tatsächlich ein besonderes Merkzeichen „TBl“ braucht.

Der ursprüngliche Antrag der Fraktion DIE LINKE forderte eine genau in diese Richtung gehende Initiative des Landes zur Einführung eines solchen neuen Merkzeichens im Rahmen der Schwerbehindertenausweisverordnung. Damit soll der Anerkennung von Taubblindheit als Behinderung eigener Art formal entsprochen werden.

Der heute in Rede stehende Antrag der Regierungsfraktionen hat damit nicht mehr viel zu tun; das muss man ganz deutlich sagen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Er fordert lediglich einen Bericht der Landesregierung zu diesem Thema, der schon längst im Ausschuss gehalten wurde. Der Bericht hätte umfassender sein können; sei es drum.

Aber aus diesem Bericht wissen wir nun, dass die Länder dieses neue Merkzeichen einführen wollen. Das ist die Schizophrenie bei diesem Thema. Wir wissen auch, dass es im Arbeitsprozess mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales Abstimmungsprobleme gab. Wir wissen, dass der Prozess seit Juli 2013 stillsteht.

Letztlich war die folgende Frage der Knackpunkt - das muss man noch einmal ganz deutlich sagen -: Schaffen wir erst ein neues Merkzeichen und definieren dann die damit verbundenen Hilfeleistungen und nötigen Nachteilsausgleiche - das wollte, so wurde berichtet, der Bund - oder gehen wir eben andersherum vor, also bestimmen wir erst den Inhalt und schaffen dann formal ein neues Merkzeichen, wie es wohl, so wurde auch berichtet, die Länder wollen.

Sie werden sich an dieses Dilemma von Henne und Ei erinnert fühlen. Ich denke - das will ich abschließend deutlich sagen; denn im Ausschuss war es nicht öffentlich -, dass ein neues Merkzeichen zwangsläufig die Möglichkeit schafft, auch die dahinterstehenden Nachteilsausgleiche zu beschreiben.

Man hätte es auch anders machen können. Aber nun war diese Initiative da. Es ist schlimm genug, dass wir vier Jahre, nämlich seit 2011, gebraucht haben, um jetzt festzustellen, dass es irgendwie alles schwierig und nicht nötig ist.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Ich denke, es ist klar, wie es heute ausgehen wird, wie die Kollegen von CDU und SPD abstimmen werden.

Wir wissen, dass nicht viele Menschen betroffen sind; das ist auch berichtet worden. Es gibt in Sachsen-Anhalt, glaube ich, nur 49 Betroffene. Aber hinter jedem einzelnen Schicksal steckt nicht nur das Schicksal des betroffenen Menschen, sondern das Schicksal der gesamten Familie. Diese wären es wert gewesen, gesondert betrachtet zu werden. Dies steht für meine Fraktion außer Frage. Deswegen können wir nur dem Antrag der Fraktion DIE LINKE zustimmen und nicht dem Antrag der Regierungsfraktionen. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Kollegin Lüddemann. - Frau Dr. Späthe, möchten Sie noch einmal reden?

Dann stimmen wir jetzt über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales in der Drs. 6/4362 ab. Wer der Beschlussempfehlung zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Wer enthält sich der Stimme? - Das sind

einige Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE. Damit ist die Beschlussempfehlung angenommen worden.

Wir haben den Tagesordnungspunkt 19 erledigt und sind gleichzeitig am Ende 95. Sitzung des Landtages. Ich berufe die 96. Sitzung für morgen, 9 Uhr, ein. Wir beginnen mit Tagesordnungspunkt 29 - Aktuelle Debatte. Ich wünsche Ihnen einen schönen parlamentarischen oder auch außerparlamentarischen Abend.

Schluss der Sitzung: 18.35 Uhr.