Protocol of the Session on July 2, 2015

(Zustimmung von Frau Zoschke, DIE LINKE)

Und drittens die Schaffung der politischen Rahmenbedingungen, um gute Betreuung zu ermöglichen, Stichwort „Psychiatrieplanung“.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf einige Punkte unseres Novellierungsvorschlags hinweisen, die diese eben benannten Schwerpunkte betreffen.

Erstens. Die Selbstbestimmung stärken. § 2

- Grundsatz. Hier möchten wir den Satz: „Seine Würde und sein Wille sind zu achten.“ einfügen. Das scheint selbstverständlich, hat aber besondere Bedeutung für psychisch Kranke und Personen mit seelischer Behinderung, nämlich unter Berücksichtigung ihrer besonderen Situation.

§ 5 - Sozialpsychiatrische Dienste. Unser Vorschlag fordert die Einrichtung einer Beratungs- und Beschwerdestelle, und zwar trialogisch besetzt, trialogisch im Sinne von: Unter Einbeziehung der Psychiatrieerfahrenen, unter Einbeziehung der Angehörigen psychisch Kranker in Zusammenarbeit mit dem SpDi, dem Sozialpsychiatrischen Dienst.

§ 8 heißt bis jetzt nur „Untersuchung, Mitteilung“. Wir wollen aber auch „Beratung“ dort benennen.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Im jetzigen Absatz 2 des Paragrafen heißt es: „Der Betroffene hat die Untersuchung zu dulden.“ Das ist diskriminierend und unwürdig und gehört nicht in solch ein Gesetz.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Ein weiterer Punkt in diesem Zusammenhang ist die Aufforderung zur Untersuchung, die an einen Betroffenen ergehen kann. Hier soll der Betroffene den Arzt seiner Wahl benennen können, und der

soll in die Betreuung und Untersuchung mit einbezogen werden.

§ 12 - Vollzug der Unterbringung. In Krankenhäusern, die die Unterbringung vollziehen, sollen durch das Landesverwaltungsamt Patientenfürsprecherinnen bzw. Patientenfürsprecher berufen werden. Sie sind Interessenvertreter der Betroffenen und haben eine Außensicht auf diese Problematik.

§ 17 - Ärztliche Behandlung - haben wir vollkommen neu gefasst, weil der jetzige nicht mehr den Anforderungen der Zeit entspricht. Denn im jetzigen Gesetz heißt es: „Die Betreuung erfolgt auf der Grundlage der ärztlichen Kunst.“ Das ist ein unwissenschaftlicher Begriff, der in keiner Weise zu rechtfertigen ist. Neu ist unsere Formulierung: „… nach dem jeweils anerkannten Stand der medizinischen, pflegerischen, therapeutischen und heilpädagogischen Erkenntnisse.“ Auch die Zwangsbehandlung muss neu geregelt werden. Hierbei geht um Aufklärung, Beratung und Zustimmung.

Meine Herren und Damen! Besondere Sicherungsmaßnahmen sollen nach unserem Vorschlag im zuständigen Ministerium erfasst werden, denn sie sind ein Eingriff in die Selbstbestimmung der Menschen. Das erfordert größtmögliche Transparenz. Je Legislaturperiode soll dem Landtag ein Bericht über diese besonderen Sicherungsmaßnahmen vorgelegt werden.

Nicht nur ein Arzt soll den Zustand des Betroffenen einschätzen. Wir gehen vom Vieraugenprinzip aus. - Am Rande möchte ich auf einen Artikel in der TAZ vom 26. Juni 2015 hinweisen: Ruhiggestellt. - Ich will hier raus! Eine 64-Jährige ist seit zehn Jahren gegen Ihren Willen in der Psychiatrie.

In diesem § 17 noch der Absatz 6, der auch für die Betroffenen - da haben wir uns kundig gemacht - eine ganz besondere Bedeutung hat, die Berücksichtigung einer vorhandenen Patientenverfügung.

Punkt 2, die Verbesserung der Versorgungsstrukturen. § 4 - Träger der Hilfen. Nein, es muss „Träger und Koordination der Hilfen“ heißen. Psychiatriekoordinatorinnen und -koordinatoren sind in den Kreisen und kreisfreien Städten zu bestellen. Sie führen die Hilfen zusammen und wirken an der Psychiatrieplanung auf kommunaler Ebene mit.

Ich weiß, diese Bestellung von Psychiatriekoordinatorinnen und -koordinatoren ist mit Geld verbunden. Ich weise auf Abschnitt D - Kosten - des Vorworts hin: Kostenrelevante Punkte, wie dieser, sollen erst zum 1.Januar 2017 in Kraft treten, damit sie in dem neuen Haushaltsgesetz Berücksichtigung finden.

Wir fügen in unseren Vorschlag den § 5a - Gemeindepsychiatrische Verbünde - ein. Sie sind das Zusammenwirken aller an der Betreuung einer Person Beteiligten. Sie ermöglichen personenbezogene, individuelle, bedarfsgerechte und wohnortnahe Betreuung. Übrigens wurde diese wohnortnahe Betreuung bereits in der Psychiatrieenquete von 1975 gefordert. Das ist 40 Jahre her.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Die Gründung von gemeindepsychiatrischen Verbünden ist von dem Ziel getragen, kommunale Verantwortungsgemeinschaft zu fördern. Etwa durch Kooperationsvereinbarungen verständigen sich im besten Fall alle Akteure auf das Ziel einer bestmöglichen Versorgung aller Klienten in der Region. Ergänzend zur Perspektive einzelner Träger samt ihrer Konkurrenz untereinander kann so durch ein gemeinsames Ziel die Kooperation, Zusammenarbeit und Abstimmung gefördert werden.

Die einzelnen Akteure sind dann nicht mehr nur Marktteilnehmer, sondern auch eine Wertegemeinschaft. Gerade die Abstimmung von Angeboten und die Spezialisierung der Leistungserbringer kann ein praktischer Nutzen solcher Zusammenarbeit sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kommen wir noch zum dritten Punkt, der Schaffung der politischen Rahmenbedingungen. Ganz wichtig ist, dass das PsychKG novelliert werden muss, keine Frage.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Es muss dringend - das ist in unserem Vorschlag § 5b - ein Landespsychiatrieplan erstellt werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Er muss alle vier Jahre fortgeschrieben werden unter Einbeziehung des Ausschusses für die Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung, unter Einbeziehung der Psychiatrieerfahrenen und der Angehörigen Psychiatriekranker. Er bildet damit die Grundlage für die kommunale Psychiatrieplanung, die in Zusammenarbeit der gemeindepsychiatrischen Verbünde und der entsprechenden Koordinatorinnen und Koordinatoren zu erfolgen hat.

Meine Herren und Damen! Gute Betreuungsstrukturen und die Betreuungsqualität für Menschen mit psychischen Erkrankungen und seelischen Behinderungen dürfen nicht davon abhängen, in welchem Bundesland die Betroffene oder der Betroffene wohnt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Alle haben Anspruch auf gleiche, qualitativ hochwertige Betreuung. Diesem Ziel trägt unser Novellierungsvorschlag Rechnung. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Wicke-Scheil, für die Einbringung. - Ich darf auf der Besuchertribüne ganz herzlich Seniorinnen und Senioren der Arbeiterwohlfahrt aus Weißenfels begrüßen. Herzlich willkommen!

(Beifall im ganzen Haus)

Für die Landesregierung spricht jetzt der Sozialminister. Bitte schön, Herr Bischoff.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete Wicke-Scheil, am Anfang eine Frage, die Sie bestimmt beantworten können. Wir müssen zwischendurch kein Zwiegespräch machen. Wissen Sie, wie lange durchschnittlich ein gutes Gesetz beraten wird hier im Landtag?

(Herr Lange, DIE LINKE: Viel zu lange!)

Weshalb bringen Sie jetzt einen Vorschlag ein, wo Sie ziemlich genau wissen, dass wir mindestens ein Jahr dafür brauchen werden?

(Zurufe von den GRÜNEN)

Ich finde das plakativ. Ich habe noch nie bestritten, und ich glaube niemand im Haus - -

(Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE: Neun Mo- nate!)

- Im September bringen wir das ein, und dann haben wir bis Dezember Zeit. Das ist ein Durchpeitschen. Das würden Sie bei uns sofort kritisieren.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Zu- rufe von den GRÜNEN)

Das wusste ich doch ganz genau, dass das kommt. Gerade wo es um freiheitsentziehende Maßnahmen geht, wären Sie die Ersten, die sagen, das muss ausführlich beredet werden, einschließlich Anhörungen. Das kriegen Sie in wenigen Monaten gar nicht hin, das wissen Sie ganz genau.

(Zurufe von den GRÜNEN)

Es ist das Recht der Opposition, das einzubringen. Ich muss doch nur erwähnen, dass es nicht möglich ist.

(Frau Lüddemann, GRÜNE: Wenn man es will, kann man das immer!)

Ich habe nie bestritten - weder im Ausschuss noch hier -, dass wie eine Novellierung des PschKG

brauchen. Ich wüsste gar nicht, wo das herkommt, dass das einer bestritten hätte.

(Frau Zoschke, DIE LINKE: Bestritten nicht, aber Sie schlafen! - Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE: Sie hatten doch vier Jahre Zeit! - Ministerpräsident Herr Dr. Haseloff: Wir haben noch fünf Jahre Zeit!)