Um dieses Antragsziel umzusetzen, bedarf es meines Erachtens nicht der geforderten Erarbeitung einer neuen Landespflegekonzeption. Man kann in andere Länder gucken, wie die das machen, noch dazu, wenn man eine besondere Beziehung dorthin hat. Man kann gucken, wie es in Baden-Württemberg geht und wie in Sachsen-Anhalt. Wir haben mit einer bestimmten Entwicklung etwas anderes gemacht, wo andere Länder wieder sagen: Hat Sachsen-Anhalt gar nicht schlecht gemacht.
Wir haben in Sachsen-Anhalt eine Pflegekonzeption: „Wege in eine neue Pflegelandschaft“. Sie sieht diesen Aufbau einer vernetzten sozialen Infrastruktur bei den örtlichen Sozialplanungen vor. Das fordern wir, dass es gerade dort ist. Der Quartiersansatz ist ausdrücklich und seit 2008 - jetzt kommt es - im seniorenpolitischen Programm der Landesregierung „Aktiv und selbstbestimmt - Altenhilfe und Pflege in Sachsen-Anhalt bis zum Jahr 2020“ enthalten. Das ist das, was wir seit 2008 haben. Das ist so angelegt, dass es sich stetig weiterentwickelt.
Das seniorenpolitische Programm ist unsere Form und unsere Antwort auch darauf, wie Pflege in Zukunft gestaltet werden soll. Diese Weiterentwicklung ist ein Programm, worum uns andere wiederum beneiden.
Die Landesregierung berücksichtigt dabei Ansätze des „Care Managements“, insbesondere im Hinblick auf die Ausgestaltung und Einrichtung quartiersbezogener Wohnkonzepte. Diese Leitlinie 16 - Bedingungen für das Zuhause-Wohnen weiter verbessern - ist im seniorenpolitischen Programm enthalten. Sie dient dem Ziel der generationenübergreifenden Vernetzung im Quartier sowie der Verknüpfung mit der bestehenden sozialen Infrastruktur und den ehrenamtlichen Initiativen. Es handelt sich keineswegs um kurze Ausführungen, die nicht ausreichten, wie Sie eben sagten, sondern um eine nachhaltige und konsequente Ausrichtung der Ziele im Programm.
- das haben wir mit dem Bauministerium erarbeitet -, wonach quartiersbezogene Wohnkonzepte weiterzuentwickeln sind. Im Kapitel 5.3 wird ausdrücklich gefordert, auch stationäre Pflege im Quartier zu vernetzen, soweit sie dort vorhanden ist.
Die Landesregierung hat dieses Konzept der Vernetzung im Quartier sogar mit der heimrechtlichen Regelung im im vorletzten Jahr beschlossenen Wohn- und Teilhabegesetz flankiert, die alle stationären Einrichtungen und nicht selbstorganisierten Wohnformen gesetzlich verpflichtet, sich dem Gemeinwesen zu öffnen und den Bewohnerinnen und Bewohnern damit Teilhabe zu ermöglichen. Jedenfalls ist meines Erachtens die Entwicklung eines neuen Eckpunktepapiers nicht erforderlich.
Bei Punkt 3 fordern Sie, die Beratungsstelle „Prävention im Alter“ konzeptionell und inhaltlich weiterzuentwickeln. Meine Antwort: Wie Sie wissen, ist diese Beratungsstelle beauftragt, zu den neuen Wohnformen zu beraten, und wird deshalb von den Pflegekassen und dem Land gleichermaßen gefördert. Selbstverständlich kann die Beratung heute schon neben den Initiatoren neuer Wohnformen auch kommunale Interessenten beraten, wenn und soweit ein Beratungsbedarf in Richtung altengerechter Quartiersentwicklung besteht.
In Frage 4 fordern Sie ein Förderprogramm zur Quartiersentwicklung. Wie Sie der Antwort zur Großen Anfrage entnehmen können, bestehen im Rahmen der Städtebauförderung bereits heute Möglichkeiten der Förderung von Quartiersmanagern bzw. Stadtteilmanagern über das Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr.
Fünftens schlagen Sie vor zu prüfen, inwieweit kommunale Pflegekonferenzen gesetzlich verankert werden können, welche die Vernetzung vor Ort fördern. Den Kommunen kommt gemäß ihrer Zuständigkeit für die Daseinsvorsorge die zentrale Rolle bei der Umsetzung vernetzter wohnortnaher Hilfe- und Unterstützungsstrukturen im Sinne des „Care Managements“ zu. Aufgabe der Landesregierung ist es, diesen Prozess zu unterstützen, nicht aber, ihn selbst zu initiieren.
Aus fachlicher Sicht abzulehnen ist dabei allerdings Ihr Vorschlag der Federführung dieser Pflegekonferenz durch die Gesundheitsämter. Gegen eine Beteiligung hätte ich nichts einzuwenden, aber sie sollten nicht die Federführung haben. Denn die Gesundheitsämter haben ganz andere und wichtige Aufgaben im präventiven Bereich der Gesundheitsvorsorge, im Bereich der Gefahrenabwehr. Ihre Aufgabe ist es gerade nicht, örtliche und regionale Pflegeplanungen zu initiieren oder vielleicht sogar dieses Care-Management-System selber zu übernehmen.
der Rolle der Kommunen“ in jedem Fall die Hauptakteure im Pflegebereich, nämlich die zuständigen Pflegekassen, an den Konferenzen mitzuwirken. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe und deren Empfehlungen sehen zudem gerade nicht eine verpflichtende Einführung von Pflegekonferenzen, sondern nur deren optionale Einrichtung vor. Danach können die Länder regionale Pflegekonferenzen oder vergleichbare Gremien einrichten, müssen es aber nicht.
Ich will zu dem Punkt 7 noch etwas sagen, weil ich da anderer Meinung bin als Sie, Frau Lüddemann. Sie fordern in Ihrem Antrag, die Doppelzimmerquote abzusenken, und zu diesem Zweck eine Arbeitsgruppe aus Einrichtungsträgern, Pflegekassen, Sozialagenturen - ohne Heimaufsicht - einzurichten, damit dieses Ziel vorangetrieben werden kann.
Einig sind wir uns mit Sicherheit in dem Punkt, dass wir mehr Einzelzimmer brauchen oder zumindest der Wunsch jedes Bewohners oder jeder Bewohnerin Vorrang haben muss, wie er oder sie leben will. Ob damit allerdings zwingend das Ziel der Absenkung der Doppelzimmerquote verknüpft sein sollte - Sie sagen, zu 100 % -, ist zu hinterfragen oder noch einmal genauer zu überprüfen.
So besteht auch der Wunsch von Ehepartnern, Lebenspartnern, Geschwistern oder Verwandten, in einem Doppelzimmer versorgt zu werden. Auch gerontopsychiatrisch veränderte Menschen haben wegen auftretender Ängste - Verlassenheitsängste und Ähnliches - oft den Wunsch, nicht allein gelassen zu werden. In anderen Konzepten ist sogar vorgesehen, dass Mehrbettzimmer in dem Programm, in der Konzeption mit enthalten sind.
Ob die von Ihnen vorgeschlagene Arbeitsgruppe hierzu verwertbare Vorschläge machen würde? - Dazu habe ich keine Vorstellung, was da kommen soll, weil die Vorstellungen und Interessenlagen hierbei ziemlich weit auseinandergehen.
Ich halte nichts davon, dass wir von Staats wegen dort hineinregieren. Die Pflegeversicherung ist 1995 eingeführt worden mit dem Wettbewerbsprinzip. Die Nachfrage nach Pflegeplätzen wird in Zukunft die Einrichtungen begünstigen, die ein marktgerechtes Angebot machen. Seit Längerem wenden sich deshalb einzelne geförderte Pflegeeinrichtungen, die meines Erachtens die Zeichen der Zeit erkannt haben, an das Sozialministerium, um Doppelzimmer zu Einzelzimmern umzubauen. Das wird immer mehr in den letzten Wochen und Monaten.
Ohne das Wettbewerbsprinzip wäre es auch nicht gelungen, innerhalb weniger Jahre eine vielfältige Infrastruktur mit qualifizierten Angeboten und damit
eine leistungsfähige, zahlenmäßig ausreichende und wirtschaftliche pflegerische Versorgungsstruktur auf die Beine zu stellen. Ich bin überzeugt davon, dass die Akteure vor Ort längst unterwegs sind, je nachdem wie ihre Konzeption aussieht für ihre Einrichtung, genau diesen Weg zu beschreiten. Sie wollen auch wissen, dass sie in Zukunft Bewohner und Bewohnerinnen bekommen, die sie so versorgen können, dass sie auf dem Markt gut bestehen können. Dafür gibt es einfach zu viele Interessenten. - Danke.
Danke, Herr Minister. - Wir treten jetzt in die vereinbarte Redezeitstruktur ein. Für die CDU-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Krause. Er hat zwölf Minuten Redezeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Große Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Selbstbestimmung und Teilhabe im Alter konzentriert sich auf folgende Themenkomplexe: „altengerechtes Wohnen“, „altengerechte Quartierentwicklung“, „inklusiver
Sozialraum“ sowie das Thema „Pflege“, insbesondere in Sachsen-Anhalt. So werden die Situation in den Alten- und Pflegeheimen und die Entwicklung von Umbaumaßnahmen zu modernen und individuellen Wohnformen beleuchtet.
Zukünftig sind die Kommunen, auch nach den Ergebnissen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, immer mehr in der Verantwortung gefragt; denn die demografische Entwicklung macht es notwendig, alle Bereiche des altengerechten Wohnens bei der Quartiersentwicklung zu berücksichtigen und dabei regional vernetzte Quartierskonzepte, die an die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen und Angehörigen angepasst sind, voranzubringen.
Im Rahmen der Städtebauförderung bestehen bereits heute Möglichkeiten der Förderung von Quartier- und Stadtteilmanagern über das Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr. Der Minister hat dazu vorhin länger ausgeführt.
Den Reformdiskussionen zur Pflegeversicherung liegt seit Jahren die gemeinsame Überzeugung zugrunde, dass die meisten Menschen den Wunsch haben, auch im Alter und bei Pflegebedarf so lange wie möglich im eigenen Zuhause, zumindest im vertrauten Sozialraum leben zu können. Hierfür müssen geeignete Rahmenbedingungen geschaffen werden.
Im Fokus der Betrachtung müssen die Stärkung der kommunalen Handlungsmöglichkeiten bei der Gestaltung der lokalen Pflegeinfrastruktur und die Verbesserung der wohnortnahen Versorgung und
der Unterstützung im Alter bei Pflegebedürftigkeit stehen. Insbesondere der Grundsatz „ambulant vor stationär“ gewinnt erheblich an Bedeutung, wenn sich die jeweiligen Ressourcen der Kommunen bestmöglich entfalten können. Insoweit begleitet die Landesregierung die Arbeit der auf der Bundesebene eingesetzten Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Stärkung der Rolle der Kommunen in der Pflege“ sehr intensiv. Sie erhofft sich wesentliche Impulse für die Alten- und Pflegepolitik in SachsenAnhalt.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Weiterhin unterstützen wir die Vielfalt von Beratungs- und Unterstützungsangeboten, die Pflegebedürftige und ihre Angehörigen in Anspruch nehmen können. Das Modell „Vernetzte Pflegeberatung“ bietet im ländlichen Raum flächendeckende Beratung. Diese soll in den nächsten Jahren immer weiter umgesetzt werden. Die regionale Vernetzung zwischen den Pflegekassen und den Kommunen wird immer wichtiger. Die Verzahnung der Beratung trägt dazu bei, den unterschiedlichen Problemen von Pflegebedürftigen Rechnung zu tragen.
Das Land Sachsen-Anhalt verfügt heute über eine leistungsfähige, zahlenmäßig ausreichende und wirtschaftliche Pflegeinfrastruktur und ist folglich seinem Gesetzesauftrag nach § 9 SGB XI nachgekommen. Angesichts der Tatsache, dass im Land ca. 2 300 stationäre Pflegebetten leer stehen, besteht zurzeit kein aktueller Bedarf im Hinblick auf die Schaffung neuer Pflegeeinrichtungen und -plätze im stationären Sektor.
Der Schwerpunkt des Planungsgeschehens liegt entsprechend dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ stärker bei der Vernetzung mit ambulanten Pflege- und anderen Betreuungsangeboten, neuen und alternativen Wohnformen sowie altersgerechten Wohnangeboten und niedrigschwelligen Betreuungsangeboten im Quartier. Mittlerweile wird der Bedarf an alten- und behindertengerechten Wohnungen auch von den Wohnungsgesellschaften gesehen, die dies verinnerlicht haben und sich als wichtige Ansprechpartner anbieten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Gestatten Sie mir abschließend eine kurze Bemerkung zu dem Entschließungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Herr Minister Bischoff hat diesen Entschließungsantrag in seinem Redebeitrag genau unter die Lupe genommen, sodass dazu alles gesagt ist, was dazu zu sagen ist. Ich möchte das nicht wiederholen. Wir werden den Entschließungsantrag ablehnen.
Es wäre bei allem Verständnis für die Rolle der Opposition, die bisweilen sicherlich nicht einfach ist, wünschenswert, wenn diese bereit wäre, auch
einmal anzuerkennen, was die Landesregierung auf diesem Themenfeld auf den Weg gebracht hat und bringt, anstatt vorschnell mit einem Entschließungsantrag auf den Markt zu gehen, dessen Forderungen von der Landesregierung bereits unabhängig von diesem Antrag aufgegriffen worden sind. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Danke sehr, Kollege Krause. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abgeordnete Frau Dirlich. Sie hat neun Minuten Redezeit.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Große Anfragen sind immer eine gute Gelegenheit, ein Resümee zu ziehen, auf welchem Politikfeld auch immer. In diesem Fall fällt das Resümee aus unserer Sicht zunächst ernüchternd aus. Trotz aller Bemühungen, den Grundsatz „ambulant vor stationär“ durchzusetzen, ist der Anteil an stationären Plätzen in den Jahren 2009 bis 2013 um ganze 0,7 % gesunken. Die Zahl der Pflegeplätze insgesamt ist natürlich gestiegen, aber der Anteil der stationären Plätze ist nur marginal gesunken.
Dass noch immer zwei Drittel der Pflegebedürftigen ambulant betreut werden, liegt vor allem daran, dass nach wie vor fast 50 % der Pflegebedürftigen von den eigenen Angehörigen gepflegt werden,
und eben nicht daran, dass die ambulanten Angebote so weit ausgebaut worden wären. So sehen jedenfalls wir es.
Ja, immer wieder sagen Menschen, dass sie so lange wie möglich in der eigenen Häuslichkeit leben wollen und dass sie so lange wie möglich eben nicht in irgendeine stationäre Einrichtung kommen wollen. Aber ob sie dann ausschließlich von ihren eigenen Angehörigen gepflegt werden sollten, die in der Regel - ich will niemandem zu nahe treten - von Pflege nicht allzu viel verstehen, die in der Regel von Demenz nicht allzu viel verstehen, das darf sehr wohl bezweifelt werden.
Umso wichtiger war die Frage nach den Möglichkeiten einer Pflegeberatung. Diese hält leider auch nicht Schritt mit der wachsenden Anzahl von Pflegebedürftigen; im Gegenteil: Die Zahl der Pflegeberaterinnen ist leicht gesunken, während, wie wir alle wissen und wie es hier schon gesagt wurde, die Zahl der Pflegebedürftigen um 14,6 % gestiegen ist.
Interessant wie immer sind die Fragen, die die Landesregierung nicht beantworten kann. Insgesamt 14 Fragen konnten nicht beantwortet werden, unter anderem deshalb, weil der Landesregierung die Antwort nicht bekannt ist, weil Übersichten nicht vorliegen, weil die Landesregierung auf die kommunale Selbstverwaltung verweist oder weil Daten überhaupt nicht erhoben werden.
Die Landesregierung ist sich sicher, dass für die nächsten drei Jahre keine Neubauten für stationäre Einrichtungen geplant sind. In Schönebeck hatten wir in letzter Zeit mehrere Kaufanfragen für Immobilien mit dem Hintergrund, eine stationäre Pflegeeinrichtung einrichten zu wollen. Okay, sind das keine Neubauten, das weiß ich auch, sondern es sind Umbauten geplant. Es werden aber wohl neue Einrichtungen entstehen. Und die Landesregierung macht in ihrer Antwort auch deutlich, dass sie keine Mittel hat, um das zu verhindern.
Der Großen Anfrage ist es zu verdanken, dass nun klar ist, dass fast die Hälfte der Pflegebetten in stationären Einrichtungen noch immer in Doppelzimmern steht. Die Einrichtungen, in denen es sogar noch Drei- oder Vierbettzimmer gibt, sollten wir uns unter Umständen genauer anschauen.
Sehr gern verweist die Landesregierung auf das ehrenamtliche Engagement von Bürgerinnen und Bürgern im Zusammenhang mit der Pflege. So löblich das auch ist - als Allheilmittel für klamme Kassen ist das Ehrenamt nicht gedacht.