Protocol of the Session on July 1, 2015

dafür Geld eingestellt wird und dass das ordentlich angegangen wird.

(Beifall bei der SPD)

Neben den Maßnahmen von Land und Kommunen wird zugleich das ehrenamtliche Engagement von Bürgerinnen und Bürgern gestärkt, auch finanziell. Das ist wichtig. Wir brauchen diese Aufnahmegesellschaft. Das ist ein zentraler Beitrag für eine Willkommenkultur vor Ort. Ohne die geht es nicht. Die Brandanschläge der vergangenen Tage haben wieder deutlich gemacht, wie wichtig dieser Beitrag der Zivilgesellschaft ist.

(Beifall bei der SPD)

Zur Bewältigung der zu erwartenden asylverfahrensbezogenen Rechtsstreitigkeiten gibt es vier neue Richterstellen. Auch das ist ein wichtiger Beitrag für das Gesamtpaket.

Meine Damen und Herren! Ich will noch einmal deutlich sagen: Die Integration von Flüchtlingen ist eine nationale Aufgabe, nicht nur eine der Länder und der Kommunen.

Ich finde, der Impuls, dass der Bund mehr Verantwortung übernehmen soll, den Sigmar Gabriel von Sachsen-Anhalt aus gegeben hat, ist richtig und wichtig gewesen.

Das Ziel ist noch nicht ganz verwirklicht. Die Verabredung der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin nennt noch keine Zahlen. Die Zahlen müssen gut sein, sodass sie den beteiligten Ländern helfen, einer nationalen Aufgabe gerecht werden und in Kombination - die Länderhaushalte und auch die Kommunen geben etwas dazu - eine gute Aufgabenerledigung ermöglichen.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Dazu sage ich: Ich will es nicht daran binden, dass wir Geld vom Bund bekommen, und nicht davon abhängig machen, wie schnell das jeweilige Land bei der Abschiebung ist. Auch das wurde auf der Konferenz der Fraktionsvorsitzenden von CDU und CSU besprochen, hat in einem Papier gestanden und wurde abgestimmt.

Ich denke, dass es für unser Land nicht gut ist, wenn wir es daran binden, sondern dass der andere Weg besser ist. Ich würde mich freuen, wenn darüber auch bei Ihnen weiter diskutiert wird, sodass sich vielleicht die Auffassung dazu ändert und wir das im gemeinsamen Landesinteresse nicht koppeln, das Bundesgeld also nicht nur dann bekommen, wenn wir schnell abschieben, sondern insbesondere wenn wir die Integration gut vorantreiben. Ich meine, das wäre der bessere Weg.

(Beifall bei der SPD - Herr Schröder, CDU: Fehlende Ausreisepflicht!)

- Wir müssen ja nicht bei allem einer Meinung sein. Das wäre auch langweilig.

Ich habe mich im Zusammenhang mit dem Nachtragshaushalt auf das Thema Integration konzentriert - das haben Sie gemerkt -, weil ich deutlich machen wollte: Es geht hierbei auch um Geld, aber nicht in erster Linie.

Es geht um qualitative Veränderungen, die wir mit diesem Nachtragshaushalt möglich machen und erreichen wollen. Es geht um ein Klima für Integration, des guten Zusammenlebens, an dem ganz viele mitwirken müssen und das sehr vielschichtig ist.

Deshalb will ich dem Finanzminister und der gesamten Landesregierung für diesen Entwurf danken. Damit ist ein erster Schritt getan. Ich denke, allein schon deshalb ist es ein richtig guter Nachtragshaushalt. Ich wünsche mir gute gemeinsame Beratungen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Danke schön. - Damit schließen wir die Aussprache zur Einbringung des Entwurfes des Nachtragshaushaltsgesetzes ab und treten in das Abstimmungsverfahren zur Drs. 6/4185 ein.

Wer der Überweisung des Entwurfes des Nachtragshaushaltsgesetzes in alle Fachausschüsse - mit Ausnahme des Petitionsausschusses - zustimmen möchte, wobei die Federführung beim Finanzausschuss liegt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Gegenstimmen? - Sehe ich nicht.

Stimmenthaltungen? - Auch nicht. Dann ist das so beschlossen worden und Tagesordnungspunkt 1 erledigt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 2 auf:

Beratung

Zustimmung des Landtages zur beabsichtigten Ernennung des Vizepräsidenten und eines weiteren Mitglieds des Landesrechnungshofes Sachsen-Anhalt

Antrag Landtagspräsident - Drs. 6/4187

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Präsident des Landesrechnungshofes hat mir mit Schreiben vom 19. Juni 2015 den Vorschlag zur Ernennung des Vizepräsidenten des Landesrechnungshofes, Herrn Ministerialdirigenten Rainer Elze, unterbreitet. Für die Besetzung der dann freien Stelle eines weiteren Mitglieds des Landesrechnungshofes wird der Abgeordnete Dietmar Weihrich zur Ernennung vorgeschlagen.

Jetzt geht es gemäß Artikel 98 Abs. 3 der Landesverfassung darum, vor der Ernennung die Zustimmung des Landtages einzuholen. Die Entschei

dung des Landtages über die erbetene Zustimmung ergeht in offener Abstimmung. Erforderlich ist gemäß § 73 unserer Geschäftsordnung die Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

Ich lasse darüber abstimmen. Wer dem Antrag in der genannten Drucksache zustimmen will, den bitte ich nunmehr um das Kartenzeichen. - Gegenstimmen? - Sehe ich nicht. Stimmenthaltungen? - Bei einigen Stimmenthaltungen aus der Fraktion der LINKEN ist das mit großer Mehrheit beschlossen worden. Damit ist die erforderliche Mehrheit erreicht.

Ich stelle fest, dass der Landtag der beabsichtigten Ernennung von Herrn Ministerialdirigenten Rainer Elze zum Vizepräsidenten des Landesrechnungshofes zugestimmt hat.

Weiterhin stelle ich fest, dass der Landtag der Ernennung von Herrn Abgeordneten Dietmar Weihrich auf die durch die vorgenannte Entscheidung freigewordene Stelle eines weiteren Mitglieds des Landesrechnungshofes zugestimmt hat und somit in beiden Fällen dem Vorschlag des Präsidenten des Landesrechnungshofes gefolgt ist.

Ich darf im Namen des Hohen Hauses Herrn Elze und Herrn Abgeordneten Weihrich beglückwünschen und ihnen für die Zukunft gutes Gelingen - man sagt so schön: eine glückliche Hand - bei den sehr verantwortungsvollen Aufgaben wünschen.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 8 auf:

Beratung

Selbstbestimmung und Teilhabe im Alter

Große Anfrage Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/3786

Antwort Landesregierung - Drs. 6/4010

Entschließungsantrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/4174

Für die Aussprache zur Großen Anfrage wurde die Debattenstruktur D, also eine 45-Minuten-Debatte, vereinbart. Die Reihenfolge der Fraktionen und ihre Redezeiten sind wie folgt: CDU zwölf Minuten, DIE LINKE neun Minuten, SPD acht Minuten, GRÜNE vier Minuten.

Gemäß § 43 Abs. 6 GO.LT erteile ich zuerst der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Es spricht die Abgeordnete Frau Lüddemann. Bitte sehr.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der demografische Wandel ist angekommen, zumindest in unseren Reden, wenn auch nicht in jeglichem Handeln. Den Wandel pfeifen die Spatzen von den Dächern. Endlich von der trauernden Kenntnisnahme ins Agieren zu kommen, dafür steht unser Entschließungsantrag.

Vorab einige prägnante Kennzahlen: Die Zahl der Pflegebedürftigen stieg von 2009 bis 2013 um fast 12 000 Personen; das bedeutet eine Steigerung um 15 %. Der Anteil der Pflegebedürftigen lag im Jahr 2011 in Sachsen-Anhalt bei 3,8 %, bundesweit bei 2,6 %. Unser Land altert, unser Bundesland im Besonderen, und zwar mit einer Dynamik, die nicht nur bundesweit, sondern europaweit einmalig ist.

Doch so verbreitet das Wissen um diese Umbrüche und Herausforderungen auch ist, die Landesregierung ist auf diesem Ohr geradezu taub. Die Alten- und Pflegepolitik müsste doch ganz oben auf der Agenda eines so alternden Landes stehen. Meine Damen und Herren, davon ist leider nichts zu erkennen.

Ich frage deswegen, auch weil die Fragen in der Großen Anfrage so nicht beantwortet wurden, an der Stelle noch einmal ganz deutlich: Wo ist die Landespflegekonzeption? Ich frage: Wo ist die Neufassung der Pflegeverordnung? Und ich frage: Wo ist der politische Wille, das Gemeinwesen zu stärken?

In unserer Großen Anfrage fragten wir gezielt, in welcher Form und inwieweit das Thema altengerechte Quartiersentwicklung in landesweit bestehenden Gremien und Arbeitszusammenhängen bzw. in interministeriellen Arbeitsgruppen aufgegriffen wird. Die Antwort lautete: Es gab im Sozialministerium im Jahr 2012 einen Fachtag. - Das will ich nicht weiter kommentieren.

Ich frage auch: Warum hat sich das Land Sachsen-Anhalt nicht an der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Stärkung der Rolle der Kommunen in der Pflege beteiligt? - Im Vorwort der Großen Anfrage liest es sich so, als wenn es so wäre. Schaut man sich aber den Bericht der Arbeitsgruppe an, stellt man fest, Sachsen-Anhalt glänzte durch Abwesenheit. Ich finde das schade, weil hiermit eine Chance, wie ich finde, zu einem bundesweiten Austausch vertan wurde.

Doch nicht nur der demografische Wandel nötigt uns zum Handeln. Unabhängig davon sollte uns der Wunsch der Bürgerinnen und Bürger Auftrag sein oder sollte uns sogar zwingen - so dringend finde ich das -, hier tatsächlich politisch aktiv zu werden. Die absolute Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger will im gewohnten Umfeld älter werden,

will auch im Alter selbstbestimmt in der eigenen Wohnung leben und im Fall der Pflegebedürftigkeit nicht nur auf ihre Angehörigen angewiesen sein. Nur, meine Damen und Herren, gerade die letzten beiden Tendenzen herrschen bei uns im Bundesland leider vor.

Laut dem Kuratorium Deutsche Altershilfe haben wir bundesweit die höchste Zuwachsrate an Heimplätzen, einen Anstieg von 2005 bis 2011 um 23,5 %; bundesweit waren es 15,6 %. Gleichzeitig werden etwa zwei Drittel der Pflegebedürftigen, die zu Hause wohnen, einzig von ihren Angehörigen gepflegt - Tendenz leicht steigend. Beides kann und darf nicht die Antwort auf unsere alternde Bevölkerung sein. Meine Fraktion will daher den Gedanken der altersgerechten Quartiere als Vision, als Handlungsziel und als Erfolgsmesser der Landespolitik verankern.

Ich will da ins Detail gehen. Wir haben in unserer Großen Anfrage immer von „altersgerechter Quartiersentwicklung“ gesprochen. Je mehr wir uns aber mit dem Thema beschäftigt haben, je mehr wir uns damit auseinandergesetzt haben, je mehr wir mit Fachleuten, Bürgerinnen und Bürgern ins Gespräch gekommen sind, desto mehr ist mir klar geworden, dass die Wortwahl „alternsgerechte Quartiersentwicklung“ das Thema einfach sehr viel besser beschreibt, weil das Quartier so gestaltet werden muss, dass es Strukturen bietet, um gemeinsam mit anderen Menschen altern zu können.

Also: Alternsgerechte Quartiere, in anderen Worten „generationengerechte Sozialräume“, stehen dafür, die Menschen vor Ort darin zu bestärken, gemeinsam älter zu werden. Wir wollen lokale Verantwortungsgemeinschaften fördern. Dann kann das Gemeinwesen - davon bin ich überzeugt - sogar gestärkt aus der demografischen Entwicklung hervorgehen.