Protocol of the Session on July 1, 2015

Ich habe in den vergangenen Haushaltsreden und auch heute wieder vom Kollegen Knöchel den Vorwurf gehört, die Politik sei so sehr auf die Zukunft ausgerichtet und vergesse dabei die Gegenwart. Es gehe sozusagen mehr um Zahlen als um Menschen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Haushaltsplan ist die klare Antwort darauf, dass dies nicht so ist. Es geht, natürlich weil es um einen Haushalt geht, um Zahlen. Aber es geht in diesem Nachtragshaushalt vor allen Dingen um die Menschen, denen wir helfen wollen.

Wir schaffen die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen, um auf die Herausforderungen, insbesondere auf die Flüchtlingsfrage, Antworten geben zu können. Die Botschaft des Nachtragshaushaltsplans lautet zuallererst, dass wir den Kommunen helfen. Die Zahlen wurden genannt. Man kann sagen, pro Jahr stellen wir Mittel in Höhe von 100 Millionen € für die Flüchtlingshilfe bereit. Wir bilden 60 neue Schulklassen für den Deutschunterricht. Wir gewähren neben der Erhöhung der Zahl der Integrationslotsen eine Pauschale für die kommunalen Aufwendungen bei der Versorgung und Unterbringung Asylsuchender und Flüchtlinge.

Sehr geehrter Herr Kollege Knöchel, ich habe heute diesen recht harten Vorwurf gehört, wir leisteten mit dieser Pauschale an die Kommunen den Geschäftemachern und damit der Missbrauchsanfälligkeit dieses Instrumentes quasi Vorschub. - Natürlich hat die Landesregierung das mit den Kommunen besprochen.

(Herr Knöchel, DIE LINKE: Ach ja!)

Eine schnelle und unbürokratische Alternative zu diesen pauschalen Aufwendungen für die Kommunen habe ich heute von Ihnen nicht gehört. Daher möchte ich diesen Vorwurf zurückweisen.

(Zustimmung von Herrn Borgwardt, CDU, und von Frau Budde, SPD)

Wir erhöhen die Kapazität der zentralen Aufnahmestelle. Wir schaffen Richterstellen für schnellere Verfahren. - Alles das gehört in das Gesamtpaket, auf diese Herausforderungen zu reagieren.

Auch zu Stark V möchte ich gern etwas sagen. Denn wir leiten in den kommenden vier Jahren etwas mehr als 120 Millionen € zusätzlich an die finanzschwachen Kommunen. Zu den Kriterien wurde ausreichend ausgeführt. Es ist aus der Sicht meiner Fraktion eine wichtige Investitionsspritze, die ganz ohne Eigenmittel der Kommunen die Infrastrukturen zu verbessern hilft.

Mit dem Nachtragshaushaltsplan schaffen wir 100 neue Lehrerstellen zur Vermeidung von Unterrichtsausfall und ermöglichen jährlich 50 zusätzliche Polizeianwärterstellen. Für die Umsetzung baureifer Projekte im Landesstraßenbau, in diesem Fall für die L 178n im Süden, gibt es einen kleinen Aufschlag für die nächsten zwei Jahre.

Sehr geehrter Herr Knöchel, noch einmal zu Ihrer Rede. Wir haben in diesem Landeshaushalt - das wird auch mit dem Nachtragshaushalt so bleiben - eine überdurchschnittliche Investitionsquote vorgesehen. Wir binden alle Drittmittel, Bundes- und EU-Hilfen für Investitionen. Wir haben eine überdurchschnittliche Bildungsausgabenquote im Landeshaushalt verankert. Wir haben trotz der schmerzlichen Prozesse der Neuverhandlung hinsichtlich der Theater- und Orchesterverträge eine höhere Pro-Kopf-Kulturausgabenquote als der Freistaat Bayern. - Auch das gehört zur Bilanz dieser Landesregierung.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zur Finanzierung ist etwas gesagt worden. Die Mehrausgaben, die damit verbunden sind, werden neben den Bundeshilfen für Flüchtlinge, die in Aussicht stehen und sicherlich auch kommen werden, im Wesentlichen aus den Steuermehreinnahmen bestritten.

Die Schuldentilgung wird fortgesetzt, aber zu einem größeren Teil aus der Schwankungsreserve

bedient. Das ist ein Griff in den Vorsorgetopf, der uns nicht leicht fällt, aber gemessen an den gegenwärtigen Herausforderungen doch vertretbar erscheint. Die Schuldentilgung von immerhin 75 Millionen € in diesem Jahr und 100 Millionen € im Jahr 2016 ist es uns wert.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gesunde Haushalte sind ein hervorragendes Instrument für mehr Selbstbewusstsein, so der Ministerpräsident. Dieses Zitat gilt auch für diesen Haushaltsplan. Unsere Hoffnung ist begründet, dass die Entwicklung des Landes in den kommenden Jahren noch stabiler und noch dynamischer verlaufen kann. Wir haben in dieser Wahlperiode mit allen Haushaltsplänen, wie ich denke, einen guten Grundstein für die Zukunft unseres Landes gelegt.

Dieser Nachtragshaushalt ist, wenn Sie so wollen, kein Haushalt des Kurswechsels, sondern ein Haushalt des Kurshaltens bei gleichzeitiger Reaktion auf die Herausforderungen der Gegenwart.

Deswegen spricht sich meine Fraktion auch für zügige Beratungen in den Ausschüssen aus, um den Kommunen und vor allen Dingen den Flüchtlingen möglichst rasch helfen zu können. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Kollege Schröder, möchten Sie eine Anfrage des Abgeordneten Knöchel beantworten?

Herr Knöchel, bitte.

Herr Schröder, ich habe eine Frage, weil Sie sagten, die Investitionsquote Sachsen-Anhalts liege deutlich über der anderer Bundesländer. Wie bewerten Sie es, dass im vergangenen Jahr allein bei den Investitionsmitteln ohne Hochwassermittel 150 Millionen € nicht abgeflossen sind, dass wir mit dem jetzigen Nachtragshaushalt erhebliche Mittel an die EU zurückzahlen, weil wir Programme - vor allen Dingen EFRE und ESF - nicht realisieren konnten, worin auch Investitionen begründet waren?

Wie bewerten Sie es, dass die Investitionsquote ohne die Hochwassermittel deutlich geringer wäre?

Ist Ihnen bekannt, dass in Bayern die Kulturausgaben vor allen Dingen von den Kommunen getragen werden können, weil deren Finanzsteuerkraft

bereits mehr als das 1,2-fache der Steuerkraft des Landes Sachsen-Anhalt beträgt? Daher kann dort Kultur auch tatsächlich als kommunale Aufgabe wahrgenommen werden.

Ich beginne mit der letzten Fragestellung. Kultur ist Aufgabe der Kommunen; das halten wir für richtig und das wollen wir auch nicht ändern. Wir wollen den Kommunen aber Hilfestellungen bei der Aufgabenerfüllung geben. Wir haben auch Institutionen, Stiftungen und landesbedeutsame Einrichtungen, die wir entsprechend als Land finanzieren.

Betrachten wir einmal die Entwicklung der Kulturausgaben. Wir haben hinsichtlich der Theater und Orchester Dynamisierungsregelungen vorgenommen und auch bei den Stiftungen Mehrausgaben realisiert. Wenn man das bezogen auf die Einwohnerzahl des Landes betrachtet, können wir uns bei den Kulturausgaben je Einwohner im Ländervergleich durchaus sehen lassen.

Wir haben vor allen Dingen den Theatern und Orchestern trotz der schmerzhaften Debatten - wir müssen uns nicht davor drücken, das zu benennen - eine längerfristige Perspektive gegeben, indem wir auch die Laufzeit der Vereinbarungen verlängert haben, inklusive der Dynamisierungsklausel.

Ich war selbst Bausstaatssekretär. Ich weiß, wie es sich mit größeren Projekten, die gefördert finanziert werden, verhält. Oft kommt man mit den Zeitplänen durcheinander; oft gibt es Verzögerungen; es gibt Klageverfahren. Das hat zur Folge, dass die Mittel in diesem Bereich nicht abfließen. Sie kennen die Methodik bei den EU-Mitteln: Das Land muss vorfinanzieren und bekommt es dann von den EU-Kassen zurückerstattet. Die EU prüft genau; das soll auch so sein.

Der Vorwurf trifft also nur ins Schwarze, wenn Sie verschweigen, dass wir mit dem Mittel der Übertragung und der Umschichtung von Haushaltsmitteln auf diese Probleme reagieren können. Bitte in diesem Fall an die Umschichtung denken.

Dass eine Investitionsquote ohne Hochwasserhilfe niedriger ist als mit Hochwasserhilfe, ist auch klar. Aber sie ist auch ohne Hochwasserhilfe über dem Durchschnitt der Länder. Das muss auch so sein; das halten wir für richtig. Aber deswegen greift die Kritik von Ihnen zu kurz. - Danke schön.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege. - Als Nächster spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Abgeordneter Herr Meister.

Wir können Gäste im Hohen Haus begrüßen: Damen und Herren der Freiwilligen Feuerwehr Zerbst und der Heimatstube Nedlitz. Willkommen im Haus!

(Beifall im ganzen Hause)

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Landesregierung hat heute den Entwurf eines Nachtragshaushaltsplanes für die Jahre 2015 und 2016 eingebracht. Der Entwurf korrigiert einige bekannte Fehler des bestehenden Haushaltsplans, ohne jedoch auf die grundsätzliche Kritik der Vergangenheit einzugehen.

Die für uns im Rahmen der Beratung des ursprünglichen Haushaltsplans eingebrachte Kritik an der Schwerpunktsetzung bzw. an deren Fehlen ist daher weitgehend unverändert berechtigt. Unser Entwurf sieht eine stärkere Schwerpunktsetzung in den Bereichen Bildung und Wissenschaft, aber auch Kultur vor sowie eine veränderte Schwerpunktsetzung im Bereich Verkehr. Wir werden im Zuge der Beratungen über den Nachtragshaushalt unsere Vorstellungen einer insoweit veränderten Haushaltspolitik deutlich machen.

Ein grundsätzliches Problem des geltenden Haushaltes war die bewusste Ausblendung der Flüchtlingszahlen. Die Entwicklung der Flüchtlingszahlen war bereits im letzten Jahr bekannt. Dass die in den Doppelhaushalt eingestellten Mittel, die im Rahmen des Finanzausgleichsgesetzes an die Kommunen ausgereicht werden sollten, für die erwartete Anzahl nicht ausreichend sein würden, war im Prinzip jedem Beteiligten klar. Wir hatten dies damals immer wieder angesprochen und auch per Änderungsantrag thematisiert.

Es ist richtig, dass der Bund seine Finanzmittel für dieses Jahr von 500 Millionen € auf 1 Milliarde € aufstockt. Die Kommunen in Sachsen-Anhalt werden dadurch um ca. 30 Millionen € pro Jahr entlastet. Dass dies ausreichend ist, darf bezweifelt werden.

Die von der Landesregierung eingesetzte Kostenpauschale von 8 600 € muss eher als absolute Untergrenze angesehen werden. In den Bund-LänderVerhandlungen wurde von einer Pauschale in Höhe von 12 500 € ausgegangen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wobei ich meine, dass wir letztlich eine Spitzabrechnung der in den Kommunen entstehenden Kosten werden vornehmen müssen. Die beabsichtigte Ausgliederung in ein eigenes Leistungsgesetz halte ich für sinnvoll; sie trifft sich auch mit unseren Forderungen.

Ein erfreulicher Anlass für die Vorlage des Nachtragshaushaltes ist die Umsetzung des kommuna

len Investitionsprogramms des Bundes. Nach der Verabschiedung des Programms stehen in den nächsten fünf Jahren insgesamt rund 111 Millionen € für kommunale Investitionsvorhaben zur Verfügung. Die Mittel sollen in Sachsen-Anhalt den als finanzschwach eingestuften Kommunen zugute kommen.

Die Liste dieser Kommunen ist bereits bekannt und sorgt naturgemäß für einigen Gesprächsstoff. Zusätzliche Investitionsmittel sind in diesen Kommunen selbstverständlich willkommen. Wir dürfen aber nicht die Augen davor verschließen, dass die Probleme der finanzschwachen Kommunen letztlich auch darin bestehen, die Aufwendungen für den Erhalt der bestehenden Infrastruktur zu stemmen. Das jetzige Programm wird an diesem grundsätzlichen Problem nichts ändern.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Die Finanzschwäche unserer Kommunen hat tiefere strukturelle Ursachen. Diese zu lösen wäre eine vordringliche und zugegebenermaßen auch anspruchsvolle Aufgabe der Landesregierung und der Landespolitik insgesamt.

Der Finanzminister hat kürzlich sogar auf einer Podiumsdiskussion öffentlich eingeräumt, dass im aktuellen System des kommunalen Finanzausgleichs kein Anreiz für Kommunen zur Haushaltskonsolidierung enthalten ist.

(Minister Herr Bullerjahn: Das habe ich so bestimmt nicht gesagt!)

Er hat Recht. Wir hatten bereits in der Vergangenheit auf diesen Systemfehler in der Kommunalfinanzierung in Sachsen-Anhalt hingewiesen. Das Problembewusstsein ist mittlerweile zumindest auch beim Finanzminister vorhanden; getan wurde aber leider nichts. Stattdessen findet sich im Nachtragshaushalt sogar eine weitere Kürzung im Bereich des FAG.