Protocol of the Session on September 9, 2011

(Ministerpräsident Herr Dr. Haseloff: Schon seit vielen Jahren!)

- Schon seit vielen Jahren steht das auf der Webseite? Das kann ich mir vorstellen. - Diese Äußerung stammt aus einer Pressemitteilung des Ministerpräsidenten Dr. Haseloff. Wie Sie sich denken können, teile ich diese Einschätzung nicht.

Ich möchte einen Satz zitieren, der, wenn er nicht auf die Braunkohle gemünzt wäre, dennoch auf der richtigen Logik basiert: „Entscheidend ist, dass die Energie dann zur Verfügung steht, wenn sie tatsächlich gebraucht wird.“ Genau so, sehr geehrter Herr Haseloff, ist das mit dem Internet. Tun Sie was! - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege, für die Einbringung. - Ich darf jetzt oben auf der Besuchertribüne eine Gruppe von Sozialkundelehrerinnen und -lehrern

aus Sachsen-Anhalt begrüßen. Herzlich willkommen hier im Haus!

(Beifall im ganzen Hause)

Als Nächster hat für die Einbringung des Antrages der LINKEN Kollege Wagner das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Zur Strategie zum schnellen Internet und zur Versorgung unseres Bundeslandes mit Breitbandanschlüssen liegen uns heute gleich drei Anträge vor. Das zeigt, dass das Thema aktuell ist. Das zeigt, dass das Thema wichtig ist. Und das zeigt, dass sich alle Fraktionen mit dem Netzausbau in Sachsen-Anhalt beschäftigen und diesen voranbringen wollen.

Nach der aktuellen so genannten (N)Onliner-Studie ist Sachsen-Anhalt das deutsche Bundesland mit den wenigsten Nutzern im Internet. Nur 64,2 % der Sachsen-Anhalter - Herr Herbst hat es bereits gesagt - sind online. Zum Vergleich: SchleswigHolstein 74,1 %, Bayern 75,3 %, Niedersachsen 76,5 % - Länder, die ebenso wie wir ländlich geprägt sind.

Doch damit nicht genug: Sachsen-Anhalt hat sich im letzten Jahr kaum nach vorn bewegt, nämlich nur um 1,3 %; auch das hat Herr Herbst schon gesagt. Während auch Thüringen, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern nicht mit den Zahlen aus Schleswig-Holstein, Bayern und Niedersachsen aufwarten können, so zeigen sie mit positiver Entwicklung im Vergleich zu den Vorjahren auf, dass sie bemüht sind, die Zahl der Onliner zu erhöhen, auch durch Netzausbau.

Dass das Netz heutzutage zum Alltag gehört, wird niemand von uns ernsthaft bestreiten können. Wir informieren uns schneller - dafür über mehrere Kanäle -, haben Kontakte in sozialen Netzwerken, suchen und finden Arbeitsplätze, kaufen ein und buchen unseren Urlaub. Wir überweisen Rechnungen und nutzen Entertainmentangebote im Netz.

Jetzt lautet die spannende Frage, wie wir es gestalten, dass diese von mir soeben beschriebene Erfahrung nicht die Erfahrung Einzelner ist, sondern potenziell die Erfahrung eines jeden Einzelnen sein kann. Sprich: Wir müssen festlegen, was wir als Land unternehmen, um jeden Menschen in Sachsen-Anhalt in die Lage zu versetzen, das Gut an öffentlicher Daseinsvorsorge auch faktisch wahrnehmen zu können.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Herrn Herbst, GRÜNE)

Für DIE LINKE steht fest, dass das Recht auf einen schnellen Internetzugang besteht, wie es bereits das Recht auf eine qualitative Wasser- und Stromversorgung gibt. Internet ist ein Grundrecht.

Internet ist ein Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Vor diesem Hintergrund habe ich mich sehr geärgert, dass Herr Staatsminister Robra in einem Interview in der „Volksstimme“ verlauten ließ, er führe so genannte weiße Flecken bei der Netzversorgung im ländlichen Raum auf soziale Aspekte zurück, und meinte, dass Menschen, die im ländlichen Raum leben, eigentlich kein gesteigertes Interesse an der Nutzung des Internets hätten.

Diese Argumentation ist nicht nur gefährlich, da sie eine grundlegende Unterstellung beinhaltet; wir halten sie auch für falsch. Nach Ansicht der LINKEN hat sich schon in vielen Regionen gezeigt, dass sich die Menschen erst dann mit dem Internet beschäftigen und es kennenlernen, wenn sie überhaupt die Möglichkeit haben, zu vertretbaren Preisen schnell ins Netz zu kommen.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Das Argument, gerade Ältere gingen nicht online, stimmt. Aber es stimmt nur, wenn man die Internetnutzung mit Jüngeren vergleicht. Vergleicht man alle Menschen im Alter von über 50 Jahren in Deutschland, so stellt der (N)Onliner-Atlas 2011 fest, dass insbesondere der Osten und wiederum vor allem Sachsen-Anhalt von dem Phänomen betroffen ist, dass nur 74 % der über 50-Jährigen relativ zum Bundesdurchschnitt online gehen.

Das kann zwei Gründe haben. Der erste Grund ist: Ältere Menschen in Sachsen-Anhalt haben im Gegensatz zu anderen Ländern einen ganz bestimmten Grund, nicht online zu sein. Oder - das ist der zweite Grund - es liegt am Netzausbau. Da ich sehr viel Vertrauen in alle Menschen habe, die 50 Jahre und älter sind, komme ich zu dem Schluss, dass es an letzterem Grund liegen muss.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN - Frau Niestädt, SPD: Vielleicht wollen sie einfach nicht!)

Schauen wir einmal, wie bis heute der Ausbau mit schnellen Internetverbindungen in Sachsen-Anhalt vonstatten ging. Noch 2008 stellte der damalige Wirtschaftsminister Dr. Reiner Haseloff fest, dass der Netzausbau keine Priorität in den Planungen des Landes Sachsen-Anhalt habe. Weiße Flecken versuchte man via Satellit abzudecken, unabhängig vom Kostenfaktor.

Durch öffentlichen Druck ist 2009 die so genannte Breitbandstrategie des Landes beschlossen worden. Demnach sollte Ende 2010 feststehen, wie das Land flächendeckend mit mindestens 1 Mbit/s versorgt werden könne. Darüber hinausgreifende Planungen der Bundesregierung geben das Ziel aus, 75 % der bundesdeutschen Haushalte mit Anschlüssen von mindestens 50 Mbit/s zu versorgen.

Dieses Ziel hob vor der Sommerpause auch der Minister für Landwirtschaft und Umwelt hervor, was Anlass für Herrn Staatsminister Robra war, selbst das Minimalziel des Ausbaus von Breitbandanschlüssen zu verschieben.

Der Status quo ist, dass gerade jene, die seit Jahren aufgrund der Versprechungen durch die Breitbandstrategie und durch Aussagen aus den Reihen der Landesregierung auf einen schnellen Ausbau der Netzstrukturen hofften, enttäuscht werden. Das kann ich bestens nachvollziehen.

Wie soll es weitergehen? - Aus unserer Sicht ist es zwingend notwendig, aus den Erfahrungen der letzten Jahre Kapital zu schlagen und so schnell wie möglich eine neue Strategie zu entwickeln, wie die einst gesetzten Ziele nun schnell umgesetzt werden können. Wir sagen dabei klar, dass wir bei der Festsetzung dieser Strategie nicht mehr nur auf Breitband setzen können; auch andere, moderne Kommunikationsübertragungstechnologien müssen genutzt werden. An dieser Stelle sei auf Fiberoptik und Funk hingewiesen.

Wir stimmen einer jährlichen Berichterstattung in den Ausschüssen für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien und Wissenschaft und Wirtschaft allein schon deswegen zu, um bei der diesem Thema anhängenden stark wachsenden Marktlage stets neu über die einzelnen Punkte der Strategie beraten zu können.

Lassen Sie mich auf einige konkrete Punkte der Anträge eingehen. Zunächst stelle ich mit großer Freude fest, dass sowohl CDU und SPD als auch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE in ihren Anträgen formulieren, dass sie das Ziel, schnellstmöglich hinreichend schnelles Internet in Sachsen-Anhalt flächendeckend zu gewährleisten, konsequent verfolgen. Dieses Signal halte ich für wichtig, gerade in Anbetracht der ungünstigen Ausstrahlung das Thema betreffend in der letzten Zeit.

Wir erachten es als unabdingbar, dass neben Breitband auch neuere Technologien in diese Strategie einfließen müssen; das habe ich bereits angedeutet. Der Zugang zum Netz wird sich aller Voraussicht nach in den nächsten Jahren auf viele unterschiedliche Arten vollziehen. Darauf muss auch die Netzinfrastruktur vorbereitet sein.

In unserem Antrag haben wir die Landesregierung aufgefordert, die politischen Folgen der Priorisierung von Daten im Netz einzuschätzen. Da Rentabilitätsargumente regelmäßig Gehör finden, wenn Netzausbauer das eine oder andere Engagement mit Geringeinnahmen begründen und zeitgleich ein Güteklassenmodell zum Ausgleich ins Spiel bringen, müssen wir uns als Parlament an diesem Punkt eben auch mit der Datenpriorisierung beschäftigen.

Ich habe dazu eine eindeutige Meinung. Ich würde sie gerne mit der Regierung zum gegebenen Zeitpunkt debattieren, vermisse aber eine prinzipielle Stellungnahme zur Priorisierung von Daten im Netz. Ohne diese Stellungnahme besteht sowieso die Gefahr, dass das neue Konzept hin zum schnellen Netz mit der Möglichkeit zur Priorisierung die Prinzipien der Netzneutralität aufkündigt, was DIE LINKE strikt ablehnt.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Interessant ist dabei auch die Debatte um die Beschränkung von Bandbreiten auf Up- und Downstreams. Diese Entwicklung kann man kritisieren, man kann sie aber auch als nutzerfreundlich darstellen; beides ist möglich. Ich persönlich bin der Überzeugung, dass die Aufhebung der vertraglich festgelegten Bandbreiten bzw. deren Trennung in Up- und Downstream oft nicht notwendig ist und dann gegebenenfalls sogar abschreckend wirkt, besonders bei kleinen und mittelständischen Betrieben, die ihre Leistung auch im Netz und vor Ort leisten wollen, oder bei vielen Selbständigen, für die die Kommunikation eben nicht mehr primär unidirektional stattfindet.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN verlangt in ihrem Antrag, die Kompetenzen für den Netzausbau zu bündeln, in diesem Fall im Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr. Wir haben prinzipiell nichts gegen eine Bündelung, solange diese innerhalb der Ministerien bleibt und nicht in Breitbandzentren oder Ähnlichem versteckt wird. Wir machen uns aber auch keine besonderen Hoffnungen, dass diese Bündelung auf der politischen Ebene gerade jene Entscheidungen bringen wird, die wir hier heute mit unseren Anträgen fordern.

Den Antrag der Koalitionsfraktionen interpretiere ich als eine Mischung der Anträge von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und LINKEN. Sie mögen mir widersprechen, wenn ich in dieser Frage irrte.

Neben deckungsgleichen Punkten fiel mir im Antrag der Koalition auf, dass diese das Thema der gemeinsamen Infrastrukturnutzung ebenso mit in die Planung aufnehmen möchte. Dieser Schritt ist zu begrüßen. Sie nennen es Infrastruktursharing. Das hieße, dass verlegte Infrastruktur prinzipiell auch für die allgemeine Öffentlichkeit nutzbar gemacht werden soll. Das muss dann zwar noch genauer spezifiziert werden, aber der Weg ist richtig.

Letztlich haben wir es an diesem Punkt mit Anträgen zu tun, die eine klare einheitliche Grundtendenz aufzeigen, unterschiedliche Schwerpunktsetzungen treffen und vielleicht hier und da unterschiedliche Meinungen der Fraktionen darlegen.

Wenn wir uns einig sind, dann lassen Sie uns diesen wesentlichen Teil der öffentlichen Daseinsvor

sorge voranbringen, die wir in den jeweiligen Ausschüssen konkretisieren können.

Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen, das Internet ist einer der wichtigsten sozialen Räume unserer Zeit. Es ist nach wie vor eine Zukunftstechnologie und es ist Daseinsvorsorge. Sachsen-Anhalt muss aufholen. Das Parlament steht geeint hinter diesem Ziel. Nunmehr ist die Regierung gefordert. - Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Herr Kollege Wagner. - Für die Landesregierung spricht Herr Staatsminister Robra.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben heute ein schönes Beispiel dafür, dass man durch bewusstes Missverstehen und Aufbau manchen Popanzes

(Zurufe: Oh!)

auch Kontroversen erzeugen kann. Wenn wir ehrlich miteinander umgehen, kommen wir zu dem Ergebnis, dass wir 90 % Schnittmenge bei der Erörterung dieser Frage haben.

(Zustimmung bei der CDU)

Dass Internet Daseinsvorsorge ist, lieber Herr Herbst, das habe ich schon in der letzten Legislaturperiode gesagt. Das haben damals manche noch für kühn gehalten. Das ist schon seit Langem meine Überzeugung. Deswegen sind wir ja massiv in diesen Bereich eingestiegen und haben dafür auch staatliche Förderung organisiert, was vor ein paar Jahren noch schlichtweg unvorstellbar gewesen war.

(Zuruf von Herrn Herbst, GRÜNE)

Bis vor ein paar Jahren meinte man noch, das entwickelt sich alles von ganz allein. Wir haben die staatliche Förderung so organisiert, dass wir die vorhandenen Strukturen nutzen und sie massiv mit Mitteln aus dem Konjunkturprogramm verstärkt haben.