Protocol of the Session on April 23, 2015

Für eine solche Beratung gibt es Berufsverbände. Aber die Politik sollte ebenfalls dafür Sorge tragen, dass Eltern problemlos die konduktive Therapie für ihr Kind wählen können. Daher werden wir dem Antrag zustimmen bzw. uns der Ausschussüberweisung nicht verschließen.

Man muss nicht ausgewiesener Anhänger der konduktiven Therapie sein, um diese Wahlfreiheit der Eltern stärken zu wollen. Denn auch wenn die wissenschaftliche Datenlage zu dieser Therapie sehr unterschiedlich betrachtet wird, so sprechen doch die Fallbeispiele, die man im Internet ausführlich nachlesen kann, eine sehr deutliche Sprache; es ist auch von den Vorrednern als durchaus hilfreich im Einzelfall anerkannt worden. Eltern schildern dort Fortschritte, die sie bei anderer Förderung so an ihren Kindern nicht erfahren haben. Insofern ist das Wahlrecht, glaube ich, sehr zu begrüßen.

Das Schnittstellenproblem zwischen Gesundheitsleistung und Eingliederungsleistung darf nicht die Wahlfreiheit der Eltern einschränken und erst recht nicht das Recht, die Teilhabechancen der Kinder zu erhöhen. Aber wie Sie unserem Änderungsantrag entnehmen können - Kollege Rotter hat darauf hingewiesen -, wollen wir die Zielperspektive ein wenig erweitern und die konduktive Therapie nicht „nur“ auf die infantile Zerebralparese eingeschränkt sehen. Es stimmt zwar, dass auf entsprechenden Seiten der Berufsverbände hauptsächlich auf diese Krankheit hingewiesen wird - das kann man nachlesen -, dennoch wird die konduktive Therapie auch zur Förderung etwa in einigen Fällen von Demenz, aber vorwiegend bei Parkinson oder Schlaganfällen genannt.

Im Musterantrag für erwachsene Menschen mit Behinderungen des Berufsverbandes der in Deutschland tätigen Konduktorinnen und Konduktoren fin

den sich folgende Krankheiten, die bei einem Antrag gegenüber dem Sozialhilfeträger angeführt werden können: Zerebralparese, Spina bifida, Parkinson und Multiple Sklerose. Diese Anwendungsbereiche wollen wir nicht bereits auf der Ebene der parlamentarischen Behandlung ausschließen; deswegen unser Änderungsantrag. Wir wollen also die Worte „für Menschen mit infantiler Zerebralparese“ im Antrag streichen, sodass der entsprechende Passus dann lautet:

„Der Landtag fordert die Landesregierung dazu auf, darauf hinzuwirken, dass die konduktive Therapie nach András Petö im Rahmen der Eingliederungshilfe leichter zugänglich gemacht wird.“

Ich denke, es wird auf eine Überweisung in den Ausschuss hinauslaufen. Dann kann man sich, wenn man unserem Änderungsantrag zustimmt, auch in der Gesamtheit noch einmal verständigen, auf welche Krankheitsbilder wir uns fokussieren wollen. Insofern bitte ich um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag. - Danke.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Lüddemann. - Für die SPD spricht jetzt Frau Dr. Späthe. Bitte, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Ich möchte versuchen, von der Einzelfallbetrachtung der Antragsteller in eine allgemeine Problembetrachtung hinüberzuwechseln. In Sachsen-Anhalt wird die beschriebene Therapie vom Verein Ponte Kö in Weißenfels angeboten. Ich weiß, dass viele Kolleginnen und Kollegen schon mehrfach dort waren: Frau Feußner, Frau Rotzsch, Frau Niestädt, Herr Erben, ich selbst und natürlich die Kollegen von den LINKEN auch.

Dem Konzept von András Petö liegt ein ganzheitlicher Ansatz zugrunde, das wurde gesagt. Er verbindet medizinisch-therapeutische, psychologische, ergotherapeutische und pädagogische Elemente. Das Ziel ist es, auf den motorischen Grundlagen der Kinder aufbauend, eine Verbesserung der Mobilität und der Teilhabechancen zu erreichen - also ein ganzheitlicher Ansatz. Dieser Ansatz in Verbindung mit der deutschen Gründlichkeit und Regulierungsliebe macht es dieser Therapie trotz nachweisbar erzielter Erfolge schwer, Anerkennung zu finden.

Der Ansatz war zunächst, die Therapie in den deutschen Heilmittelkatalog aufzunehmen. Das wurde mehrfach abgelehnt - wie gesagt -, und demzufolge zahlen die Krankenkassen die Therapie nicht mehr. Damit gehen die Eltern meist in

Vorleistung, aber eine reguläre Erstattung im Rahmen der Sozialhilfe im Sinne der Eingliederung findet eben auch nicht statt. Diese Situation ist in fast allen Bundesländern so, wobei - wie bereits erwähnt - Bayern eine positive Vorreiterrolle spielt und seit einigen Jahren die konduktive Förderung im Rahmen der Eingliederungshilfe akzeptiert.

Bahnbrechend war hierbei das Urteil des Bundessozialgerichts vom September 2009. Es zeigt, dass eine Behandlungsmaßnahme, die darauf abzielt, die selbständige Verrichtung von alltäglichen Dingen eines Menschen mit Behinderung zu ermöglichen, also einen Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe begründen kann.

Die Betonung liegt auf „kann“, denn die Gewährung von Eingliederungshilfe ist, wie wir alle wissen, an zahlreiche weitere Voraussetzungen gebunden und demzufolge in jedem Einzelfall zu prüfen. Diese Voraussetzungen sind nicht einfach zu übergehen, um damit die Therapie „leichter zugänglich zu machen“, wie es im Antrag der LINKEN heißt.

Aber das ist auch nicht gemeint, nehme ich an; ich habe das jetzt bei Frau Zoschke so gehört. Ich denke, Ihr Schwerpunkt liegt in der Bewilligung bzw. Nichtbewilligung der Therapiekosten aufgrund von Nichtakzeptanz oder Nichtkenntnis der Therapie.

Grundsätzlich bezieht der Sozialminister eine klare Position dazu, wie aus der ebenfalls schon erwähnten Antwort auf eine Kleine Anfrage der LINKEN aus dem Jahr 2014 hervorgeht. Ich zitiere es noch einmal:

„Sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für Eingliederungshilfe erfüllt, besteht hinsichtlich der Eingliederungshilfeleistung für die konduktive Therapie nach Professor Dr. Petö kein Ermessen, sondern eine Verpflichtung.“

So wurden von 2012 bis 2014 in Sachsen-Anhalt von 14 gestellten Anträgen auch acht bewilligt.

Dabei gibt es aber sicherlich Differenzen in der Herangehensweise der herangezogenen Sozialämter vor Ort. Auch hierbei macht - wie immer - der Ton die Musik. Da scheint es eben die großen Unterschiede im Land zu geben. Die in der Kleinen Anfrage aufgeführten Gründe für die Ablehnungen sind sehr, sehr verkürzt dargestellt und lassen sich zum Teil vielleicht deshalb schwer nachvollziehen.

Aber die Möglichkeit, eine Teilhabe an Schulbildung zu erreichen, mit der Begründung abzulehnen, es erfolgte bereits genug Teilhabe in einer Fördergruppe an einer WfbM, erscheint sehr fragwürdig. Und der mehrfache Hinweis auf die Einbeziehung des rehapädagogischen Fachdienstes erinnert mich an frühere Diskussionen um die Be

setzung und die Fachlichkeit, und deshalb sollten wir uns darüber berichten lassen.

Auch die Frage, ob der Ansatz des präventiven Charakters der Arbeit im Sinne der Vermeidung eines Besuchs einer Förderschule, eines Besuchs einer Fördergruppe oder des Umzugs in eine stationäre Wohnform usw. ausreichend gewertet wird, möchte ich gern beantwortet bekommen.

Insofern erwarte ich spannende Diskussionen im Ausschuss. Ich denke, wir sollten die Inanspruchnahme auf eine breite Basis stellen - also nicht nur auf Kinder im Sinne des Änderungsvorschlags der GRÜNEN - und uns dazu im Ausschuss verständigen. - Danke schön.

(Zustimmung bei der SPD und von Frau Brakebusch, CDU)

Vielen Dank, Frau Dr. Späthe. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Frau Zoschke. Bitte, Frau Abgeordnete.

Ich habe das letzte Wort.

Sie haben heute das letzte Wort. Das steht jemandem mit „Z“ auch zu.

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, den Eltern geht es genauso wie mir: Für sie ist es vollkommen unerheblich, ob wir zwischen sozialer oder medizinischer Rehabilitation unterscheiden; sie brauchen konkrete Hilfe. Wenn dann eine Überweisung in den Ausschuss, mit dem Ziel, ein tatsächliches Ergebnis noch in dieser Legislaturperiode zu erreichen, gefordert wird, kann ich das mittragen.

Das Problem ist nicht - das habe ich vorhin schon erwähnt -, dass das grundsätzlich nicht möglich ist, sondern das Problem ist die Behördenarbeit, also die Arbeit der Sozialagentur und der Sozialämter, die die Prüfarbeit erledigen. Ich muss sagen: Wenn Eltern auf die Ablehnung eines Antrags hin in Widerspruch gehen und von ihnen verlangt wird, einen Therapieplan vorzulegen, dann ist das hirnrissig; denn Therapiepläne werden erst gemacht, wenn die Therapie beginnt, und nicht schon ein halbes Jahr vorher. Das, denke ich, muss in der Behördenpraxis deutlicher gemacht werden.

Herr Minister, vielleicht ist es auch eine Möglichkeit, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Weißenfels zu Ponte Kö zu schicken, damit sie sich

vor Ort davon überzeugen können, welche Arbeit dort geleistet wird.

(Zustimmung bei der LINKEN und von Frau Dr. Späthe, SPD)

Herr Rotter, es mag in Ihren Augen so sein, dass wir zu kurz gesprungen sind, allerdings sind wir wenigsten überhaupt gesprungen, und das, finde ich, ist schon ein großer Vorteil.

(Herr Schröder, CDU: Da muss die Richtung auch noch stimmen!)

Danke schön.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Damit haben wir die Debatte abgeschlossen. - Vielen Dank, Frau Zoschke.

Es gab einen klaren Willen auf Überweisung aus den sogenannten Mehrheitsfraktionen, und zwar ausschließlich in den Ausschuss für Arbeit und

Soziales. Darüber lasse ich jetzt abstimmen. Uns ist allen bewusst, dass dann sowohl der Ursprungs- als auch der Änderungsantrag überwiesen werden. Sind wir uns bezüglich des Verfahrens einig? - Wunderbar.

Dann stimmen wir jetzt ab. Wer ist für die Überweisung? - Das ist das ganze Haus. Ist jemand dagegen? - Enthält sich jemand der Stimme? - Nein. Damit sind die Anträge in den Ausschuss überwiesen worden.

Damit sind wir am Ende der 88. Sitzung des Landtags angelangt. Die morgige 89. Sitzung beginnt um 9 Uhr. Wir beginnen mit den Aktuellen Debatten, den Tagesordnungspunkten 6 und 7. Ich darf daran erinnern, dass sich jetzt sofort der Ausschuss für Bildung und Kultur in Raum B0 05 trifft. Es wird erneut um die Informationstechnik gehen. Allen anderen wünsche ich einen Ausflug ins richtige Leben. Bis morgen!

(Heiterkeit bei allen Fraktionen)

Schluss der Sitzung: 19 Uhr.