Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 88. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der sechsten Wahlperiode. Ich begrüße alle Anwesenden auf das Herzlichste. Wir können bereits Gäste, Schülerinnen und Schüler der Regenbogenschule in Dessau-Roßlau, in diesem Hohen Hause willkommen heißen. Herzlich willkommen im Landtag von Sachsen-Anhalt!
Verehrte Kolleginnen und Kollegen Mitglieder des Hohen Hauses, uns hat eine traurige Nachricht erreicht. Am 10. April 2015 verstarb das ehemalige Mitglied des Landtages von Sachsen-Anhalt Frau Dr. Heidrun Heidecke. Sie ist im Alter von 60 Jahren verstorben. Frau Dr. Heidecke war Mitglied der Landtage der ersten und der zweiten Wahlperiode. Sie war somit eine der Abgeordneten, die sich in den Jahren nach der friedlichen Revolution um den Aufbau unseres Landes verdient gemacht haben.
Sie gehörte der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN an, war unter anderem parlamentarische Geschäftsführerin dieser Fraktion und in anderen Funktionen in diesem Hohen Hause tätig.
Sie war Mitglied in den Ausschüssen für Umwelt und Naturschutz sowie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und in den Jahren von 1994 bis 1998 Ministerin für Umwelt, Naturschutz und Raumordnung, zeitweilig gleichzeitig auch für Landwirtschaft. Sie wurde zur stellvertretenden Ministerpräsidentin berufen.
Sie ist deshalb eine Person der Zeitgeschichte gerade dieser Aufbaujahre. Ich darf Sie bitten, sich zum Gedenken an das verstorbene ehemalige Mitglied unseres Hohen Hauses für eine Schweigeminute von den Plätzen zu erheben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Abgeordnete Herr Kay Barthel hat wegen der Übernahme anderer Aufgaben sein Landtagsmandat niedergelegt. Die Landeswahlleiterin hat mir mit Schreiben vom 21. April 2015 mitgeteilt, dessen Sitz sei auf Herrn Bernd Heynemann, CDU, übergegangen; Herr Heynemann habe die Wahl angenommen. Ich verweise auf die hierzu herausgegebenen Unterrichtungen in der Drs. 6/3960 und in der Drs. 6/4000. - Sehr geehrter Herr Heynemann, herzlich willkommen in diesem Hohen Hause! Ich wünsche Ihnen gutes Gelingen bei der Ausübung Ihres Mandates.
Es gibt neben traurigen und ernsten auch erfreuliche Mitteilungen, so ein Schicksal, das wir alle immer wieder teilen, das uns alle regelmäßig ereilt, einen Geburtstag. Ein Mitglied dieses Hohen Hauses hat heute Geburtstag. - Herr Ralf Geisthardt, ich gratuliere Ihnen im Namen aller Kolleginnen und Kollegen herzlich zum Geburtstag. Ich wünsche Ihnen Freude und Erfolg sowie Gottes Segen auf den Wegen durch das neue Lebensjahr.
Für einen Geburtstag muss man sich nicht entschuldigen, manchmal aber für Anwesenheit und Abwesenheit. Ich komme zu den Entschuldigungen der Mitglieder der Landesregierung. Die Landesregierung hat am 22. April 2015 per E-Mail mitgeteilt, dass Minister Herr Dr. Aeikens anwesend sein würde. Ich möchte nur darüber informieren, dass der Minister auf seine auswärtigen Termine verzichtet hat und anwesend ist.
Zur Tagesordnung möchte ich Folgendes mitteilen: Es liegt uns in der Drs. 6/4007 ein Antrag der Fraktion der CDU zur Umbesetzung des 14. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses vor. Mir wurde signalisiert, dass der Antrag als Tagesordnungspunkt 20 in die Tagesordnung aufgenommen und am Freitag an die Tagesordnung angefügt werden soll. - Ich sehe zustimmendes Nicken bei den parlamentarischen Geschäftsführern. Dann können wir so verfahren.
Herr Präsident, in der letzten Sitzung des Ältestenrates hatten wir gesagt, dass wir, wenn es nicht mehr als neun Fragen gibt - und es gibt nicht mehr als neun Fragen -, die Fragestunde unmittelbar nach den beiden Aktuellen Debatten durchführen; das war der einvernehmliche Wunsch.
Die Akustik ist nicht optimal. Ich versuche, die Ausführungen von Herrn Borgwardt etwas lautstärker zu wiederholen. Im Ältestenrat - daran erinnert Herr Kollege Borgwardt - wurde besprochen, dass die Zustimmung bei allen Fraktionen wohl vorhanden sei, die Fragestunde, also den Tagesordnungspunkt 19, wenn sie nicht mehr als neun Fragen umfasst, unmittelbar im Anschluss an die Aktuellen Debatten, also nach dem Tagesordnungspunkt 7, zu behandeln und somit vor den Tagesordnungspunkt 16 vorzuziehen. Ich frage in das Plenum: Darf ich das Nicken als Zustimmung verstehen? - Dann verfahren wir so. Der Tagesordnungspunkt 19, die Fragestunde, wird morgen un
Gibt es weitere Anmerkungen zur Tagesordnung? - Das ist nicht der Fall. Dann können wir so wie besprochen und nunmehr beschlossen verfahren. - Ich danke Ihnen.
Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Herrn Dr. Reiner Haseloff zum Thema: „Zukunft gibt es nur gemeinsam - Hilfe geben, Verantwortung wahrnehmen, Menschlichkeit bewahren“
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Nach den Geschehnissen vom Ostersamstag ist es nicht möglich, einfach zur Tagesordnung überzugehen, ohne ein klares Bekenntnis zu Toleranz, Menschlichkeit und Weltoffenheit abzugeben. Das sage ich in diesem Hohen Hause auch vor dem Hintergrund des schrecklichen Geschehens im Mittelmeer. Wir müssen in der Europäischen Union dafür sorgen, dass mehr Sicherheit für die Flüchtlinge im Mittelmeer gewährleistet wird, so wie das im Rahmen der früheren Mission „Mare Nostrum“ der Fall war.
Entscheidend wird auch sein, bei den Fluchtursachen in den Herkunftsländern anzusetzen. Ohne Zweifel wird es jedoch in den nächsten Monaten weiter sehr hohe Flüchtlingszahlen in Deutschland und in Europa geben. Das müssen und werden wir schultern. Sachsen-Anhalt darf kein Ort werden, an dem Fremdenfeindlichkeit die Oberhand gewinnt.
Es gibt viele Beispiele für gelungene Integration und ein beispielhaftes Miteinander von Flüchtlingen und der heimischen Bevölkerung in unserem Land, auch im Burgenlandkreis. Doch wir stellen fest, dass es mit der Zunahme der Zahl der Asylsuchenden eine Zunahme fremdenfeindlicher Äußerungen und fremdenfeindlicher Taten gibt. Das dürfen wir nicht zulassen; dem müssen wir uns entgegenstellen.
Ich habe in der letzten Woche an der Eröffnung einer Anne-Frank-Ausstellung in Wernigerode teilgenommen. Wir alle wissen um das Leben und das Sterben der Anne Frank. Ihr Tagebuch wurde
in 67 Sprachen übersetzt und ist heute eines der meistgelesenen Bücher der Welt; es ist zu einem Symbol für das Leid aller unschuldig Verfolgten geworden.
Anne Frank hinterließ uns mit ihrem Tagebuch ein Vermächtnis. Dieses ist zeitlos und heißt: Lasst uns in einer Gesellschaft ohne Unterdrückung und ohne Diskriminierung leben! Lasst uns in einer Gesellschaft leben, in der man ohne Angst verschieden sein kann und in der es normal ist, verschieden zu sein!
Damals war das Mädchen Anne Frank schutzbedürftig. Heute suchen andere Menschen in Deutschland Schutz. Sie kommen nach Deutschland, weil sie in ihren Heimatländern verfolgt und unterdrückt werden und weil ihr Leben dort in Gefahr ist.
Geschichte lässt sich nicht bewältigen. Wir können sie auch nicht ungeschrieben machen. Wir können aber daraus lernen. Aus der Geschichte zu lernen heißt, es besser machen zu wollen. Niemand soll sagen, er oder sie könne nichts ändern. Das ist grundfalsch. Wir bestimmen, in welcher Gesellschaft wir leben wollen. Wir entscheiden, ob die Sätze aus der Bibel: „Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Lande, den sollt ihr nicht bedrücken“ und „Wie ein Einheimischer unter euch soll euch der Fremde sein“ auch für unsere Gesellschaft gelten.
Es liegt an uns, ob wir in einer toleranten und weltoffenen Gesellschaft leben und sich Menschen aus anderen Teilen der Erde in unserer Gesellschaft wohl und sicher fühlen. Für eine aufrichtige Willkommenskultur können wir alle etwas tun. Aufklärung beginnt in der Familie, in der Schule, an der Universität, im beruflichen und privaten Umfeld.
Ich will an einen anderen Termin erinnern, den ich kürzlich wahrgenommen habe: die Eröffnung des Demografiekongresses in Magdeburg. Er bildete den Auftakt zur Demografiewoche. In ihrem Mittelpunkt standen verschiedene Projekte und Veranstaltungen zur Gestaltung des demografischen Wandels in unserem Land. Dieser Wandel ist unbestreitbar und hat gravierende Auswirkungen auf unser Leben, die wirtschaftliche Entwicklung, die Landesfinanzen, die Infrastruktur und die Schulplanung.
Heute leben 600 000 Menschen weniger in Sachsen-Anhalt als 1990. Die Bevölkerung ist von 2,8 Millionen auf rund 2,2 Millionen Personen geschrumpft. Dieser Trend wird sich - so die Prognosen - fortsetzen. Das zeigt: Unser Problem ist der Bevölkerungsrückgang, nicht aber die Überbevölkerung.
Wenn wir als Bundesland nicht von der Landkarte verschwinden wollen, können wir uns über Zuwanderung nur freuen.
Wir haben in der DDR erlebt, welch verheerenden Auswirkungen die Abschottung von den Weltmärkten hat. Wir sehen heute, auf welchem Entwicklungs- und Wohlstandsniveau Staaten stehen, die sich von der Welt abschotten. Das kann kein Weg für uns sein.
Rund 3,4 Milliarden € für ca. 24 000 Projekte hat Sachsen-Anhalt in den Jahren von 2007 bis 2013 von der Europäischen Union bekommen - Geld, das wir für Unternehmen, Hochschulen und Schulen oder den Hochwasserschutz eingesetzt haben. Ohne diese Hilfen aus Brüssel wären wir längst nicht so weit beim Aufbau unseres Landes.
Wir sind im Osten das Land mit den meisten ausländischen Investitionen. Allein im Jahr 2013 hat es 30 Investitionsvorhaben gegeben. Dabei sind mehr als 1 500 Arbeitsplätze direkt entstanden, darüber hinaus noch viele indirekt. Ohne diese ausländischen Investoren säße manch SachsenAnhalter heute ohne Arbeit zu Hause.
Wir benötigen weiterhin Investoren aus dem Ausland, wenn wir im weltweiten Wettbewerb bestehen wollen. Fast 30 % unserer produzierten Waren gehen inzwischen ins Ausland. Weltoffenheit schafft Arbeit.
Das gilt auch für unsere Hochschulen und Universitäten. Knapp 9 % - oder in Zahlen: fast 5 000 - der Studenten in Sachsen-Anhalt kommen aus dem Ausland. Sie sind auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in den Hochschulstädten und fördern zugleich den Wissenstransfer.
Angesichts eines sich immer stärker abzeichnenden Fachkräftemangels wird der Zuzug ausländischer Fachkräfte immer mehr an Bedeutung gewinnen. Unsere Wirtschaft wird auf sie nicht verzichten können, wenn wirtschaftlicher Aufschwung und Wohlstand auch künftig erhalten bleiben sollen. Darum müssen wir noch stärker versuchen, ausländischen Studenten nach ihrem Studium eine berufliche Perspektive in unserem Land zu bieten. Ein weltoffenes Klima im Land ist dazu eine Grundvoraussetzung.
In zwei Jahren feiern wir den 500. Jahrestag der Reformation. Wir erwarten dann Christen aus aller Welt; denn Luthers Lehre hat sich weit über Deutschland hinaus verbreitet. Wir wollen für sie gute Gastgeber sein - so auch für die Touristen,
die schon jetzt aus dem Ausland zu uns kommen. Sie informieren sich hier nicht nur über Geschichte und Kultur unserer Heimat, sie sind längst unverzichtbar für unsere Tourismusbranche. Mehr als eine halbe Million Übernachtungen ausländischer Touristen zählten wir im letzten Jahr. Das ist die eine Seite von Weltoffenheit.
Natürlich: Es kommen auch Menschen aus dem Ausland zu uns, die nicht als Investoren, Studenten oder Touristen zu uns kommen. Es sind Menschen, die auf unsere Hilfe hoffen, und es sind mehr als in den vergangenen Jahren. Haben wir deshalb das Recht, Menschen abzuweisen und sie der Verfolgung in ihren Heimatländern auszusetzen? - Ich sage nein, auch vor dem Hintergrund unserer eigenen Geschichte.