Die Idee der Mehrfachunterbringung bis in das Jahr 2024 beruht auf einem gleichlautenden Gesetz des Landes Thüringen. Nach Auffassung meiner Fraktion sollte der Landtag besser keine Regelungen beschließen, die erst in der übernächsten Wahlperiode in Kraft treten sollen, zumal die Einzelunterbringung eigentlich elementarer Eckpunkt dieses Entwurfes ist.
Wir sollten dies im Rahmen der Ausschussbefassung klären. Ich bitte Sie ausdrücklich um die Überweisung dieses Gesetzentwurfes an den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung
Danke schön, Kollege Borgwardt. Ein kleiner Hinweis: Auch wenn Herr Striegel für Sie jetzt der Maßstab für Größe ist - es geht trotzdem noch tiefer.
Im rechten Mikrofon ist eine rote Leuchtdiode installiert. Wenn Sie also rot sehen, dann ist das Pult optimal eingestellt.
Lieber Detlef, jetzt hast du mir die verbliebene Zeit weggenommen. Ich glaube, ich hatte noch ein wenig Zeit. Ich lasse mir für das nächste Mal auch etwas einfallen. Ich lerne ja gern. Und wenn mir jemand etwas so nett sagt, dann lasse ich mir auch etwas einfallen.
Wir fahren in der Aussprache fort. Wir begrüßen weitere Gäste auf der Besuchertribüne, nämlich Damen und Herren der Urania Magdeburg. Willkommen im Haus!
Wir diskutieren gerade über einen Gesetzentwurf zur Weiterentwicklung des Justizvollzugs in Sachsen-Anhalt. - Als Nächster spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Abgeordneter Herbst.
Herr Präsident! Ich probiere einmal das andere Extrem aus und beobachte dabei die rote Diode. - Ich kann sie nicht erkennen.
- Wie dem auch sei - - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Neben welchen Nachbarn wollen wir wohnen? Soll es sich nach einer verbüßten Haftstrafe dabei um jemanden handeln, der frustriert ist, der sich aus der Gesellschaft ausgeschlossen fühlt oder der mit der Gesellschaft vielleicht noch eine Rechnung offen hat? Oder soll es sich dabei um jemanden handeln, bei dem die Haftzeit dazu geführt hat, dass er ein Leben ohne Straftaten und mit normalen sozialen Kontakten führen kann?
Ich denke, jeder von uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, würde den letzteren Fall vorziehen. Genau darum geht es bei der Ausgestaltung des Strafvollzugs, die mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf in Sachsen-Anhalt auf eine neue qualitative Stufe gehoben werden soll.
Die Sicherheit der Bevölkerung und die Resozialisierung der Gefangenen sind zwei gleichwertige Ziele des Strafvollzugs, aber noch haben wir es in der Vollzugspraxis mit einem Ungleichgewicht beider Ziele zu tun.
Meine Fraktion begrüßt es daher außerordentlich, dass der Entwurf die Zielrichtung verfolgt, die Resozialisierung und Eingliederung von Gefangenen vom Beginn des Strafvollzuges an in den Vordergrund zu rücken.
Ob das gelingt, hängt sicherlich nicht nur mit dem Gesetzestext zusammen - ich freue mich auf die Diskussion darüber; denn schon dieser Entwurf lässt erkennen, dass das an vielen Stellen sehr interessante Diskussionen werden dürften -, sondern vor allen Dingen auch damit, wie dieses Ziel, mehr Resozialisierung, in der Praxis mit Leben erfüllt werden kann.
Dafür sind natürlich auch bessere Resozialisierungsmöglichkeiten erforderlich. Das hängt auch mit den Strukturen zusammen. Ich erinnere an den vorhergehenden Tagesordnungspunkt. Dafür braucht man übrigens, entgegen den Ausführungen meiner Kollegin von Angern, keine Erdölvorkommen im Land Sachsen-Anhalt. Länder mit großem Erdgasvorkommen machen, wie die Praxis zeigt, nicht automatisch einen besseren Strafvollzug.
Im Gegensatz zu Ihnen meine ich, dass möglicherweise doch ein verbesserter Betreuungsschlüssel, also etwas mehr Personal, nötig wäre.
Der vorliegende Entwurf, meine Damen und Herren, orientiert sich ganz wesentlich an dem Gesetzentwurf der Bundesebene, aber er setzt auch eigene Akzente. Doch an einigen Stellen, an denen dies sinnvoll wäre, setzt er sie wiederum nicht. Die kommenden Beratungen dazu im Rechtsausschuss dürften ziemlich spannend werden. Ich bin mir sicher, dass auch dieser Gesetzesentwurf das
Lassen Sie mich noch kurz auf einige Dinge eingehen, die schon heute wichtig sind. Mehr Resozialisierung beginnt bereits oder vielleicht auch ganz besonders mit den allgemeinen Gestaltungsgrundsätzen. Hierbei ist es sinnvoll, die unterschiedlichen Bedürfnisse hinsichtlich des Geschlechts, des Alters und der Herkunft der Gefangenen bei der Vollzugsgestaltung im Allgemeinen und eben auch im Einzelfall zu berücksichtigen. Ich sage dies, weil es in den vorher zu dem Gesetzentwurf eingeholten Stellungnahmen einige Anmerkungen gibt, die das in Zweifel stellen.
Auch das Ziel, den Vollzug der Freiheitsstrafe und der Jugendstrafe von Beginn an auf die Eingliederung in das Leben auf Freiheit auszurichten, sollte Vorgabe für das neue Gesetz bleiben. So steht es in dem Gesetzentwurf und so sollte es aus unserer Sicht auch darin stehen bleiben; denn das ist eine ganz wichtige Voraussetzung für die Resozialisierung.
Ein weiterer besonders wichtiger Punkt ist für meine Fraktion die Bedeutung und die strikte Einhaltung der verschiedenen Trennungsgebote. Ganz besonders wenden wir uns gegen eine weitere Aufweichung im Bereich der Untersuchungshaft. Der Grundsatz „im Zweifel für den Angeklagten“ gilt eben auch in der Untersuchungshaft, die keine Vorverurteilung darstellt. Diesen Charakter bekommt sie aber, wenn wir U-Haftgefangene mit Strafgefangenen zusammen unterbringen. An dieser Stelle macht der Gesetzentwurf eine, wie wir finden, falsche Tür auf, die wir unbedingt wieder schließen sollten.
Ein weiterer Punkt, der hier zu benennen wäre, sind die Disziplinarmaßnahmen. Über die Arbeitspflicht wurde bereits gesprochen. Ob gerade der Entzug der zugewiesenen Arbeit von bis zu vier Wochen wirklich eine sinnvolle und pädagogisch wirksame Disziplinarmaßnahme darstellt, halten wir doch für zumindest diskussionswürdig.
Weiterhin kann und muss man sicherlich über den gesamten Bereich des Datenschutzes sprechen, obwohl die Ausführungen und Vorstellungen des Landesdatenschutzbeauftragten hierzu, so glaube ich, zu wesentlichen Teilen in den Entwurf eingeflossen sind. Trotzdem gibt es weitere spannende Dinge hinsichtlich des Prinzips der Datensparsamkeit und der Schutzes der personenbezogenen Daten der Strafgefangenen zu berücksichtigen, die darauf genauso Anspruch haben wie alle anderen Menschen auch.
Meine Damen und Herren! Es ist ein interessanter Gesetzentwurf, bei dem ich mich wirklich auf die Diskussion im Ausschuss freue. - Herzlichen Dank.
Danke schön, Kollege Herbst. - Als Nächster spricht für die Fraktion der SPD Herr Abgeordneter Dr. Brachmann.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Man hat hier im Hohen Hause nicht allzu häufig die Gelegenheit, zu Grundzügen des Justizvollzuges zu reden. Ein Gesetz zur Weiterentwicklung des Justizvollzuges verschafft mir diese Möglichkeit.
Bereits in dem seit 1976 geltenden und in Zeiten der sozialliberalen Koalition entstandenen Strafvollzugsgesetz ist in § 2 als Vollzugsziel formuliert:
„Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen.“
Auf der Grundlage einer Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen kommt „Die Zeit“ im Jahr 2012 in einem sehr umfänglichen, journalistisch sicherlich zugespitzten Beitrag mit dem Titel „Die Schlechterungsanstalt“ zu dem nüchternen Befund, dass der Staat sein Ziel der Resozialisierung aufgegeben habe. Der deutsche Strafvollzug hat ein gewaltiges Problem: Er macht Menschen nicht besser, sondern schlechter.
Fakt ist, dass ein Großteil derer, die in deutschen Justizvollzugsanstalten eingesessen haben, wegen erneuter Straffälligkeit in diese zurückkehrt. Die Rückfallquote ist deutlich höher als in anderen europäischen Staaten. Der Rechtsausschuss - das spielte heute bereits eine Rolle - hat sich das in anderen Ländern ansehen können.
Der Frage, warum das so ist, und was zu tun ist, um an dieser Stelle zu besseren Ergebnissen zu kommen, muss sich verantwortliche Justizpolitik fortwährend zuwenden.
Die politische Geschichte des Strafvollzuges ist eine zweischneidige. Ich habe bereits das Strafvollzugsgesetz des Bundes mit seinen positiven Regelungen erwähnt. Auch das Bundesverfassungsgericht hat sich in mehreren grundlegenden Entscheidungen darum bemüht, dem Vollzugsziel der sozialen Integration Verfassungsrang zu geben.
Dem steht aber die Entwicklung gegenüber, dass Landesvollzugsbehörden angesichts knapper Kassen den Wesenskern der verfassungsrechtlichen Vorgaben zugunsten administrativer Interessen immer wieder relativiert und die Personalausstattung im Vollzug reduziert haben - mit spürbaren Folgen für den Umfang und die Qualität der Betreuung der Gefangenen.
Durch die Föderalismusreform im Jahr 2006 sind die Länder nun nicht mehr für den Justizvollzug allein zuständig, sondern sie haben - das ist mehrmals gesagt worden - nun auch die Gesetzgebungskompetenz. Manche haben darin auch ein vergiftetes Geschenk der Föderalismusreform gesehen. Nicht alle Länder wollten das, weil die Sorge bestand, dass dann ein gewisser Schäbigkeitswettbewerb voranschreitet.
Sozialdemokratische Rechtspolitik will das nicht, sondern sie will dazu beitragen, auch gesetzgeberisch bessere Voraussetzungen für eine wirksame Resozialisierung zu schaffen. Deswegen möchte ich einige grundlegende Zielstellungen benennen.
Erstens. Das Vollzugsziel muss es sein - das ist in § 2 des Gesetzentwurfes ausgeführt -, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen. Das ist richtig.
Zweitens. Der Strafgefangene soll befähigt werden, künftig ein Leben in sozialer Verantwortung ohne Straftaten zu führen. Das ist nicht neu. Das stand auch schon bisher im Gesetz. Wenn wir diese Regelung aber ernster nehmen als bislang, dann ergibt sich daraus der Auftrag, die neuen gesetzlichen Regelungen so verbindlich zu formulieren, dass ihre Grundsätze nicht durch sogenannte Belange der Vollzugsorganisation auf der Ebene der praktischen Ermessensentscheidung konterkariert werden können.
Es muss besser als bislang gelingen, den Gefangenen während der Haftzeit individuell so zu fördern, dass er durch die soziale Eingliederung nach seiner Haftentlassung in der Lage ist, ein Leben ohne weitere Straftaten zu führen. Ein konsequent auf eine straffreie Zukunft des Betroffenen ausgerichteter Justizvollzug ist zugleich auch konsequenter Opferschutz. Der Staat erfüllt damit in wirksamer Weise seine Schutzpflicht für die Sicherheit der Bürger.
Drittens. Obwohl der offene Vollzug sogar als Regelvollzugsform im bisher geltenden Strafvollzugsgesetz vorgesehen war, wenn der Gefangene den besonderen Anforderungen dieser Vollzugsform genügt, spielte er in der Vollzugspraxis eine eher nachgeordnete Rolle. Die Anzahl der dafür vorgehaltenen Haftplätze ist deutlich geringer als die Anzahl der Haftplätze im geschlossenen Vollzug.