Protocol of the Session on February 26, 2015

„Zur Umsetzung wird bis zum Ende des Jahres 2011“

- heute haben wir das Jahr 2015 -

„ein entsprechendes Konzept mit dem Ziel der Weiterentwicklung der Justizvollzugsstruktur vorgelegt.“

Das steht hier drin. Dann steht noch ein bisschen Inhaltliches darin:

„Wirkungsvoller Resozialisierung“

- das ist ein wichtiges Ziel -

„soll dabei ein hoher Stellenwert beigemessen werden.“

Es geht auch um eine erfolgreiche Integration von Straffälligen.

All das ist sicherlich richtig, aber leider, Frau Ministerin, müssen wir heute feststellen, dass Sie bis dato kaum etwas erreicht haben, was in diesem Koalitionsvertrag steht. Und ganz ehrlich: Ich denke, jetzt, ein Jahr vor der Neuwahl, ist auch zweifelhaft, ob Sie bis zum Ende der Legislaturperiode noch irgendetwas Positives erreichen werden.

Das Einzige, das Sie in dieser Legislaturperiode wirklich erreicht haben, sind Negativdiskussionen zum Strafvollzug, das sind Standortschließungen und das ist ein relativ frustriertes Personal. Ich meine, meine Damen und Herren, da kann rechte Freude eigentlich nicht aufkommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zu den Inhalten habe ich etwas aus dem Koalitionsvertrag zitiert. Sie sind darauf eingegangen, dass die Inhalte natürlich wichtig sind, behandlungsorientierter Vollzug. All das ist richtig. Nur, dann müssen Sie uns doch, bevor Sie uns über Standortschließungen entscheiden lassen, erst einmal vorlegen, wohin es inhaltlich überhaupt gehen soll. Die Struktur muss doch der inhaltlichen Beschreibung folgen, und nicht andersherum, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Wir haben heute das Jahr 2015 und wir haben - darin kann ich meinen Kollegen aus dem Rechtsausschuss nur beipflichten; auch ich kenne es noch nicht - noch kein schlüssiges Gesamtkonzept, das sich mit der Weiterentwicklung der Justizvollzugsstruktur beschäftigt. Ich frage Sie heute, Frau Ministerin: Wo ist dieses Konzept, von dem Sie eben gesprochen haben, als Sie sagten, dass diese Zahlenwerke, diese Berechnungen vorliegen würden?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie verlangen allen Ernstes von uns, dass wir als Parlament heute in erster Lesung über die Schließung eines traditionsreichen Standortes beraten, eine Schließung, die Sie, Frau Ministerin, aber längst öffentlich angekündigt haben. Und Sie legen uns kein schlüssiges Gesamtkonzept vor. Das finde ich unseriös, Frau Ministerin. Das ist eine Missachtung des Parlaments.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im Jahr 2012 - ich meine, es war im Januar - haben Sie, Frau Justizministerin, die Ergebnisse der Projektgruppe „Justizvollzugsreform SachsenAnhalt“ vorgestellt. Dabei kommen Sie zu dem Schluss - ich darf noch einmal zitieren -:

„Es erfolgt eine Verteilung des immer knapper werdenden Personalbestandes und der weniger werdenden Bewirtschaftungsmittel auf zu viele Standorte und Anstalten …“

nämlich auf acht.

Aha! Da ist von inhaltlichen Zielen, die diese Justizvollzugsreform bestimmen, keine Rede mehr. Es geht um Personalkosten, es geht um Sachkosten, es geht um Standortkosten - alles für den Haushalt. Das waren seit diesem Zeitpunkt Ihre Maximen bei der Strukturplanung.

Ich frage mich: Wo sind die übergeordneten Ziele geblieben? Wo sind die justizfachlichen Vorstellungen geblieben? Wo bleibt denn da die Resozialisierung? Wo ist dafür noch der Platz?

Irgendwie war es während Ihrer Ausführungen schon ein wenig bezeichnend, dass Sie während Ihrer Rede, Frau Ministerin, nur Applaus von der finanzpolitischen Sprecherin der SPD-Fraktion bekommen haben. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt!

(Zustimmung von Frau Lüddemann, GRÜNE)

Ab diesem Zeitpunkt, ab Anfang 2012, haben Sie die ganze Debatte eigentlich unter negativen Vorzeichen geführt - sie musste so geführt werden - und vor allem unter Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit und der Effizienz. Vielleicht ist „geführt“ auch gar nicht das richtige Wort; denn zeitweise konnte man den Eindruck gewinnen, dass Ihnen die Führung ein wenig entglitten ist, dass nämlich das Finanzministerium Sie ausgebootet hatte und dass Sie eigentlich nur noch ein Sprachrohr für die Dinge waren, die dort beschlossen wurden, für die Vorstellungen, die dort existieren. Meine Damen und Herren, da hätte ich mir von unserer Justizministerin

(Zuruf von Frau Grimm-Benne, SPD)

- liebe Frau Grimm-Benne, auch von Ihrer Justizministerin - mehr Einsatz für ihr Ressort gewünscht; denn andere konnten das auch.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Krönung war wirklich - das hat alle meine Kollegen im Rechtsausschuss fassungslos gemacht - die Ankündigung der Schließung der JVA DessauRoßlau zum 1. Juli 2015 mitten in der Sommerpause des Jahres 2014 und mitten in einem Prozess, in dem wir uns als Fraktionen gerade darüber einig geworden waren, als Ausschuss noch einmal alle Altstandorte zu bereisen, dort Gespräche zu führen, uns dort auch etwas zum Finanzvolumen sagen zu lassen und uns dort vor Ort die Situation anzuschauen. In diesem Prozess - er war noch nicht zu Ende - erfahren wir über die Presse von diesem Termin.

Meine Damen und Herren, ich kann eigentlich nur hoffen, dass Sie darüber nicht die volle Kontrolle hatten; denn sonst müsste ich mir ernsthaft Sorgen machen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Dass Sie Dessau-Roßlau mit Magdeburg schließen wollen, das wissen wir spätestens seit 2012. Aber seitdem fragen wir Sie auch danach, was abseits von monetären Gründen eigentlich dafür spricht. Sie sagen, ein Bestand von drei Anstalten sei die beste Lösung für das Land. - Okay. Aber, Entschuldigung, wir sind bisher nicht überzeugt davon.

Seit Jahren bitten wir Sie deswegen, Modellrechnungen vorzulegen. Ja, Sie haben Modelle errechnet - fünf an der Zahl; zumindest kenne ich fünf. Aber jedes dieser Modelle basierte auf einer Schließung von Dessau-Roßlau und der Außenstelle Magdeburg. Eine Modellrechnung unter Beibehaltung der Anstalt Dessau-Roßlau wurde niemals durchgeführt - zumindest kennen wir sie nicht. Es kann sein, dass sie in irgendwelchen Ministeriumssafes herumliegt; wir kennen sie nicht. Vor diesem Hintergrund können wir heute nicht ernsthaft über eine Schließung dieser Anstalt entscheiden.

Wir haben überhaupt nichts gegen moderne JVAStandorte. Im Gegenteil: Wir wissen, dass eine Anstalt mit einer Bausubstanz aus dem 19. Jahrhundert nicht die besten Voraussetzungen für Resozialisierung bieten muss. Aber wir wissen eben auch, dass es Faktoren gibt, die durchaus für etwas kleinere Standorte sprechen, Standorte etwa von der Größe der Anstalt in Dessau-Roßlau oder auch in Volkstedt, die Sie übrigens auch schließen wollen.

Wir sind nicht bereit, diesen vollzugspolitischen Blindflug mitzumachen. Wir wollen wissen, was es kostet und was es vollzugsfachlich bedeutet, wenn der Neubau in Halle statt 600 nur 300 Plätze bekommt und dafür die JVA Dessau-Roßlau erhalten wird. Ein Neubau in Halle, der nur halb so groß ist, kostet vielleicht nicht halb so viel, aber er kostet mit Sicherheit weniger als die bisher veranschlagte Summe, und dabei spart man etwas ein.

Meine Damen und Herren! Inhalt unseres Entschließungsantrages ist es, diese Vergleichsrechnung anzustellen. Dieses Modell wollen wir durchgerechnet wissen, sonst können wir uns der ganzen Sache nur verschließen.

Auf der anderen Seite sind die Einsparungen bei einer Schließung von Dessau-Roßlau überhaupt nicht berauschend. Das steht in verkürzter Form auch in der Begründung zu dem Gesetzentwurf. Glauben Sie denn, dass eine Einsparung von 400 000 € netto im Jahr rechtfertigt, einen funktionierenden JVA-Standort für immer zu schließen? - Das ist doch im großen Zusammenhang nicht viel.

Frau Ministerin, vier Jahre lang haben Sie die Öffentlichkeit, die Justizvollzugsbediensteten, die Gefangenen und uns, das Parlament, warten lassen. Sie haben uns mit relativ dürftigen Antworten abgespeist. Sie haben bei all dem - das muss ich hier einmal in dieser Schärfe sagen - wirklich auch ein Stück weit Vertrauen verspielt und der Justiz im Lande letztendlich einen Bärendienst erwiesen.

Meine Damen und Herren! Strafvollzug ist eine hoheitliche Aufgabe, die mit größter Gewissenhaftigkeit und mit voller Rückendeckung des Parlaments durchgeführt werden sollte. Zur Haushaltskonsolidierung eignet sich dieser Bereich nicht. Und

wer glaubt, dass Haftanstalten irgendwann einmal schwarze Zahlen schreiben werden, der irrt ebenfalls gewaltig, meine Damen und Herren. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der CDU)

Danke schön, Herr Abgeordneter Herbst. - Als nächster Redner spricht für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Borgwardt.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe den Gesetzentwurf mitgebracht; ich glaube, es ist einer der kürzesten in meinen 14 Jahren hier. Er umfasst eine halbe Seite, wenn man das Vorblatt und die Begründung einmal außer Acht lässt, und enthält einen Paragrafen - wenn man das Inkrafttreten als zweiten Paragrafen ansieht, sind es zwei. Dennoch waren wir im Ältestenrat gut beraten, dafür eine Redezeit von zehn Minuten je Fraktion vorzusehen. Somit kann nun wirklich jeder noch einmal seine Probleme, die er damit hat, hier ausbreiten - auch wir.

Frau Ministerin, vielleicht gleich am Anfang: In der Kabinettsvorlage stand das, was wir erreicht haben; im Gesetzentwurf steht es nicht. Wir werden im Beratungsgang natürlich Wert darauf legen, dass das auch im Gesetz steht. Das ist logisch. Auf diese Dinge werde ich nachher noch eingehen.

Die Landesregierung hat auf der Grundlage der Koalitionsvereinbarung konkrete Pläne für einen zukunftsfähigen Justizvollzug erarbeiten lassen. Dafür ist insbesondere der Investitions- und Personalbedarf in den Gefängnissen untersucht worden. Das Kabinett hat sich bereits im Februar 2012 - meine Vorredner gingen darauf ein - für die Konzentration des Justizvollzuges an drei Standorten, nämlich Halle, Raßnitz und Burg, ausgesprochen und sich darauf festgelegt.

Die Nebenstelle der Justizvollzugsanstalt Halle soll bis zum Jahr 2022 von 368 auf 600 Plätze erweitert werden. Die Gesamtkosten der Baumaßnahme sollen ca. 152 Millionen € betragen.

Übrigens: Dank der „Mitteldeutschen Zeitung" wissen wir seit gestern, dass das Justizministerium am Dienstag dieser Woche die modifizierten Pläne für den Erweiterungsbau interessierten Hallenser Bürgern vorgestellt hat. Wir finden das gut. Wir hätten es natürlich auch gut gefunden, wenn wir es im Ausschuss schon gehabt hätten. Das möchte ich klar sagen.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir werden darauf in den Ausschussberatungen noch eingehen.

Die Justizvollzugsanstalten Halle-Hauptanstalt,

Dessau-Roßlau und Volkstedt sollen in Betrieb bleiben, solange die Haftplätze noch benötigt werden.