Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte darum, die Plätze einzunehmen, damit wir uns im Land der Frühaufsteher nicht mit „Mahlzeit“ begrüßen müssen. Es ist schon kurz nach 10 Uhr.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Abgeordnete Herr Jürgen Stadelmann hat wegen der Übernahme anderer Aufgaben sein Landtagsmandat niedergelegt. Die Landeswahlleiterin hat mir mit Schreiber vom 10. Februar 2015 mitgeteilt, dass der Sitz auf Herrn Andreas Schachtschneider übergegangen sei und Herr Schachtschneider die Wahl angenommen habe. Ich darf auf die hierzu herausgegebenen Unterrichtungen verweisen, die in der Drs. 6/3793 und in der Drs. 6/3812 vorliegen.
Mit Schreiben vom 18. Februar 2015 bat die Landesregierung darum, für die 41. Sitzungsperiode folgende Mitglieder zu entschuldigen: Herr Staatsminister Robra entschuldigt sich am Donnerstag ganztägig wegen der Teilnahme an der Konferenz der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder in Berlin. Herr Minister Bullerjahn entschuldigt sich für Donnerstag und Freitag ganztägig wegen der Teilnahme an den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder als Vorsitzender und Verhandlungsführer des Vorstandes der Tarifgemeinschaft deutscher Länder in Potsdam.
Mit Schreiben vom 23. Februar bat Herr Ministerpräsident Dr. Haseloff nachträglich darum, seine Abwesenheit am Freitag ab 16 Uhr zu entschuldigen. Der Ministerpräsident wird im Rahmen des Festaktes zur Eröffnung des 23. Kurt-Weill-Festes in Dessau als Schirmherr ein Grußwort sprechen.
Mit Fax vom heutigen Tag hat Herr Minister Stahlknecht mitteilen lassen, dass er seit dem 24. Februar erkrankt sei. Er bittet deshalb darum, sein Fehlen am heutigen Sitzungstag zu entschuldigen.
Ebenfalls mit Fax vom heutigen Tage bittet Herr Minister Dorgerloh darum, ihn für die Sitzung am Freitag ab 16 Uhr zu entschuldigen. Er werde als zuständiger Fachminister gemeinsam mit dem Ministerpräsidenten an der Eröffnung des Kurt-WeillFestes teilnehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Tagesordnung für die 41. Sitzungsperiode des Landtages liegt Ihnen vor. Die Fraktion DIE LINKE und die CDU-Fraktion haben fristgemäß jeweils ein Thema zur Aktuellen Debatte eingereicht. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE liegt in der Drs. 6/3839 und der Antrag der Fraktion der CDU in der Drs. 6/3840 vor. Sie wurden unter Punkt 20 und 21 in die Tagesordnung aufgenommen.
Nach einer Vereinbarung im Ältestenrat sollen die Beratungen an ersten und zweiter Stelle am Freitag erfolgen. Der ursprünglich an erster Stelle am Freitag vorgesehene Tagesordnung 3 wird somit an dritter Stelle behandelt. Ich frage nunmehr, ob es weitere Bemerkungen zur Tagesordnung gibt. - Das ist nicht der Fall. Dann können wir so verfahren, wie ich es vorgetragen habe.
Ich komme zum zeitlichen Ablauf der 41. Sitzungsperiode. Die morgige 85. Sitzung des Landtages beginnt um 9 Uhr.
Regierungserklärung des Ministers für Landwirtschaft und Umwelt Herrn Dr. Hermann Onko Aeikens zum Thema: „Eine Politik der Verantwortung für eine zukunftssichere Landwirtschaft“
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich erteile Herrn Minister Dr. Hermann Onko Aeikens für die Landesregierung das Wort zur Abgabe der Regierungserklärung.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die heimische Landwirtschaft ist für unser Bundesland ein wichtiger Wirtschaftszweig. Einen höheren Anteil an der Wertschöpfung als in Sachsen-Anhalt trägt der Agrarsektor nur in Mecklenburg-Vorpommern zur Gesamtwirtschaft bei. Wir haben Regionen, in denen außer Land- und Forstwirtschaft keine nennenswerten wirtschaftlichen Aktivitäten existieren. Deshalb ist es wichtig zu wissen, wer Landwirtschaft betreibt und wie Landwirtschaft betrieben wird, um die Zukunftssicherheit und die Akzeptanz unseres Agrarsektors zu gewährleisten.
2014 bis 2020 wurden die Bedingungen der Agrarpolitik durch die EU neu definiert. Mit dem Münchener Kompromiss vom November 2013 wurde ein allseits akzeptierter Rahmen für die Umsetzung der EU-Vorgaben in Deutschland vereinbart.
Inzwischen wurden die Entwicklungspläne als Grundlage der Förderung für den ländlichen Raum aufgestellt und bei der EU-Kommission zur Genehmigung eingereicht. Ich freue mich sehr, dass die Entwicklungspläne der Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt als erste deutsche Pläne von der EU-Kommission genehmigt wurden. Hierbei haben unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gute Arbeit geleistet. Ich glaube, wir können auch ein wenig stolz darauf sein, dass zwei neue Bundesländer als erste in Deutschland ihre Programme genehmigt bekommen haben.
Damit sind die Eckpunkte für die Förderung im ländlichen Raum definiert worden. Wir können die Förderprogramme zum Wohle der Landwirtschaft und der Lebensqualität im ländlichen Raum frühzeitig anbieten.
Unsere agrarischen Rohstoffe sind Grundlage für die erfolgreiche Nahrungs- und Futtermittelindustrie in Sachsen-Anhalt. Diese Branche ist, sowohl was die Zahl der Beschäftigten auch was die Umsatzzahlen angeht, die stärkste Branche im verarbeitenden Gewerbe in unserem Bundesland.
Wir haben uns anlässlich der Grünen Woche wieder davon überzeugen können, wie leistungsfähig, stark und innovativ unsere Nahrungsmittelwirtschaft ist. Solides Wachstum und hohe Innovationskraft zeichnen diese Branche aus. In der regionalen Innovationsstrategie des Landes liegt zwei von fünf Leitmärkten die Erzeugung von land- und forstwirtschaftlichen Rohstoffen zugrunde - ein weiterer Indikator für das Potenzial dieser Branche.
Wir haben in Sachsen-Anhalt überdurchschnittlich gute Böden. Nirgendwo in Deutschland ist der Anteil der benachteiligten Gebiete in der Landwirtschaft niedriger als in Sachsen-Anhalt. Wir haben gut ausgebildete Betriebsleiter und wir haben günstige Agrarstrukturen. Bei uns ist der Durchschnittsbetrieb fünfmal größer als im Durchschnitt der alten Bundesländer. Alles in allem haben wir gute Voraussetzungen, um bei uns in SachsenAnhalt erfolgreich Landwirtschaft zu betreiben.
Das tun unsere Betriebe; unabhängig von der Rechtsform. Schauen wir uns die Einkommensstatistiken anhand der Gewinnzahlen an, so liegen unsere Betriebe in Sachsen-Anhalt regelmäßig mit vorn.
Es gibt aber auch Entwicklungen, die uns Sorge bereiten. Ich habe bereits in meiner Regierungserklärung zum Agrarsektor vor zwei Jahren auf be
sorgniserregende Entwicklungen auf den Bodenmärkten hingewiesen. Diese Sorgen sind seitdem nicht geringer geworden.
Der Boden ist neben den Menschen der wichtigste Produktionsfaktor der Landwirte. Er ist nicht vermehrbar und ist die Grundlage einer sicheren Nahrungsmittelversorgung. Er ist ein wertvolles, für unsere Volkswirtschaft essenzielles Gut. Er ist ein Produktionsfaktor, der von der Natur bereitgestellt wird und für den der Nutzer eine besondere Verantwortung übernimmt.
Zunehmend werden Diskussionen über die in den letzten Jahren zu verzeichnenden enormen Preisanstiege für Acker- und Grünlandflächen geführt. Seit 2007 sind die Kaufpreise für den Boden nach den Angaben des statistischen Bundesamtes in Sachsen-Anhalt um mehr als 100 % gestiegen. Die Preise haben sich in den letzten sieben Jahr also mehr als verdoppelt.
Die Ursachen für diesen Preisanstieg sind vielfältig. Eine Ursache ist die tatsächliche und zu erwartende günstige Entwicklung auf den Agrarmärkten. Das macht den Boden auch für außerlandwirtschaftliche Investoren attraktiv, die gerade in Zeiten unsicherer Finanzmärkte eine stabile Geldanlage suchen.
Der Bundesverband der gemeinnützigen Landgesellschaften verzeichnet einen kontinuierlichen Anstieg der Fälle, in denen Land von Nichtlandwirten gekauft werden soll. Käufer von landwirtschaftlichen Flächen zur Vermögensanlage sind in der Lage und gewillt, Preise weit oberhalb des Ertragswertes zu zahlen. Damit können sie deutliche Preissteigerungen auslösen.
Boden wandert aber nicht nur über den normalen Bodenmarkt zwischen den natürlichen Personen von Eigentümer zu Eigentümer. Durch den Kauf von Anteilen an landwirtschaftlichen Unternehmen oder den Kauf ganzer Unternehmen wird auch der Zugriff auf den Produktionsfaktor Boden bestimmt. Für Unternehmensbeteiligungen und -käufe bieten die Agrarstrukturen in Ostdeutschland besonders attraktive Bedingungen. Die Unternehmen sind größer und werden häufiger als in den alten Bundesländern als juristische Personen geführt. Investoren streben hier in der Regel Mehrheitsbeteiligungen an.
Meine Damen und Herren! Doch was bedeutet das alles für unsere Landwirtschaft und den ländlichen Raum in Sachsen-Anhalt? Welche Gefahren lassen sich erkennen? Warum sollten wir handeln?
Lassen Sie mich zunächst darstellen, worüber wir eigentlich sprechen. Eine börsennotierte Aktiengesellschaft, KTG Agrar, bewirtschaftet nach eigenen Angaben in den neuen Bundesländern ca. 30 000 ha. Die börsennotierte Aktiengesellschaft hat ihren Sitz in Hamburg. Bekannt ist, dass KTG
Agrar mit Technik und Personal, das von Ort zu Ort wandert, Flächen bewirtschaftet. Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Was bleibt dann von der Wertschöpfung unserer Felder in diesen Dörfern?
Die Lindhorst-Gruppe bewirtschaftet nach eigenen Angaben 22 000 ha, die MLP-Gruppe, Herr Termühlen, laut „Manager-Magazin“ 20 000 ha, die Steinhoff-Gruppe bewirtschaftet 20 000 ha mit 35 Biogasanlagen.
Ich könnte die Zahl der Beispiele erweitern. Vielfach wissen wir auch nicht mehr, wer sich hinter einer GmbH, hinter einer Agrar-Genossenschaft verbirgt. Und, meine Damen und Herren, wir müssen uns die Frage stellen: Ist das die Landwirtschaft, die wir wollen? Ist das ein Leitbild? Ist das ein Zukunftskonzept?
Mit 500 Unternehmen von der Größenordnung der KTG Agrar könnten wir die gesamten Flächen in Deutschland bewirtschaften - mit 500 Unternehmen! -, mit 200 Unternehmen die Agrarflächen der neuen Bundesländer. Ist das eine Landwirtschaft, die beim Verbraucher, beim Steuerzahler auf Akzeptanz stößt? Und ist der Steuerzahler bereit, für diese Landwirtschaft Ausgleichzahlungen in der Größenordnung von 300 € je Hektar aufzuwenden?
Das Thema hat auch Brüssel erreicht. Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat vor wenigen Wochen bei nur wenigen Gegenstimmen und Enthaltungen eine Stellungnahme zum Thema „Jagd nach Agrarland“ abgegeben. Auch die neuen Bundesländer finden dort Erwähnung und ein historischer Rückblick, der mich besonders beeindruckt hat - ich zitiere -:
„Ein mahnendes Beispiel für die Folgen von Landaufkäufen ist Schottland, wo vor 200 Jahren eine Fläche von der Größe Hollands in Landeinheiten von einer Größe zwischen 8 000 und 20 000 ha aufgeteilt und an Investoren verkauft wurde. In diesem Gebiet lebten 1,5 bis zwei Millionen Menschen. Bis heute ist dieses Gebiet aufgrund der industriell betriebenen Landwirtschaft entvölkert. Das schottische Parlament beschäftigt sich derzeit mit der Neubesiedlung dieses Gebietes.“
Was sagt uns dieses Beispiel? - Fehlentscheidungen wirken lange nach. Auch im Lichte der Dominanz des ländlichen Raumes in der Siedlungsstruktur unseres Landes und der sozialen Bedeutung der Land- und Forstwirtschaft als Einkommensquelle, als Arbeitgeber und Gestalter der Naturräume besitzt die ökonomisch und ökologisch nachhaltige Bewirtschaftung der Böden eine essenzielle Bedeutung.
dazu an, über den gegenwärtigen Tag hinaus zu denken. Wir müssen die Folgen unseres Handelns, aber auch die Folgen eines Untätigseins in den Blick nehmen.
Nichtlandwirtschaftliche Investoren, die ihr Geld aus Gründen der Renditemaximierung in den Sektor Boden fließen lassen, bergen die Gefahr von negativen Entwicklungstendenzen. Das reicht über den Abbau von Arbeitskräften bis hin zum Abzug der Wertschöpfung aus unseren ländlichen Räumen.
Es stellt sich auch die Frage nach der Verantwortung für das Umfeld. Wer als Landwirt seinen Blick nur noch auf den aktuellen Stand des Bankkontos richtet, hat weniger Interesse am langfristigen Erhalt der Bodenfruchtbarkeit, an der Biodiversität oder an der Wasserqualität. Wenn der Betriebsinhaber nur noch einen Briefkasten vor Ort unterhält und die Menschen in der Region keinen Kontakt mehr zu den Personen haben, die die Flächen des Ortes bewirtschaften, wird Landwirtschaft anonymisiert. Es existiert kein Bezug mehr zur Region, zu den Menschen vor Ort. Regionales Verantwortungsgefühl, meine Damen und Herren, wird so nicht geprägt und nicht gelebt.
Durch die Nichtortsansässigkeit der Unternehmensinhaber fließen auch Steuern in andere Länder. Da gehen uns Gelder verloren, die wir hier dringend brauchen. Ich sage auch deshalb, der Ertrag, der auf den Feldern eines Dorfes erwirtschaftet wird, muss bei den Menschen im Dorf bleiben.
Wie beurteilen wir nun Konzentrationsprozesse, wie vorhin beschrieben? - Sie gefährden auch die Marktmechanismen. Der Wettbewerb als Triebkraft für Entwicklungsprozesse wird eingeschränkt. Den Nachteil von Monopolbildungen kennen wir nicht nur aus Büchern der Volkswirtschaftslehre. Eine multifunktionale, eine flexible Land- und Forstwirtschaft kann nicht bei erstarrten, kartellartigen Eigentums- und Besitzstrukturen gedeihen. Eine multifunktionale Landwirtschaft als Basis einer nachhaltigen gesamtgesellschaftlichen Entwicklung erfordert auch flexible, mobile Bodenmärkte, erfordert Platz für Neues, für Innovationen und Fortschritt.
Alleinige Effizienzorientierung marktbeherrschender Flächennutzer ist der Entwicklung unseres Landes nicht zuträglich und widerspricht der Forderung nach Nachhaltigkeit. Hierbei ist der Gesetzgeber gefordert, Position zu beziehen und auch Grenzen aufzuzeigen. Grenzen für die Regulierung des Bodenmarktes sind die rechtlichen Bestimmungen zum Schutz des Eigentums und die damit verbundene Verfügungsfreiheit über den Boden.