Protocol of the Session on December 12, 2014

Für mich ist aber wichtig, wie man in dem Moment reagiert, in dem es offensichtlich wird. Das ist mit entscheidend. Ich glaube, Sie sollten zumindest darüber nachdenken, ob Sie an dieser Stelle auch wirklich richtig reagiert haben oder ob es nicht ein Stück konsequenter hätte sein können.

Es ist auch nichts Schlimmes, wenn man älteren Menschen, Kranken oder Beeinträchtigten dabei hilft, ihr Wahlrecht wahrzunehmen. Es ist, glaube ich, über viele Parteien und auch über andere gesellschaftliche Organisationen hinweg eine gut gepflegte Praxis, dass man ihnen Hilfe anbietet, sie fragt und sie besucht, aber man führt ihnen beim Ankreuzen nicht die Hand.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Welchen Unterschied gibt es zu der jetzigen Situation? - Ich gehe davon aus, dass die Zeitungen nur das veröffentlichen, was sie gut recherchiert haben. In der Zeitung sind Zitate von Menschen veröffentlicht, die sich mit Sicherheit wehren würden, wenn sie falsch zitiert worden wären.

In der Zeitung ist zum einen zu lesen, dass es vermutlich eine Reihe von Menschen betrifft, die an der Briefwahl teilgenommen haben sollen, die mit der Arbeitsagentur als Kunden zu tun haben. Ich frage einmal ganz deutlich, welches Menschenbild dahinter steht, wenn sich dies bewahrheitet.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Man unterstellt ihnen, dass sie nicht zur Wahl gehen und man deshalb manipulieren kann, dass sie

kein Interesse an gesellschaftlicher Teilhabe oder an den Wahlen haben. Man muss auch ein Stück weiter denken und hinterfragen, warum es mit diesen Menschen gemacht worden ist.

Dann steht jemand im Wahllokal und ihm wird gesagt, dass er schon an der Briefwahl teilgenommen habe. Wenn mir das passieren würde, dann würde mir alles aus dem Gesicht fallen. Ihnen allen würde es auch so gehen.

(Frau Feußner, CDU: Da hast du Recht!)

Dann wird mehrmals telefoniert und dann heißt es, oh, Ihre Briefwahlunterlagen sind vernichtet worden; Sie können jetzt wählen. Diesen Satz muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Er hatte gar keine Briefwahlunterlagen beantragt.

Dann gibt es eine junge Frau, die den Umschlag, der vermeintlich die von ihr ausgefüllten Wahlunterlagen enthält, selber öffnen darf und daraufhin sagte, die CDU, die dort angekreuzt worden sei, wähle sie sonst eigentlich nicht.

(Frau Feußner, CDU: Das bestreitet doch niemand!)

Ich denke, dabei handelt es sich um Originalzitate. Wenn es nicht so wäre, hätten sich die Menschen dagegen gewehrt.

(Zuruf von Herrn Weigelt, CDU)

Bevor ich einen Ordnungsruf riskiere, kleide ich das Ganze lieber in Fragen. Stimmt es, dass in erster Linie Briefwahlunterlagen von Menschen gefälscht worden sind, die in irgendeiner Art und Weise mit der Arbeitsagentur zu tun haben? - Die Frage allein reicht.

(Frau Brakebusch, CDU: Natürlich ist das so!)

Ich glaube, dass eine Aufklärung zwingend erforderlich ist und dass man - diese Absicht verfolgt der Antrag - versuchen muss, eine Wiederholung so unmöglich wie möglich zu machen. Ich sage ausdrücklich: Es ist gut, dass das heute hier debattiert wird und dass es eine solche Aufarbeitung gibt.

(Frau Brakebusch, CDU: Das kann ich be- stätigen!)

Denn neben der Aufklärung, der Ahndung und der Verurteilung von Wahlbetrug ist das Wichtigste, dass wir es ganz zügig schaffen, wieder Vertrauen in die demokratischen Wahlen unseren Landes herzustellen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Kollegin Budde, es gibt eine Nachfrage des Abgeordneten Herrn Bönisch. Möchten Sie sie beantworten?

Ich tue mein Bestes.

Herr Abgeordneter Bönisch.

Frau Budde, Ihre Worte klangen so ähnlich wie die Worte von Herrn Gallert, als er versucht hat, uns unterzujubeln, man müsse es eben aushalten, dass es einen Rollentausch gebe. Er hat damit suggeriert, dass der systematische Wahlbetrug zu DDR-Zeiten dasselbe sei wie das, was jetzt in Stendal passiert ist

(Zuruf von der LINKEN: Das hat er nicht!)

und wir als CDU dafür verantwortlich sind, dass es in Stendal zu diesem Wahlbetrug gekommen ist. Dazu haben Sie sich nicht geäußert, aber Ihre Äußerungen gingen in dieselbe Richtung. Frau Budde, wie stehen Sie zu dieser Äußerung von Herrn Gallert?

Zum Ersten jubele ich Ihnen hier nichts unter.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Ich glaube, ich gehöre in diesem Landtag zu denjenigen, die das klare und deutliche Wort pflegen. Ich habe es nicht nötig, Ihnen irgendetwas unterzujubeln.

Zum Zweiten unterstelle ich Herrn Gallert nicht, dass er das miteinander vergleicht. Das hat er auch nicht gesagt.

(Herr Bönisch, CDU: Er hat gesagt, den Rol- lentausch müsse man aushalten!)

Herr Bönisch, ich habe mit den Blockparteien und der ehemaligen SED vor dem Jahr 1989 gar nichts zu tun gehabt.

(Herr Schröder, CDU: Wie die meisten hier! - Frau Feußner, CDU: Ich auch nicht; sehen Sie!)

- Es gibt doch immer wieder Gemeinsamkeiten, wenn auch nicht in allen Dingen. - Die Kollegen von der LINKEN haben sich in den letzten 25 Jahren auf öffentlichen und innerlichen Druck hin mehr mit ihrer Vergangenheit beschäftigen müssen, als die CDU jemals darüber nachgedacht hat.

(Beifall bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Das ist so. Das ist einfach nur eine Feststellung. Ich unterstelle den Kollegen von der LINKEN nicht, dass sie das gleichsetzen. Wenn Sie mir das auch nur im Hauch unterstellen wollen, dann bitte ich Sie, das deutlich auszusprechen. Denn das wäre

in der Tat eine Unterstellung, die dann möglicherweise einen Ordnungsruf, wenn auch nicht vom Präsidenten, aber von mir, zur Folge hätte. Sie wissen, dass ich das nicht gleichsetzen würde, Herr Bönisch.

(Zuruf von Herrn Bönisch, CDU)

Ich unterstelle nicht der CDU in Gänze,

(Herr Leimbach, CDU: Oh, danke schön!)

nicht einmal der CDU vor Ort in Gänze und auch nicht der CDU als Partei, Herr Leimbach, dass sie in irgendeiner Art und Weise Wahlbetrug fördern würde.

(Herr Rosmeisl, CDU: Das ist ein schönes Schlusswort!)

Davon bin ich ganz weit entfernt. Aber wenn man in den eigenen Reihen Leute hat, die dies tun, dann ist das erstens nicht angenehm und zweitens muss man sich schnell, konsequent und deutlich dazu äußern. Meine Kollege Herr Tögel hat den Verlauf der Äußerungen vorgetragen.

(Frau Brakebusch, CDU: Na ja!)

Unsere Einschätzung ist - sie wird möglicherweise nicht von Ihnen geteilt; aber es wird noch häufiger vorkommen, dass wir nicht gleicher Meinung sind -, dass es nicht konsequent und nicht deutlich genug war. Vielmehr hat es bei uns den Eindruck erweckt, als hoffe man darauf, dass der Kelch an einem vorbeigehen würde. Damit meine ich nicht die Partei, sondern einzelne Handelnde vor Ort, die damals Ihrer Partei angehörten und vielleicht auch noch heute Ihrer Partei angehören. Das kann ich nicht beurteilen. Das muss erst aufgeklärt werden. - Ist das ausreichend, Herr Bönisch?

(Zustimmung bei der SPD, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Es gibt zwei Zwischeninterventionen, nämlich von Herrn Kurze und vom Fraktionsvorsitzenden Herrn Schröder.

Ich möchte eine Zwischenintervention für das Protokoll machen. Ich habe mich in den letzten 20 Jahren, in denen ich Mitglied der CDU bin, nicht nur mit der Heimatgeschichte beschäftigt, sondern auch mit der Geschichte der CDU insgesamt. Ich habe vor vier Jahren ein Buch mit dem Titel „65 Jahre Christdemokraten in Burg, im Jerichower Land und in Sachsen-Anhalt“ veröffentlicht.

Zu der Blockflötendebatte möchte ich lediglich anmerken - damit das am Ende auch im Protokoll steht -, dass in den ersten 20 Jahren der CDU nach dem Krieg 400 000 Mitglieder im Gefängnis saßen, dass monatlich 2 000 Mitglieder aus der

Partei zur Flucht gedrängt wurden und dass in zweistelliger Zahl Menschen, die sich in der CDU engagiert haben, dafür durch Vollstreckung eines Todesurteils in der DDR mit ihrem Leben bezahlt haben.