Protocol of the Session on December 11, 2014

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herzlichen guten Morgen, Herr Abgeordneter Herbst! Wenn Sie gestatten, könnten wir jetzt anfangen.

Hiermit eröffne ich die 80. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der sechsten Wahlperiode und begrüße alle Mitglieder des Hohen Hauses und auch die Gäste herzlich.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest. Wir setzen nunmehr die 39. Sitzungsperiode fort und beginnen heute mit dem Tagesordnungspunkt 4. Danach folgen die Tagesordnungspunkte 5, 6 und 7.

Ich darf daran erinnern, dass sich für heute Ministerpräsident Dr. Haseloff sowie Herr Staatsminister Robra, Herr Minister Stahlknecht sowie Herr Minister Dorgerloh wegen der gestern bekanntgegebenen Konferenzen ganztägig entschuldigt haben.

Ich rufe nunmehr Tagesordnungspunkt 4 auf:

Beratung

Durchlässigkeit des Bildungssystems stärken - akademische und berufliche Bildung besser verzahnen

Antrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/3661

Für die Einbringerinnen spricht nunmehr die Abgeordnete Frau Dr. Pähle aus der Fraktion der SPD.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass sich unser Bundesland den Herausforderungen des demografischen Wandels an vielen Stellen stellen muss, ist wohl nicht nur hier im Hohen Haus unbestritten, sondern ist als Botschaft auch in der Bürgerschaft angekommen. Auch die Unternehmen in unserem Land setzen sich mit dem demografischen Wandel auseinander, der sie in Form des Fachkräftemangels bereits heute vor große Herausforderungen stellt.

Unternehmen - gleich welcher Größe - nehmen zunehmend wahr, dass es auf die ausgeschriebenen Ausbildungsplätze eine immer geringer werdende Nachfrage gibt. Der Wettbewerb um junge, kluge Menschen hat zugenommen und wird sich noch weiter verstärken.

Dies hat eine Ursache in der sinkenden Zahl von Jugendlichen in unserem Land, eine andere aber auch in dem stärker werdenden Wunsch der Schul

abgängerinnen und Schulabgänger, eher klassische Büroberufe zu ergreifen oder mit dem Erwerb der allgemeinen oder Fachhochschulreife auch den Weg an unsere Hochschulen zu gehen und sich nicht mehr - wie zu Beginn der 90er-Jahre - mit dem Abitur um klassische Ausbildungsberufe zu bewerben.

Meine Damen und Herren! Diese Entwicklung wird sich kaum zurückdrehen lassen. Aufstieg durch Bildung im klassischen Sinne als einfacher Wunsch aller Eltern, dass es dem eigenen Kind besser gehen soll, werden wir als Politik nicht entgegen stehen können und sollten es meiner Meinung nach auch nicht tun.

Die Akademisierung in der Bevölkerung wird auch in Zukunft steigen. Daran wird auch das öffentliche Beklagen dieses Umstandes nicht viel ändern - nicht zuletzt aufgrund des Willens, es dem eigenen Kind besser ergehen zu lassen.

Politik kann und muss jedoch an der Durchlässigkeit unseres Bildungssystems etwas ändern, um ein deutliches Signal zum lebenslangen Lernen zu setzen. Getroffene Bildungsentscheidungen sind dann nicht unumkehrbar, und dadurch kann auch die duale Berufsausbildung wieder attraktiver werden und der Facharbeiter eine lohnende Berufsperspektive darstellen.

Meine Damen und Herren! Seit 2008 beteiligen sich Bund und Länder an der gemeinsamen Qualifizierungsinitiative „Aufstieg durch Bildung“. Ziel ist es dabei, die Bildungschancen aller Bürgerinnen und Bürger zu erhöhen. Diese Qualifizierungsinitiative umfasst alle Lern- und Lebensphasen. Teil dieser Initiative ist auch der Bund-Länder-Wettbewerb „Aufstieg durch Bildung: Offene Hochschulen“.

Nach der ersten Wettbewerbsrunde, die im Jahr 2011 startete, und dem Beginn der zweiten Wettbewerbsrunde im August 2014 wissen wir, dass sich zumindest zwei Hochschulen intensiv mit dem Thema „Offene Hochschule“ auseinandergesetzt und in jeweils einer Projektphase erfolgreich am Wettbewerb teilgenommen haben. Die Hochschule Harz und die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg haben mit eigenen Projektideen die Idee der verbesserten Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung für sich umgesetzt.

Kern dieser Idee ist, immer wieder Weiterbildungsangebote zu entwickeln, die sich vor allem an Berufstätige oder Berufsrückkehrer richten, lebenslanges Lernen zum Ziel haben und beruflich qualifizierten Fachkräften den Weg an die Hochschulen öffnen.

Frau Bundesbildungsministerin Wanka sagte zum Start der zweiten Projektphase in diesem Jahr: „Lebenslange Weiterbildung und die Öffnung der

Hochschulen für neue Zielgruppen sind die zeitgemäßen Antworten auf Fachkräftebedarf und demografischen Wandel. Sie schaffen so für jeden Einzelnen die Chance, sich neben Beruf und Familie flexibel weiterzuentwickeln und zu qualifizieren.“ - Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.

Meine Damen und Herren! Dass sich zwei Hochschulen bereits auf diesen Weg gemacht haben, ist für die Hochschulentwicklung unseres Landes ein positives Signal; denn dieses Feld ist ein spannendes Feld für die Hochschulen. Leider bedeutet diese Meldung aber auch, dass sich die restlichen Hochschulen noch zu wenig oder ganz im Stillen um dieses wichtige Zukunftsthema bemühen.

Gleichzeitig haben aber die Unternehmen in unserem Land schon seit einiger Zeit ihren Bedarf an Weiterbildungsangeboten für die eigene Mitarbeiterschaft erkannt. Ich habe durch verschiedene Gespräche mit Geschäftsführern und Personalverantwortlichen erfahren können, dass sie sich des Wettbewerbs um die jungen Leute sehr bewusst sind, und sie sehen eine große Chance darin, ihre eigene Wettbewerbsfähigkeit dadurch zu verbessern, dass sie gleich zu Beginn der dualen Ausbildung die Weiterbildungschancen im Unternehmen deutlich machen - bis hin zu dem Angebot, ein berufsbegleitendes Studium zu finanzieren, um die Weiterentwicklung des einzelnen Mitarbeiters zu fördern.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Hierzu brauchen jedoch die Unternehmen zuverlässige Partner in unseren Hochschulen. Dort müssen die jeweiligen Weiterbildungsangebote entwickelt und in einer Form angeboten werden, die von Arbeitnehmerinnern und Arbeitnehmern auch parallel zur Arbeit im Unternehmen absolviert werden kann. Ich sehe hierin die größte Herausforderung für unsere Hochschulen, müssen sie sich doch auf eine andere Logik einlassen und in ihren Angeboten flexibler werden. Neben der Aufrechterhaltung der verschiedenen Lehrangebote im klassischen Hochschulbetrieb, der durch die BolognaReform bereits sehr viele Veränderungen erfahren hat, ist dies eine weitere Herausforderung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sind uns bewusst, dass wir unsere Hochschulen unter den für sie gesetzten Rahmenbedingungen nicht durch immer neue Anforderungen in ihrer Bewegungsfreiheit einschränken dürfen. Deshalb bitten wir die Landesregierung in unserem Antrag, neben der besonderen Würdigung dieses wichtigen Aspekts im Hochschulstrukturplan mit den Hochschulen gemeinsame Ziele zur Ausweitung der vorhandenen Angebote und Entwicklung neuer Angebote in den Zielvereinbarungen zu verhandeln.

Gerade hierfür bieten die bereits abgeschlossenen und die begonnenen Projekte der Bund-LänderInitiative sicherlich viele Anregungen im Sinne von

Best-Practice-Beispielen. Nicht alle sind für unsere Unternehmen oder auch für unsere Hochschulen übertragbar, aber sicherlich kann man hieran, in Absprache zwischen Hochschulen und Ministerium, mit der eigenen Zielsetzung anknüpfen und diese weiterentwickeln.

Unserer Meinung nach bieten sich hier auch finanziell interessante Wirkungskreise für die Hochschulen, denn eines ist für uns unbestritten: Die Einnahmen, die sich aus diesem Bereich für die Hochschulen ergeben, müssen bei ihnen verbleiben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich komme zum Anfang meiner Rede zurück. Das ist wahrscheinlich der wichtige Aspekt, um klarzumachen: Hier geht es nicht um ein Ausspielen duale Bildung gegen Akademisierung - oder anders herum -, sondern es geht um ein Zusammenspiel. Dem grundsätzlichen Wunsch aller, Aufstieg durch Bildung möglich zu machen und damit jeder und jedem eine Chance auf Aufstieg zu bieten, wird wohl niemand widersprechen - hoffe ich zumindest.

Darin enthalten ist auch der Wunsch nach dem Erreichen des individuell höchsten Bildungsabschlusses für jede und jeden. Diesen Wunsch sollte die Politik respektieren und Unterstützungsangebote unterbreiten, sollte Brücken bauen und sollte jedem wirklich Chancen eröffnen. Dabei muss die Wahl des eigenen Weges für jeden frei sein, und wir dürfen weder das eine noch das andere bedauern.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Unsere Aufgabe als Politik und als Landtag liegt vielmehr darin, immer wieder Brücken zu bauen, falls der Einzelne sich in seinem Lebensverlauf für einen weiteren Aufstieg durch Bildung entscheidet. Hierbei ist die Politik gefragt. Mit der besseren Verzahnung von akademischer und beruflicher Bildung schaffen wir gemeinsam mit den Hochschulen unseres Landes eine neue Brücke für viele. Viele werden sie nutzen, und das ist eine wirklich wichtige Zukunftsperspektive für unser Bundesland.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Ich bitte Sie daher um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Danke schön, Kollegin Dr. Pähle. - Für die Landesregierung spricht nun Herr Minister Möllring. Bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lebenslanges Lernen und Hochschulbil

dung sind natürlich nicht dasselbe; aber sie müssen immer mehr zusammenwachsen. Immer kürzere Innovationszyklen und der Wissenszuwachs in Wissenschaft und Technologie erfordern eine stetige Weiterbildung.

Die Hochschulen sind dafür nicht der einzige, aber sie sind ein wichtiger Ort, und zwar sowohl für die Menschen, die bereits ein Hochschulstudium absolviert haben, als auch für beruflich Qualifizierte, die zum ersten Mal eine Hochschule besuchen.

Auch die demografische Entwicklung führt dazu, dass neues Wissen zunehmend nicht mehr über junge Hochschulabsolventen in die Berufswelt gelangt, sondern eben auch über Qualifizierung von Menschen, die bereits im Arbeitsleben stehen.

Damit dies geschehen kann, sind bereits wichtige Rahmen gesteckt. Seit dem Jahr 2009 ist der Hochschulzugang auch ohne klassische Hochschulzugangsberechtigung möglich. Ebenfalls seit dem Jahr 2009 sieht unser Hochschulgesetz vor, dass Kompetenzen, die außerhalb der Hochschulen, also im Berufsleben erworben worden sind, bis zu 50 % auf ein Studium angerechnet werden können. Diese und andere Rahmensetzungen sind wichtig. Aber sie machen als solche natürlich noch keine Hochschule zu einer offenen Hochschule.

Um diese Entwicklung zu unterstützen, haben Bund und Länder - Frau Pähle hat gerade darauf hingewiesen - im Jahr 2011 den Wettbewerb „Aufstieg durch Bildung: offene Hochschulen“ mit einem Fördervolumen von immerhin 250 Millionen € ins Leben gerufen.

Die Hochschule Harz und die Otto-von-GuerickeUniversität Magdeburg, Letztere in Zusammenarbeit mit der Hochschule Magdeburg-Stendal, konnten sich erfolgreich in Einzel- bzw. Verbundprojekten durchsetzen und werden derzeit mit ca. 4 Millionen € gefördert.

Von diesen Hochschulen erhofft sich das Land wesentliche Impulse bei der Profilierung der Hochschulen in der wissenschaftlichen Weiterbildung. Die beiden Magdeburger Hochschulen wollen mit einem Verbundprojekt einen Weiterbildungscampus in Magdeburg errichten und die Öffnung für den Auf- und Ausbau von wissenschaftlichen Weiterbildungsangeboten verstärken.

Zentrale Zielgruppen sind hierbei Berufstätige und Personen mit Familienpflichten sowie berufliche Wiedereinsteiger; auch darauf hat Frau Pähle schon hingewiesen. Für diese sollen flexible Formate entwickelt werden, die das Studieren über Brückenkurse bzw. die Anrechnung von bereits erworbenen Kompetenzen erleichtern.

Die Hochschule Harz hat bereits von 2005 bis 2008 in einem Bund-Länder-Modellversuch zum Thema „Anrechnung von Qualifikationen aus der beruflichen Bildung“ Verfahren zur Anrechnung

von außerhochschulisch erworbenen Kenntnissen und Fähigkeiten entwickeln und erproben können.

Derzeit bewirbt sie sich darum, auch in einer zweiten Förderphase des Wettbewerbs „Offene Hochschulen“ teilhaben zu können. Wir sind guter Hoffnung, dass ihr das erneut gelingt und dann wieder zusätzliches Geld in diese Hochschule und damit ins Land fließt.

Mit den genannten Landes- bzw. Bundesprojekten und mit den Zielvereinbarungen bis zum Jahr 2019 unterstützt die Landesregierung die Etablierung von wissenschaftlicher Weiterbildung und lebenslangem Lernen in den Hochschulen, um gerade neue Zielgruppen für ein Studium zu gewinnen.

Letztendlich ist wissenschaftliche Weiterbildung und Live-long-Learning, also lebenslanges Lernen, entscheidend für die zukünftige Standortsicherung der Hochschulen unseres Landes.