Protocol of the Session on September 8, 2011

(Zustimmung bei der CDU)

Danke sehr, Herr Barthel. - Wir stimmen jetzt ab über die Drs. 6/342. Wer der Überweisung in den Finanzausschuss zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind alle Fraktionen. Damit ist der Gesetzentwurf überwiesen worden.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung der Gemeindeordnung

Gesetzentwurf Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/345

Einbringerin ist die Abgeordnete Frau Schindler. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wieder einmal gibt es eine Änderung der Gemeindeordnung. Dieses Mal ist es die vierte, wobei wir genau wissen, dass in der vorigen Legislaturperiode mehrere Änderungen vorlagen. Aber nach der Neufassung ist es jetzt auch schon wieder die vierte Änderung. Sie betrifft ein wichtiges Thema, nämlich das Gemeindewirtschaftsrecht. Ich denke, das ist auch in unser aller Interesse.

Die vielen Änderungen der Gemeindeordnung sind meistens mehreren Umständen geschuldet. Natürlich sind auch unsere Gemeinden diesem ständigen Wechsel von Rechtsrahmen und anderen Rahmenbedingungen unterlegen. Ich denke, dass wir gut daran tun, durch die Änderung der Gemeindeordnung darauf zu reagieren.

Auch politische Konstellationen hier im Haus haben immer wieder dazu geführt, dass entsprechende Änderungen der Gemeindeordnung vorgesehen waren. Ich erwarte schon in dem Redebeitrag der LINKEN zu diesem Gesetzentwurf heute, dass Sie darauf verweisen werden, dass wir das schon in der letzten Legislaturperiode hätten haben können, aber eben auch in einer anderen Konstellation. Deshalb sage ich: Wenn auch jetzt erst, dann aber nicht zu spät.

Die Gemeindeordnung bietet den Kommunen eine Reihe von Organisationsformen, in denen sie ihre Aufgaben erfüllen können, unter anderem eben auch wirtschaftliche Betätigung, geregelt im dritten Teil der Gemeindeordnung, nämlich dem Gemeindewirtschaftsrecht.

Es gibt eine verfassungsrechtliche Garantie, dass die Kommunen sich auch wirtschaftlich betätigen können. Das heißt aber nicht, dass sie ihre wirtschaftliche Betätigung unbegrenzt ausüben können. Ich betone das, weil das in der Diskussion im

mer gleich im Umkehrschluss so dargestellt wird. Auch die heute vorgelegte Gesetzesänderung ändert nichts an diesem Umstand, dass eine wirtschaftliche Betätigung nicht unbegrenzt erfolgen darf.

Diese Grenzen der wirtschaftlichen Betätigung sind in der Gemeindeordnung genau formuliert, nämlich zum einen die Grenze, die die Kommunen vor entsprechenden wirtschaftlichen Risiken schützt. Zum anderen soll sie eben dem eigenen Zweck der Gemeinden dienen und nicht vorrangig der Gewinnerzielung. Im Umkehrschluss dienen die in der Gemeindeordnung vorgegebenen Grenzen auch dem Schutz der privaten Unternehmen vor unbegrenztem Umfang der wirtschaftlichen Betätigung durch die Kommunen. Dies alles ist auch heute geregelt in § 116 unserer Gemeindeordnung. Aber in § 116 der Gemeindeordnung steht eben auch, dass die Gemeinde in den Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft wirtschaftlich tätig sein darf.

Ich habe schon zu den Grenzen der wirtschaftlichen Beschäftigung ausgeführt. Ich will sie noch einmal genau benennen. In § 116 Absatz 1 sind sie aufgeführt.

Erstens wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich die wirtschaftliche Betätigung der Kommune auf den öffentlichen Zweck beschränken muss. Dieser öffentliche Zweck liegt regelmäßig vor bei der Sicherung des Eigenbedarfs, vor allem bei der öffentlichen Ver- und Entsorgung, also der so genannten Daseinsvorsorge. Wir haben bei der letzten Änderung der Gemeindeordnung in § 116 Absatz 2 diese Betätigung erweitert, vor allem was die Energiewirtschaft betrifft.

Zweitens ist die wirtschaftliche Betätigung auch in Art und Umfang beschränkt. Sie muss im Verhältnis zur Leistungsfähigkeit, dem voraussichtlichen Bedarf und der Finanzkraft der jeweiligen Gemeinde stehen.

Diese beiden Tatbestände unterliegen der Prüfung durch die Gremien der Gemeinde, die dies beschließen müssen, der Verwaltung und auch der Kommunalaufsicht. Diese Prüfungen werden umsichtig und kritisch vorgenommen.

Nun zu der dritten Bedingung in § 116, die auch Gegenstand dieser Gesetzesänderung ist. In der jetzt geltenden Regelung wurde der Nachweis verlangt, dass die Kommune diese Aufgabe besser und wirtschaftlicher erfüllen kann als andere. Das ist die so genannte verschärfte Subsidiaritätsklausel.

Die Änderung dieser Regelung erfolgte mit dem Zweiten Investitionserleichterungsgesetz im Jahr 2003, wie gesagt, in einer anderen politischen Konstellation in diesem Haus. Die Änderung erfolgte vor allen Dingen zur Umsetzung ordnungs

politischer Leitbilder. Sie entsprach vor allem Forderungen von Teilen des Mittelstands, insbesondere von Handwerks- und Dienstleistungsunternehmen. Auch heute liegt uns wieder ein Brief des Handwerkstages Sachsen-Anhalt vor, der diese Änderung kritisch betrachtet. Wir werden in der Diskussion über diesen Gesetzentwurf bestimmt noch ausführlich darauf eingehen.

Ich möchte auch schon jetzt darauf hinweisen, dass in dem Evaluierungsbericht, der im Jahr 2009 zur Überprüfung dieser Regelung angefertigt wurde, deutlich wurde, dass das Ziel dieser Gesetzesänderung nicht erreicht wurde und dass sich auch die ganzen Bedenken, die im Vorfeld angeführt wurden, nicht bestätigt haben.

Ich habe es schon ausgeführt. Die Rahmenbedingungen für die Kommunalwirtschaft haben sich entschieden geändert. Schon durch die Öffnung ehemals allein den Kommunen vorbehaltener Betätigungsfelder sind diese in den Wettbewerb gekommen. Von wesentlicher Bedeutung sind hierbei insbesondere die Neuregelungen der Energiewirtschaft.

Kommunen und ihre Unternehmen wollen sich ständig diesen veränderten Wirtschaftsbedingungen stellen, sie werden sich diesen stellen, aber sie wollen diesen Wettbewerb auch fair führen. Es muss ihnen möglich sein, wirtschaftlich zu arbeiten mit all den Vor- und Nachteilen, natürlich unter den Bedingungen, die ich vorhin schon genannt habe, mit den Einschränkungen durch die Gemeindeordnung. Kommunale Wettbewerbsunternehmen wie die Stadtwerke, die im Wettbewerb mit anderen Energieunternehmen stehen, würden sonst in ihrer Marktfähigkeit infrage gestellt. Das möchten wir unseren Kommunen nicht zumuten.

Die mit der verschärften Subsidiaritätsklausel einhergehende Beweislastumkehr erforderte zum Beispiel, dass von Stadtwerken die Herausgabe interner Unternehmensunterlagen gefordert wurde. Dies ist im Wettbewerb unzumutbar.

Auch mit dem vorliegenden Gesetzentwurf bleibt eine Subsidiaritätsklausel. Auch mit diesem Gesetzentwurf wird es keine übermäßige wirtschaftliche Betätigung von Kommunen geben. Aber auch zukünftig sind der wirtschaftliche Wettbewerb und der Vergleich notwendig, eben unter gleichberechtigten Bedingungen. Dies wird mit dieser Gesetzesänderung angestrebt. Ich bitte darum, den Gesetzentwurf zur Beratung in den Innenausschuss zu überweisen. - Danke schön.

(Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr, Frau Schindler, für die Einbringung. - Für die Landesregierung spricht der Minister für Inneres und Sport Herr Stahlknecht.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Schindler hat vollumfänglich vorgetragen, warum es die regierungstragenden Fraktionen für erforderlich halten, den Status quo ante von 2001 wieder einzuführen.

Als wir das Gesetz damals in der Tat in einer schwarz-gelben Konstellation beschlossen haben, lag dem zugrunde, dass eine wirtschaftliche Betätigung einer Kommune nur dann zulässig sei, wenn sie den Zweck besser und wirtschaftlicher als ein anderer erfülle oder erfüllen könne.

Ich muss ganz offen sagen, ich habe dem damals zugestimmt. Aber ich habe schon damals Zweifel daran gehabt, dass einer Kommune diese Beweisführung überhaupt gelingen könne,

(Herr Dr. Thiel, DIE LINKE: Das ist interes- sant!)

weil es äußerst schwierig ist, solche Sachen auch in einem Rechtsverfahren beweissicher darzustellen. Weiterhin war die Überlegung, dass sich private Unternehmen durch diese Subsidiarität - Sie haben das alles genau beschrieben - weitere Märkte - ich benutze bewusst nicht den Begriff „neue Märkte“; der ist mittlerweile negativ besetzt - erschließen könnten.

Das hat sich - Sie haben auf die Evaluierung angespielt - nicht bewahrheitet, sodass man nach einer Zeit sagen muss, dass das, was der Gesetzgeber damals wollte, nämlich eine weitergehende wirtschaftliche Betätigung privatwirtschaftlicher Unternehmen, dadurch nicht organisiert worden ist. Darüber hinaus ist die Rechtslage, was die Beweislast angeht, schwieriger gemacht worden, sodass es gute Argumente dafür gibt, zu dem alten Zustand, den wir vorher hatten, zurückzukehren.

Das wird auch dazu führen, dass die Handlungsfähigkeit der Kommunen und ihrer Unternehmen gestärkt wird und dass wir dadurch einen etwas ehrlicheren und offneren Wettbewerb haben, weil wir dann nämlich auch Kommunen als Teilnehmer am Wettbewerb haben, die am Ende auch über den Markt den Preis regeln werden. Insofern haben wir aus der Sicht der Landesregierung völliges Verständnis für den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen und würden uns einer Überweisung in die Ausschüsse nicht widersetzen. - Herzlichen Dank.

Danke sehr, Herr Minister. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht der Abgeordnete Herr Grünert.

Doch zuvor möchte ich mitteilen, dass der Tagesordnungspunkt 21 zum Schluss aufgerufen wird.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf - ich fasse es einmal zusammen - soll als einzige Regelung die verschärfte Subsidiaritätsklausel abschaffen und durch die einfache Subsidiaritätsklausel ersetzen, also den Zustand von vor 2002 wieder herstellen. Dafür hätte man jetzt nicht zehn Minuten reden müssen.

Ich hätte eher erwartet - Frau Schindler, da haben Sie vollkommen Recht -, dass Sie im Ergebnis von fünf Jahren intensiver Bemühungen Ihrerseits, also der Koalitionsfraktionen, im Rahmen des kommunalen Wirtschaftsrechts eine Zukunftsfähigkeit der Aufgaben der Daseinsvorsorge unter wirtschaftlichen Aspekten darstellen. Das habe ich vermisst. An dieser Stelle, so muss ich sagen, wäre ein bisschen weniger vielleicht ein bisschen mehr gewesen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Das heißt also, die Neuausrichtung der wirtschaftlichen Betätigung der Kommunen steht schon vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise, steht vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und steht auch vor dem Hintergrund der zukünftigen Handlungsfähigkeit zur Sicherstellung des öffentlichen Zugangs zu Bildung, zu Kultur, zu Freizeit und Sport.

Die Liberalisierung, wie sie damals mit den Stimmen von FDP und CDU beschlossen worden ist, unter der Maßgabe, den Staat so weit wie möglich auf die Kernkompetenzen zu beschränken, führte an dieser Stelle offensichtlich überhaupt nicht zum Ziel, weil es im Prinzip - da hat der Minister vollkommen Recht - nicht machbar ist, einen justiziablen Vergleich herzustellen, weil kein privates Unternehmen gegenüber einem öffentlichen darstellen wird, wie seine Unternehmensphilosophie und seine Ergebnisse sind, sodass ein Vergleich an dieser Stelle vollkommen irrelevant war.

Ich möchte auch noch ganz kurz auf die Frage der Verschiebung eingehen in der Erwartung, dass wir uns tatsächlich einmal inhaltlich dazu äußern. Wir hatten ja wirklich fünf Jahre lang einen Verschiebebahnhof, wenn man bedenkt, dass unser Gesetzentwurf im Januar 2007 und der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen im Oktober 2007 eingeführt wurden.

Wenn man beide Gesetzentwürfe zusammennimmt, dann gab es insgesamt sieben Verschiebungen im Innenausschuss. Mal war es noch die Anhörung; da waren wir d’accord. Wir haben gesagt: Wir müssen prüfen, was gelaufen ist. Dann gab es aber noch Klärungsbedarf; dann gab es Klärungsbedarf innerhalb der Fraktionen; dann gab es Klärungsbedarf innerhalb der Koalitionsfraktionen. Und dann gab es das Zauberwort: Wir machen jetzt eine Evaluierung des kommunalen Wirt

schaftsrechts. Frau Schindler, das war nicht im Jahr 2009; das war im Jahr 2008.

Im Jahr 2008 ereilte uns ein fünfseitiges Papier, in dem die wesentlichsten Aussagen aus der Anhörung zusammengefasst waren. Aber eine Evaluierung in der Hinsicht, Wirtschaftsrecht neu gestalten zu wollen, gab es in dieser Form nicht. Das war also ein Stück weit - ich sage einmal - Makulatur und brachte die Sache überhaupt nicht weiter.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Schlussfolgerung ist - das ist unsere Erwartung; wir werden der Überweisung dieses Gesetzentwurfs in den Ausschuss zustimmen -, dass wir nach der Ankündigung des Innenministers hinsichtlich einer Nachjustierung - entschuldigen Sie, das neue Wort, das Sie heute Morgen geprägt haben, ist noch nicht mein Sprachgebrauch, also die Stellschrauben nachzuziehen -, davon ausgehen, dass es ernsthafte Bemühungen geben wird, die Gemeindeordnung nicht durch drei Gesetze gleichzeitig, sondern durch ein umfängliches Gesetz tatsächlich auf die neue Zuständigkeit, auf die neue Zeit abzustimmen.

Darauf hebt auch meine Erwartung ein Stück weit ab; denn ich möchte nicht, dass Sie auf der einen Seite den Untergang der kommunalen Selbstverwaltung und die Entmündigung von Ortschaftsräten deklarieren, uns auf der anderen Seite aber dann, wenn es um die Frage der Ausformulierung geht, auf den Sankt-Nimmerleins-Tag vertrösten. Ich denke, das haben unsere Gemeinderäte auch nach der Gemeindegebietsreform nicht verdient.

(Zustimmung von Frau Dr. Klein, DIE LIN- KE)

Was die Ausschussüberweisung betrifft, schlage ich vor, den Gesetzentwurf zur federführenden Beratung in den Innenausschuss und zur Mitberatung in den Wirtschaftsausschuss zu überweisen.