Protocol of the Session on December 10, 2014

Ich glaube, es sitzen andere auf der Anklagebank. Das sieht man auch im Stabilitätsrat. Die Haushaltsnotlageländer sind die mit einer viel längeren Tradition in dieser Republik als wir. Das sind insbesondere die Stadtstaaten und das Saarland, das ist bekannt. Aber selbst ein so systembedeutendes Flächenland wie Nordrhein-Westfalen macht den Analysten zunehmend Sorgen, weil es sich auf die Folgen des Paradigmenwechsels im Jahr 2020 nur sehr behäbig einstellen möchte.

Ob der Fiskalpakt und die Stabilitätskriterien des Bundes eingehalten werden können, wenn sich Nordrhein-Westfalen verweigert, daran gibt es berechtigte Zweifel. Denn die Systemrelevanz dieses Landes ist so groß, dass es durch eine seriöse Haushaltspolitik in den ostdeutschen Bundesländern schwer zu kompensieren sein würde.

Das Jahr 2020 ist nicht in weiter Ferne. Das ist round about in fünf Jahren, in der Mitte der kommenden Legislaturperiode. Bis dahin liegen noch eine Menge schwieriger Entscheidungen vor uns. Wir werden uns nicht davor drücken können, diese Entscheidungen auch in Form von Veranschlagungen im Haushalt auf den Weg zu bringen. Das haben wir in den vergangenen Haushaltsplänen gemacht und das haben wir auch mit dem vorliegenden Haushaltsplanentwurf gemacht.

Man muss selbstkritisch zugeben, dass es sicherlich falsch wäre zu behaupten, dass man alles in rosaroten Zahlen malen könnte. Ohne Frage gibt es auch in diesem Haushaltsplanentwurf Baustellen, die uns alle umtreiben und die wir natürlich auch nicht einfach ignorieren können.

Wir reden nachher wieder ergiebige fünf Minuten über das FAG. In fünf Minuten wird das aber sicherlich nicht darzustellen sein. Daher muss man auch an dieser Stelle fairerweise einen Schwenk in Richtung der Kommunalfinanzen machen.

Ich fange einmal andersherum an. Ich hatte dieses Element immer in meinen Reden. Pünktlich zur Verabschiedung des Landeshaushalts hat auch die Landeshauptstadt immer über ihren Haushalt beraten. Es wird offenbar auch für die Magdeburger in jedem Jahr schwieriger. Ich kann mich daran erinnern, dass wir noch vor zwei Jahren Applaus bekommen haben; damals hat der Oberbürgermeister gesagt, es sei das beste FAG gewesen, das er in der Geschichte der Stadt habe erleben können. Ich hatte mir schon Sorgen gemacht, ob wir damit nicht ein Stück weit überzogen haben, zumindest was die finanzielle Ausstattung der kreisfreien Städte angeht. Doch das war sicherlich ein ernst gemeinter Dank dafür, dass man versucht hat, unter dem Postulat der Aufgabenangemessenheit eine Finanzausstattung zu organisie

ren, die aus der Sicht der kreisfreien Städte halbwegs auskömmlich war.

Im Haushaltsplan für das Jahr 2014 haben wir die Kategorie der Demografie, höchste Einwohnerzahl auch innerhalb der kreisfreien Städte, etabliert, was für Magdeburg überraschenderweise Mindereinnahmen von 3 Millionen € bedeutet hat, und zwar kurz vor der Verabschiedung des Haushaltsplans. Das haben sie aber hinbekommen.

In diesem Jahr war von einem Defizit in Höhe von 17 Millionen € die Rede. Die Stadt Magdeburg hat dieses Defizit ausgeglichen, indem sie es gegen Rücklagen gebucht hat. Dazu sage ich einmal: Wenn man Rücklagen von 17 Millionen € hat, die man zum Haushaltsausgleich heranziehen kann, dann ist das eine tolle Sache. Das würden wir uns als Land auch wünschen. Wir haben das mit der Steuerschwankungsreserve quasi auch gemacht. Angesichts dessen kann man aber nicht behaupten, dass das FAG eine Katastrophe wäre. Das muss man ganz klar sagen.

Die Kritik am FAG - es gibt auch aus den Reihen meiner Fraktion viele Punkte, über die man reden muss und über die wir auch garantiert reden werden - darf man nicht auf die Höhe der Finanzausgleichsmasse reduzieren. Das sind 1,49 Milliarden € im Jahr 2015. Fairerweise muss man sagen, dass außerhalb des FAG fast noch einmal der gleiche Betrag in den Landeshaushalt eingestellt ist; denn mit den sonstigen Leistungen summiert sich der Nettotransfer an die Kommunen auf einen Betrag von 3 Milliarden €. Das sind rund 30 % des Gesamtvolumens des Landeshaushalts.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Zu sagen, dass wir uns auf Kosten der Kommunen konsolidieren, ist eine sehr verkürzte Analyse der tatsächlichen Situation.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Es ist natürlich richtig, dass hinterfragt wird - diese Kritik höre ich auch; ich bin auch kommunalpolitisch unterwegs -: Muss es denn sein, dass wir außerhalb des FAG noch Mittel in diesem Volumen haben? Wäre es nicht besser, wenn man unter der Überschrift kommunale Selbstverwaltung den Kommunen mehr Geld anvertraute und das entsprechend dem Prinzip der kommunizierenden Röhren an anderer Stelle abzöge? - Ich glaube, das ist die richtige Diskussion.

Die Erwartung, dass wir die Zuweisungen nach dem FAG, die in der Vergangenheit bei 1,6 Milliarden € gelegen haben, auf diesem Niveau einfrieren und sie für die Zukunft fortschreiben und dass alles, was an Steuerwachstum hinzukommt, dort verbleibt, wird sich nicht erfüllen lassen, wenn man Verantwortung für den Landeshaushalt übernimmt. Ich glaube aber auch nicht, dass das die Forderung ist.

Ich habe die Forderung vielmehr so verstanden: Wenn ihr den Grundsatz der Aufgabenangemessenheit zugrunde legt, dann zieht das durch und ändert nicht die Spielregeln, wenn ihr nicht in den Verdacht geraten wollt, systemfremde Kürzungen zu organisieren.

Ich werde bei der Debatte über das FAG nachher sagen, wie man ein System, das wir grundsätzlich für richtig halten, umsetzen muss. Das ist ein System, das aus Sicht der Kommunen wesentlich komfortabler ist als die Verbundquote. Die Verbundquote bedeutet, dass sich die Zuweisungen an die Kommunen nach der Kassenlage richten: Wenn die Steuern sinken, dann sinken die Zuweisungen nach dem FAG, wenn die Steuern steigen, dann steigen die Zuweisungen nach dem FAG. Aufgabenangemessen bedeutet, dass wir die Zuweisungen an dem tatsächlichen Finanzbedarf festmachen. Das muss man dann aber auch tun. Es gibt Kritikpunkte, die wir nicht abschließend klären konnten. Darüber muss geredet werden.

Der Hauptkritikpunkt lautet - den habe ich von fast jedem Bürgermeister und Landrat gehört -: Das FAG in dieser Form versteht, was die Berechnungsgrundlage angeht, kein Mensch mehr. Wir sehen es beim Steuerrecht: Gesetze, die niemand versteht, sorgen für zunehmende Ablehnung. Diese Gesetze finden keine Akzeptanz. Sie müssen gestrafft und vereinfacht werden. Das ist beim FAG - das ist das komplizierteste Gesetzeswerk, das wir im Land haben - schwer zu vollziehen. Wir werden uns der Aufgabe aber stellen müssen.

Es ist für einen Abgeordneten und für die Mitglieder unserer Fraktion alles andere als vergnügungssteuerpflichtig, wenn unsere eigenen Bürgermeister und Landräte auf dem Domplatz demonstrieren. Das ist völlig klar. Das befriedigt niemanden und das kann auch niemand ignorieren.

Daher haben wir es als Auftrag verstanden, diesen Protest ernst zu nehmen und in der Zukunft an dieser Stelle Dinge zu entscheiden, die dafür sorgen, dass die Akzeptanz steigt und wir diese Konsolidierungspartnerschaft zwischen Land und Kommunen leben und sich in Zahlen niederschlagen lassen. Dazu sind wir bereit. Ich denke, dazu gibt es fraktionsübergreifend keinen Widerstand.

Lassen Sie mich am Ende meiner Rede zu einigen Dingen kommen, die aus unserer Sicht, auch mit Blick nach vorn und mit Blick auf die Frage, wie zukünftige Regierungen Finanzpolitik in SachsenAnhalt betreiben müssen, wichtig wären.

Erstens. Um den Vorgriff auf zukünftige finanzielle Ressourcen - das sage ich an dieser Stelle immer wieder gern - zu beenden, muss die Möglichkeit einer Neuverschuldung gesetzlich unterbunden werden.

(Zustimmung bei der CDU)

Das haben wir bereits in der Landeshaushaltsordnung verankert. Wenn es nach uns geht, dann würden wir es in der Landesverfassung verankern, wie es übrigens andere Koalitionen unter schwarzgrün oder schwarz-rot schon hinbekommen haben. Ich glaube, auch mit Blick auf den Fiskalpakt wäre es an der Zeit, diese Selbstbindung zu organisieren. Das ist ein Punkt für die Generationengerechtigkeit, der auch Verfassungscharakter haben könnte.

Zweitens. Wirtschaftspolitische Maßnahmen gegen Konjunkturdellen sollten nur durch Rücklagen finanziert werden und nicht durch die Aufnahme neuer Schulden. Das ist die Idee der Steuerschwankungsreserve, die wir schon haben. Für den Fall, dass wir vorübergehend Mittel benötigen, die über unsere aktuellen Einnahmen hinausgehen, darf auf diese Rücklagen auch künftig zugegriffen werden. Dies ist natürlich immer mit dem Auftrag verbunden, diese dann wieder zu speisen und aufzustocken, damit wir diese 500 Millionen € tatsächlich irgendwann erreichen.

Drittens. Der Pensionsfonds muss so ausgestattet werden, dass die Rücklagen inklusive der Zinserträge der Höhe künftiger Pensions- und Rentenzahlungen entsprechen. Das ist auch etwas, das niemand, der sich mit dem schwebenden Pensionslasten auseinandergesetzt hat, ignorieren kann. Dafür muss Vorsorge getroffen werden; denn dies ist im Haushaltsvollzug nicht zu erwirtschaften.

Selbst in den schlechten Zeiten haben die Anleger im Finanzministerium in diesem Bereich eine respektable Rendite erwirtschaften können. Insofern hat sich die Idee des Pensionsfonds längst bewährt. Die Sachsen haben das noch besser gemacht als wir. Sie haben die Jahrgänge komplett ausfinanziert, aber ihnen geht es finanzpolitisch auch etwas besser. Daher ist Sachsen unser Vorbild; das erreichen wir auch irgendwann.

Der vierte Punkt ist ganz evident für die Frage der Generationengerechtigkeit: Vorhandene Schulden müssen langfristig und planmäßig abgebaut werden. Egal wie groß die Schritte sind, ob 100 Millionen € oder 200 Millionen € - jede Million, die wir abbauen, ist ein Stück mehr Gestaltungsspielraum für unsere Kinder.

Ich komme zum Top-down-Verfahren. Das Topdown-Verfahren hat den größten Charme für den Finanzminister - das ist klar. Diese Idee wurde vom Bundesfinanzminister übernommen.

Die Kritik von Herrn Knöchel, der sagt, wir limitieren die parlamentarische Gestaltungskraft mit diesem System der Eckwerte, ist ein Stück weit richtig. Das kann man auch nicht kleinreden.

Die Planungssicherheit liegt im Wesentlichen aufseiten der Landesregierung. Wir haben uns, um

den Koalitionsfrieden zu wahren, selbst gebunden, in dem wir weitere Vereinbarungen verabredet haben, zum Beispiel nicht Eckwerte übergreifend umzuschichten und andere Eckwerte nicht zu kannibalisieren. Dadurch haben wir unseren Gestaltungsspielraum auf den Bereich innerhalb der Eckwerte limitiert.

Es stellt sich durchaus die Frage, ob das immer richtig ist und ob das immer gut ist. Es gibt durchaus berechtigte Kritik an dem System. Es ist aber tatsächlich hilfreich, dass man den Häusern, wenn man den Eckwert richtig berechnet, ein Stück weit Planungssicherheit und Verlässlichkeit für das Jahr gibt.

Wir alle kennen das Problem, dass das alte System immer dazu geführt hat, dass Mittelabflüsse im November und im Dezember organisiert wurden und dass das Novemberfieber teilweise zu sinnfreien Ausgaben geführt hat. Ich habe allerdings den Eindruck, dass wir beim Mittelabfluss auch mit dem Top-down-Verfahren nicht wirklich ein gutes Stück vorangekommen sind. In manchen Häusern sind die Mittelbindungen noch hoch problematisch.

Den Häusern zu sagen „Wenn ihr die Eckwerte unterschreitet, dann führt das nicht sofort dazu, dass das Geld vom Landeshaushalt eingesackt wird, sondern es kann übertragen und im nächsten Jahr sinnvoll ausgegeben werden.“, hat einen großen Charme. Es setzt aber voraus, dass der Eckwert der Höhe nach richtig berechnet wurde.

Wir sehen ein paar Auffälligkeiten in einzelnen Einzelplänen, die eine Bugwelle vor sich herschieben. Wenn dort in einem Jahr Mittel abgeschöpft würden und der Eckwert reduziert werden würde, dann würde auch nichts passieren, weil der Ausgaberest von Jahr zu Jahr gleich bleibt. Das muss man sich sicherlich noch anschauen.

Was für uns momentan ein untragbarer oder zumindest undurchsichtiger Zustand ist, ist das Verfahren der Übertragung von Ausgaberesten und deren Finanzierung in den Folgejahren.

Ich habe mir gemeinsam mit meiner Kollegin lange Gedanken darüber gemacht, wie man das sinnvoll machen kann. Man muss sagen, dass der Rückgriff auf die Steuerschwankungsreserve nicht wirklich eine gute Idee ist. Dafür haben wir vermutlich zu Recht harsche Kritik vom Landesrechnungshof bekommen. Daher muss dieses Thema Ausgabereste noch einmal weiterentwickelt werden.

Die Deckungskreise - das war ein schönes Thema bei den Haushaltsberatungen - legen im Prinzip den politischen Willen, den wir teilweise auch im Haushaltsplan verorten, hinterher wieder in Schutt und Asche, indem die Mittel an Stellen abfließen, an denen wir sie nicht haben wollten. Dort sind Strukturen gewachsen, die wir teilweise nicht mehr durchblicken.

Wir haben uns ein wenig davor gescheut. Aber vielleicht hat man in der nächsten Legislaturperiode die Kraft, den großen Resetknopf zu drücken und zu sagen, wir fangen noch einmal bei null an und schauen, welche Deckungskreise ein solcher Haushaltsplan tatsächlich benötigt, um das auch aus der Sicht der Abgeordneten planbar und übersichtlich zu gestalten.

Werte Kolleginnen und Kollegen! Gern möchte ich zum Ende meiner Rede die Gelegenheit nutzen, mich bei meinen Mitstreitern im Finanzausschuss für die konstruktive und engagierte Haushaltsberatung zu bedanken.

Zu allererst möchte ich mich bei meiner eigenen Arbeitsgruppe bedanken. Ich hatte den Eindruck, dass unsere Arbeitsgruppe gerade bei den schwierigen Sitzungen des Finanzausschusses in dieser Legislaturperiode besonders gut funktioniert hat. Das war auch wichtig. Ich hatte allerdings nicht den Eindruck, den Herr Minister Bullerjahn vorhin wiedergegeben hat, dass das besonders ruhige Haushaltsberatungen waren.

(Herr Schröder, CDU, lacht)

Das ist vielleicht eine Art gefühlte Ruhe gewesen. Ich werde jetzt ein wenig sticheln: Der Kollege Richter könnte das vielleicht besser einschätzen; denn er war bei jeder Sitzung anwesend und hat sie von vorn bis hinten begleitet.

(Zustimmung bei der CDU)

An dieser Stelle muss man auch ausdrücklich den Fachreferenten der Fraktionen, der Landtagsverwaltung, dem Landesrechnungshof und allen Ministerien, die im Rahmen unserer Beratungen im Haushaltsausschuss ihre Einzelpläne erläutert und unsere Fragen beantwortet haben, für die gute und konstruktive Zusammenarbeit danken.

Der Dank meiner Fraktion - das habe ich bereits in der Bereinigungssitzung getan - geht an den neuen Ausschussvorsitzenden Herrn Kollegen Knöchel. Ich gebe zu, wir hatten alle etwas Sorge, dass dieser Wechsel an der Ausschussspitze die Haushaltsberatungen in ihrem Fluss vielleicht etwas beeinträchtigen würde. Das war erklärtermaßen nicht der Fall. Im Gegenteil: Die Bereinigungssitzung endete nur 23 Minuten später, als die ursprüngliche Planung vorsah. Respekt, Herr Knöchel, das haben Sie gut gemacht. Daher auch dafür unseren Dank.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Herrn Schröder, CDU, und von Frau Budde, SPD)

Zu allerletzt bedanke ich mich wie in jedem Jahr auch beim Finanzminister und bei seinen Staatssekretären stellvertretend für das gesamte Haus. Ich habe Herrn Richter nicht deshalb vorhin genannt, weil er CDU-Staatssekretär ist, sondern weil

man ohne Neid sagen muss, dass er gemeinsam mit Frau Heinze während der gesamten Haushaltsberatungen die Fahne für das Finanzministerium hochgehalten hat. Das darf man hier ruhig einmal erwähnen.

(Zustimmung bei der CDU)