Protocol of the Session on November 14, 2014

Schmuggel und Konsum von Crystal Meth in der deutsch-tschechischen Grenzregion. Darin sind Verantwortliche der Polizei, des Bundeskriminalamt sowie des Zollkriminalamtes vertreten.

Für unsere Polizeivollzugsbeamten und -beamtinnen führte die Fachhochschule der Polizei in Sachsen-Anhalt zwischen 2007 und 2012

83 Fortbildungsmaßnahmen mit insgesamt 1 201 Teilnehmern zu den Themen Betäubungsmittel, Betäubungsmittelkriminalität und Drogen im

Straßenverkehr durch. Die dort behandelten Inhalte werden regelmäßig aktualisiert, um auf neue Trends in der Drogenszene aufmerksam zu machen. Außerdem wird seit diesem Jahr ein Lehrgang angeboten, der schwerpunktmäßig die Thematik der synthetischen Drogen beinhaltet.

Ein positives Beispiel für Suchtprävention ist das Projekt Mindzone, das seit 1996 in Bayern aktiv ist. Ehrenamtliche informieren dabei direkt in Diskotheken und Kneipen über jegliche Arten von Drogen und deren Auswirkungen. So sollen die Jugendlichen sensibilisiert werden und auf die Gefahren von Crystal Meth und anderen Rauschgiften aufmerksam gemacht werden.

In Zukunft gilt es, das politische Augenmerk besonders auf die Sucht- und Drogenprävention zu lenken.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Vor allem Jugendliche müssen auf das weite Spektrum der Gefahren des Crystal-Meth-Konsums aufmerksam gemacht werden, damit sie der Verlockung widerstehen.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Zwar wollen viele während ihrer Jugendzeit Drogen nur einmal ausprobieren, aber schneller als erwartet führt der unüberlegte Spaß zu einer jahrelangen Abhängigkeit, die die Konsumenten und auch deren Umfeld nachhaltig physisch und psychisch schädigt.

Deshalb und vor dem Hintergrund der zunehmenden Zahl von Betroffenen, der zunehmenden Fahndungserfolge - die Meldung von gestern bestätigt das - und der zunehmenden Wortmeldungen aus Fachkreisen haben wir uns entschlossen, dieses Thema auf die Tagesordnung des Hohen Hauses zu setzen.

Wir haben uns nach intensiver Beratung entschieden, zunächst die Sachlage abzufragen, und zwar nicht nur aus den Medien, sondern von Fachleuten, und daraus die notwendigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Zudem ist es uns wichtig, dieses Thema nicht nur im Bereich des Sozialausschusses zu debattieren und zu diskutieren. Deshalb haben wir beantragt, die Ausschüsse für Inneres und Sport, für Recht, Verfassung und Gleichstellung sowie für Bildung und Kultur in die Diskussion einzubeziehen. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU)

Danke sehr für die Einbringung, Frau Dr. Späthe. - Für die Landesregierung spricht Minister Bischoff.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dass dies ein wichtiges Thema ist, das zurzeit insbesondere in den neuen, den östlichen Bundesländern stark um sich greift, was in den alten Bundesländern bisher nicht so der Fall ist, haben wir bei den Fachministerkonferenzen gemerkt. Bayern - darauf hat Frau Dr. Späthe hingewiesen - ist in diesem Bereich sehr aktiv, obwohl das Problem dort noch nicht so stark verbreitet ist, auch wenn Bayern an der Grenze zur Tschechischen Republik liegt. In Bayern wurde eine Broschüre zu dem Thema herausgegeben, ein kleines Heftchen.

Wir beschäftigen uns schon seit einigen Monaten mit diesem Thema. Es gibt Hinweise zu dieser Droge - ich sage das in die Richtung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -, die erschreckend sind. Wenn man dieses Heftchen liest, dann wird man ein Stück weit heruntergeholt. Der Umgang mit dieser Droge ist in manchen Bereichen schon fast zur Normalität geworden und erfolgt in Einzelfällen kontrolliert. Gefährlicher ist aber der unkontrollierte Umgang.

Ich sehe, dass man in bestimmten Bereichen bei diesem Thema zu Übertreibungen neigt, auch ich. Ich merke, der vorurteilsfreie Umgang mit diesem

Thema erfolgt noch nicht überall. Sie haben in Ihrem Antrag geschrieben, zu diesem Thema sei alles gesagt, es stelle sich nicht mehr die Frage der Aufklärung, sondern man müsse handeln.

Ich habe den Eindruck, man muss noch ein ganzes Stück Aufklärung betreiben, sich auch selbst aufklären.

(Frau Lüddemann, GRÜNE: Dann haben Sie uns falsch verstanden!)

- Vielleicht habe ich es falsch verstanden. In der Begründung steht, die Beratung in den Ausschüssen sei obsolet, weil nicht ein Erkenntnisproblem, sondern eher ein Handlungsproblem bestehe. Das sehe ich nicht ganz so.

Die heutigen Pressemeldungen gehen auf einen Fund in Leipzig ein. Dort wurde eine Menge von 2,9 t der Chemikalie, aus der Crystal Meth gewonnen wird, sichergestellt. Diese Chemikalie benutzte man schon nach dem Ersten Weltkrieg, nur in geringeren Dosen, um die Soldaten wach zu halten. Aus der Menge von 2,9 t Chlorephedrin kann man 2,3 t Crystal herstellen. Der geschätzte Straßenverkaufswert liegt bei 184 Millionen €. Also, der Finanzminister hätte angesichts dieses Betrages sofort die Steuermindereinnahmen und Ähnliches geregelt. Aber davon will ich nicht reden. Dies soll lediglich die Größenordnung verdeutlichen.

Ich finde es wichtig, dass wir uns dieses Themas annehmen. Das machen zumindest die ostdeutschen Länder sehr stark. Es gab auch schon verschiedene Initiativen, die wir über die Fachministerkonferenz auf den Weg gebracht haben. Das Thema wurde bereits im Bundesrat debattiert. Darum haben wir verstärkt geworben, weil das Problem in den westdeutschen Ländern so noch nicht angekommen ist.

Wir brauchen Zahlenmaterial und statistisches Material, das die Vertriebswege aufzeigt. Es war für mich eine neue Erkenntnis, dass der - zumindest vorerst - Hauptbelastungszeuge im Zusammenhang mit dem Drogenfund in Leipzig ein Apotheker ist, der sich die Chemikalien besorgt hat. Die Kanäle sind vielfältig. Die Apothekerkammer, bei der ich einmal nachgefragt habe, ist der Meinung, man könnte Crystal Meth in jeder Apotheke herstellen; denn das Grundmittel ist in geringeren Dosen auch in anderen Medikamenten vorhanden.

Die Art und Weise, wie sich Crystal Meth ausbreitet, ist sehr differenziert. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis es möglich ist, Crystal Meth in Laboren und in ähnlichen Einrichtungen auch bei uns herzustellen.

Über die Auswirkungen des Crystal-Meth-Konsums hat Frau Dr. Späthe berichtet. Die Gefahr von Infektionskrankheiten ist unter anderem deshalb so hoch - das habe ich auch erst jetzt in diesem kleinen Heft gelesen -, weil Leistungsüber

schätzung und auch die Steigerung der sexuellen Erregung eine Rolle spielen. Ein Teil derjenigen, die derzeit Geschlechtskrankheiten übertragen, sind Crystal-Konsumenten. Auch darin liegt eine große Gefahr der Selbstüberschätzung; man benutzt keine Verhütungsmittel, weil man in dem Augenblick so stark euphorisiert ist.

Warum heißt es Crystal? Ich dachte erst, das wäre ein aus dem Lateinischen abgeleiteter Begriff. Neben der Tablettenform gibt es Crystal Meth auch als Pulver und in kristalliner Form. Letzteres sieht aus wie Glassplitter oder wie Eiskristalle. Darauf geht der aus dem Englischen abgeleitete Crystal zurück. Crystal Meth steht für die Amphetaminverbindung; die Kurzform ist Crystal.

Im Jahr 2009 ist Crystal Meth zum ersten Mal im deutsch-tschechischen Grenzgebiet aufgetaucht und hat sich seitdem rasend schnell verbreitet. Das liegt zum einen daran, dass Crystal Meth relativ kostengünstig zu erwerben ist. Daher ist es für fast jeden erschwinglich. Zum anderen ist es eine Droge, die nicht bevorzugt von Aussteigern konsumiert wird, sondern oft von Menschen, die sehr leistungsstark sein wollen, auch in der Industrie, in Bereichen, in denen es auf Leistung ankommt, in denen man Nächte durcharbeiten muss, wo es also eher ein Wert ist, dass jemand pausenlos arbeitet. Stichwort Managerkrankheiten usw. Wir haben es also mit einem Konsumentenkreis zu tun, der sich nicht auf bestimmte soziale Gruppierungen beschränkt, sondern er zieht sich quer durch die Gesellschaft.

Im Einstiegsstadium wirkt die Droge intensiv und der Konsum bleibt anfangs, wenn man ihn noch unter Kontrolle hat, oft unbemerkt. Aber in der Abhängigkeit, wenn man die Droge immer wieder nimmt, um den Effekt zu erzielen, wirkt sie verheerend und kann sogar zum Tod führen.

Es hat sich inzwischen vieles verändert, zumindest hier im Osten. Es wächst die Angst, dass sich diese Droge weiter ausbreitet. Es gibt schon erste Studienergebnisse. Es hat ein Fachgespräch im Bundesgesundheitsministerium mit Expertinnen und Experten, auch aus Sachsen-Anhalt, stattgefunden.

Es geht auch um die Frage der Prävention. Ich verweise auf das, was wir jetzt auch im Maßregelvollzug in Bernburg erleben, wo ich zurzeit auf dem Weg bin, dass wir ein neues Konzept brauchen. Denn für diese Gruppe ist Bernburg eventuell nicht der richtige Ort. Wir haben woanders noch Kapazitäten, etwa in Uchtspringe. Es gibt auch noch andere Ideen, wie ich seit heute weiß, die man vielleicht auch nutzen kann. Denn diese Gruppe muss anders therapiert werden, weil die von Crystal Meth Abhängigen andere Verhaltensweisen zeigen als die Patienten im Maßregelvoll

zug Bernburg, die vorrangig wegen Drogendelikten dort einsitzen und behandelt werden.

Am 11. Juli 2014 wurde die Bundesregierung per Entschließungsantrag vom Bundesrat aufgefordert, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.

Wir in Sachsen-Anhalt brauchen das hier auch. Deshalb gibt es auch eine enge Zusammenarbeit mit dem Innenministerium, um die Kanäle zu ermitteln. Wir müssen feststellen, ob es Möglichkeiten der Unterbindung gibt. Dabei bin ich etwas vorsichtig; denn nach Auskunft der Apotheker - das habe ich am Anfang gesagt - lässt sich die Droge relativ einfach herstellen.

Die Frage ist: Was nützt es, wenn wir die Wege kennen und den Handel aufdecken, wenn in der Folge die Tendenz erkennbar wird, dass die Droge auch hier ganz einfach herzustellen ist? Das muss man mit im Blick haben. Dann ist eher die Aufklärung wichtig.

Dann kommt sicherlich auch Ihr Aspekt dazu, dass das Vernetzen das wichtige ist. Denn die Suchtberatungsstellen haben sich zur Erhebung dieser Daten bereits zusammengeschlossen. In den Suchtberatungsstellen sind die Expertinnen und Experten tätig, die das in der Praxis kennen und denen die genauen Daten vorliegen.

Es gab eine Fachtagung der Landesstelle für Suchtfragen in Kooperation mit dem Landespräventionsrat im Juli 2014. Dort hat auch die Polizei über die Rauschgiftlage in Sachsen-Anhalt und die Anzahl der Delikte, die unter dieser Droge passiert sind, berichtet. Seit 2011 verzeichnet die Polizei einen erheblichen Anstieg bei Crystal Meth und hat dazu konkrete Zahlen genannt.

Am 4. November 2014, also erst in der vorletzten Woche, wurden beim Fachforum der Landesstelle für Suchtfragen die aktuellen Daten ausgetauscht und kommende Herausforderungen diskutiert. Wir brauchen diese Fachstellen der Suchtprävention in den Suchtberatungsstellen und müssen uns auf die veränderten Konsummuster einstellen.

Deshalb halte ich eine Vernetzung für wichtig und würde das auch den Suchtberatungsstellen, die öffentlich gefördert werden, empfehlen. Wenn man noch mehr macht, auch vor Ort, und dafür mehr Personal braucht, dann wäre eine Vernetzung zwischen allen Akteuren, also zwischen Polizei, Krankenhäusern, Gesundheitseinrichtungen usw., sehr sinnvoll. Ich halte das für selbstverständlich. Das wird auch gemacht.

Eines muss man jedoch sehen: Es gibt auch eine Verschiebung bei den Drogen. Heroin spielt zum Beispiel nicht mehr eine so große Rolle. Es geht jetzt eher hin zu Crystal Meth. Vor diesem Hintergrund sage ich: Es wird nicht unbedingt mehr Personal gebraucht, sondern man sollte das Personal umschulen, damit es auf diese neuen Entwicklun

gen reagieren kann. Das ist vielleicht die bessere Art, damit umzugehen. - Dies als kurze Mitteilung von mir.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Danke sehr, Herr Minister. - Es ist eine Fünfminutendebatte zu diesem Tagesordnungspunkt vereinbart worden. Als erste Debattenrednerin spricht die Abgeordnete Frau Zoschke für die Fraktion die LINKE.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ja, die Droge Crystal Meth ist angekommen und es ist Zeit, dass sich die Landespolitik des Themas annimmt. Dafür mein Dank an die Koalitionsfraktionen. Aber damit hört das Lob schon auf.

Wir sind enttäuscht darüber, dass sich das Ansinnen der Koalition zum Problem Crystal Meth auf statistische Erhebungen, auf Beschreibungen des Ist-Zustandes, auf das Zusammenwirken der Ordnungskräfte und auf recht offen formulierte Absichtserklärungen beschränkt.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Wie die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in ihrem Alternativantrag zu Recht anmerken, sind die in Rede stehenden Daten bereits auf Initiative der Opposition sehr umfassend in die Beantwortung von Anfragen eingearbeitet worden.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Unser Anliegen ist es, in Auswertung des umfangreichen Materials Schlüsse für die künftige Drogenpolitik als Ganzes zu ziehen. Natürlich muss dabei aufgrund der erfassten Lage die Droge Crystal Meth eine ganz zentrale Rolle einnehmen.

Aus unserer Perspektive sind weder Angst noch Sensationshascherei und schon gar nicht der laute Ruf nach einer Verschärfung ordnungspolitischer Hebel sinnvoll. Die Erfahrung lehrt uns, wie begrenzt und teils sogar kontraproduktiv die Wirkung der repressiven Maßnahmen in der Drogenpolitik ist.