Protocol of the Session on October 16, 2014

Im Übrigen gewährt die Bundesrepublik bereits einer großen Zahl von syrischen und irakischen Staatsangehörigen Schutz. Allein von Anfang 2013 bis Ende August dieses Jahres ist die Zahl der sich in Deutschland aufhaltenden syrischen Staatsangehörigen um 48 823 Personen und die Zahl der sich in Deutschland aufhaltenden irakischen Staatsangehörigen um 2 476 Personen gestiegen. Insgesamt leben in Deutschland mittlerweile knapp 90 000 syrische und rund 86 500 irakische Staatsangehörige.

In Sachsen-Anhalt hielten sich zum Stichtag des 31. August dieses Jahres 2 392 syrische und 1 307 irakische Staatsangehörige auf. Seit Januar 2013 wurden 1 049 syrische und 49 irakische Asylbewerber neu registriert. Im laufenden Jahr ist Syrien nach der Zahl der Asylanträge das wichtigste Herkunftsland. Der Irak liegt auf Platz 10. Hinzu kommen die Schutzsuchenden aus Syrien, die im Rahmen der vom Bund und dem Land SachsenAnhalt initiierten Aufnahmeprogramme nach Sachsen-Anhalt gekommen sind.

Allein im Rahmen der insgesamt drei Bundesprogramme nimmt unser Land rund 6 000 Flüchtlinge aus Syrien auf. Im Rahmen des Landesprogramms sind bislang weitere 110 Flüchtlinge von SachsenAnhalt aufgenommen worden. Warum Sie das nicht würdigen, Frau Quade, und so tun, als würden wir nichts tun, das entzieht sich meiner Kenntnis.

Wie Sie alle wissen, kommen derzeit auch Schutzsuchende aus anderen Weltregionen in großer Zahl nach Deutschland und damit auch nach Sachsen-Anhalt. Wir gehen derzeit davon aus, dass unser Bundesland in diesem Jahr etwa 6 000 Asylsuchende aufnehmen wird und damit so viele wie seit Mitte der 90er-Jahre nicht mehr.

Diese vielen Neuzugänge müssen menschenwürdig untergebracht werden. Das stellt die Aufnahmesysteme von Land und Kommunen vor erhebliche Herausforderungen. Wir haben gerade die ZASt um 200 weitere Betten auf 1 000 Betten ertüchtig und werden sie um 200 weitere Betten auf 1 200 ertüchtigen.

(Herr Herbst, GRÜNE: 800!)

- Wir haben jetzt 800. Wir haben ertüchtigt um 200 und werden noch einmal um 200 ertüchtigen.

(Herr Herbst, GRÜNE: Das ist dann neu! Der letzte Stand?)

- Der letzte Stand ist der, dass wir um 200 ertüchtigt haben.

(Herr Herbst, GRÜNE: Ja, ja!)

Neu ist, dass wir um weitere 200 ertüchtigen werden. - Das zeigt, Sachsen-Anhalt erbringt einen erheblichen Beitrag zum Flüchtlingsschutz. Das Land hat schon eine große Zahl von Schutzsuchenden gerade aus den Krisenregionen Syrien und Irak aufgenommen. Wir werden auch in Zukunft unserer humanitären Verantwortung gegenüber Flüchtlingen gerecht werden und Schutzsuchenden, die neu zu uns kommen, helfen.

Aber, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch den Aufnahmemöglichkeiten sind Grenzen gesetzt. Wenn wir die Menschen aufnehmen, dann müssen wir sie nicht nur menschenwürdig behandeln, sondern auch dafür Sorge tragen, dass es mit der Ruhe und Gelassenheit geschieht, die wir brauchen, um nicht irgendwelche schwierigen Situationen zu schaffen,

(Zustimmung bei der CDU und von Frau Budde, SPD)

die andere aus dem extremen Bereich nutzen, um politisches Kapital daraus zu schlagen.

(Zustimmung von Frau Take, CDU)

Insofern kann ich nur dringend davor warnen, uns nicht selbst zu überfordern - im Sinne der Menschen, die zu uns kommen, und im Sinne unseres Selbstverständnisses als Land, Frau Quade.

Ich bin selbstverständlich gern bereit, über den Antrag mit Ihnen im Innenausschuss zu diskutieren. Ich glaube, was eine Willkommens- und Ausländerpolitik angeht, ist in den letzten drei Jahren gemeinsam sehr viel geleistet worden.

(Zustimmung von Frau Budde, SPD)

Das sollte man hier vielleicht gelegentlich festhalten. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU und von Frau Budde, SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir eröffnen die vereinbarte Fünfminutendebatte mit dem Beitrag der SPD-Fraktion. Bitte schön, Frau Abgeordnete Schindler.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, man mag manchmal schon nicht mehr den Fernseher anmachen und Nachrichten schauen, wenn man täglich die Berichte über die Kämpfe in den Krisengebieten der Welt sieht. Es war auch hier im Landtag schon öfter Thema, dass Flucht, Vertreibung und vor allen Dingen diese Kriege und Krisengebiete uns erschüttern und sie uns auch nicht loslassen und unbeeindruckt lassen können.

Wir haben darüber bereits vor eineinhalb Jahren viel gesprochen, als die Flüchtlingswelle aus Nordafrika kam, und vor einem Jahr, als die Flüchtlingswelle aus Syrien begann. Nun sprechen wir darüber erneut wegen der Flüchtlingswelle, die durch den Terror des IS, des Islamischen Staats, hervorgerufen wird.

Die Dimension, mit der wir es heute zu tun haben, übersteigt vieles, was wir in der Vergangenheit gesehen haben. Wir können nicht die Augen davor verschließen und treten dem mit humanitärer Hilfe entgegen. Wir dürfen das nicht durchgehen lassen und es auch nicht nur den Nachbarländern überlassen, dieses Problem zu lösen. Die am meisten belasteten Länder Libanon, Jordanien und vor allen Dingen die Türkei - Frau Quade ist auf die Zahlen eingegangen - sind massiv betroffen. Aber auch die internationale Gemeinschaft muss humanitäre Hilfe leisten.

(Zustimmung von Frau Budde, SPD, und von Frau Niestädt, SPD)

Deutschland ist mit vielen Schritten vorangegangen. Auch die Europäische Union muss diese humanitäre Hilfe und humanitäre Aufgabe leisten.

Deutschland hat mit seinem Beschluss, wie es der Minister schon angesprochen hat, unter anderem 20 000 Flüchtlinge aus Syrien aufzunehmen, einen weiteren Schritt getan. Das ist mehr, als manch anderes europäisches Land tut. Hinzu kommen die Flüchtlinge, die im Rahmen eines Asylverfahrens nach Deutschland kommen und aufgenommen werden. Das ist aber immer noch gering gegenüber dem, was derzeit in Jordanien und in der Türkei passiert.

Wir müssen feststellen, dass das Kontingent der 20 000 syrischen Flüchtlinge noch nicht ausgeschöpft ist. Ich habe Zahlen, wonach derzeit erst 8 000 Flüchtlinge aus diesem Kontingent in Deutschland angekommen sind. Wir können hieraus also noch weitere Hilfe gewährleisten.

Auf Initiative von Außenminister Steinmeier hat am 28. September 2014 in Berlin eine internationale Flüchtlingskonferenz stattgefunden. Es gilt, in internationaler Zusammenarbeit Lösungswege zu suchen und Lösungswege zu finden. Es gilt vor allen Dingen, die Möglichkeiten der UN weiter auszuschöpfen, um internationale Hilfe zu leisten.

Wir befassen uns im Innenausschuss bereits mit verschiedenen Themen und mit verschiedenen Anträgen zur Ausländer- und Asylpolitik. In der nächsten Woche werden wir im Innenausschuss eine Anhörung zur Unterbringung von Asylbewerbern und Flüchtlingen in Sachsen-Anhalt durchführen, um gerade über das Thema zu diskutieren, wie wir in Sachsen-Anhalt diese Aufgabe lösen und wie wir sie gesamtgesellschaftlich bewältigen können. Deshalb bitte ich darum, auch diesen Antrag an den Innenausschuss zu überweisen und in die Gesamtthematik einzubeziehen. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der SPD und von Frau Brakebusch, CDU)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Schindler. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt Herr Abgeordneter Herbst. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke und hoffe, in einem sind wir uns einig: ISIS oder IS, Islamischer Staat, wie sie sich in vermessender Art und Weise nennen, ist eine verbrecherische dschihadistische Terrorbande, kein Staat, und hat keinerlei Toleranz verdient.

(Zustimmung bei allen Fraktionen)

Sie handelt ganz und gar unislamisch und unreligiös. Das sehen im Übrigen auch die allermeisten Musliminnen und Muslime so. Dafür bin ich sehr dankbar.

Meine Damen und Herren! Diese Terrorgruppe verbreitet ihre schier unsagbaren, schrecklichen Verbrechen auf eine neue Art und Weise weltweit über das Internet, indem sie Fotos und Videos online stellt. Ich weiß nicht, ob Sie die Aufnahmen vom 25. August 2014 gesehen haben, die im Internet kursiert haben, als die Terroristen eine syrische Luftwaffenbasis eingenommen und die Gefangenen, Hunderte von Männern, nackt kilometerweit durch die Wüste gescheucht haben. Sie haben sie gedemütigt, unter Schmährufen angetrieben und dann in schier unfassbarer Weise durch Genickschüsse massenweise exekutiert. Sie haben dazu gejohlt, diese Bilder aufgenommen und in das Internet gestellt. Das passiert tagtäglich. Zu diesen Taten ist diese Terrorgruppe in der Lage.

Meine Damen und Herren! Wenn wir an das blutige 20. Jahrhundert zurückdenken und an die verschiedenen Zivilisationsbrüche, die es in diesem 20. Jahrhundert gegeben hat - ob das der Zweite Weltkrieg war mit seinen Schrecken, ob das die Kriege auf dem Balkan waren, Srebrenica, ob das der Südsudan war oder Ruanda -, dann haben wir als internationale Völkergemeinschaft eines gesagt: Wir werden und können kaltblütigen Völkermord nicht mehr zulassen, meine Damen und Herren!

(Zustimmung von Frau Frederking, GRÜNE, und von Frau Niestädt, SPD)

Diese Zusagen und die Regime, die wir daraus entwickelt haben, das Menschenrechtsregime und internationale Vereinbarungen, müssen wir auch heute ernst nehmen und die müssen auch heute greifen, meine Damen und Herren!

Wir als Bundesland sind natürlich nicht außen vor. In Artikel 4 Abs. 2 unserer Landesverfassung heißt es:

„Das Volk von Sachsen-Anhalts bekennt sich … zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.“

- In der Welt und nicht nur in Sachsen-Anhalt, meine Damen und Herren! Deswegen sind wir als föderaler Teilstaat der Bundesrepublik Deutschland natürlich mit im Boot, auch wenn wir hier keine internationale Politik betreiben, meine Damen und Herren!

(Minister Herr Stahlknecht: Das habe ich auch nicht bestritten!)

- Das haben Sie nicht bestritten, Herr Minister, und Sie haben auch richtig gesagt, woher die größten Kontingente der Flüchtlinge derzeit kommen, aus Syrien und aus dem Irak, und das kommt nicht von ungefähr. Das darf uns nicht kalt lassen. Es darf uns nicht nur nicht kalt lassen, sondern wir müssen eben auch das Richtige tun.

Die Mittel, die bisher ergriffen worden sind, um das Richtige zu tun, wurden schon erwähnt. Das sind die drei bundesweiten Kontingente und das ist unser eigenes Landeskontingent, das wir selbst aufgelegt haben nach den Maßgaben, die Sie für richtig und ausreichend halten.

Meine Damen und Herren! Wir können noch mehr. Deutschland ist die viertgrößte Industrienation der Welt. Auch Sachsen-Anhalt ist ein reiches Land. Selbstverständlich müssen wir die Flüchtlinge menschenwürdig unterbringen, meine Damen und Herren und lieber Herr Minister. Die Ruhe und Gelassenheit, die Sie, Herr Minister, von uns Abgeordneten eingefordert haben, haben diese Menschen nicht, die dort tagtäglich um Leib und Leben fürch

ten müssen und durch diese Terrorbande bedroht sind.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Deswegen ist es wichtig, diesen Menschen ein Signal zu senden, sie aufzunehmen, die Bereitschaft dazu zu signalisieren und die Kontingente, die wir bereits haben, technisch so auszustatten und die Verfahren so zu entbürokratisieren, dass die Aufnahme auch zügig möglich ist.

Ich habe mich vor wenigen Tagen wieder mit einem Angehörigen von Kurden aus Nordsyrien hier aus Sachsen-Anhalt unterhalten, dessen Angehörige, eine Großfamilie, in einem dieser Kontingente, in dem 10 000er-Kontingent, sind und die seit fünf Monaten in Istanbul darauf warten, hineingelassen zu werden, weil das deutsche Konsulat einfach bürokratische Hürden aufgebaut hat und nicht einmal diese Menschen hineinlässt. Diese Familie ist finanziell am Ende durch Kredite, um den Aufenthalt dort zu finanzieren. Sie ist finanziell ruiniert. Sie ist natürlich auch nervlich völlig am Ende.

Meine Damen und Herren! Wenn wir schon solche Kontingente auflegen, dann sind wir es den Menschen auch schuldig, so nicht mit ihnen umzugehen.