Eine innovative Förderstrategie ist nicht zu vereinbaren mit der Akzeptanz hinterwäldlerischer Mitbestimmungsdefinitionen nach der Maßgabe: Als Chef weiß ich am besten, was für meine Untergebenen gut ist.
Aber solange die Landesregierung duldet, dass in den Präsentationsunterlagen der landeseigenen Marketinggesellschaft bis heute der Standortvorteil „Flexibilität hiesiger Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ auch mit der Tatsache beschrieben wird, dass 75 % der Unternehmen nicht an Tarifverträge gebunden sind, braucht man sich über den Zustand der Wirtschaftsdemokratie in diesem Land nicht zu wundern. - Vielen Dank.
Herr Präsident! Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Zweifellos ist die Mitbestimmung von Arbeitnehmern in den Betrieben eine der großen Errungenschaften, wenn nicht gar die größte Errungenschaft der sozialen Marktwirtschaft. Es dient nicht nur dem sozialen Frieden, sondern es ist auch ein starker Impuls für die Entwicklung der Wirtschaft, wenn wir starke Sozialpartner haben - Gewerkschaften, Betriebsräte -, wenn alle gemeinsam Verantwortung dafür tragen, wie wir zusammen leben, wie wir unseren Lebensunterhalt sichern und wie wir Werte schaffen.
Es gibt immer wieder Beispiele, die auch öffentlich diskutiert werden. Bei dem Beispiel der EnerconTochter WEA Service Ost in Magdeburg, wo einem Betriebsratsvorsitzenden fristlos gekündigt worden ist, womit sich heute ein Gericht beschäftigt, deutet zumindest einiges darauf hin, dass die Kündigung nicht sachlich begründet ist.
Solche Negativbeispiele muss man sehr ernst nehmen; denn sie behindern den weiteren Aufholprozess im Hinblick auf das Klima der betrieblichen Mitbestimmung in Sachsen-Anhalt und beschädigen nicht zuletzt den Ruf des Landes als Ort, in dem man gern lebt und arbeitet.
Leider lenken solche Beispiele davon ab, dass es durchaus eine Vielzahl von Fällen gibt, in denen Betriebsräte gut und konstruktiv mit der Unternehmensleitung zusammenarbeiten. Denn tatsächlich ist Sachsen-Anhalt beim Thema betriebliche Mitbestimmung und Mitarbeit gerade in den letzten Jahren ein ordentliches Stück vorangekommen.
In den Jahren 2012 und 2013 gab es in etwa 6 % der heimischen Betriebe einen Betriebsrat und einen Personalrat; im Westen sind es 7 %. Hinzu kommen 4 % der Unternehmen mit anderen Formen der betrieblichen Mitarbeitervertretung.
6 % - das klingt zunächst relativ niedrig. Bedenkt man aber den besonders hohen Anteil von Klein- und Kleinstbetrieben in Sachsen-Anhalt, dann ist das ein recht guter Wert. Denn etwa zwei Drittel der Betriebe erreichen nicht einmal die erforderliche Mindestgröße, um einen Betriebsrat zu gründen. Rund 22 % der heimischen Unternehmen können gerade einmal ein Betriebsratsmitglied bestellen, da die Zahl der Mitarbeiter 19 nicht übersteigt.
Wir haben also insgesamt knapp 90 % der Betriebe in Sachsen-Anhalt, in denen gar keine oder nur sehr schlechte Voraussetzungen für die Gründung und die effektive Arbeit von Betriebsräten gegeben sind. Hinzu kommt, dass der Organisationsgrad der Gewerkschaften in den ostdeutschen Betrieben noch immer unterdurchschnittlich ist. Zuletzt waren in Sachsen-Anhalt nur 23 % der Betriebe tariflich gebunden.
Vor diesem Hintergrund setze ich mich dafür ein, die Tarifbindung und die betriebliche Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Sachsen-Anhalt weiter zu verbessern. Die Unterschrift unter die Vereinbarung mit dem Deutschen Gewerkschaftsbund vom Frühjahr 2014 ist sicherlich nur eine Unterschrift, aber ich glaube, wenn viele Verantwortung übernehmen, diesen Aufruf mittragen und dafür werben, die Teilnahme an Betriebsratswahlen zu steigern, ist das zumindest ein gutes Zeichen.
Betriebsklima, gute Arbeit - so steht es in dem Text des DGB - sind Vorteile für das Unternehmen. Eine der wichtigsten Aufgaben, die wir kennen und die heute gerade in Bezug auf das Thema Arbeitskräftemangel vor uns stehen - das hat auch die Studie zum Ausdruck gebracht; dabei ging es nicht allein um die Unterschiede bei den Löhnen in Ost und West -, ist es, gute Bedingungen in den Betrieben zu schaffen. Gute Bedingungen in den Betrieben sind ein gutes Arbeitsklima und Familienfreundlichkeit. Dazu gehören unbedingt auch die betriebliche Mitbestimmung und ein Personalrat. Ich bin mir sicher, dass alle Fraktionen hier im Hause das ebenso so sehen.
Betriebs- oder Personalräte stärken Unternehmen und tragen dazu bei, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen motiviert sind, dass sie hinter dem Unternehmen stehen, dass sie die Werte schaffen, von denen dann auch diejenigen leben, die einen Betrieb leiten.
Darüber hinaus bekennt sich die Landesregierung in ihrem arbeitsmarktpolitischen Gesamtkonzept eindeutig zum Prinzip der Tarifpartnerschaft und der betrieblichen Mitbestimmung.
Zum Schluss noch eine Bemerkung. Ich begrüße, dass in diesem Hause hierzu eine Debatte geführt wird; denn sie gehört hierher und sie ist aktuell. Ein Unternehmen wie Enercon, das Arbeitsplätze schafft und das in Deutschland auf dem Gebiet der regenerativen Energien führend ist, könnte und sollte auch hinsichtlich der Mitbestimmung der Mitarbeiter führend sein. Deshalb kann man Enercon nur auffordern, diesen Weg zu gehen.
Danke schön, Herr Minister Bischoff. - Wir dürfen Gäste im Hause begrüßen. Ich heiße Damen und Herren der Landesverwaltung Sachsen-Anhalts als Gäste auf der Besuchertribüne herzlich willkommen.
Wir fahren in der Aussprache fort. Als Nächster spricht für die Fraktion der CDU Herr Abgeordneter Thomas.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mitbestimmung, Tarifautonomie und Sozialpartnerschaft sind die Fundamente unserer sozialen Marktwirtschaft.
Lassen Sie mich zu Beginn meiner Ausführungen einige Sätze zu den Gewerkschaften und deren Wirken sagen. Die heutige Debatte gibt mir Gelegenheit dazu.
Gewerkschaftsarbeit hat viele Fassetten und eine bewegte Vergangenheit, vor allem bei der demokratischen Emanzipation unseres Landes. Die Gewerkschaften in Deutschland können auf eine 150-jährige Geschichte zurückblicken. Am Anfang ging es um Existenzielles, um das Recht darauf, Koalitionen und Vereinigungen zu gründen, um eine Absicherung zu haben und bei Unfall oder Krankheit nicht gleich in die völlige Verarmung abzurutschen. Kurz: Es ging um das, was wir heutzutage unter den Begriffen Teilhabe, Vorsorge und Fürsorge verstehen.
Die Gewerkschaften wuchsen aus Widerstand und Verbrüderung, kanalisierten Aufruhr in gemeinsame Aktionen. Sie bezogen ihre Kraft aus dem millionenfachen Aufbegehren gegen Ausbeutung, Diskriminierung und Rechtlosigkeit.
Entsprechend rigoros ging man in der Geschichte mit den Gewerkschaften um, immer dann, wenn sie gerade nicht in das politische System passten: Sie wurden von Bismarck verboten, von Hitler zerschlagen. Diese frühen Brüche kosteten die Gewerkschaften nicht nur Einfluss, sie kosteten auch Menschenleben.
Einige von uns haben später eine Zeit erlebt, in der ein sogenannter Freier Deutscher Gewerkschaftsbund, kurz FDGB, existierte, ein verlängerter Arm der Einheitspartei SED, der bekanntlich alles andere als frei war. In dieser Phase hätte eine wirklich unabhängige Gewerkschaft eine potenzielle Bedrohung für die DDR-Regierung dargestellt. Sie hatte Angst vor der Kraft, die der Mut entfachen kann, Angst vor einer Solidarnosc wie in Polen, die für den gesamten Ostblock letztlich den Anfang vom Ende des sozialistischen Systems einläutete.
Meine Damen und Herren! Freie Gewerkschaften sind ein wesentlicher Teil der Demokratie. Sie ermächtigen zur Teilhabe, sie versetzen Arbeitnehmer in die Lage, ihre Interessen zu artikulieren, zu bündeln und erfolgreich einzufordern, sei es durch Verhandlungen oder auch durch Streik, vom Arbeitsschutz bis hin zum Tarifabschluss.
Freie Gesellschaften und freie Gewerkschaften sind untrennbar miteinander verbunden. Wo es freie Gewerkschaften gibt, gelingt oft sogar das, was lange unerreichbar schien: verkrustete Strukturen in Wirtschaft und Gesellschaft aufzubrechen und Räume zu öffnen für eine Kraft des Ausgleichs. In Deutschland haben wir dafür einen Namen: soziale Marktwirtschaft.
Inzwischen haben sich die Gewerkschaften stabilisiert und haben wieder einen Zulauf neuer Mitglieder. Das ist wichtig, denn wir brauchen diese Form der Verantwortung weiterhin.
Ich bin der Meinung, dass Wirtschaft und Gewerkschaften zusammengehören, gerade weil sie unterschiedliche Interessen vertreten. Mir ist es als Wirtschaftspolitiker durchaus wichtig, die positive Rolle der Gewerkschaften zu würdigen. Ich sage auch, dass ich die Situation der geringen Tarifbindung in Ostdeutschland als kontraproduktiv empfinde.
Meine Damen und Herren! Unternehmen und Betriebsräte sind eben Schicksalsgemeinschaften, die darauf bedacht sind, den innerbetrieblichen Interessenausgleich auch bei der Lohnfindung an der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens zu orientieren.
Diese Orientierung wird nun durch die flächendeckende Einführung von Mindestlöhnen zerstört. Ein fataler, schwerer Fehler, weil der Mindestlohn für den Einfluss der Gewerkschaften gerade in den neuen Bundesländern nicht dienlich ist. An dieser Stelle haben sich alle Förderer und Forderer des Mindestlohns einen Bärendienst erwiesen.
Aber, meine Damen und Herren, der Anlass für die heutige Aktuelle Debatte sind angebliche Vorfälle in einem angesehenen Magdeburger Unternehmen.
Man hört in diesen Tagen - Herr Thiel hat das heute hier plastisch dargestellt - viel Klassenkampfrhetorik: Da weigern sich Politiker, das Unternehmen zu betreten. Es gibt Solidaritätsbekundungen für einen einzelnen Beschäftigten. Es gibt Drohgebärden der Gewerkschaften. Zudem kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass eine groß angelegte Kampagne auch über die sozialen Netze organisiert wird.
Das finde ich sehr schade. Ich finde es deswegen sehr schade, weil das die Firma Enercon nach der Ansicht der CDU zum einen nicht verdient hat; denn die Firma Enercon ist einer der wichtigsten Steuerzahler, nicht nur der Stadt Magdeburg. Zum anderen ist Enercon ein Unternehmen, das vorbildlich bei der Lehrlingsausbildung ist und sich mitt
Jetzt führen wir hier und heute eine Debatte über ein Unternehmen, das sich gar nicht selbst äußern kann. Ich hätte mir gewünscht, dass DIE LINKE als Beantrager dieses Tagesordnungspunktes zumindest den Kontakt mit der Geschäftsführung gesucht hätte. Das konnte ich den Ausführungen des Kollegen Thiel nicht entnehmen. Das haben Sie nicht getan. Sie haben sich lieber für den populistischen Weg in die Öffentlichkeit quasi mit einem Rundumschlag entschieden.