Protocol of the Session on March 28, 2014

Weiterentwicklung des „Übergangssystems Schule/Ausbildung/Beruf“

Antrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/2928

Einbringer ist Herr Keindorf von der Fraktion der CDU. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Das Beste kommt wie so oft zum Schluss. Wir beraten heute zu einem Thema, dessen Bedeutung für das erfolgreiche Gelingen der Fachkräftesicherung in Sachsen-Anhalt in der Politik und in der Öffentlichkeit oft nicht ausreichend wahrgenommen wird bzw. unterschätzt wird.

Dies zu ändern ist eines der Ziele der Koalition. Deshalb möchte ich auch die Möglichkeit nutzen, gleich zu Beginn meiner Redezeit den Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, namentlich Herrn Wanzek, für die konstruktiven Gespräche im Vorfeld der heutigen Beratung ausdrücklich zu danken.

(Frau Tiedge, DIE LINKE: Endlich haben wir Einigkeit in der Koalition!)

Die Bewältigung des demografischen Wandels hängt auch entscheidend davon ab, ob es gelingen wird, die Fachkräftesicherung hier im Land zum Erfolg zu führen. Dabei sehe ich und sieht die Wirt

schaft noch ein Potenzial, das trotz vieler Bemühungen nicht vollständig ausgeschöpft wird.

Neben dem Bekenntnis zur Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Ausbildung, neben der Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen oder dem Ringen um das Senken von Studienabbruchquoten muss es einfach noch besser gelingen, die Maßnahmen im Übergang von der Schule in den Beruf strukturell und inhaltlich stärker auf die Anforderungen der Berufsausbildung auszurichten.

Benachteiligte Jugendliche müssen entsprechend ihrer jeweiligen Zielgruppe an eine voll qualifizierte Berufsausbildung herangeführt werden, um sie mit der Aussicht auf einen anerkannten vollwertigen Berufsabschluss zu motivieren, sie dabei bei ihrer weiteren Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen und ihnen damit reelle Chancen für den Arbeitsmarkt zu bieten.

Nahtlose Übergänge von der Schule ins Berufsleben sind heutzutage leider nicht mehr selbstverständlich. Stattdessen sehen wir uns mit einer Vielzahl von Jugendlichen konfrontiert, die ohne jeden Abschluss die Schule verlassen, die trotz Schulabschluss keine geeignete Lehrstelle finden oder die den Vertrag zu einer schon begonnenen Ausbildung vorzeitig lösen.

Der nahtlose Übergang von der Schule in die Berufsausbildung liegt also im Interesse der Jugendlichen und auch der Unternehmen unseres Landes. Mit Zuwanderung allein kann der Fachkräfteengpass nicht beseitigt werden.

Dieses Übergangssystem bzw. Übergangsmanagement umfasst, wie es in unserem Antrag zu verstehen ist, alle Maßnahmen, Projekte und Förderprogramme zur Vorbereitung junger Menschen aller Zielgruppen auf eine voll qualifizierte Berufsausbildung nach der Schule.

Neben der Berufsorientierung im Schulunterricht stehen dabei insbesondere auch Angebote für Schüler aus den verschiedenen Zielgruppen im Mittelpunkt, um ihnen einen Einstieg in eine Berufsausbildung zu ermöglichen. Weitere Instrumente zur Begleitung junger Menschen während der Berufsausbildung runden die Unterstützungsmaßnahmen im Übergangssystem Schule/Beruf ab.

Im Jahr 2012 nahmen bundesweit noch immer rund 260 000 Jugendliche eine Übergangsmaßnahme zwischen Schule und Berufsausbildung auf. Nach Schätzungen von Fachleuten des Bundesinstituts für Berufsbildung führt dies zu Kosten von jährlich bis zu 4 Milliarden €.

Trotz der demografischen Entwicklung wird in langfristigen Prognosen für das Jahr 2025 davon ausgegangen, dass ohne ein effektives Umsteuern noch immer ca. 238 000 Jugendliche mit einem jährlichen finanziellen Ressourcenaufwand von et

wa 3,3 Milliarden € im Übergangssystem versorgt werden müssen. In Sachsen-Anhalt sind mindestens 15 % der Jugendlichen am Übergang von der Schule in den Beruf auf derartige Unterstützungsmaßnahmen angewiesen.

Ich habe mir einmal die Mühe gemacht und habe versucht, alle Maßnahmen, Projekte und Programme im Übergangssystem Schule/Beruf, die ich in Sachsen-Anhalt finden konnte, unabhängig von der Zuständigkeit und der jeweiligen Zielgruppe, zusammenzutragen. Glauben Sie es mir, die richtigen Zahlen zu finden, war eine Herausforderung. Nach meinen Recherchen sind es derzeit zwischen 32 und 39 Maßnahmen oder Projekte, je nach Betrachtungsweise.

(Herr Güssau, CDU: Hört, hört!)

Darunter zu finden sind zum Beispiel die in Sachsen-Anhalt erfolgreichen Modelle der betrieblichen Einstiegsqualifizierung EQ und EQ plus sowie die Berufseinstiegsbegleitung von Jugendlichen.

Die Eingliederungsquoten der Teilnehmer, die eine Maßnahme im Übergangssystem durchlaufen haben, der Einsatz personeller und finanzieller Ressourcen pro Teilnehmer oder auch die Qualität der pädagogischen Fachkräfte sind wesentliche Qualitätsmerkmale bei der Überprüfung von Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der einzelnen Projekte und Maßnahmen.

Berufsvorbereitungsjahr, Berufsgrundbildungsjahr, ausbildungsbegleitende Hilfen und assistierte Ausbildung, Werk-statt-Schule und Schulsozialarbeit - all diese Maßnahmen bereiten Jugendliche auf den Einstieg in eine Berufsausbildung vor bzw. begleiten sie während der Ausbildung. Neue ähnliche Projekte sind bereits in der Planung.

Hinzu kommen weitere Maßnahmen und Projekte in den Kommunen. Allein im Bereich der Stadt Halle gibt es 18 geförderte Einzelprojekte, die völlig unabhängig voneinander auf die Berufsorientierung und Berufsvorbereitung von Jugendlichen abzielen. Wenn man das auf das gesamte Land hochrechnet, kann man sich einen ungefähren Überblick über den Mitteleinsatz machen.

Angesichts der Vielzahl an Maßnahmen und Programmen, die - das empfinde ich als nachteilig - auch noch von unterschiedlichen Ministerien koordiniert werden, stellt sich zwangsläufig die Frage nach effizienten und transparenten Strukturen. Diese aber sind eine wichtige Voraussetzung dafür, dass möglichst alle Jugendlichen eine voll qualifizierte Berufsausbildung erfolgreich abschließen können.

(Zustimmung bei der CDU)

Das Übergangssystem Schul/Beruf muss, so meine ich, vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Ziel muss es sein, die Angebotsvielfalt zu sichten, zu

reduzieren, zu bündeln und besser aufeinander abzustimmen. Eine strukturelle Neuausrichtung erleichtert dabei die notwendigen Abstimmungsprozesse. Zudem schont der effiziente Einsatz der zur Verfügung stehenden Ressourcen eventuell die Nerven unseres Finanzministers - er ist leider nicht anwesend - und entlastet den Steuerzahler.

(Zustimmung bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin zuversichtlich, dass die Landesregierung bei ihrer Berichterstattung noch mehr Projekte auflisten und bewerten wird, als ich Ihnen hier heute benennen kann.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Das muss jetzt nicht sein!)

Unser Antrag, der Antrag der Koalitionsfraktionen, zielt vorrangig auf eine Evaluierung des Ist-Zustands ab. Schließlich bedeutet Weiterentwicklung, dass zunächst Klarheit über den Ist-Zustand bestehen oder, falls erforderlich, auch hergestellt werden muss. Nur mit dem notwendigen Durchblick können kluge politische Entscheidungen für die Zukunft getroffen werden, die zu mehr Effizienz im Übergangssystem Schule/Beruf führen.

Die CDU-Fraktion schlägt eine Strategie der systematischen Berufsorientierung an allen Schulformen vor; darüber haben wir gestern schon diskutiert. Die zielgruppenorientierte Berufsvorbereitung von Jugendlichen, auch eine kommunale Koordinierung sehen wir als mögliche Verbesserungsmaßnahmen an.

Doch zunächst müssen wir die Ergebnisse der Landesregierung abwarten. Unser Antrag, der Antrag der Koalitionsfraktionen, schafft dafür die notwendigen Grundlagen. - Recht herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Keindorf. Der Kollege Hoffmann würde Sie gern etwas fragen. Sie wollen auch antworten. Dann bekommen wir das jetzt hin.

Vielen Dank für die Möglichkeit, Ihnen eine Frage zu stellen. - Ich möchte nur nachfragen, ob dieser Antrag so zu verstehen ist, dass er auch Projekte einschließt wie zum Beispiel die Erstausbildung für Alleinerziehende bis 27 Jahre; sie sind dann also schon etwas älter. Sind also solche Projekte wie EfA und BRITTA - ich kenne sie alle - mit einbezogen oder geht es wirklich nur um den Übergang von der Schule zum Beruf?

Ich kenne die Projekte. Auch wenn die Teilnehmer an diesen Projekten schon etwas älter sind, dienen

die Projekte dem Einstieg ins Berufsleben und sind mit einbezogen.

Vielen Dank. - Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Dorgerloh. Bitte schön, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir beobachten, dass sich der Lehrstellenmarkt grundlegend verändert. Nach Jahren der Stellenknappheit werden nun Bewerberinnen und Bewerber je nach Region und Branche mitunter händeringend gesucht. Immer öfter ist von öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen zu hören, mit denen Unternehmen potenzielle Auszubildende umwerben.

Was aus Bewerbersicht nach einer Entspannung der Situation und verbesserten Chancen klingt, darf uns nicht übersehen lassen, dass nach wie vor insbesondere schwächere und benachteiligte junge Menschen Schwierigkeiten haben, ihren Weg in das berufliche Leben zu finden.

Unser Ziel besteht darin, das Potenzial unserer Schülerinnen und Schüler vollständig auszuschöpfen. Das ist ein anspruchsvolles Ziel, das selbst bei einer zu verzeichnenden Verringerung der Schulabbrecherquote noch Hausaufgaben lässt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es liegt daher auf der Hand, dass dieses Ziel nur mit viel Unterstützung zu erreichen ist. Der uns vorliegende Antrag greift das auf.

Seine Wirkung erstreckt sich praktisch über das gesamte Bildungssystem. Er berücksichtigt die Unterstützung betrieblicher Ausbildungsstrukturen mit der assistierten Ausbildung ebenso wie die Gestaltung des Übergangs von Schule in Ausbildung über EQ und EQ Plus oder über das schulische Berufsvorbereitungsjahr.

Von herausragender und grundsätzlicher Bedeutung ist in diesem Kontext eine erfolgreiche und verbindliche berufliche Orientierung, die an allen Sekundarschulen und im Sekundar-I-Bereich der Gymnasien erfolgt, und das in einem überaus komplexen Maße.

Im schulspezifischen Kontext zur Berufswahlvorbereitung sind alle Maßnahmen enthalten, die die Entwicklung der Berufswahlkompetenz unterstützen. Dazu gehören curriculare Abstimmungen zwischen den einzelnen Fächern der Stundentafel, die Durchführung praxisorientierter Unterrichtsformen, die Zusammenarbeit mit den Berufspartnern der Agentur für Arbeit usw. usf.

Darüber hinaus können die Schüler ab der 7. Klasse zusätzlich Praxistage durchführen. Weit mehr

als die Hälfte aller Sekundarschulen nutzt diese Möglichkeit bereits mit steigender Tendenz. Wir haben das Schülerbetriebspraktikum. Wir haben BRAFO in den Sekundarschulen als festen Bestandteil des praxisbezogenen Unterrichts. Im Rahmen dieses Projektes können sich Schülerinnen und Schüler im 7. Schuljahrgang durch Schnupperpraktika in verschiedenen Berufsfeldern ausprobieren.

All das kann man in den entsprechenden Leitlinien für einen nachhaltigen Übergang von Schule in Ausbildung und Beruf nachlesen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die dem Schulabschluss folgende Phase des Übergangs in den Beruf ist nicht nur von einer Vielzahl an Maßnahmen und Aktivitäten geprägt. Sie ist auch ein Handlungsraum für eine Fülle von Akteuren: Ministerien, Berufsschulen, Betriebe, Regionaldirektionen, freie Träger etc. Sie alle arbeiten eng zusammen.

Lassen Sie mich an dieser Stelle erwähnen, dass das Kultusministerium momentan daran arbeitet, die weiteren schulischen Bildungsgänge, die dem Übergangssystem Schule und Beruf zuzurechnen sind, zu optimieren und zu vereinheitlichen. Dabei steht im Vordergrund, die Angebote nach qualitativen Maßstäben zusammenzufassen, auszubauen und in Abstimmung mit den Kammern eine Anrechnung der berufsbezogenen schulischen Leistungen auf eine duale Ausbildung zu ermöglichen.