Protocol of the Session on March 28, 2014

Danke. Ich wollte nur höflich fragen.

„Wir möchten Sie hiermit einladen, an dieser auch für unser Bundesland so wichtigen Wahl teilzunehmen und so die betriebliche Mitbestimmung, eines der wesentlichsten Fundamente der wirtschaftlichen und sozialen Stabilität unseres Landes, zu stärken.

Die betriebliche Mitbestimmung war, ist und bleibt fester Bestandteil der sozialen Marktwirtschaft und sichert zugleich den Betriebsfrieden und die Teilhabe von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern an der Gestaltung

ihrer Arbeit. Der Vergleich mit vielen anderen Industriestaaten zeigt, wie hoch die produktive Kraft des sozialen Friedens einzuschätzen ist.

Das Miteinander von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden war neben dem Ideenreichtum und der Einsatzbereitschaft der Menschen in unserem Land einer der Grundpfeiler für die wirtschaftlichen Erfolge in den vergangenen Jahren.

Wie bei jeder Wahl, so kommt es auch jetzt auf die Wahlbeteiligung an. Nur eine hohe Wahlbeteiligung stärkt die Akzeptanz der Mitbestimmung in den Betrieben, sowohl bei den Belegschaften als auch bei den Unternehmensleitungen.“

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir würden uns freuen, wenn dieser Aufruf ein bisschen dazu beitragen würde, eine hohe Wahlbeteiligung unter den wahlberechtigten Kolleginnen und Kollegen bei den Betriebsratswahlen zu erreichen.

Unter diesem Aspekt bin ich auch den Kolleginnen und Kollegen unseres Koalitionspartners besonders dankbar, dass sie mit dieser Aktuellen Debatte die Wichtigkeit dieser Wahlen hervorgehoben haben und dieses so wichtige Thema hier zu uns in den Landtag von Sachsen-Anhalt getragen haben.

(Zustimmung bei der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie wichtig funktionierende betriebliche Mitbestimmung ist und wie störend sie oft empfunden wurde und wird, lässt sich ganz deutlich an der geschichtlichen Entwicklung der Betriebsräte in Deutschland aufzeigen. Während in demokratisch legitimierten Staatsgebilden die Betriebsräte und ihr Einfluss stets an Bedeutung gewannen, wurden sie in totalitären Gesellschaftssystemen verboten oder in ihrer Bedeutung faktisch auf null reduziert. So wurden Betriebsräte während der Herrschaft des Nationalsozialismus durch das Arbeitsordnungsgesetz von 1934 faktisch verboten und durch sogenannte Vertrauensräte ersetzt.

Auch in der früheren sowjetisch besetzten Zone gab es starke Bestrebungen, die nach dem Ende des Nationalsozialismus wieder entstehenden Betriebsräte in ihrer Bedeutung zu beschneiden. Endgültig gelang das durch die Schaffung der von der SED kontrollierten Gewerkschaftsleitungen des FDGB. Die letzte Betriebsratswahl gab es deshalb in der damaligen sowjetisch besetzten Zone im Jahr 1947. Im Herbst 1948 wurden die Betriebsräte auf der sogenannten Bitterfelder Konferenz de facto aufgelöst.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Womit die nachfolgenden Betriebsgewerkschaftsleitungen hauptsächlich befasst waren, brauche ich hier eigentlich

nicht zu erwähnen - die Kollegin Budde hat dazu schon leichte Andeutungen gemacht -, ich möchte es dennoch tun, um deren „Bedeutung“ für die betriebliche Mitbestimmung zu damaliger Zeit zu erläutern. Haupttätigkeitsfelder waren zum Beispiel die Kantinenversorgung, die Vergabe von Ferienplätzen, Krankenbesuche, Ehrungen und Auszeichnungen und natürlich die ideologische Tätigkeit, die wir hierbei nicht vergessen sollten.

Dann kam die Wende und nach dem 30. September 1990 löste sich der FDGB auf. Die Betriebsgewerkschaftsleitungen verschwanden. In vielen Betrieben wurden Betriebsräte frei gewählt und erlangten ihre Bedeutung wieder. Es ist zu bedauern - darin stimme ich Ihnen, liebe Kollegin Budde, ausdrücklich zu -, dass der damalige Organisationsgrad heute nicht mehr besteht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auf die vielfachen Aufgaben der Betriebsräte, die sie mittlerweile erledigen, möchte ich hier nicht näher eingehen. Wie ich sehe, fehlt mir dazu auch die Zeit. Das ist heute zum Teil auch schon hinreichend getan worden. Gestatten Sie mir jedoch, am Beispiel einer Firma, die in meinem Heimatort tätig ist, die bedeutend kleiner ist als A.T.U., aber für die Region nicht weniger wichtig ist, die Bedeutung und Wirkungsweise von Betriebsräten in einem ihrer Betätigungsfelder kurz darzustellen.

Diese Firma war durch betriebswirtschaftliche Fehlentscheidungen der Betriebsleitung - ob bewusst oder unbewusst, sei einmal dahingestellt - in die Insolvenz geraten. Von der Leitung des Konzerns, dem die Firma damals angehörte, bereits abgeschrieben, sollte die planmäßige Abwicklung des Betriebes erfolgen und die Produktion samt Produktionsmitteln verlagert werden. Der Verlust sämtlicher Arbeitsplätze drohte.

Durch intensive Bemühungen, unter aktiver Beteiligung des - Gott sei dank - vorhandenen Betriebsrates gelang es, einen Investor zu finden, der die Produktion am Standort weiterführt, und zwar mit einem neuen Konzept, das auch unter maßgeblicher Beteiligung des Betriebsrates erstellt wurde. Viele der für die Region und ihre Menschen sehr wichtigen Arbeitsplätze konnten erhalten werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich könnte noch weitere Beispiele aufführen, aber dazu fehlt mir leider die Zeit. Ich möchte zum Schluss meiner Rede nochmals betonen, wie wichtig es ist, in Zukunft die Vorteile und Chancen der betrieblichen Mitbestimmung bewusster und kreativer zu nutzen; denn nur so kann es den Unternehmen in unserem Land gelingen, sich weiterhin erfolgreich im internationalen Wettbewerb zu behaupten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn der Goinger Kreis, ein Zusammenschluss von führenden Personalverantwortlichen deutscher Unternehmen, den Nutzen von Betriebsräten als Korrektiv und

Sparringspartner ausdrücklich betont und deren Rolle als betrieblicher Partner hervorhebt, so kann ich nur dazu aufrufen, durch die Schaffung und Stärkung von Betriebsräten in möglichst vielen Unternehmen diesen Nutzen zu bewahren und zu mehren. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr, Herr Kollege Rotter. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht die Abgeordnete Frau Latta.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die kommenden Wahlen zu den Betriebsräten durch eine Aktuelle Debatte verstärkt in die öffentliche Aufmerksamkeit zu bringen, ist ein sinnvolles Anliegen - dafür Dank an die SPD. Denn auch Betriebsräte - wie könnte es anders sein? - haben in Sachsen-Anhalt ein Nachwuchsproblem. So konnte man es vor einiger Zeit in der „MZ“ nachlesen. Dabei wurde speziell auf Halle und den Salzlandkreis verwiesen.

Ich bin mir jedoch sicher, ein hohes Durchschnittsalter und Probleme damit, Kandidaten für die Betriebsräte zu finden, gibt es auch in anderen Teilen Sachsen-Anhalts. Daher ist es gut, wenn wir hier als Politik und - das setze ich einfach einmal voraus - fraktionsübergreifend die Wichtigkeit betonen und zusammen alle Beschäftigten ermutigen, sich in diesem Bereich zu engagieren. Denn ein Anteil von lediglich 9 % der Betriebe mit Betriebsrat kann sicherlich nicht zufriedenstellend sein.

Nicht zufriedenstellend sind auch die Ergebnisse der aktuellen Studie der Hans-Böckler-Stiftung „Arbeitgebermaßnahmen gegen Betriebsräte: Angriffe auf die betriebliche Mitbestimmung“. Widerstände gegen die Gründung von Betriebsräten sind keine Seltenheit. Einschüchterungen von potenziellen Kandidaten finden immer wieder statt. So stellt es die Studie, verkürzt gesagt, dar. Gerade in kleinen und mittleren Betrieben ist dies zu beobachten. Auch finden sich einige Beispiele aus der letzten Zeit, die zeigen, inwieweit eskalierte Konflikte zwischen Unternehmen und Betriebsräten bestehen.

Demokratie findet nicht nur im Parlament statt, sie sollte als Grundprinzip in möglichst allen gesellschaftlichen Bereichen wirken, von der Kita über die Schule bis in die Familien und natürlich auch in den Unternehmen.

Beim Gang zur Arbeit hört man nicht plötzlich auf, Bürger oder Bürgerin zu sein. Gerade das ist das Verdienst der Arbeitnehmerinnenbewegung: die damalige Klasse der Arbeitnehmerinnen vollumfänglich zu einem Teil der Bürgergesellschaft gemacht

zu haben. Das ist im grünen Sinne gelebte Demokratie. Mitmachen möglich machen, das gilt auch für die Unternehmen, Betriebe und den öffentlichen Dienst und, ja, das gilt auch für die Fraktion.

Meine Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat fast von Beginn an einen aktiven Betriebsrat, und das für den Gesamtbetrieb, also auch für die im Wahlkreis Mitarbeitenden.

Prekäre Arbeitsverhältnisse, Leiharbeit, Werkverträge, befristete Verträge schwächen die betriebliche Mitbestimmung. Diese Entwicklung schwächt die Betriebsräte. Sich organisieren, eigene Interessen vertreten, das findet sich doch hauptsächlich bei der sogenannten Stammbelegschaft wieder.

Um dem entgegenzuwirken, braucht es zum Beispiel für die Betriebsräte in den Entleihbetrieben eine verbesserte Mitbestimmung. Es ist auch in folgende Richtung zu denken: Die Zahl der Leiharbeitskräfte ist bei der Größe des Betriebsrats im Einsatzbetrieb zu berücksichtigen.

Lassen Sie mich einen weiteren Punkt ansprechen, der aus grüner Sicht wichtig und vor allen Dingen für Sachsen-Anhalt von Bedeutung ist: die Zuständigkeit der Betriebsräte für die Ausbildung in einem Betrieb. Wie wir alle wissen, ist die Quote der gelösten Ausbildungsverträge in Sachsen-Anhalt sehr hoch, die dritthöchste bundesweit.

Im Jahr 2001 wurde fast jeder dritte Vertrag gekündigt. Von 2005 bis 2011 stieg diese Quote von 22,8 % auf 31 %. Als Gründe hierfür werden unter anderem Konflikte mit dem Ausbilder oder der Ausbilderin genannt, so zu lesen im aktuellen Berufsbildungsbericht. Ich denke, für dieses Problem sind Betriebsräte zu sensibilisieren.

Im Präventionsprogramm des Landes zur Verringerung von Ausbildungsabbrüchen ist zu lesen: Bei Problemen wenden sich Jugendliche zumeist an Eltern, Freunde und andere Auszubildende. Der direkte Weg zum Ausbilder oder Berufsschullehrer wird selten gesucht. Es muss künftig gelingen, eine Brücke zu bauen, die eine vermittelnde und beratende Funktion ausübt. Ich denke, diese Brücke könnten auch Betriebsräte sein.

Vielerorts werden Betriebsräte das sicherlich gut im Blick haben, anderenorts vielleicht auch nicht. Politik kann und sollte dazu beitragen, dass sie es tun, dass sich Betriebsräte ausdrücklich auch für die Azubis verantwortlich und offen zeigen. Ich denke, gerade für junge Menschen muss der Zugang zum Betriebsrat sehr niedrigschwellig gefasst sein.

Grundsätzlich fordern wir Bündnisgrünen bei dieser Thematik die Möglichkeit für Betriebsräte, bei zweifelhafter Ausbildungsqualität eines Betriebes ein Verfahren einzuleiten.

Doch so wichtig die Debatte um die Betriebsratswahlen auch ist, frage ich mich bei dem Thema doch: Wo bleibt die Novellierung des Personalvertretungsgesetzes? Dieses Gesetz regelt nämlich die Pflichten und Befugnisse der Personalvertretungen im öffentlichen Dienst.

Im Koalitionsvertrag heißt es dazu - ich zitiere -:

„Die Koalitionspartner bekennen sich zu einer Modernisierung des Personalvertretungsgesetzes des Landes Sachsen-Anhalt auch unter Betrachtung der Leiharbeiter im öffentlichen Dienst.“

Im Frühjahr 2012 fanden dazu erste Gespräche zwischen dem Land und dem Deutschen Beamtenbund statt. Soweit ich weiß, ist die Novellierung seinerzeit auch von Ver.di und dem DGB mit Nachdruck gefordert worden. Eine der diskutierten Forderungen, eine stärkere Beteiligung der Personalräte an Umstrukturierungen, ist beispielsweise ein Punkt, den wir GRÜNE dabei wichtig finden, und das nicht nur im Rahmen des öffentlichen Dienstes, sondern generell auch für die Betriebsräte.

Es wäre gut, wenn den Worten heute auch bald Taten im Hinblick auf das Personalvertretungsgesetz folgen würden. Ich denke, dabei ist die SPD wahrlich gefordert, wenn sie die zitierte Aussage aus dem Koalitionsvertrag noch in dieser Legislaturperiode umsetzen will.

Allgemein wäre es auch schön, wenn wir nach dem 31. Mai 2014 zahlreiche aktive und starke Betriebsräte in Sachsen-Anhalt hätten. Ich kann nur jeden ermutigen, sich in diesem Rahmen zu engagieren. - Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Frau Kollegin Latta. - Damit ist die Aussprache beendet. Es werden keine Beschlüsse gefasst.

Ich rufe das zweite Thema der Aktuellen Debatte auf:

Unterrichtsversorgung sicherstellen

Aktuelle Debatte Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/2937

Es ist folgende Reihenfolge vereinbart worden: BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, CDU, DIE LINKE und SPD. Zunächst wird der Antragstellerin das Wort erteilt. Es spricht Frau Professor Dr. Dalbert. Bitte sehr.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Die Schulen sind bedarfsgerecht mit Lehrkräften zu versorgen. Dabei geht es sowohl um die Absicherung der Unterrichtsversorgung, als auch um grundlegende Aufgaben zur Aufrechterhaltung von Schulqualität und Betreuung.“

Dieser Aussage im Koalitionsvertrag von CDU und SPD ist zuzustimmen.