Protocol of the Session on March 26, 2014

Frau Pieper, Vertrauensperson der Volksinitiative „Kulturland Sachsen-Anhalt retten!“:

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! „Ich stehe hier und kann nicht anders.“ - An diese im Jahr 1521 beim Reichstag in Worms von Martin Luther gesprochenen Worte, der für seine reformatorischen Thesen gegen alte, verkrustete Strukturen der Kirche auftrat und die Stimme für das Volk in der Sprache des Volkes ergriff, fühlte ich mich bei der Vorbereitung dieser Sitzung hier in der Johanniskirche erinnert.

Die Worte Martin Luthers sind Legende. Er sollte vor dem Kaiser und der Kirche seine Thesen widerrufen und antwortete darauf im Original:

„Ich kann und will nichts widerrufen, weil wider das Gewissen zu widerrufen weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir, Amen!“

So sehen das die Initiatoren der Volksinitiative auch. Wir können und wollen nichts widerrufen und geben uns, das Kulturland Sachsen-Anhalt, nicht auf.

Ich spreche heute nicht, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, für eine Partei, sondern aus voller Überzeugung für mein Heimatland Sachsen-Anhalt, das einzigartige Kulturland nicht nur in Deutschland, sondern in Europa mit seinen Denkmälern, den meisten Unesco-Welterbestätten, Theatern, Museen, Kulturvereinen und Künstlern.

Ich spreche heute zu Ihnen als eine der Initiatorinnen der Volksinitiative „Rettet das Kulturland Sachsen-Anhalt“ im Namen von Olaf Schöder, dem Opernsänger des Opernhauses Halle, Ulrich Fischer, dem Intendanten des Landestheaters Eisleben, und Tilman Schwarz, dem Vorsitzenden des Fördervereins der Oper Halle, sowie André Bücker, der als Intendant des Theaters in Dessau zeitgleich zur Teilnahme an einer Personalvollversammlung verpflichtet ist. Aber vor allem spreche ich im Namen der inzwischen schon rund 45 000 Bürgerinnen und Bürger, die dieses Anliegen der Volksinitiative unterstützen.

Die Volksinitiative hat sich - wie der Ausschussvorsitzende richtig bemerkt hat - zum Ziel gesetzt, die Kürzungen bei den Theatern im Landeshaushalt zu verhindern. Wir haben dafür innerhalb nur eines halben Jahres rund 45 000 Unterschriften bei den Bürgerinnen und Bürgern gesammelt.

Meine Damen und Herren! Auch wenn viele daran gezweifelt haben, dass das Thema Kultur die

Menschen in diesem Land in diesem Ausmaß bewegt und wir die Mindestzahl von 30 000 Unterschriften überhaupt erreichen würden - die Fakten sprechen für sich. Ich finde, das ist das schönste Liebesbekenntnis der Bürgerinnen und Bürger Sachsen-Anhalts zu ihrem Heimatland, und dafür sollten wir alle dankbar sein.

(Zustimmung bei der LINKEN und von Herrn Schröder, CDU)

Die mehr als 45 000 Unterschriften bestärken uns darin, nicht nachzulassen bei der Forderung, dass es keine weiteren Kürzungen bei den Theatern und Orchestern geben darf. Deshalb stellt uns, Herr Vorsitzender, die Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses des Landtages auch nicht zufrieden. Sie lässt viele Fragen offen, aber vor allem unsere Argumente unberücksichtigt.

Der Landtag hat mit der Verabschiedung des Landeshaushalts die Kürzung von 7 Millionen € beschlossen - trotz der starken Stimmen aus der Bevölkerung dagegen. Dafür soll es, wie erwähnt, einen Strukturanpassungsfonds für die Theater geben. Das heißt jedoch nichts anderes als weniger Geld für die Kultur im Land.

Sie, verehrte Abgeordnete, wissen: Die Theater haben sich auch in den vergangenen Jahren nicht gegen Strukturanpassungen gesperrt. Allein das Opernhaus Halle hat in der Zeit von 2009 bis 2013 Kürzungen des Zuschusses um rund 5 Millionen € hinnehmen müssen.

Die für das Jahr 2014 beschlossenen Kürzungen von 7 Millionen € bei den Theatern stehen aber in keinem Verhältnis zu den anderen Beschlüssen zum Haushalt. Sie haben 64 Millionen € mehr für die Kindertagesstätten bewilligt, obwohl wir in Sachsen-Anhalt schon immer die beste Versorgung in Deutschland hatten. Sie haben rund 70 Millionen € mehr für die Luther-Dekade bewilligt, was mich als ehemalige Staatsministerin, Herr Dorgerloh, eigentlich sehr erfreut, da wir, wie Sie wissen, gemeinsam an der internationalen LutherAusstellung 2016 in den USA gearbeitet haben, für die Sachsen-Anhalt ja auch die Kuratierung übernommen hat.

Um die Liste der Erhöhungen der Haushaltsansätze zu vervollständigen: Es gibt 45 zusätzliche Personalstellen für die Energieagentur sowie 20 Millionen € für Investitionen in ein Finanzamt. Ich höre, es soll noch mehr werden. Nichts gegen das Finanzamt, meine Damen und Herren. Aber logisch sind diese Erhöhungen im Haushalt nicht. Demzufolge sind die Kürzungen bei den Theatern nicht und schon gar nicht mit einem Sparkurs zu rechtfertigen.

Darf ich Sie daran erinnern, dass Sachsen-Anhalt allein im Jahr 2013 mit einem Haushaltsüberschuss von 120 Millionen € abgeschlossen hat?

Laut Steuerschätzungen werden im Jahr 2014 wiederum Steuermehreinnahmen in Höhe von 36 Millionen € erwartet.

Der Finanzminister will den Haushaltsüberschuss zwar zur Tilgung von Schulden verwenden - dies ist ein ehrenwertes Ziel, das wir alle begrüßen -; aber angesichts der Tatsache, dass auch in den Folgejahren Steuermehreinnahmen zu erwarten sind, stelle ich mir die Frage: Warum geben Sie für andere Maßnahmen im Haushalt überplanmäßig mehr Geld aus und sparen gleichzeitig die Theater dieses Landes kaputt? Und das bei erhöhten Steuereinnahmen. Das halten wir für den falschen Kurs in diesem Bundesland, meine Damen und Herren.

(Zustimmung von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE)

Die Konsequenz sind nämlich nicht nur Spartenschließungen am Anhaltischen Theater in Dessau. In der letzter Konsequenz bedeutet das die Schließung eines der international traditionsreichsten Theater. Denken Sie daran: Dieses Theater erlebt die 220. Spielzeit und es steht das 250. Jubiläum der Anhalt-Philharmonie bevor. Das AnhaltTheater Dessau war immer ein Mehrspartenhaus und kann als Musiktheater auch mit dem Sparhaushalt nicht überleben - so ein Gutachten, das im Auftrag der Stadt Dessau erstellt worden ist.

Meine Damen und Herren! Am meisten kritisieren Theater- und Kulturschaffende, dass den Städten keine ausreichende Zeit für Strukturanpassungen gelassen wurde - im Gegensatz zu der Forderung des Kulturkonvents, der von Ihnen eingesetzt wurde, Herr Kultusminister, und der einen Zeitraum bis 2018 vorgeschlagen hat. Diese Kritik ist berechtigt.

Darf ich auch daran erinnern, dass wir seit 1990 schon Strukturanpassungen in Theatern und Orchestern hatten? Es wurden ganze Theater abgewickelt und Orchester haben fusioniert. Das politische Ziel dieser und weiterer Landesregierungen, meine Damen und Herren, sollte es doch nicht sein, das Kulturland Sachsen-Anhalt zu schröpfen. Es gilt, das Kulturland Sachsen-Anhalt zu stärken.

Nach den Anhörungen und Beratungen im Landtag ist uns klar geworden: Ihre Sparpläne in der Kultur sind nicht finanziell, sondern sie sind, wie wir meinen, ideologisch motiviert. Sie sagen, es geht nicht anders, Herr Minister Dorgerloh. Sie meinen die Einsparungen über den Strukturanpassungsfonds auffangen zu können. Aber das ist nur ein Bruchteil der Summe dessen, was Sie sparen. Für uns ist der Strukturanpasssungsfonds ein Ablenkungsmanöver.

Ich will auch erwähnen: Natürlich geht es anders. Wer im Kulturland Sachsen-Anhalt an Kunst und Wissenschaft spart, verspielt die Zukunft dieses Landes und damit seine eigene Zukunft. Bedenken

Sie, dass 7 Millionen € im Hinblick auf die Schuldentilgung marginal sind, aber als Fehlbetrag für die Kultur sind sie eben eine sehr große Summe.

(Zustimmung von den Vertrauenspersonen der Volksinitiative „Kulturland Sachsen-An- halt retten!“)

Auf den Punkt gebracht: Wer nicht in diese Branche der Kultur und der Kreativwirtschaft investiert, investiert nicht in die Zukunft. Wer gerade bei den Theatern spart, sägt an dem Ast, auf dem er sitzt; denn gerade die Kreativwirtschaft, die Kulturwirtschaft ist eine der dynamischsten Branchen, wie es unter anderem ein Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums ausweist, der in den jüngsten Tagen erschienen ist.

Meine Damen und Herren! Schauen wir einmal, wie es andere machen. Ich will jetzt nicht den Bund erwähnen. Auch er hat in den letzten Jahren viel in Bildung, Kultur und Wissenschaft investiert.

Schauen Sie auf die Landesregierung von Thüringen, ebenfalls eine schwarz-rote Regierungskonstellation. Sie hat im Jahr 2009 einen Kulturetat von 122 Millionen € gehabt und hat für das Jahr 2014 138,9 Millionen € vorgesehen. In Sachsen-Anhalt sind es 89 Millionen €. Thüringen hat mehr in die Kultur investiert und trotzdem gespart.

Ich möchte noch ein Zitat erwähnen:

„Kultur ist neben Bildung und Forschung der Bereich, in dem wir trotz eines insgesamt sinkenden Volumens des Landeshaushalts neue Schwerpunkte setzen.“

Das hat nicht die Bundesministerin für Bildung, Forschung und Wissenschaft in Berlin Frau Wanka gesagt, die ja auch aus Sachsen-Anhalt stammt, obwohl ich es ihr durchaus zugetraut hätte. Das hat auch nicht Herr Dorgerloh gesagt - leider, muss ich feststellen -, sondern, Herr Dorgerloh, das sind die Worte Ihres Kollegen in Thüringen, von Herrn Matschie, der auch der SPD angehört und der sich darin mit dem CDU-Finanzminister Voß einig ist. Es geht also auch anders, meine Damen und Herren.

(Zustimmung von Frau Dr. Klein, DIE LIN- KE)

Es ist einfach eine Frage der politischen Prioritätensetzung und es ist eine Frage eines beherzten Engagements für unser Kulturland, für die Theater und Orchester in Sachsen-Anhalt.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Ich bin davon überzeugt, dass Kultur die Seele eines Volkes widerspiegelt, aber auch die Aufgabe hat, der Politik den Spiegel vor das Gesicht zu halten. Das ist nicht immer schmeichelhaft. In diesem Sinne hatte wohl der erste Bundespräsident Theodor Heuss Recht,

als er meinte, mit Politik lässt sich keine Kultur, aber mit Kultur Politik machen.

So gesehen ist die Volksinitiative nicht gescheitert. Sie ist ein klares Bekenntnis der Bevölkerung unseres Landes zu den Theatern und Orchestern. Deshalb beabsichtigen wir, die Initiatoren, auch weiterhin mit Kultur Politik zu machen, mit Ihnen zu debattieren, im Dialog zu bleiben. Herr Mewes, wir begrüßen, dass Sie den Dialog aufrechterhalten.

Wir werden weiter dafür kämpfen, das Ziel zu erreichen, Theater und Orchester sowie die einzigartige Kulturlandschaft in Sachsen-Anhalt zu erhalten und nicht aufzugeben; denn wir wollen das Kulturland Sachsen-Anhalt stark machen, in Deutschland und in Europa, für uns und für die nachfolgenden Generationen. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN, bei der SPD und bei den GRÜNEN - Zustimmung von den Ver- trauenspersonen der Volksinitiative „Kultur- land Sachsen-Anhalt retten!“)

Danke schön, Frau Pieper, für Ihre Ausführungen als Vertrauensperson der Volksinitiative. - Für die Landesregierung spricht nun der Kulturminister Herr Dorgerloh.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Vertrauenspersonen! Frau Pieper, ich habe mich sehr darüber gefreut, dass Sie mit einem Zitat von Luther begonnen haben, weil Luther in besonderer Weise dafür steht, dass er vor Reformen und Erneuerungen nicht zurückschreckt.

Wie steht es also um unser Kulturland? - Ein paar Impressionen dazu: Derzeit liegen zwei Welterbeanträge vor. Paris hat uns bereits die gute Qualität des Antrags für den Naumburger Dom und die hochmittelalterliche Herrschaftslandschaft an Saale und Unstrut bestätigt.

In der letzten Woche hatte ich die Ehre, den Antrag der Franckeschen Stiftungen in Halle entgegenzunehmen. Im Sommer 2016 soll diese gebaute Idee einer Schulstadt, die nicht nur in die Welt ausgestrahlt hat, sondern bis heute ein Zentrum von Bildung, Wissenschaft und Kultur ist, das begehrte Unesco-Welterbe-Siegel erhalten.

In Weißenfels, in Magdeburg, in Wittenberg und in Eisleben haben wir neue Museumsbauten eröffnet. In Mansfeld werden wir das im Sommer tun.

Die 23 vom Land unterstützten Musikfeste erfreuen sich großer Beliebtheit, wie jüngst die Internationalen Fasch-Festtage in Zerbst, die TelemannFestspiele in Magdeburg und die Weill-Festspiele in Dessau.

Gerade gestern Abend war ich in Berlin, wo es den Auftrag für das diesjährige Händelfest gab, das unter dem Motto „Georg und Georg“ steht. Vor wenigen Tagen hatten wir die Pressekonferenz für das Musikfest „Unerhörtes Mitteldeutschland“.

In den Theatern gibt es fast wöchentlich Premieren. Die Bühnen werden Tag für Tag bespielt. Die freie Theaterszene erhält mehr Geld, ebenso die kulturelle Jugendbildung. Die Strukturreform der öffentlichen Stiftungen ist erfolgreich und stärkt unsere Stiftungen auch mit zusätzlichen Mitteln. Von der Kunststiftung geförderte Stipendiaten gewinnen international Preise und die Stiftung ist wieder in einem ruhigen Fahrwasser und, und, und.

Allein diese wenigen unvollständigen Beispiele belegen, über was für ein vielfältiges kulturelles Erbe und über welche lebendige Gegenwartskunst wir im Land verfügen. Einerseits ein großartiges Erbe zu bewahren und andererseits die postmoderne Gegenwart zu gestalten, sind die Aufgaben für unseren Kulturreichtum, den es in dieser Qualität und Dichte anderenorts kaum gibt. Das ist tatsächlich ein Pfund, mit dem wir wuchern wollen.

Sachsen-Anhalt verfügt über unglaubliche Schätze, die wir zeigen wollen und die eine lebendige Auseinandersetzung geradezu herausfordern. Selbstverständlich werden dabei auch die nationalen und internationalen Jubiläen wie Luther 2017 oder Bauhaus 2019 eine herausragende Rolle spielen. Die vielfältigen kulturellen, baulichen und wissenschaftlichen Projekte seit Beginn der Lutherdekade 2008 und dem Start des Bauhausverbundes 2012 befördern die historische und kulturelle Bildung vor Ort und stärken unsere sachsenanhaltische Identität.