Protocol of the Session on January 31, 2014

Danke schön, Herr Abgeordneter Erben. - Wir treten nun in die Aussprache ein. Zunächst spricht für die Landesregierung der Minister des Inneren Herr Stahlknecht.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Die Bekämpfung des Rechtsextremismus ist nicht nur ein zentrales politisches Anliegen, sondern eine Aufgabe, die sich meiner Meinung nach dauerhaft an alle gesellschaftlichen Ebenen richtet.

Sicherheitsbehörden und Polizei sind in einem Rechtsstaat an das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit gebunden. Sie haben bei der Durchführung von Konzerten der rechten Szene zunächst Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung abzuwehren und begangene Straftaten sowie Ordnungswidrigkeiten auch aufgrund des Legalitätsprinzips zu verfolgen.

Allerdings dient die Exekutive in ihrer Rechtsstaatlichkeit eben nicht vorrangig politischen Interessen. Das heißt nicht, dass ihnen keine Bedeutung zukommt. Der Erlass zum Umgang mit rechtsextremistischen Musikveranstaltungen vom 25. Juli 2011 macht deutlich, dass bei entsprechender Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung alle Möglichkeiten auszuschöpfen sind, um bekannt gewordene Veranstaltungen zu beschränken, zu verbieten oder zu beenden.

Eine übermäßige Einschränkung der Ermessensausübung, die ausschließlich einer bestimmten politischen Vorstellung folgt, wird jedoch spätestens vor einem Verwaltungsgericht keinen Bestand haben.

Daher bedarf es neben den behördlichen Maßnahmen auch eines breit aufgestellten zivilgesellschaftlichen Protestes. Es muss in einer Demokratie auch die starke Stimme der Bevölkerung sein, die ihre Ablehnung gegenüber rechtsextremistischen Bestrebungen in aller Deutlichkeit zum Ausdruck bringt.

Institutionen, welche diesen Protest organisieren und koordinieren, sind in unserem Land bereits vorhanden. So wird durch das Netzwerk für Demokratie und Toleranz und durch staatlich geförderte Vereine wie Miteinander e. V. Basisarbeit überall dort betrieben, wo Aufklärung notwendig ist und die Schaffung einer demokratischen Protestkultur unterstützt werden muss.

Das Landesprogramm für Demokratie, Vielfalt und Weltoffenheit in Sachsen-Anhalt zielt auf die Stärkung des demokratischen Bewusstseins und auf die vielfältige Förderung einer gelebten demokratischen Kultur ab.

Dabei ist der Dialog mit zivilgesellschaftlichen Gruppen, Institutionen und Akteuren ein wichtiges Element der Umsetzung des Landesprogramms. An dieser Stelle bedarf es daher keiner neuen oder weiteren Institutionen.

Auch der Verfassungsschutz wendet sich im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit an alle interessierten Bürgerinnen und Bürger und bietet wichtige Informationen, die eine fundierte Meinungsbildung über die Gefahren der verfassungsfeindlichen Machenschaften der Rechtsextremisten ermöglichen.

So werden neben der jährlichen Veröffentlichung des Verfassungsschutzberichtes Fachtagungen und Vorträge organisiert, es werden aufklärende Broschüren und Flyer, beispielsweise zu Symbolen und Kennzeichen des Rechtsextremismus, angeboten. Dabei wird seit Jahren eine steigende Resonanz auf das Angebot erkennbar. Informationsveranstaltungen zu Themen wie Erscheinungsformen des Rechtsextremismus oder Umgang mit Anmietversuchen werden somit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Dennoch können und wollen wir uns auch in Anbetracht des bisher Erreichten nicht zurücklehnen. Die Maßnahmen der Sicherheitsbehörden und der Polizei unterliegen einer kontinuierlichen Auswertung.

Die Anhörung vor dem Innenausschuss hat auch für uns Ansatzpunkte für eine weitere Optimierung in Bezug auf den Umgang mit rechten Musikveranstaltungen aufgezeigt. Unter Berücksichtigung der Auswertung von rechten Musikveranstaltungen in der Vergangenheit und der Informationen in der Anhörung habe ich die Einrichtung einer zentralen Informationsstelle im Landeskriminalamt angewiesen, welche die Behörden bei ihrer Arbeit unterstützten soll. Neben der Beobachtung von rechtsextremistischen Musikveranstaltungen sollen von dort aus zukünftig auch die Maßnahmen vor Ort, an denen solche Konzerte stattfinden, optimiert werden.

Daneben soll die Arbeit von Gemeinden und Landkreisen im Fall von Veranstaltungen der rechten Szene fachaufsichtlich noch enger begleitet werden. Kein Entscheidungsträger auf kommunaler Ebene soll und darf das Gefühl bekommen, bei wichtigen behördlichen Entscheidungen allein gelassen zu werden.

Sofern die Notwendigkeit besteht, werden wir die bestehenden Zuständigkeiten bündeln, um möglichst jederzeit eine enge Abstimmung und Ver

zahnung zwischen den beteiligten Fachämtern sicherzustellen.

Ich denke, wir sind uns darin einig, dass alle Auflagen und Verbote nur dann ihre volle Wirkung entfalten, wenn ihre Einhaltung vor Ort penibelst überwacht wird. Aus diesem Grund werden wir bei der Planung und Durchführung von Einsatzmaßnahmen ein besonderes Augenmerk auf umfassende und abgestimmte Kontrollen legen, die durch die zuständigen Sicherheitsbehörden und die Polizei gemeinsam durchgeführt werden. Wir werden auch zukünftig Sorge dafür tragen, dass an keinen Ort in diesem Land ein rechtsfreier Raum entsteht. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung von Ministerin Frau Prof. Dr. Kolb und von Minister Herrn Dr. Aeikens)

Danke schön. - Wir fahren in der Aussprache fort. Als Nächster spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN Herr Abgeordneter Striegel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sachsen-Anhalt hat sich in den vergangenen Jahren zu einem bevorzugten Ort für kleinere, häufig konspirativ organisierte und größere, meist offiziell angemeldete und offen durchgeführte Neonazikonzerte entwickelt.

Die Attraktivität unseres Bundeslandes für diese Art von Veranstaltungen rührt einerseits sicherlich aus seiner verkehrlich guten Erreichbarkeit in Verbindung mit einer ausdifferenzierten und aktivistischen rechten Musikszene im Land her. Letzteres ist ein Problem für alle demokratischen Akteure hierzulande.

Sie wird andererseits aber durch die Tatsache verstärkt, dass gegenüber Neonazis in unserem Bundesland in den vergangenen Jahren eben nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft wurden, ihre Musikveranstaltungen zu verbieten, zu beschränken und ihnen im Rahmen des rechtsstaatlich Möglichen auf den Füßen, so möchte ich es einmal sagen, zu stehen.

Es ist unerträglich, dass bei einer Veranstaltung in Berga im letzten Jahr ohne Einschreiten der Ordnungskräfte der Nationalsozialismus verherrlicht werden konnte. Es ist nicht akzeptabel, dass in Tangerhütte zwar die Polizei schreibt, ein rechtes Konzert sei aufgelöst worden; faktisch ist es aber nahezu ungehindert durchgelaufen.

Es wirft Fragen auf, wenn Auflagenverfügungen von Behörden fehlerhaft sind, obwohl die notwendigen Informationen leicht beschafft werden können, und es bedrückt, wenn die politische Dimension von Neonazikonzerten immer wieder mühsam

in den Blick der Sicherheitsbehörden gerückt werden muss.

Die nun vorliegende Beschlussempfehlung des Innenausschusses ist diesbezüglich in gewisser Hinsicht ein Lichtblick. Sie benennt erstmals das Problem als solches. In Sachsen-Anhalt gibt es eine steigende Zahl rechter Konzerte. Dieser Trend scheint sich auch 2013 fortzusetzen. Es ist ein ähnliches Niveau wie im Jahr 2012 zu erwarten, als im Land 30 Konzerte gezählt wurden.

Richtig an der Beschlussempfehlung ist das ausdrückliche Lob an die Zivilgesellschaft und die Erwähnung des vom Land geförderten Beratungsnetzwerkes gegen Rechtsextremismus; denn nur durch gemeinsames Handeln von staatlichen Stellen und Zivilgesellschaft kann am Ende die Demokratie gestärkt werden.

Auch die Aufforderungen an die Landesregierung gehen in die richtige Richtung; denn in der Anhörung ist offenbar geworden - der Herr Minister hat darauf verwiesen -, dass in Sachsen-Anhalt im Vergleich zu anderen Bundesländern noch Raum zum Besserwerden ist.

Die Einrichtung einer zentralen Stelle beim LKA ist ein erster Schritt. Sie muss allerdings personell untersetzt sein und fachlich fundiert arbeiten können. Leider bleibt sie nach dem Willen des Ministers auf den Behördenraum beschränkt. Wir hätten es begrüßt, wenn auch zivilgesellschaftliche Stellen dort hätten Informationen abfragen können.

Dass eine Zentralisierung von Genehmigungsverfahren für solche Konzerte geprüft werden soll, begrüße ich ausdrücklich. Wir würden eine solche befürworten.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich sage aber auch: Die besten Auflagen und Verbotsverfügungen nützen nichts, wenn die Durchführung der Konzerte nicht überwacht wird. Das bleibt ein wichtiges Problem. Wir brauchen Polizisten, die solchen Veranstaltungen beiwohnen und aus der Veranstaltung heraus die Einhaltung der Auflagen kontrollieren. Aus anderen Bundesländern wissen wir, dass Auflagenverstöße so ganz unmittelbar durch Beendigung der Veranstaltung sanktioniert werden können.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Was in der Beschlussempfehlung weiter fehlt, ist eine integrierte Strategie der Landesregierung gegen entsprechende Konzerte. Die vom Landtag zu beschließenden Einzelmaßnahmen sind zusammen mit den punktuellen Verbesserungen bei den Behörden richtig und wichtig.

Sie verkennen aber, dass im Zusammenspiel zwischen Kommunen, Polizeibehörden und zivilgesellschaftlich Aktiven mehr Verbindlichkeit benötigt

wird. Hierzu reicht der Erlass des MI, auch im Zusammenhang mit der nun eingerichteten Zentralstelle, nicht aus. Hierzu braucht es weitere Veränderungen.

Meine Fraktion wird deshalb der Beschlussempfehlung nicht zustimmen. Wir werden uns aber der Stimme enthalten, weil wir sagen, das geht in die richtige Richtung. Wir werden diese Landesregierung dabei unterstützen, dass Sachsen-Anhalt kein Ort für Nazis und ihre Konzerte ist,

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

werden Sie, Herr Minister, aber auch daran messen, ob für Rechtsrockkonzerte im Land tatsächlich der Spielraum eingeengt wird. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Danke schön. - Als Nächste spricht für die Fraktion der SPD Frau Abgeordnete Schindler.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die erste Beratung zu diesem Antrag stand unmittelbar unter dem Eindruck des Nazikonzerts in Nienhagen. Die Diskussionen, die dazu stattgefunden haben, waren gut und richtig und vor allen Dingen wichtig.

Wir stehen in Sachsen-Anhalt immer wieder vor dem Phänomen von rechtsradikalem und neonazistischem Gedankengut. Erst wieder am 18. Januar in Magdeburg konnten wir Gott sei Dank erleben, dass es einen großen Protest der Zivilgesellschaft dagegen gibt. Ziviler Protest muss anerkannt und unterstützt werden.

Eine Form der Verbreitung des neonazistischen Gedankengutes sind diese Nazikonzerte. Es war gut, dass wir damals den Antrag in den Ausschuss überwiesen haben, um dann die Gelegenheit zu haben, eine Anhörung zu dieser Problematik durchzuführen. In dieser Anhörung - meine Vorredner sind schon darauf eingegangen - konnten wir wichtige Erkenntnisse gewinnen und wichtige Hinweise aufnehmen. Wir konnten hören, was gut läuft. Wir konnten ein großes Lob auch den kommunalen Behörden aussprechen, die bemüht sind, sich dieser schwierigen Aufgabe zu stellen und sie zu lösen.

Uns wurden aber auch die Schwierigkeiten deutlich aufgezeigt, die im Zusammenhang mit diesen Neonazikonzerten bestehen, hierunter vor allen Dingen auch immer wieder - das ist auch von meinen Vorrednern dargestellt worden - das Ausein

anderfallen der verschiedenen Zuständigkeiten vor Ort. Das angemeldete Konzert ist eine Musikveranstaltung. Dafür zuständig ist die Gemeinde. Die eventuelle Gegendemonstration ist eine Versammlung. Dafür zuständig ist der Landkreis, zusätzlich noch andere Landkreisbehörden, wie zum Beispiel die Bau- und die Umweltbehörde.

Unbestritten gibt es unter allen eine gute Zusammenarbeit, aber diese unterschiedlichen Zuständigkeiten ziehen einen hohen Abstimmungs- und Klärungsbedarf nach sich. Dazu kommt als dritte Behörde natürlich die Sicherheitsbehörde Polizei. Diese verschiedenen Zuständigkeiten werden von den Veranstaltern gezielt ausgenutzt, um entsprechende Genehmigungen zu erlangen und ihre Veranstaltung durchzuführen.

Nun zu der Aufgabe der Polizei. Interessant waren da die Auskünfte von Polizeibehörden aus anderen Bundesländern. Ein Beispiel ist das Einsetzen eines speziell geschulten Beamten, der sich vor allen Dingen mit der rechtsradikalen, nazistischen Musik auseinandersetzt und genau zwischen indizierter Musik, indizierten Titeln, Titeln, die gegen das Jugendschutzgesetz verstoßen, und strafrechtlich relevanten Titeln unterschieden kann. Ich hoffe, dass es uns mit der neu eingesetzten Organisation gelingt, ebenfalls solche Beamten zu schulen und vor Ort einzusetzen.

Nicht zuletzt ist auch die Aussage des Polizeipräsidenten von Brandenburg zu erwähnen, der mitgeteilt hat, dass bei der Planung des Einsatzes anlässlich eines solchen Neonazikonzerts die Einsatzstärke so ausgelegt wird, dass sie nicht nur darauf ausgerichtet ist, die Veranstaltung abzusichern, sondern dass diese auch unterbrochen und abgebrochen werden kann. In Brandenburg ist es - so der Stand im September 2013 - gelungen, bereits drei Konzerte abzubrechen.

Sachsen-Anhalt darf kein Ort für Nazikonzerte sein. Wir müssen alles dafür tun, dieses in der Zukunft zu verhindern.

(Zustimmung bei der SPD)

Gemeinsam, zivilgesellschaftlicher Protest und Ordnungs- und Sicherheitsbehörden, können wir es schaffen. Seitens des Landes sollte alles unternommen werden, um zivilgesellschaftliches Engagement zu unterstützten und anzuerkennen, rechtliche Möglichkeiten auszuschöpfen und vorhandene Kapazitäten zu bündeln und gezielt einzusetzen. - Vielen Dank.