Die NPD hat den Einzug in den Landtag nur knapp verfehlt. In ländlichen Räumen gelangte sie zum Teil deutlich über die Fünfprozenthürde. Es waren vor allem junge Leute, die sie gewählt haben, und keineswegs nur aus bildungsfernen Schichten.
Meine Damen und Herren! Die Regierungskoalition ist sich ihrer daraus erwachsenden Verantwortung bewusst. Erlauben Sie mir, aus dem Koalitionsvertrag zu zitieren:
„Die Koalitionspartner bekennen sich dazu, dass die Förderung von Demokratie und die Bekämpfung von Extremismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit dauerhafte Aufgaben von Staat und Gesellschaft sind. Wir setzen uns ressortsübergreifend dafür ein, dass mehr Menschen sich aktiv für unser Gemeinwesen engagieren, dass demokratische und humanistische Werte in Schule, Jugendarbeit und politischer Bildung noch intensiver vermittelt werden und dass antidemokratischen Tendenzen Einhalt geboten werden wird.
Die bisherigen erfolgreichen Ansätze werden unter dem Dach eines Landesprogramms für Demokratie, Vielfalt und Weltoffenheit gebündelt und konzeptionell weiterentwickelt. Mit einer Demokratieoffensive sollen insbesondere junge Menschen erreicht werden.“
In diesem Koalitionsvertrag steht aber auch, ein NPD-Verbotsverfahren voranzubringen, und das nach unserer Überzeugung aus gutem Grund.
Zivilgesellschaftliches Handeln kann nicht ersetzen, was der Verfassungsstaat als wehrhafte Demokratie zu tun hat, nämlich mit den gebotenen rechtsstaatlichen Mitteln die freiheitlich-demokratische Grundordnung vor verfassungsfeindlichen Kräften zu schützen.
Ich bin deshalb Herrn Minister Stahlknecht durchaus dankbar, dass er gleich zu Beginn seiner Amtszeit einen neuen Vorstoß in Richtung eines NPD-Verbotes unternommen hat. Sie mussten da in Ihrem Haus nicht beim Punkt Null beginnen. Ihr Amtsvorgänger Herr Hövelmann war beharrlich
darum bemüht, ein NPD-Verbotsverfahren voranzubringen. Es gibt eine umfangreiche Materialsammlung zu diesem Zweck, die unter seiner Führung entstanden ist.
Nun ist das mit dem NPD-Verbot inzwischen eine unendliche Geschichte geworden. Es gibt Befürworter und Skeptiker. Es gibt Pro und Kontra. Auch diesbezüglich kann ich auf die Rede von Herrn Stahlknecht verweisen. Dass die Skeptiker zu dem erneuten Verstoß aus Sachsen-Anhalt diesmal Beifall klatschen, durfte niemand erwarten. Das darf Sie aber nicht davon abhalten, Herr Minister, weiterhin in dieser Richtung tätig zu sein.
Ich kann Sie deshalb nur ermuntern, an dieser Stelle weiterzumachen. Bei allen Bemühungen zur Förderung eines NPD-Verbotsverfahrens haben Sie die volle Unterstützung der SPD-Fraktion.
Auch wir finden es unerträglich, dass diese Partei durch die staatliche Parteienfinanzierung öffentliche Mittel für sich beanspruchen kann, um ihre menschenverachtenden Ideologien präsentieren oder ihr unsägliches Tun finanzieren zu können. Ein solches Verbot würde es auch ermöglichen, NPD-Mitglieder von öffentlichen Ämtern fernzuhalten.
Meine Damen und Herren! Die Frage ist aber in der Tat, ob wir, wenn das mit dem NPD-Verbotsverfahren nicht so recht vorangehen will, einen Plan B brauchen, wie ihn der Innenminister mit seinem Prüfauftrag für einen so genannten Radikalenerlass vor Augen hat. Wir haben in den Koalitionsverhandlungen und auch danach in der Regierungskoalition darüber noch nicht gesprochen.
Dass allein die Bezeichnung angesichts der unsäglichen Erfahrungen mit dem Radikalenerlass in den 70er- und 80er-Jahren bei einigen Bauchschmerzen auslösen, weil sie einen Rückgriff in die Mottenkiste früherer Zeiten befürchten, muss nicht verwundern. Wir sind heute hier in einer Aktuellen Debatte. Ich will mir die Durchführung einer Geschichtsstunde ersparen. Frau Tiedge hat das hier im Übrigen auch ausführlich dargestellt.
Aber angesichts der in den letzten Jahren gerade hier im Osten immer dreister werdenden rechtsextremen Kräfte müssen Überlegungen erlaubt sein, wie es gelingen kann, diese von öffentlichen Ämtern fernzuhalten.
In Mecklenburg-Vorpommern gibt es so etwas. Ich habe das auch in meinem Redemanuskript. Ich will das aber nicht wiederholen. Herr Kolze hat darauf hingewiesen. Das geschah natürlich nicht grundlos. Ich frage Sie, wie wir diskutieren würden, wenn
NPD-Leute reihenweise für Landrats- und Bürgermeisterämter kandidieren würden. Wie würden wir diskutieren, wenn wir ernsthaft befürchten müssten, dass Neonazis Kindertagesstätten unterwandern wollen?
In Mecklenburg-Vorpommern gab es vier Bewerbungen von Rechtsextremen um eine Kita-Trägerschaft. Solche Bestrebungen gibt es bislang in Sachsen-Anhalt nicht. Aber selbst wenn es sie gäbe, wäre der Rechtsstaat auch ohne Radikalenerlass nicht hilflos. Wer in diesem Land Beamter werden will, auch kommunaler Wahlbeamter oder Ehrenbeamter, muss die Gewähr dafür betten, jederzeit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Auch hinsichtlich der Verletzung dieser allgemeinen Treuepflicht hat Herr Kolze bereits Ausführungen gemacht.
Für den Bereich der Angestellten hat das Bundesarbeitsgericht - das ist heute noch nicht gesagt worden - mit einem Grundsatzurteil erst kürzlich - es war am 12. Mai 2011 - entschieden, dass das aktive Eintreten für eine verfassungsfeindliche Partei oder deren Jugendorganisation die personenbedingte Kündigung eines im öffentlichen Dienst beschäftigten Arbeitnehmers begründen kann. Das gelte auch dann, wenn die Partei nicht durch das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden ist.
In Mecklenburg-Vorpommern wurden Bewerber aus den Reihen der NPD für ein Bürgermeister- oder Landratsamt von den zuständigen Wahlausschüssen erst gar nicht zur Wahl zugelassen. Dort gibt es allerdings eine ausdrückliche Regelung. Auch das hat Herr Kolze bereits ausgeführt.
Liegen tatsächliche Anhaltspunkte vor, die Anlass zu Zweifeln geben, dass diese Voraussetzung - das Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung - vorliegt, hat der zuständige Wahlausschuss den Wahlvorschlag der Rechtsaufsichtsbehörde zur Prüfung vorzulegen. Diese wiederum kann im Rahmen ihrer Prüfung Auskünfte über den Bewerber von der Verfassungsschutzbehörde des Landes Mecklenburg-Vorpommern einholen.
Mit dagegen vor den Verwaltungsgerichten eingereichten Klagen scheiterten die Bewerber durchweg. Das geschah nicht, weil der Innenminister das auf dem Erlasswege angeordnet hatte, sondern aufgrund der Wählbarkeitsvoraussetzungen, wie sie im dortigen Kommunalwahlrecht und materiell-rechtlich vergleichbar auch in Sachsen-Anhalt geregelt sind.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich abschließend auf einen Kernsatz aus einer solchen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung hinweisen. Bei der NPD handelt es sich um eine rechtsextremistische Partei, die politische Ziele verfolgt, die mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht zu vereinbaren sind. Die NPD wolle die par
lamentarische Demokratie und den demokratischen Rechtsstaat beseitigen. Wer Mitglied einer solchen Partei sei, müsse sich daher deren verfassungsfeindliche Bestrebungen zurechnen lassen. - Auch diese neuerlichen verfassungsgerichtlichen Entscheidungen enthalten nach meiner Überzeugung hinreichende Argumente für ein NPD-Verbot.
Meine Damen und Herren! Das Voranbringen des NPD-Verbotsverfahrens sollte unser gemeinsames Anliegen sein. Auf das Erreichen dieses Ziels sollten wir uns in diesem Haus weiterhin konzentrieren. Wenn und soweit es darunter geboten erscheint, über die geltende Rechtslage hinaus weitergehende gesetzliche Regelungen zu schaffen, um Verfassungsfeinde von öffentlichen Ämtern fernzuhalten, werden wir uns dem nicht verschließen, wenn es dafür einen breiten Konsens in diesem Hohen Hause gibt. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege. Sie gingen über den Rechtsrahmen nicht hinaus, aber etwas über die Redezeit. - Als nächster Redner spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abgeordnete Herr Herbst. Sie haben noch Redezeit zur Verfügung.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Minister Stahlknecht, Sie haben eingangs gesagt, dass uns nichts mehr eint als der Wunsch nach einer Stärkung der Demokratie. Ich denke, dass das völlig richtig ist. Wir denken aber über unterschiedliche Wege nach und haben unterschiedliche Konzepte, mit denen man wirklich zu einer Stärkung der Demokratie kommen kann.
Es hat sich schon bei den Begrifflichkeiten gezeigt, dass wir unterschiedliche Ansätze haben. Ich denke, einen Satz wie den mit der Anti-Antifa hätten Sie von uns nicht gehört. Ich kann das, was Frau Quade angesprochen hat, nur bestätigen. Das ist in der Tat ein feststehender Begriff, der ganz eindeutig auch als Kampfbegriff von den autonomen Nationalisten besetzt wird. Ich glaube Ihnen, Herr Stahlknecht, dass Sie ihn nicht kannten; denn wenn Sie ihn gekannt hätten, dann hätten Sie ihn nicht verwendet.
Die Landesregierung ist beim Thema Kampf gegen Rechtsextremismus in dieser Legislaturperiode mit weitreichenden Erklärungen gestartet. Denen konnte man entnehmen, dass Sie sich mit dem Thema aktiv beschäftigen möchten. Aber mittlerweile könnte man an der einen oder anderen Stelle
leicht den Eindruck gewinnen, dass es anstatt um Aktivität doch vielleicht eher um Aktionismus geht. Anders ist es nicht zu erklären, dass gefühlt in jedem Monat eine neue Idee die Runde macht. Erwähnt werden kann das Landesprogramm gegen Extremismus, das NPD-Verbot, der Radikalenerlass oder der Extremistenbeschluss, wie Sie sagen, sowie das Nazi-Aussteigerprogramm. Das sind alles Salven, deren Rauch sehr schnell verzogen ist. Deshalb fragen wir uns, wie ernst es mit diesen Programmen wirklich gemeint ist.
Mit dem Vorstoß zur Prüfung eines NPD-Verbots sind Sie auch bei uns auf ein positives Grundrauschen gestoßen, Herr Minister. Aber jetzt sagen Sie - das haben Sie vorhin in Ihrem Redebeitrag getan - dass das NPD-Verbot in den Bereich der Symbolik gehört.
Wenn Sie das so klar im Bereich der Symbolik verorten, dann frage ich mich schon - ich habe es mir als Zitat mitgeschrieben, so oder sehr nah dran werden Sie es gesagt haben -, wie ernst es mit dem Referat gemeint ist, dass Sie eigens zur Prüfung dieser Frage eingerichtet haben.
Ein NPD-Verbot löst natürlich nicht die Probleme mit Trägern menschenverachtender Ideologien. Aber es würde dazu führen, dass Strukturen nicht mehr finanziert werden und eine neonazistische Partei sich nicht mehr gerieren kann, als sei sie etwas ganz Normales.
Ein Radikalenerlass hingegen würde gar nichts bewirken. Er würde nicht zur Stärkung der Demokratie führen, sondern das Gegenteil bewirken. Er wäre eine bloße Verdrängungstaktik und würde unserer Demokratie schaden.
Wir würden uns mit dem Erlass in eine rechtliche Grauzone begeben, da eine Gesinnung zwar an Straftaten geknüpft sein kann, aber nicht zwangsläufig sein muss. Ich glaube, die Frage von Herrn Höhn an Herrn Kolze hat exemplarisch deutlich gemacht, in welche Wirrungen Sie sich da hineinbegeben und dass letztlich eine solche Entscheidung, die durch den Verfassungsschutz zu bewerten ist, überhaupt nicht rechtssicher getroffen werden kann.
Unser Rechtssystem besagt aber, dass nur derjenige Nachteile erleiden darf, der wegen Straftaten juristisch zur Rechenschaft gezogen worden ist bzw. der gegen ein Gesetz verstößt. Von diesem Grundsatz sollten wir uns nicht entfernen. Schon heute ist es möglich, Personen vom öffentlichen Dienst fernzuhalten, die sich Straftaten schuldig gemacht haben. Das polizeiliche Führungszeugnis gibt darüber breite Auskunft. Das wird auch genutzt.
Zu erinnern sei auch daran, dass gegen den früheren Radikalenerlass von Willy Brandt erfolgreich Klagen vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geführt worden sind. Ich gehe davon aus, dass auch der neue Entwurf kein rechtssicheres Konstrukt wäre, sondern zu Recht wieder von Gerichten gekippt werden würde.
Übrigens hat auch Willy Brandt nach seiner Regierungszeit diesen Radikalenerlass als einen der schwersten Fehler seiner Regierung bezeichnet.
Wir möchten Ihnen, geschätzter Minister Stahlknecht, daher dringend raten, sich stärker auf das vom Landtag beschlossene Landesprogramm gegen Rechtsextremismus - so nenne ich es jetzt einmal - zu stürzen. Zu dessen Konzeption haben wir bis dato noch nichts Erhellendes gehört. Mein Kollege Herr Striegel hat vorhin darauf hingewiesen, dass es zwischen den Ministerien immer noch hin- und hergeschoben wird. Gibt es schon Kontakt zu zivilgesellschaftlichen Gruppen und Verbänden? Gibt es mit denen Gespräche? Welche Konzepte werden da angestrebt?
Das sind die Fragen, die wir uns stellen. Zu denen könnten Sie, Herr Minister, zum Beispiel im Innenausschuss auch einmal dezidiert Stellung beziehen. Dazu haben wir bisher noch nichts Konkretes gehört.
Wir wünschen uns einen Demokratieaufbau von unten. Wir glauben, dass es mit Gesinnungserlassen nicht getan ist und dass wir damit nicht dazu kommen, dass der Kampf um die Köpfe vor allem auch der jungen Menschen von uns Demokraten gewonnen werden kann.