Protocol of the Session on July 7, 2011

Wir brauchen aber auch bessere Arbeitsbedingungen, damit Beschäftigte gesund und motiviert bleiben. Gerade unter den Angehörigen der Gesundheits- und Sozialberufe ist der Anteil an psychischen und physischen Krankheiten besonders hoch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Ich habe die Vielschichtigkeit des Themas auf den verschiedenen Ebenen deshalb aufgezeigt, weil es einer plausiblen Begründung bedarf, um eine Ausbildungsumlage einzuführen. An die rechtliche Zulässigkeit einer Ausbildungsumlage werden hohe Anforderungen gestellt. Sie setzt voraus, dass nach

weislich ein Mangel an Ausbildungsplätzen zu befürchten ist. Die Voraussetzungen hierfür könnten möglicherweise bereits heute vorliegen.

Um dies zu verifizieren, benötigen wir, Herr Minister Bischoff, die von den regierungstragenden Fraktionen erbetene Berichterstattung der Landesregierung.

Eine Ausbildungsumlage kann ein sinnvolles Instrument sein; denn sowohl für die Auszubildenden als auch für die Ausbildungsbetriebe ist eine verlässliche Finanzierungsregelung wichtig. Allerdings ist vorher abzuklären, was die Umlage im Einzelnen umfassen soll, zum Beispiel die Frage nach der Höhe der Ausbildungsumlage, welche Kosten berücksichtigt werden und wer sie zu entrichten hat, um nur einige Punkte zu nennen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Sehr geehrter Herr Minister Bischoff! Wir können vielen Menschen gute Hilfe anbieten. Damit wir auch künftig den Menschen die Hilfen anbieten können, die sie benötigen, brauchen wir genügend gut ausgebildete Pflegefachkräfte. Dafür gilt es die Weichen zu stellen. Diesem Ziel dient der Antrag der regierungstragenden Fraktionen.

Ich bitte um Zustimmung zu dem Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD und freue mich auf dessen intensive Beratung im Ausschuss für Arbeit und Soziales. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Danke sehr für die Einbringung. - Für die Landesregierung spricht Minister Bischoff.

(Zuruf von Herrn Gallert, DIE LINKE)

- Entschuldigung. - Herr Krause, es gibt noch eine Nachfrage. Wie ich sehe, wollen Sie diese beantworten.

Es ist mir eine große Ehre.

Herr Gallert.

Herr Krause, wie bewerten Sie es angesichts dieses maßgeblichen Antrages der Koalitionsfraktionen, dass Sie Ihren Vortrag unter fast vollständiger Ignoranz der eigenen Landesregierung halten mussten, da außer dem Sozialminister am Anfang gar niemand dabei war?

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Kein Kommentar.

Herr Minister Bischoff, bitte.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich finde, Herr Krause hat das sehr gut dargestellt.

(Herr Dr. Thiel, DIE LINKE: Das ist keine Entschuldigung!)

- Das muss ich auch nicht machen. Der entsprechende Teil der Landesregierung ist ja da. Aber ich finde, ich muss vieles nicht wiederholen. Sie haben das gut dargestellt. Ich finde auch das Eingangsstatement zutreffend: Die Anerkennung des Berufs ist eine der wesentlichen Voraussetzungen dafür, dass Menschen diesen Beruf überhaupt ergreifen.

Wir haben nicht nur den Fachkräftemangel, sondern es gibt auch zu wenig Männer in den Pflegeberufen. Auch die Anerkennung lässt oft zu wünschen übrig. Das hat übrigens auch etwas mit der Bezahlung zu tun; das muss man sehr deutlich sagen. Es ist mit Sicherheit eine Herausforderung in einer älter werdenden Gesellschaft, dass dieses Berufsbild eine größere Bedeutung bekommen kann und muss.

Es wird kein Geheimnis sein, dass sich ein Ministerium auch mit der Fachkräftesicherung beschäftigt. Wir haben im letzten Jahr eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Ich bin gern bereit, im zuständigen Ausschuss darüber zu berichten, wie hoch aus unserer Sicht der Anteil der Pflegebedürftigen in Sachsen-Anhalt ist - dazu kursieren unterschiedliche Vorstellungen -, wie sich der Anteil der Pflegebedürftigen entwickeln wird, wie viel Pflegepersonal benötigt wird, wie sich die Anzahl der Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten in diesem Beruf entwickeln wird und wie lange Pflegekräfte in ihrem Beruf bleiben.

Dazu gibt es unterschiedlichen Berechnungen. Das war bei der Fachministerkonferenz vor einigen Monaten bereits ein Thema. Die Fachministerinnen und -minister aus den alten Bundesländern haben berichtet, dass der Fachkräftemangel dort unheimlich hoch ist. Die Vertreter der Länder Thüringen und Sachsen - für Sachsen-Anhalt lagen zu diesem Zeitpunkt noch keine Zahlen vor - haben berichtet, dass es in den neuen Ländern noch nicht so wäre. Dies wurde damit begründet, dass die Fluktuation bei uns nicht so groß sei. Bei uns ist das Personal viel länger in den ambulanten und stationären Einrichtungen tätig als in den alten Bundesländern. In den alten Bundesländern ist die Fluktuation, aus welchen Gründen auch immer, sehr stark ausgeprägt.

Aber wir nehmen stark an, dass in den nächsten Jahren dieses Problem auch auf uns zukommt, dass Pflegekräfte dort hingehen, wo mehr bezahlt wird - auch das ist eine Binsenweisheit -, und wir uns beizeiten darauf einrichten müssen.

Daher ist die Frage der Ausbildung wichtig. Nicht alle Einrichtungen bilden aus. Daher ist zu fragen, ob die Ausbildung im Rahmen einer Umlage finanziert werden kann. Dazu ist - das hat Herr Krause auch gesagt - eine umfänglich Prüfung notwendig, und zwar auch vor dem Hintergrund, dass Sachsen im Jahr 2003 eine Verordnung über eine Ausbildungsumlage erlassen hat und das Bundesverwaltungsgericht im Herbst 2009, also etliche Jahre später, diese Verordnung als verfassungswidrig und als nicht rechtsgültig eingestuft hat, weil die Landesregierung nicht nachweisen konnte, dass ein Mangel an Ausbildungsplätzen und der Bedarf an Pflegekräften vorhanden ist. Die Landesregierung konnte es nicht ausreichend begründen und die Verordnung musste zurückgenommen werden.

Ich denke, das sollten wir uns nicht leisten. An dieser Stelle können wir von anderen Ländern lernen. Daher brauchen wir die Zahlenbasis und die Berechnungen. Man sollte bei der Bedarfsermittlung eine annähernd sichere Prognose der Geburtsjahrgänge der Beschäftigten in der Altenpflege haben, um zu wissen, wie viele in den nächsten Jahren ausscheiden und wie viele wir in den nächsten Jahren ausbilden müssen. Mit diesen Prognosen sind auch der Landespflegeausschuss und die Verbände, die dort vertreten sind und über die Altersstruktur der Beschäftigten in den Einrichtungen Auskunft geben können, beschäftigt. Es gab bisher sehr zurückhaltende Antworten, aber wir hoffen, dass das noch intensiviert werden kann.

Ich bin gern bereit, darüber im Ausschuss zu berichten und auch deutlich zu machen, wie die Situation in den nächsten Jahren aussehen wird. Ich freue mich auf eine intensive Beratung. - Danke schön.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Danke, Herr Minister. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abgeordnete Frau Zoschke.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Anteil der ab 60-Jährigen wird nach koordinierter Bevölkerungsvorausberechnung bis zum Jahr 2050 auf 36,7 % ansteigen. Der Anteil der Hochaltrigen, also der ab 80-Jährigen, soll sich sogar verdreifachen. Dieser demografische Wandel hat unmittelbare Folgen für den Wirtschaftsstandort und ist nicht auf Sachsen-Anhalt oder Deutschland begrenzt. Er stellt sich international dar und führt zu tiefgreifenden Umbrüchen.

Dabei geht es nicht nur um einen Strukturwandel schlechthin, sondern auch um die konsequente Veränderung unserer Ansicht und unserer Definition von Alter, vom Älterwerden, vom gesunden Älterwerden. Allerdings gehört es in einer immer älter werdenden Gesellschaft auch dazu, dass der Anteil derjenigen steigt, die pflegebedürftig werden bzw. sind. Dies verlangt von der Gesellschaft wiederum, sich genau auf diese Situation rechtzeitig und bewusst einzustellen.

Eine der gesellschaftlichen Notwendigkeiten ist die Sicherung einer hohen Qualität von Pflege und die Gestaltung von Rahmenbedingungen für Pflegeleistungen, die eine ganzheitliche und menschenwürdige Pflege gewährleisten. Dazu ist entsprechend qualifiziertes und motiviertes Personal unabdingbar.

Außerdem stellt die pflegerische Dienstleistung zunehmend einen Wirtschaftsfaktor dar. Die Sozialwirtschaft ist auch in Sachsen-Anhalt inzwischen ein wichtiger und weiterhin wachsender Wirtschaftsfaktor geworden. Eine der Voraussetzungen für diese wirtschaftliche Entwicklung ist auch hochqualifiziertes, hochmotiviertes und ausreichendes Personal. Davon sind wir jedoch weit entfernt. Es fehlen qualifizierte Fachkräfte. Es herrscht Pflegenotstand.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Diejenigen, die im Pflegebereich beschäftigt sind, klagen über eine zu hohe Arbeitsbelastung, über zu wenig Zeit für den einzelnen zu Pflegenden, über eigene Gesundheitsprobleme und über zu wenig Lohn für diese gute Arbeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Träger der Einrichtungen klagen über einen zu hohen bürokratischen Aufwand, über zu wenig Personal, vor allem für die Rund-um-die-Uhr-Betreuung, und über zu wenig geeignete Ausbildungswillige. - Über diese Situation soll die Landesregierung berichten. Wir haben nichts dagegen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir sehen auch die Notwendigkeit, die Ausbildungsfinanzierung gerecht zu gestalten und die Ausbildungsbereitschaft aller Pflegebetriebe zu erhöhen. Das Ausgleichsverfahren ist geeignet, die Ausbildungsbereitschaft insbesondere bei den ambulanten Pflegediensten zu erhöhen. Ob dies allerdings die beschriebenen Probleme löst - wer weiß.

Zusätzlich zu der Beantwortung der Fragen zur Ausbildungsfinanzierung bitten wir um die Erweiterung des Berichtsgegenstandes um weitere Aspekte zur Ausbildung im Pflegebereich. In der Gesetzgebungskompetenz des Landes liegt auch die einjährige Ausbildung der Alterpflegehelferinnen bzw. der Altenpflegehelfer. Nach einem Beschluss der 86. Konferenz der Arbeits- und Sozialminister im Jahr 2009 ist es das Ziel der Länder, eine Rah

menvereinbarung für die Ausbildung zu Assistenz- und Helferberufen in der Pflege zu entwickeln. Welchen Stand gibt es hierzu in Sachsen-Anhalt?

Außerdem hätten wir gern die Position der Landesregierung zur bundeseinheitlichen Definition des Begriffes „Fachkraft in der Altenpflege“ und zu der exakteren und umfassenderen Definition der Pflegbedürftigkeit erfahren.

Der Antrag beinhaltet einen Bericht zur Situation im Ausschuss für Arbeit und Soziales. Dies tut keinem weh und wird von uns begrüßt, um mit einer beliebten Formulierung in den Anträgen der Koalitionsfraktionen zu sprechen, zumal der Antrag offensichtlich der Umsetzung der Koalitionsvereinbarung dient. Selbstverständlich werden wir der Berichterstattung zustimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr. - Für die Fraktion der SPD spricht die Abgeordnete Frau Dr. Späthe.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Nach diesem vehement vorgebrachten Statement habe ich mir gerade gesagt, ich kann viele Dinge meiner Rede weglassen. Einiges möchte ich dennoch ergänzen.

Wir haben heute schon das Thema Fachkräftemangel angesprochen. Der Fachkräftemangel ist in vielen Teilen der Wirtschaft in aller Munde. Es wäre sehr unvorsichtig zu glauben, dass dieser Prozess ausgerechnet vor der Gesundheitswirtschaft - das ist auch in Sachsen-Anhalt die Wachstumsbranche schlechthin - Halt machen würde.

Es gibt viele Prognosen unterschiedlicher Gremien und Institute, die für die BRD insgesamt einen Anstieg der Anzahl pflegebedürftiger Menschen auf das Doppelte im Jahr 2050 vorhersagen, der einen zusätzlichen Bedarf an 400 000 Fachkräften im Gesundheitsbereich und in der Pflege hervorruft, wobei die Betonung auf dem Begriff Fachkräfte liegt. Hiermit sind examinierte Altenpflegerinnen und Pflegedienstleiterinnen und nicht Pflegehilfskräfte bzw. Betreuungspersonal im begleitenden Dienst gemeint.

Auf meine häufigen Nachfragen im Ministerium in den letzten Jahren wurde ich stets auf die hohe Zahl arbeitslos gemeldeter Pflegekräfte verwiesen. In der Tat: Im Oktober 2010 wurden in der Statistik für Sachsen-Anhalt 1 840 arbeitslose Pflegekräfte erfasst, aber nicht einmal 10 % davon, nämlich 141 Personen, sind Fachkräfte.

Es sind 204 freie Stellen für Pflegefachkräfte bei der Bundesagentur für Arbeit gemeldet. Da, wie wir wissen, nicht alle freien Stellen dort gemeldet werden, ist der Bedarf offensichtlich noch höher.

Auch bundesweit war die Anzahl der gemeldeten freien Stellen doppelt so hoch wie die der als arbeitslos erfassten Pflegefachkräfte.

In vielen Gesprächen mit Vertretern aus der Praxis werden die extremen Probleme bei der Besetzung offener Stellen formuliert. Stellen für Pflegehilfskräfte werden in den meisten Fällen binnen eines Monats besetzt. Bei der Besetzung von freien Stellen für Fachkräfte dauert es in der überwiegenden Zahl der Fälle drei Monate und noch länger.