Protocol of the Session on December 12, 2013

Diese Anregung aufgreifend, befasste sich der Ausschuss für Inneres und Sport im Anschluss an die Anhörung in einer zusätzlichen Sitzung am 3. Dezember 2013 erneut mit dem Gesetzentwurf und erarbeitete die Ihnen in der Drs. 6/2626 vorliegende Beschlussempfehlung.

Zwischenzeitlich hat die Gemeinde Mühlanger verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch genommen. Der Gemeinde wurde der einstweilige Rechtsschutz allerdings durch das Verwaltungsgericht Halle im Kern mit der Begründung verwehrt, dass die begehrte Genehmigung des Gebietsänderungsvertrages zwischen Mühlanger und Wittenberg die gesetzlichen Ziele der Gemeindegebietsreform nicht erreiche und damit Gründe des öffentlichen Wohls im Sinne von § 16 Abs. 2 der Gemeindeordnung entgegenstehen. Die Gemeinde Zahna-Elster würde nicht mehr die Mindestgröße von 10 000 Einwohnern erreichen.

Gegen diesen Beschluss des Verwaltungsgerichtes wurde Beschwerde vor dem Oberverwaltungsgericht eingelegt, die aber nach meinen Informationen vorgestern auch abschlägig beschieden wurde.

Meine Damen und Herren! Anders als im Fall Rieder, wo das Verwaltungsgericht Magdeburg dem Begehren der Gemeinde folgte und die Genehmigung des Gebietsänderungsvertrages mit Ballenstedt angeordnet hatte, was im Landtag zu einer Änderung des entsprechenden Gesetzentwurfes geführt hatte, gibt es im Fall von Mühlanger keinen vom Gesetzentwurf abweichenden Handlungsbedarf.

Im Auftrag des Ausschusses darf ich deshalb um Zustimmung zur vorliegenden Beschlussempfehlung bitten. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU)

Danke schön, Herr Kollege Dr. Brachmann. - Wir treten in die Debatte ein. Als Erster spricht für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Grünert.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das eigentliche Ziel, über die Gemeindegebietsreform eine zukunfts- und leistungsfähige Gemeindestruktur im Land Sachsen-Anhalt zu schaffen, ist nicht nur damals in Teilen, nein, sie sollte auch in diesem Fall dem politischen Kalkül geopfert werden. Obwohl es mit dem Leitbild, dem kommunalen Neugliederungsgrundsätzegesetz und den Begleitgesetzen zur Gemeindegebietsreform klare und verbindliche rechtliche Grundlagen für die Gemeindegebietsreform gibt, werden politisch motivierte Versuche unternom

men, diesen rechtlichen Rahmen zu hinter- bzw. zu umgehen.

Mein Fraktionsvorsitzender bezeichnete damals die Art und Weise des Zustandekommens und die unter Ignoranz der fachlichen Erwägungen getroffenen Grundlagen für die Gemeindegebietsreform als großen Murks.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Ich kann mich daran erinnern!)

Wir lehnten damals diese Art von Reform ab. Meine Damen und Herren! Nun scheint es, dass wir als Fraktion offensichtlich im Land die einzige Kraft sind, die für die Umsetzung dieser geltenden rechtlichen Bedingungen eintritt.

Im Rahmen der Anhörung zum genannten Gesetzentwurf wurde die politische Einflussnahme der Protagonisten mehr als deutlich. Nicht eine leitbildgerechte und leistungsfähige Gemeindestruktur war offensichtlich das erklärte Ziel, nein, es ging und geht um politische Einflussnahme und um Machtverteilung.

Meine Damen und Herren! Wie ist es denn sonst zu verstehen, dass der Bürgermeister der Gemeinde Mühlanger, der durch die Nichtherausgabe der Schlüssel für die öffentlichen Schaukästen wissentlich eine Auslegung behinderte und damit die Beanstandung durch das Landesverfassungsgericht wegen einer Verkürzung der Auslegungszeit provozierte, sich nunmehr als Interessenvertreter seiner Gemeinde hinstellt und mit dem Finger auf das Hohe Haus zeigt?

Er hatte im Rahmen der freiwilligen Phase jede Zeit der Welt, sich für eine Eingemeindung nach Wittenberg zu entscheiden, hat diese jedoch nicht betrieben. Stattdessen hat er interne Gespräche mit den Fraktionsspitzen von CDU und SPD geführt, den damaligen Ministerpräsidenten Professor Böhmer kontaktiert und nunmehr wiederum Absprachen mit dem Innenminister Herrn Stahlknecht und dem damaligen Staatssekretär Herrn Erben getroffen.

Meine Damen und Herren! Bei so viel Ignoranz und bewusster Hintergehung geltender Rechtsvorschriften hätte dem Abteilungsleiter Kommunal, Herrn Liebau, nicht nur der Rasierapparat entgleiten, sondern auch der Spiegel zerspringen müssen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wer jedoch dachte, dass die oberste Kommunalaufsicht diesem bewussten und vorsätzlichen Handeln des Bürgermeisters Einhalt gebietet, wurde und wird enttäuscht. Ich hoffe, es bleibt bei der Ausnahme. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Meine Damen und Herren! Meine Fraktion stimmt der Beschlussempfehlung zu und akzeptiert damit das öffentliche Interesse des Landes an einer zu

kunfts- und leistungsfähigen Gemeindestruktur sowie den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Halle sowie dessen Bestätigung durch das OVG. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Herr Grünert. - Es spricht jetzt für die CDU Herr Abgeordneter Kolze.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Gemeinde Mühlanger hat den Versuch unternommen, einen Gebietsänderungsvertrag mit der Lutherstadt Wittenberg gegenüber der Kommunalaufsicht des Landkreises Wittenberg im gerichtlichen Eilverfahren durchzusetzen. Hierfür hat Mühlanger fast zeitgleich zu dem Termin, zu dem der Gemeindegebietsänderungsvertrag zwischen Mühlanger und Wittenberg der Kommunalaufsicht zur Prüfung vorgelegt worden ist, das Verwaltungsgericht in Halle angerufen.

Zu diesem Eilverfahren ist es sicherlich gekommen, da man vor Ort in Mühlanger der Ansicht war, dass genügend Parallelen zum Fall Rieder im Harz vorlägen. Das ist aber nicht so. So hat das Verwaltungsgericht Halle den Antrag im Eilverfahren abgelehnt. Auch die Beschwerde von Mühlanger gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes in Halle wurde durch das Oberverwaltungsgericht am Dienstag dieser Woche zurückgewiesen.

Das Verwaltungsgericht Halle ging in der Begründung seiner Entscheidung darauf ein, dass eine Genehmigung des Gebietsänderungsvertrages mit Wittenberg auf eine ernsthafte Gefährdung der dauerhaften Leistungsfähigkeit der Einheitsgemeinde Zahna-Elster hinauslaufen würde und somit dem gesetzgeberischen Ziel der Gemeindegebietsreform und damit dem öffentlichen Wohl entgegensteht.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben uns im Fall Rieder nicht über die Entscheidung der Verwaltungsgerichtsbarkeit des Landes hinweggesetzt und werden dies auch heute nicht tun.

Eines möchte ich noch ganz unmissverständlich sagen: Mühlanger ist nicht mit Rieder vergleichbar. Im Landkreis Harz wird das Leitbild auch mit der durch Gebietsänderungsvertrag vorgenommenen Eingemeindung von Rieder nach Ballenstedt gewahrt. Im Landkreis Wittenberg sieht das anders aus.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte Sie um Ihre Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf bitten. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Danke schön, Herr Abgeordneter Kolze. - Als Nächster spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Herr Abgeordneter Meister.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Genese um die Zuordnung der Gemeinde Mühlanger wurde schon ausgiebig dargestellt. Ich verzichte an dieser Stelle darauf, die bekannten Tatsachen zu wiederholen. Man kann diesen Tag heute fast historisch nennen, da die Gemeindeneugliederung in Sachsen-Anhalt nach fünf Jahren heute ihr vorläufiges Ende finden wird.

Dieser nicht ganz einfache Prozess hat den Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land viel abverlangt. Die verantwortlichen Bürgermeister und Gemeinderäte sowie die Bürgerinnen und Bürger sind mit diesem Prozess sehr unterschiedlich umgegangen. Viele haben dabei ihre Chance genutzt, sich bereits in der freiwilligen Phase mit ihren Nachbargemeinden zu neuen Strukturen zusammenzufinden, und auch manche persönliche Befindlichkeit wurde hintangestellt. Dies hat der Arbeitsfähigkeit und der Konsolidierung der Gemeinden gut getan.

Wir haben heute mit dem Fall Mühlanger einen Fall im Landtag, in dem dies nicht geschehen ist, sondern darüber hinaus alles getan wurde, um eine einvernehmliche Lösung zu erschweren. Ergebnis dieser Bemühung war die Nichtigkeit der Eingemeindung von Mühlanger nach Zahna-Elster. Nur deshalb liegt uns heute dieser Gesetzentwurf vor.

Der Bürgermeister von Mühlanger hat sich in der Anhörung mehrfach enttäuscht darüber gezeigt, dass seine Absprachen mit Innenminister Stahlknecht und dem damaligen Staatssekretär Erben nicht zu dem von ihm gewünschten Ergebnis einer Zuordnung von Mühlanger zu Wittenberg geführt haben. Herr Grünert ging auf diese Ungewöhnlichkeit ein.

Bei aller Sympathie für das Anliegen und trotz unterschiedlicher Auffassung in der Sache, in einem sind wir uns doch einig: Diese Entscheidungen fallen nicht im Ministerium, sondern im Landtag. Es freut mich, dass der Minister das auch so sieht und in der Anhörung auch klargestellt hat.

Wie schwierig es nun ist, nach fünf Jahren Gemeindeneugliederung die ursprünglichen Maßstäbe des Gesetzes anzulegen, zeigt die Anhörung im Innenausschuss. Die Einheitsgemeinde ZahnaElster inklusive Mühlanger hatte zum gesetzlichen Stichtag, 31. Dezember 2005, 10 779 Einwohner, davon wohnten 1 472 in Mühlanger. Acht Jahre später stellt sich die Situation, bedingt durch die

demografische Entwicklung, anders dar. Die Einheitsgemeinde Zahna-Elster hat nur noch 9 557 Einwohner, davon 1 330 aus Mühlanger.

Doch Zahna-Elster geht es nicht allein so. Von den neun Städten im Landkreis Wittenberg haben bereits vier Städte Einwohnerzahlen unter 10 000 Einwohnern. Sie entsprechen damit nicht dem Leitbild des Gesetzes. Zahna-Elster ohne Mühlanger fiele somit nicht gänzlich aus dem lokalen Rahmen.

(Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU)

Auch in anderen Situationen wurde von der Landesseite das Kriterium der Einwohnerzahl höchst eigenwillig interpretiert. Im Fall Rieder schlug die Landesregierung noch vor vier Wochen die Eingemeindung nach Quedlinburg vor, obwohl das benachbarte und als Eingemeindungspartner ersehnte Ballenstedt mit 7 700 Einwohnern nun wirklich deutlich unterhalb der Grenze des Leitbildes lag.

Für eine Eingemeindung Mühlangers nach Wittenberg spricht, neben der räumlichen Nähe und Verflechtung Mühlangers mit Wittenberg, insbesondere der wiederholt geäußerte Mehrheitswille der Menschen in Mühlanger. Im Ergebnis der erforderlichen Abwägung gelangen wir zu der Entscheidung, eine Eingemeindung nach Wittenberg einer Eingemeindung nach Zahna-Elster vorzuziehen.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU)

Wir werden daher den gegenteiligen Gesetzentwurf der Landesregierung ablehnen. - Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Abgeordneter Meister. - Als Nächste spricht für die Fraktion der SPD Frau Abgeordnete Schindler.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Bereits bei der Einbringung des Gesetzentwurfes im Oktober 2013 habe ich Ausführungen zu den Gründen für das Zustandekommen des Gesetzes gemacht. Der Berichterstatter hat dies heute ebenso getan. Ich habe auch erwähnt, dass das Verfassungsgericht in vielen Urteilen festgestellt hat, dass das System der Neugliederung der Gemeinden in unserem Land insgesamt nicht verfassungswidrig gewesen ist und dass die Abwägung des Gemeinwohls in diesem Prozess richtig erfolgte.

Am Ende meines Redebeitrags damals habe ich jedoch festgestellt, dass nach drei Jahren nun vor Ort vielleicht auch andere Überlegungen der Beteiligten stattgefunden haben, die zu anderen Ent

scheidungen geführt haben. Ich endete mit dem Satz: Welche Lösung wir am Ende der Beratungen zu dem vorliegenden Gesetzentwurf vorlegen werden, ist noch offen.

Ich muss heute feststellen, dass die Anhörung am 28. November 2013 im Innenausschuss keine entscheidenden Argumente brachte, die dafür sprechen, von dem vorliegenden Gesetzentwurf abzuweichen.

Der in der Zwischenzeit abgeschlossene Gebietsänderungsvertrag der Gemeinde Mühlanger mit der Stadt Wittenberg wurde, wie es meine Vorredner erwähnt haben, bereits zweimal gerichtlich überprüft und von den Gerichtsinstanzen für nicht genehmigungsfähig erklärt. Ich zitiere aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 9. Dezember 2013:

„Der Genehmigung des in Rede stehenden Gebietsänderungsvertrages zwischen der Antragstellerin und der Beigeladenen stehen die gesetzlichen Ziele der Gemeindegebietsreform und damit Gründe des öffentlichen Wohls im Sinne von § 16 Abs. 1 der Gemeindeordnung des Landes Sachsen-Anhalt entgegen.“