Was ich mir aber durchaus vorstellen könnte, ist, zunächst einmal für gut qualifizierte Asylbewerber, deren Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt nachgefragt werden, ein sogenanntes Qualifikationsrelais, also einen Abzweig aus dem Asylverfahren in den Arbeitsmarkt, zu schaffen.
Dieser Vorschlag meines sächsischen Kollegen Ulbig und in die gleiche Richtung gehende Überlegungen des Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge verdienen eine sorgfältige Prüfung; denn sie könnten die Asylverfahren entlasten und dem Arbeitsmarkt dringend benötigte Fachkräfte zuführen. Die Potenziale hierfür sind durchaus vorhanden, da eine beachtliche Zahl der Asylsuchenden einen Gymnasialabschluss oder sogar eine Hochschulausbildung mitbringt.
Deshalb ist nicht zu verstehen, warum diese hochqualifizierten Menschen, die zentral oder dezentral untergebracht werden, über sechs, sieben oder acht Jahre in Deutschland bleiben, ohne arbeiten zu dürfen, anstatt sich einzubringen.
Für erwägenswert - das ist ganz wichtig - halte ich es außerdem, auch Asylbewerbern und Geduldeten, die ihre Identität und Staatsangehörigkeit offenbaren, einen leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt zu gewähren. Hierdurch würde zugleich ein Anreiz geschaffen, die gesetzlichen Mitwirkungspflichten zu erfüllen. Gelegentlich kommt es auch vor - das dürfen wir nicht vergessen -, dass bei uns Menschen leben, die komischerweise keinen Pass besitzen und nicht erklären, woher sie kommen. Das gehört auch zur Wahrheit.
bereich. Allein in Sachsen-Anhalt waren Ende September dieses Jahres mehr als 2 500 geduldete ehemalige Asylbewerber registriert.
Wie Sie wissen, wird bei zahlreichen bestandskräftig abgelehnten und damit ausreisepflichtigen Asylbewerbern die Durchsetzung der Ausreisepflicht immer wieder erneut für wenige Monate ausgesetzt, weil sie aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen - ich habe gerade einen Grund genannt, nämlich den, dass man nicht weiß, woher die Menschen kommen - nicht abgeschoben werden können.
Die Folge ist, dass die Betroffenen zum Teil über viele Jahre im Status der Duldung verbleiben. So lebten etwa im Jahr 2012 46 % der Geduldeten länger als sechs Jahre im Bundesgebiet. Zwar haben viele von ihnen zwischen 2006 und 2012 über diverse stichtagsgebundene Bleiberechtsregelungen schließlich eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, allerdings konnten diese Regelungen eine dauerhafte Lösung des Problems schon allein aufgrund der Stichtagsbezogenheit nicht erreichen.
Die Schaffung des § 25a des Aufenthaltsgesetzes, der für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende Möglichkeiten zur Aufenthaltsgewährung eröffnet, hat naturgemäß nur für eine Teilgruppe eine Lösung schaffen können. Auch über § 25 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes, dessen Regelungsziel gerade die Vermeidung von sogenannten Kettenduldungen ist, kann in vielen Fällen kein Weg in eine Aufenthaltserlaubnis gefunden werden.
Dies führt dazu, dass selbst langjährig Geduldete, die über die Zeit in Deutschland Wurzeln geschlagen haben, gut Deutsch sprechen und vielleicht auch schon Arbeit gefunden haben, nach geltendem Recht nicht immer einen Aufenthaltstitel - das ist schwer verständlich - erhalten können.
Deshalb hat die Freie und Hansestadt Hamburg einen Gesetzentwurf in den Bundesrat eingebracht, der vorsieht, dass Duldungsinhaber, die sich langjährig - Grundsatz: acht Jahre - in Deutschland aufhalten, unter bestimmten Voraussetzungen auf der Grundlage eines neu zu schaffenden Paragrafen im Aufenthaltsgesetzes eine Aufenthaltserlaubnis erhalten können.
Wie Sie wissen, hat der Landtag von SachsenAnhalt die Landesregierung mit Beschluss vom 20. Februar 2013 aufgefordert, diesen Gesetzentwurf zu unterstützen. Dieser Aufforderung sind wir gerne nachgekommen, weil wir der Auffassung sind, dass es sachgerecht ist, nachhaltige Integrationsleistungen, die oftmals trotz schwieriger Rahmenbedingungen erbracht wurden, anzuerkennen, und Menschen, die sich faktisch fest in Deutschland verwurzelt haben, eine dauerhaft rechtlich abgesicherte Lebensperspektive in unserem Land zu geben.
Die Landesregierung hat deshalb der Gesetzesinitiative im Bundesrat zugestimmt. Nachdem nunmehr auch im Koalitionsvertrag von Union und SPD im Bund festgeschrieben wurde, diese Initiative des Bundesrates umzusetzen, sollte einer entsprechenden alters- und stichtagsunabhängigen Regelung im Aufenthaltsgesetz Gott sei Dank nichts mehr im Wege stehen.
Einbürgerungen sind ein Teil einer Willkommens- und Anerkennungskultur. Deshalb hat die Landesregierung am 19. Oktober auf Initiative meines Hauses in Magdeburg mit etwa 400 Gästen ein großes Einbürgerungsfest gefeiert. In diesem festlichen Rahmen durfte ich zwölf Neubürgern die Einbürgerungsurkunden überreichen.
Ich bin überzeugt, dass dieses Fest für alle Beteiligten und insbesondere natürlich für die Eingebürgerten selbst und ihre Familien ein ganz besonderes Erlebnis war. Die Vita der auf dem Fest Eingebürgerten mag ganz unterschiedlich sein. Was mich aber bei allen beeindruckt hat, sind ihre beachtlichen Integrationsleistungen, die nun mit der Einbürgerung ihren Schlusspunkt gefunden haben. Auch solche Feste, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind ein Teil unserer Willkommenskultur.
Sie machen nicht nur einer breiteren Öffentlichkeit deutlich, wie bunt und vielfältig Sachsen-Anhalt schon geworden ist, sondern sind auch ein Zeichen der Anerkennung. Ich beabsichtige deshalb, künftig in regelmäßigen Abständen neu eingebürgerte Menschen in einem besonderen und würdigen Rahmen als deutsche Staatsangehörige willkommen zu heißen.
Zum Abschluss möchte ich eine Anmerkung zum Thema Staatsangehörigkeit machen. Der Koalitionsvertrag im Bund enthält hierzu die Festlegung, dass die Optionspflicht für in Deutschland geborene und aufgewachsene Kinder in Zukunft entfallen soll. Bekanntlich ist vielen in der Union diese Vereinbarung nicht leicht gefallen.
Ich bin allerdings schon seit Längerem der Überzeugung, dass dieser Schritt richtig ist und überfällig war, und habe daher öffentlich, sowohl hier als und auch in meiner Partei, dafür geworben. Denn aus der Praxis wissen wir, dass es vielen der sogenannten Optionskinder sehr schwer fällt, auf die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern zu verzichten, und das, obwohl sie in Deutschland aufgewachsen sind und die Heimat ihrer Eltern in aller Regel höchstens aus dem Urlaub kennen.
Dennoch sind diese Schwierigkeiten für mich menschlich nachvollziehbar, denn die durch ihre Eltern vermittelte Staatsangehörigkeit steht - wie auch bei uns - für ihre Wurzeln und ist daher ebenso ein Teil ihrer Identität, wie es ihre neue deutsche Heimat ist. Diese jungen Menschen sind faktisch mit einer binationalen Identität aufgewachsen. Dieser gesellschaftlichen Realität sollten
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Verankerung einer Willkommenskultur in Staat und Gesellschaft ist und bleibt ein wichtiges Ziel der Landesregierung. Diesem Ziel widmen wir uns gern mit unterschiedlichen Initiativen; denn wir wollen, dass sich alle Menschen, egal welchen Glaubens und welcher Herkunft, im Land Sachsen-Anhalt willkommen und dazugehörig fühlen, damit wir gemeinsam mit allen eine gute Zukunft in Sachsen-Anhalt haben. - Herzlichen Dank.
Danke schön, Herr Minister. Es gibt zwei Nachfragen. - Zunächst Frau Abgeordnete Frederking und danach Frau Kollegin Dr. Paschke.
Herr Stahlknecht, Asylbewerber und Asylbewerberinnen sind in einer Notsituation. Eine weltweit immer größer werdende Not ist der Klimawandel. Besonders in Afrika sind die Folgen des Klimawandels sehr gravierend und die Menschen verlieren ihre Lebensgrundlagen. Es kommt dort verstärkt zu Migration und Flucht. Die Gruppe der Klimaflüchtlinge wird weltweit immer größer.
Meine Frage zielt speziell auf die Gruppe der Klimaflüchtlinge. Sehen Sie perspektivisch eine Aufgabe unserer Gesellschaft darin, sowohl den vom Klimawandel betroffenen Menschen durch die Aufnahme in unser Land zu helfen als auch mit diesen Menschen durch Einbürgerung Fachkräfte zu sichern? Gibt es perspektivisch eine Möglichkeit, proaktiv diese Menschen in den Blick zu nehmen, weil man jetzt schon absehen kann, dass ihre Not in Zukunft immer größer werden wird?
Ich will Ihre Frage etwas allgemeiner beantworten. Ich bin der Auffassung, dass unsere Welt aus ganz unterschiedlichen Gründen in Bewegung ist und dass Menschen sich frei bewegen und ihr Land verlassen wollen, sei es aus den Gründen, die Sie genannt haben, sei es aus sozialen Gründen, sei es, weil Krieg ist, sei es, weil es Asylgründe gibt.
Wir haben uns in einer globalisierten Welt, in der die Reisemöglichkeiten viel einfacher als noch vor 200, 300 Jahren geworden sind, diesen Realitäten zu stellen. Wir können in Deutschland nicht sagen: Wir sind die Insel der Seeligen und uns betrifft das nicht, wir machen hier eine Closed-Shop-Politik.
Deshalb ist es unsere Aufgabe - auch unter Berücksichtigung solcher Dinge, die Sie genannt haben -, gemeinsam mit der EU eine Zukunftsstrategie zu entwickeln - es geht nicht nur um Deutschland, sondern auch um Europa -, um eine Strategie zu haben, wie wir diese weltweite Bewegung, die wir nicht aufhalten werden, zielgerichtet - ich sage einmal: nicht entgegensteuern - gestalten. Das ist meine innere Überzeugung.
Ich glaube, es hat in diesem Haus noch nie eine isolierte Regierungserklärung zur Integrationspolitik gegeben. Das hatte einen ganz bestimmten Grund: weil es eine strategische Frage ist, die uns in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zunehmend ereilen wird.
Herr Minister, Sie haben vor einiger Zeit den Erlass zur dezentralen Unterbringung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern herausgegeben. Gegenwärtig sind die Konzepte der Kreise und kreisfreien Städte beim Landesverwaltungsamt in der Prüfung bzw. schon abgeschlossen.
Teilen Sie meine Auffassung, dass die kommunalen Mandatsträger - obwohl es eine übertragene Aufgabe ist - in diesen Prozess intensiv einbezogen werden sollten, um die Umsetzung einer tatsächlichen Integration über die dezentrale Unterbringung langfristig zu sichern?
Ich teile Ihre Auffassung, dass Integration aus den von mir genannten Gründen Aufgabe jedes Einzelnen in Sachsen-Anhalt ist. Dazu gehören selbstverständlich auch diejenigen, die in Parlamenten, in den Kreistagen oder in den Gemeinderäten sitzen.
Wenn Sie Menschen in einem Landkreis vernünftig unterbringen wollen und dafür zum Beispiel auch Beschlüsse eines Kreistages brauchen, dann ist es erforderlich, dass Sie diejenigen, die dort die politische Verantwortung tragen, davon überzeugen, dass wir zukünftig gemeinsam einen anderen Weg gehen müssen. Das bedeutet, dass man nicht - das sage ich noch einmal sehr deutlich - nach einem gewissen Ablauf Menschen unter schwierigen Bedingungen zentral unterbringt und sie dann, wenn sie dort als Geduldete sechs, sieben Jahre
lang leben, noch nicht einmal arbeiten lässt. Denn dann entsteht dort ein Mikrokosmos, der aus sehr unterschiedlichen Gründen auch die Wurzeln für Kriminalität legt, die dann in diesem Mikrokosmos stattfindet. Diese Kriminalität in diesem Mikrokosmos führt dann wiederum dazu, dass der Außenbetrachter sagt: So sind sie, die Asylbewerber!
Das ist genau die Problematik, bei der sich die Geschichte anfängt im Kreis zu drehen. Insofern muss ab einem bestimmten Punkt - dazu gibt es hier unterschiedliche Auffassungen; Herr Herbst möchte das gleich von Anfang an, ich sehe das ein wenig anders - dezentral untergebracht werden, um diese Mikrokosmen zu entzerren. Dazu gehört selbstverständlich auch, dass jeder, der politische Verantwortung trägt, von der niedrigsten Ebene an, die Entscheidung mitträgt.
Dazu habe ich eine Nachfrage. Habe ich Sie jetzt richtig verstanden, dass Sie meine Auffassung teilen, dass die Kreistage und kreisfreien Städte dazu tatsächlich Beschlüsse herbeiführen müssten und nicht nur eine Information aus der jeweiligen Verwaltung erhalten?
Das ist eine Frage, zu der Sie in die Gemeindeordnung schauen müssten. Dort steht, ob die Vorlagen, die ein Landrat einreicht, eines Beschlusses bedürfen oder eine Information sind. Ich würde deshalb jetzt nicht die Kommunalverfassung ändern wollen. Das ist eine Detailfrage, die ich Ihnen jetzt so nicht beantworten kann. Entscheidend ist, dass man miteinander spricht.
Meine zweite Frage ist: Mir ist es wiederholt begegnet, dass Asylbewerberinnen und Asylbewerber beim Landesverwaltungsamt zur Anerkennung von Schulabschlüssen ein Zeugnis einreichen. Diese Anerkennung brauchen sie dringend, um dann zum Beispiel eine Ausbildung beginnen zu können. Mir wurde gesagt, dass die Zeit zwischen der Einreichung dieser Unterlagen und dem Rücklauf, ob alles in Ordnung ist, damit ein zweiter Schritt gegangen werden kann, sehr lang ist. Ich weiß nicht, ob Sie mir das gleich beantworten können. Aber vielleicht könnte man nachschauen und prüfen, woran es liegt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Minister, ich will mit einem Dank beginnen. Ich will Ihnen bei allen politischen Differenzen - manchmal in der Ideologie, manchmal im Detail, meistens in beidem -