Protocol of the Session on December 11, 2013

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hiermit eröffne ich die 56. Sitzung des Landtags von Sachsen-Anhalt der sechsten Wahlperiode. Ich heiße dazu alle anwesenden Mitglieder des Hohen Hauses und die Gäste, die wir heute im Hause haben, herzlich willkommen.

Wir begrüßen die Vertreter einer Volksinitiative - das ist nicht alltäglich -, die wir heute unter Punkt 1 auf der Tagesordnung haben. Sie haben sich in den letzten Monaten für ein Thema besonders engagiert.

Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Es liegen Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung vor. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2013 bat die Landesregierung, für die 29. Sitzungsperiode folgende Mitglieder zu entschuldigen:

Ministerpräsident Herr Dr. Haseloff entschuldigt sich für Donnerstag wegen der Teilnahme an der Konferenz der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder mit der Bundeskanzlerin in Berlin.

Herr Staatsminister Robra entschuldigt sich für Donnerstag wegen der Teilnahme an der Konferenz der Chefinnen und Chefs der Staats- und Senatskanzleien sowie der Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder mit der Bundeskanzlerin. - Weitere Entschuldigungen liegen mir nicht vor.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kommen wir zur Tagesordnung. Die Tagesordnung für die - -

(Herr Wunschinski, CDU: Sie sind nicht zu verstehen, Herr Präsident!)

Ich bitte die Technik, das Problem zu beheben. Hier wird noch gebaut. Im nächsten Jahr soll es besser werden. Ich versuche es noch einmal. Ich hoffe, für das Protokoll waren die Eingangsworte verständlich. Ich schaue zu den Stenografinnen. - Sie nicken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werte Gäste im Haus! Kommen wir zur Tagesordnung. Die Tagesordnung für die 29. Sitzungsperiode liegt Ihnen allen vor.

Die Fraktion der CDU hat fristgemäß ein Thema zur Aktuellen Debatte eingereicht. Der Antrag liegt in der Drs. 6/2639 vor und ist unter Punkt 24 auf die Tagesordnung genommen worden. Der Übereinkunft im Ältestenrat folgend, wird er am Freitag an erster Stelle beraten. Der ursprünglich für Freitag als erster Punkt vorgesehene Tagesordnungspunkt 12 wird somit an zweiter Stelle behandelt.

Gibt es dagegen Widerspruch? - Das ist nicht der Fall. Dann kann so verfahren werden.

Des Weiteren gibt es den Wunsch, die Tagesordnungspunkte 22 - Personelle Umbesetzung des 13. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses - und 23 - Personelle Umbesetzung des 14. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses -, die jeweils ohne Debatte behandelt werden, heute am Ende der Sitzung zur Abstimmung zu bringen, damit die Ausschüsse arbeiten können. Spricht jemand dagegen? - Das ist nicht der Fall. Dann werden wir heute am Ende der Sitzung die Tagesordnungspunkte 22 und 23 behandeln.

Gibt es weitere Bemerkungen zur Tagesordnung? - Das ist nicht der Fall. Dann können wir so verfahren.

Zum zeitlichen Ablauf der 29. Sitzungsperiode. Die morgige 57. Sitzung des Landtags beginnt um 9 Uhr.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Erste Beratung

Volksinitiative „Kulturland Sachsen-Anhalt retten!“

Unterrichtung Landtagspräsident - Drs. 6/2615

Meine Damen und Herren! Mit Schreiben vom 11. November 2013 haben die fünf Vertrauenspersonen einen Antrag auf Behandlung der Volksinitiative an mich gerichtet. Ich darf die Vertrauenspersonen im Hohen Hause herzlich willkommen heißen.

(Beifall im ganzen Hause)

Die Prüfung der in den §§ 4 bis 6 des Volksabstimmungsgesetzes niedergelegten materiellen und formalen Voraussetzungen hat zu der Entscheidung geführt, dass die Volksinitiative alle Antragsvoraussetzungen erfüllt.

Angenommene Volksinitiativen, die keinen Gesetzentwurf zum Inhalt haben, behandelt der Landtag gemäß seiner Geschäftsordnung in erster Beratung, in der einer der Vertrauenspersonen das Wort zu erteilen ist. Das ist etwas Seltenes. Dazu gibt es extra ein Gesetz, das Volksabstimmungsgesetz. Das bürgerschaftliche Engagement ist ausdrücklich willkommen.

Wir beginnen die Beratung mit dem Beitrag des Vertreters der Volksinitiative. Für die Volksinitiative wird als Vertrauensperson Herr Schöder sprechen. Ich erteile ihm hiermit das Wort.

(Zustimmung von Frau Pieper, Vertrauens- person der Volksinitiative)

Ich darf noch eine Anmerkung machen. Auf der Bühne würde man vielleicht „toi, toi, toi“ sagen.

Auch wenn man oft auf einer Bühne steht, ist es etwas Besonderes, hier in diesem Haus am Rednerpult zu stehen. Es ist für den einen oder anderen Gast auch etwas Besonderes, hier in diesem Haus zu sein. Der Lohn des Künstlers ist oftmals der Applaus.

In der Hausordnung ist die Bekundung von Zustimmung oder Ablehnung auf den Tribünen nicht vorgesehen. Ich möchte darauf hinweisen, dass Sie Ihre Empathie oder Antipathie - so leid es mir tut - für sich behalten müssen. Es ist Ihnen aber freigestellt, Herrn Schröder nach seiner Rede herzlich zu umarmen oder mit ihm ins Gespräch zu kommen oder der Debatte zu folgen.

Ich wollte dies nur erwähnen, damit es keine Unstimmigkeiten oder Unmut gibt. Aber diese Regelung gilt für die Tribünen in jedem Abgeordnetenhaus der Welt. Bitte schön, Herr Schöder.

Herr Schöder, Vertrauensperson der Volksinitiative „Kulturland Sachsen-Anhalt retten!“:

Vielen Dank, Herr Präsident. - Guten Tag! Sehr geehrter Herr Präsident Gürth! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrte Mitglieder der Landesregierung! Sehr geehrte Bürgerinnen und Bürger des Landes Sachsen-Anhalt! Sehr geehrte Unterstützer der Volksinitiative! Die vielen Unterschriften zeigen - ich stelle das Pult etwas höher, damit ich Sie besser sehen kann -, was den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes wichtig ist.

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich, heute hier vor Ihnen als einer der Vertreter dieses Begehrens sprechen zu dürfen. Danke, dass Sie uns zu hören.

Es berührt mich zutiefst, dass unsere Sorge um den Erhalt der Kultur und des gesamten kulturellen Lebensniveaus in unserem Land Sachsen-Anhalt so viele Unterstützer gefunden hat. Ich stehe nicht allein hier. Neben und hinter mir stehen mehrere Zehntausend Menschen mit ihrem Willen, dass wir fünf Vertrauenspersonen, wie es im Gesetz über Volksinitiativen heißt - wir, das sind Frau Cornelia Pieper, Herr Tilman Schwarz, Herr Ulrich Fischer, Herr André Bücker und ich, Olaf Schöder -, für die Kultur in Sachsen-Anhalt Entscheidendes bewegen sollen.

Der Präsident des Landtages, Herr Detlef Gürth, hat 30 773 der von uns eingereichten 31 400 Unterschriften als gültig im Sinne des Volksabstimmungsgesetzes anerkannt.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Es erreichten uns allerdings mehr als 45 000 Unterschriften, wobei wir bereits etwa 9 000 Unterschriften vorab mangels Vollständigkeit der Eintragung aussortiert hatten. In der Summe stehen vor

Ihnen also ca. 45 000 Menschen mit ihren Kindern und mit ihren Familien. 45 000 Unterschriften sind - dieser Hinweis sei mir gestattet - auch Wählerstimmen.

Es hält also nicht nur ein Mensch hier eine Rede. Es sprechen gewissermaßen mehrere Zehntausend Menschen zu Ihnen. Diese Wählerstimmen benutzen das Instrument der Volksinitiative, um ihre Abgeordneten zusätzlich mit einem Auftrag bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen.

Viele Protestaktionen begannen im Frühjahr gegen die geplanten Kürzungsabsichten unserer Landesregierung. Mich beeindruckte zutiefst, wie engagiert sich Menschen zusammenfanden und sich in einer seit 1989 noch nie dagewesenen Heftigkeit solidarisierten, um zu protestieren.

Sie haben uns dazu bewogen zu überlegen, wie wir diesen Protest konstruktiv weiterführen könnten, um nicht ein Gegner der Politik, sondern deren Partner zu sein. Alle Menschen, auch Sie, liebe Abgeordnete, sind kulturoffene Wesen und brauchen Kultur, sonst verkümmern sie, sonst bleiben wir alle als Ganzes auf der Strecke. Kultur ist eine und für viele d i e Ressource, das eigene Leben zu meistern.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN - Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU, und von Herrn Güssau, CDU)

Was meine ich damit? - Unsere Demokratie lebt davon, dass das Volk, anders als zu Zeiten der Pharaonen, die Politik nicht nur hinnimmt, sondern sich aktiv daran beteiligt. Heute und eben auch hier sprechen und zuhören zu dürfen, ist für Sie und uns eine einmalige Chance, etwas für die Zukunft der Kultur in unserem Land zu bewegen.

Was für ein Land ist es eigentlich? - Ein Land mit einer langen, großartigen kulturellen Tradition, mit so herausragenden Personen wie Luther, Cranach, Händel, Bach, Telemann, Schütz, Franke, Novalis, Moses Mendelssohn, Weill - mein Gott, es hört gar nicht auf -, um nur einige zu nennen.

Diese und viele weitere hervorragende Geister haben uns hier in diesem kleinen Bundesland ein kulturelles Erbe hinterlassen, welches in vielerlei Hinsicht seinesgleichen sucht und welches es zu bewahren und zu schützen gilt, nämlich durch uns, die heute Lebenden, und gerade auch durch Sie, die Abgeordneten im Landtag von SachsenAnhalt.

Ich zitiere in diesem Zusammenhang aus Artikel 41 Abs. 2 der Landesverfassung - das kennen Sie alle -:

„Die Abgeordneten sind Vertreter des ganzen Volkes. Sie sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“

Schiller konnte zu seiner Zeit in seinem „Don Carlos“ dem König von Spanien durch Marquis von Posa noch zurufen lassen: Sire, geben Sie Gedankenfreiheit!, als es dort um die freie Entfaltung der Persönlichkeit ging.

Könige, Kaiser gibt es heute jedenfalls in Deutschland nicht mehr. Der Souverän ist das Volk selbst. Dieses wird in unserer parlamentarischen Demokratie, in Sachsen-Anhalt vertreten durch Sie, sehr geehrte Abgeordnete, hier im Landtag. Sie tragen die Verantwortung für die Rahmenbedingungen zur Entfaltung der Persönlichkeit der Menschen, gerade auch der jungen Menschen in unserem Land mit diesem wunderbaren kulturellen Hintergrund und diesen fantastischen Angeboten durch unsere Theater und Orchester. Wir haben hier Leuchttürme der Kultur. Sie strahlen aus, nicht nur in unserem Land, sondern auch weit darüber hinaus, deutschlandweit und sogar international. Sie sind hervorragende Kulturbotschafter unseres Landes in aller Welt.

Deshalb rufe ich Ihnen in Abwandlung des zuvor zitierten Schiller-Wortes zu: Liebe Abgeordnete, Vertreter des gesamtes Volkes in Sachsen-Anhalt, schaffen Sie die Voraussetzungen dafür, dass diese Leuchttürme weiter leuchten und glänzen zum Ruhm und Wohl unseres Landes und nicht durch tiefe finanzielle Einschnitte stumpf und matt werden oder gar verlöschen!

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Wie gehen Sie nun damit um, indem Sie an den Kürzungsplänen festhalten und unserer kulturellen Identität, gerade auch in finanzieller Hinsicht, nicht den gebührenden Platz einräumen? Nicht wahrnehmend oder zumindest nicht in praktische Finanzpolitik umsetzend, dass aus dieser kulturellen Identität gemeinsam mit den wertschöpfenden Instituten der Theater, Opernhäuser, Vereine und Museen geistige und materielle Werte geschaffen werden und das Leben hier besonders attraktiv machen? - Es handelt sich also um eine Investition, nicht um eine Subvention, die ein Vielfaches an Gewinn erwirtschaftet.