Protocol of the Session on October 17, 2013

Die von Mühlanger gegen das Neugliederungsgesetz erhobene kommunale Verfassungsbeschwerde war erfolgreich. Das Landesverfassungsgericht erklärte die gesetzliche Neugliederung der Gemeinde Mühlanger zur Stadt ZahnaElster für nichtig. Wie bereits im Fall der Gemeinden Bad Suderode und Rieder sowie der Stadt Gernrode waren für die Entscheidung des Gerichtes auch hier allein formale Gründe ausschlaggebend. Auch hier waren die zum seinerzeitigen Gesetzesvorhaben erforderliche Bürgeranhörung in der Gemeinde Mühlanger nicht innerhalb der gebotenen Frist von zwei Monaten bekannt gemacht worden. Unerheblich war dabei, dass die um einen Tag verfristet erfolgte Bekanntmachung auf Verzögerungen des Bürgermeisters der Gemeinde Mühlanger zurückzuführen war, den Aushang im Schaukasten zuzulassen.

Die Zuordnung von Mühlanger war insoweit nur wegen des formalen Verstoßes gegen gesetzliche Vorgaben zur Bekanntmachung aufgehoben. Eine Kritik an den Grundsätzen der Gemeindegebietsreform und an der vom Landesgesetzgeber beschlossenen Teilhabe der Gemeinde Mühlanger an der Bildung der Einheitsgemeinde Stadt ZahnaElster waren damit nicht verbunden.

Die Gemeinde Mühlanger ist mithin weiterhin rechtlich selbständig. Der im Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetz niedergelegte Auftrag, landesweit leistungsfähige gemeindliche Struktur zu schaffen, besteht allerdings auch nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichts fort.

Das Leitbild des Gesetzgebers zur Gemeindegebietsreform sieht dazu Einheitsgemeinden mit mindestens 10 000 Einwohnern vor. Mit 1 472 Einwohnern zum maßgeblichen Stichtag 31. Dezember 2005 entspricht diese nunmehr wieder selbständige Gemeinde Mühlanger nicht den gesetzlichen Vorgaben und ist als solche eigenständige Gemeinde nicht leitbildgerecht. Es besteht daher das Erfordernis, die Gemeinde Mühlanger einer leitbildgerechten Struktur zuzuführen. Dieses Ziel verfolgt der heute eingebrachte Entwurf eines Gesetzes über die Eingemeindung der Gemeinde Mühlanger.

In ihrem von der Landesregierung erbetenen Stellungnahmen zu diesem Gesetzentwurf haben die Stadt Zahna-Elster und der Landkreis Wittenberg das Gesetzesvorhaben und damit die Eingemeindung der Gemeinde Mühlanger in die Einheitsgemeinde Stadt Zahna-Elster begrüßt. Nicht zuletzt aus Gründen der bisherigen Verbundenheit von Mühlanger mit Zahna-Elster und ihren Ortschaften wie auch mit Blick auf die Neugliederungsleitlinien sei eine Wiedervereinigung der Gemeinde Mühlanger mit der Stadt Zahna-Elster anzustreben.

Auch die Regionale Planungsgemeinschaft AnhaltBitterfeld-Wolfen und die benachbarte Stadt Kemberg haben sich für den Gesetzentwurf ausgesprochen. Die kommunalen Spitzenverbände haben keine Stellung genommen.

Die Gemeinde Mühlanger will dagegen nach wie vor nicht Teil der Einheitsgemeinde Zahna-Elster werden. Die Bürgerinnen und Bürgern der Gemeinde Mühlanger votierten wie bereits im November 2009 in der Anhörung zum seinerzeitigen Neugliederungsgesetzentwurf anlässlich der von der Landesregierung initiierten Bürgeranhörung am 22. September 2013 zum erneuten Gesetzentwurf zu einer Neugliederung mehrheitlich gegen eine Zuordnung nach Zahna-Elster. So sprachen sich 784 Bürgerinnen und Bürger gegen eine Eingemeindung nach Zahna-Elster aus und 408 Bürgerinnen und Bürger dafür.

In der Anhörung im November 2009 war die Ablehnung einer Zuordnung von Mühlanger nach Zahna-Elster deutlicher, seinerzeit entschieden sich 473 Bürgerinnen und Bürger gegen die Zuordnung und 57 Bürgerinnen und Bürger dafür. Nach dem Anhörungsergebnis vom 22. September 2013 sieht sich die Gemeinde Mühlanger in ihrer Ablehnung einer Eingemeindung in die Stadt Zahna-Elster durch ihre Bürgerinnen und Bürgern be

stätigt. Die Gemeinde strebt stattdessen eine Eingemeindung in die Lutherstadt Wittenberg an,

(Zustimmung von Herrn Scheurell, CDU)

und zwar auf freiwilliger Basis im Wege eines Gemeindegebietsänderungsvertrages. Nach ihrer Auffassung würden unter anderem historische, verkehrstechnische und wirtschaftliche Beziehungen diesen Weg vorgeben.

Zur Untermauerung ihrer Position hat die Gemeinde Mühlanger am 29. September dieses Jahres und damit eine Woche nach der von der Landesregierung initiierten Bürgeranhörung eine eigene Bürgeranhörung durchgeführt, um nicht zuletzt für eine freiwillige Gebietsänderung die Meinung der Bürgerinnen und Bürgern zum künftigen Weg von Mühlanger zu erfragen.

So wurde einerseits die Frage zur Anhörung gestellt, ob die Bürgerschaft die Eingemeindung der Gemeinde Mühlanger in die Lutherstadt Wittenberg befürwortet. Alternativ wurde auch noch einmal zu einer Eingemeindung in die Stadt ZahnaElster angehört.

Im Rahmen der Anhörung sprachen sich 501 Bürgerinnen und Bürger für eine Eingemeindung in die Lutherstadt Wittenberg aus und 269 Bürgerinnen und Bürger dagegen. Die erneute Frage zu einer Eingemeindung in die Stadt Zahna-Elster wurde mehrheitlich mit 467 Neinstimmen und 281 Jastimmen abgelehnt.

Am 2. Oktober dieses Jahres, also vor Kurzem, hatte daraufhin der Gemeinderat der Gemeinde Mühlanger den Entwurf eines Gebietsänderungsvertrages mit der Lutherstadt Wittenberg beschlossen und den Bürgermeister der Gemeinde Mühlanger beauftragt, mit der Lutherstadt Wittenberg Verhandlungen über eine Eingemeindung zu führen.

Ihre grundsätzliche Bereitschaft einer Eingemeindung von Mühlanger hat die Lutherstadt Wittenberg bereits erkennen lassen. Voraussichtlich Ende Oktober beabsichtigt der Stadtrat von Wittenberg eine Beschlussfassung zur freiwilligen Eingemeindung von Mühlanger.

(Herr Scheurell, CDU: Das wäre gut!)

Für die Landesregierung ist das gesetzgeberische Leitbild zur landesweiten Gebietsreform maßgebend. Es handelt sich dabei um ein Gesetz, das durch das Hohe Haus beschlossen worden ist. Dieses Leitbild und die im Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetz normierten Leitlinien sehen Einheitsgemeinden mit mindestens 10 000 Einwohnern vor. Ohne Mühlanger erreicht die Stadt Zahna-Elster nur 9 307 Einwohner zum maßgeblichen Stichtag und unterschreitet damit die Regelmindestgröße für eine Einheitsgemeinde nicht nur geringfügig im Sinne des Neugliederungs-Grundsätzegesetzes.

Für die Landesregierung maßgeblich ist - ich wiederhole mich - das Gesetz, an dem wir unser Handeln auszurichten haben. Sollte dieses Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetz, welches hier beschlossen worden ist, durch den Landtag heute anders bewertet werden, würden wir selbstverständlich jede Entscheidung des Souveräns akzeptieren. Wir haben aber das vorzulegen, was gesetzeskonform ist, weil wir als Landesregierung den Willen dieses Hohen Hauses zu akzeptieren haben. Wir sprachen gerade heute Morgen darüber.

Meine Damen und Herren! Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um die Überweisung dieses Gesetzentwurfes in den Ausschuss für Inneres und Sport. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Danke schön, Herr Minister, für die Einbringung. - Es ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Zunächst spricht für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Grünert.

Sehr geehrter Herr Präsident! Gestatten Sie mir an dieser Stelle, auch wenn es einige Akteure nicht mehr hören können, nochmals auf die eigentliche Zielstellung einer Gemeindegebietsreform zu verweisen.

Mit den Gesetzen zur Gemeindeneugliederung und den Begleitgesetzen zur Gemeindegebietsreform sollte eine zukunfts- und leistungsfähige Gemeindestruktur geschaffen werden. Sie galt als Voraussetzung für eine umfassende Funktionalreform und sollte die Grundlage dafür bilden, dass möglichst alle erstinstanzlichen Aufgaben an die gemeindliche Ebene abgegeben werden können.

Der Grundsatz der 1:1-Umwandlung von Verwaltungsgemeinschaften mit prägendem Ort bzw. nach dem Trägergemeindemodell in Einheitsgemeinden unter Berücksichtigung der landmannschaftlichen Bindungen, räumlichen Nähe und Verflechtung galten als Haltelinien, die gesetzlich normiert waren.

Was sich bezogen auf die Einheitsgemeinde Zahna-Elster und Wittenberg abspielte, war jedoch nicht nur ein Rechtsbruch. Vielmehr wurden im Rahmen der freiwilligen Phase die Ergebnisse von Bürgeranhörungen politisch motiviert höher eingestuft als die gesetzlichen Vorgaben.

Mit der genehmigten Eingemeindung der Gemeinden Kropstädt, Abtsdorf, Mochau, Boßdorf und Straach wurde der Gebiets- und Einwohnerbestand der Einheitsgemeinde Zahna-Elster erheblich geschwächt, sodass die Erreichung der Mindesteinwohnerzahl - der Minister hat es gerade ausgeführt - ohne eine Zuordnung der Gemeinde

Mühlanger nach Zahna-Elster und die damit verbundene Leitbildgerechtigkeit nicht mehr erzielt werden konnte.

Meine Damen und Herren! Darüber hinaus muss an dieser Stelle das Handeln der Bürgermeister von Wittenberg und Mühlanger berücksichtigt werden. Aus offensichtlich persönlichen Befindlichkeiten wurde gegen den Grundsatz der Gemeinwohlverpflichtung der Gemeindeordnung verstoßen. So hat der Bürgermeister von Mühlanger die Herausgabe der Schlüssel für das Rathaus verweigert, sodass die Veröffentlichung einen Tag später erfolgte und folgerichtig die Verkürzung der Veröffentlichungszeit durch das Landesverfassungsgericht gerügt wurde. An dieser Stelle erfolgte übrigens keinerlei kommunalrechtliche Würdigung des Agierens der handelnden Personen. An anderer Stelle ist man diesbezüglich ziemlich schnell bei der Sache.

Aufgrund der Nichtanwendung der rechtlich verbindlichen Regelungen des Kommunalneugliederungs-Grundsätzegesetzes und des ersten Begleitgesetzes zur Gemeindegebietsreform haben wir nunmehr die Situation, die zu diesem Gesetzentwurf führte.

Es sind jedoch die gleichen politischen Akteure am Werk, die die durch das Innenministerium vorgeschlagene erneute Zuordnung der Gemeinde Mühlanger in die Einheitsgemeinde Zahna-Elster zu verhindern suchen. Sie stützen sich dabei auf eine am 22. September 2013 durchgeführte Bürgeranhörung, bei der sich eine erheblich geringere Zahl von Bürgerinnen und Bürgern im Vergleich zur Bürgeranhörung von 2009 gegen eine Eingemeindung in die Stadt Zahna-Elster aussprach.

Das Zitat des ehemaligen Innenministers Herr Jeziorsky, „Verantwortung heißt nicht, frei von Vernunft zu entscheiden“, behält unter diesen Bedingungen seine Bedeutung. Warum? - Wir, das heißt der Landtag, haben nach dem Grundsätzegesetz die lokalen Interessen gegen die Landesinteressen abzuwägen. Bestandteil dieses Abwägungsprozesses ist die Sicherung einer dauerhaften Bestandskraft der neugebildeten kommunalen Strukturen.

Vergleicht man nunmehr die Entwicklung der Einwohnerzahlen vom 31. Dezember 2005 mit den Zahlen vom 31. Dezember 2012, dann wird sichtbar, dass ein Ausbrechen der Gemeinde Mühlanger eine dauerhafte Gefährdung der Leistungsfähigkeit der Stadt Zahna-Elster nach sich ziehen würde. Was das bedeutet, können wir uns anhand der Ergebnisse zum Beispiel der Stadt Oberharz am Brocken deutlich vor Augen führen.

Meine Damen und Herren! Meine Fraktion nimmt den Bürgerwillen ernst.

(Herr Dr. Schellenberger, CDU: Meine auch!)

Hierbei geht es jedoch nicht nur allein darum, den örtlichen Akteuren das Wort zu reden, sondern auch darum, den gesetzlich normierten Auftrag des Landesinteresses mit in die Abwägung einzubeziehen.

Die Alternative, nämlich die Herauslösung der ehemaligen Flämingdörfer aus dem Gebietsbestand der Lutherstadt Wittenberg und deren Zuordnung zur Stadt Zahna-Elster, wird von den Protagonisten gegen den Regierungsentwurf abgelehnt. Auch meine Fraktion würde diese Variante nicht unterstützen, da mittlerweile die Verflechtungen mit der Lutherstadt Wittenberg verfestigt sind.

Meine Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE spricht sich für eine Überweisung des Gesetzentwurfes in den Innenausschuss aus. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Herr Abgeordneter Grünert. - Als Nächste spricht für die Fraktion der SPD Frau Abgeordnete Schindler.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wie bereits erwähnt, wurde mit dem Urteil des Landesverfassungsgerichtes vom 29. Mai 2013 der Klage der Gemeinde Mühlanger stattgegeben und somit die Zuordnung der Gemeinde Mühlanger zu der Gemeinde Zahna-Elster im Gemeindeneugliederungsgesetz für nichtig erklärt. So sind wir bzw. die Regierung - der Minister hat es bereits dargestellt - aufgerufen, zu handeln und den entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen.

Mit diesem Urteil sind die Grundsätze der Neugliederung weder aufgehoben noch infrage gestellt worden. Wiederum war es ein Verfahrensfehler, der gerügt wurde und der nun zur Nichtigkeit des beklagten Gesetzes geführt hat.

Wir haben bereits gehört, dass es wiederum einen Fehler bei der Bekanntmachung der Bürgeranhörung gab. Vor Kurzem lag ein Gesetzentwurf vor, der die Gemeinden Rieder, Bad Suderode und Gernrode betraf. In diesem Fall lag eine ähnliche Problematik vor.

Erlauben Sie mir, dass ich an dieser Stelle die Äußerung meines Kollegen Herrn Brachmann aufgreife, der darauf hingewiesen hat, dass das Verfassungsgericht die Sammelklage mehrerer Kommunen, die gegen die Grundsätze der Gemeindeneugliederung geklagt haben, mit Urteil vom 21. April 2009 abgelehnt hat.

Das heißt - das wurde heute bereits mehrfach dargestellt -, dass das System der Neugliederung nicht verfassungswidrig ist und dass die Abwägun

gen, die bisher erfolgt sind, nämlich die Abwägung zwischen dem Gemeinwohl und den Interessen des Gebietsbestandes einzelner Gemeinden, nicht gesetzeswidrig durchgeführt wurde.

Das vorliegende Gesetz vollzieht aber noch einmal das, was bereits vor drei Jahren im Zusammenhang mit der Zuordnung der Gemeinde Mühlanger zu der Gemeinde Zahna-Elster vorgelegt worden ist. Damals haben wir in diesem Hohen Haus einen entsprechenden Beschluss gefasst. Nunmehr wird dieser Prozess aufgrund des Urteils noch einmal in Gang gesetzt.

Seitdem sind drei Jahre vergangen. Den Ausführungen des Ministers war zu entnehmen, dass viele neue Überlegungen und Argumente auch von den Beteiligten vorgetragen worden sind. Der Minister ist sehr ausführlich auf die verschiedenen Anhörungen, die stattgefunden haben, eingegangen.

Mit welcher Lösung wir am Ende des Gesetzgebungsprozesses die Beratungen abschließen werden, mag ich heute noch nicht sagen. Deshalb bitten wir, diese Beratung in Gang zu setzen, und bitten deshalb um Überweisung des Gesetzentwurfs in den Innenausschuss.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schindler. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht nun Herr Abgeordneter Meister.