Protocol of the Session on October 17, 2013

Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie zur 52. Sitzung des Landtages von Sachsen-Anhalt der sechsten Wahlperiode. Ich stelle die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses fest.

Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Herr Christoph Erdmenger hat wegen der Übernahme anderer Aufgaben sein Landtagsmandat niedergelegt. Der Landeswahlleiter hat mir mit Schreiben vom 24. September 2013 mitgeteilt, der Sitz sei auf Herrn Olaf Meister, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN übergegangen. Herr Meister habe die Wahl angenommen.

(Unruhe)

Ich möchte um Ihre Aufmerksamkeit werben, damit wir Herrn Meister recht viel Erfolg bei seiner Arbeit wünschen können. Herr Meister, gutes Gelingen!

(Beifall im ganzen Hause)

Es liegen aktuell keine Entschuldigungen von Mitgliedern der Landesregierung vor.

Die Tagesordnung für die 27. Sitzungsperiode des Landtages liegt Ihnen vor. Wie bereits im Ältestenrat angekündigt, liegt zu Tagesordnungspunkt 4 ein interfraktioneller Antrag in der Drs. 6/2498 vor, der auf die Tagesordnung genommen werden soll. Im Ältestenrat hieß es, die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN würden dann ihren Antrag in Drs. 6/2478 zurückziehen. Ich frage beide Fraktionen, ob dies der Fall ist. - Ich sehe, das ist der Fall.

Zudem darf ich darauf hinweisen, dass sich die parlamentarischen Geschäftsführer zu Tagesordnungspunkt 4 auf eine Debatte mit einer Redezeit von zehn Minuten je Fraktion verständigt haben. Eine Einbringungsrede wird nicht gehalten. Dann können wir so verfahren.

(Unruhe)

Es ist sehr laut im Saal.

Weiterhin liegt uns in der Drs. 6/2502 der interfraktionelle Antrag zu Tagesordnungspunkt 1 bezüglich der Besetzung des 14. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses vor, der auf die Tagesordnung zu nehmen ist.

Gibt es weitere Anmerkungen zur Tagesordnung? - Das sehe ich nicht.

Zum zeitlichen Ablauf der 27. Sitzungsperiode möchte ich anmerken, dass am heutigen Abend eine parlamentarische Begegnung mit der gesetzlichen Krankenversicherung Sachsen-Anhalt sowie zwei weitere parlamentarische Begegnungen stattfinden. Die morgige 53. Sitzung des Landtages beginnt wie üblich um 9 Uhr.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Beratung

a) Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses

Antrag mehrere Abgeordnete - Drs. 6/2488

b) Besetzung des 14. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses

Antrag Fraktionen CDU, DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs.6/2502

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dem Hohen Haus liegt ein Antrag zur Einsetzung des 14. Parlamentarischen Untersuchungsausschusses vor. Dazu möchte ich einige Bemerkungen machen.

Gemäß Artikel 54 Abs. 1 der Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt hat der Landtag das Recht und auf Antrag von mindestens einem Viertel seiner Mitglieder die Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Dieser Regel entspricht auch die Bestimmung des § 2 Abs. 3 des Gesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen.

Ein Viertel der Mitglieder des Landtages muss den Antrag auf Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses gestellt haben, um den Landtag zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses zu verpflichten. Bei 105 Abgeordneten sind somit 27 Antragsteller erforderlich. Der Antrag in der Drs. 6/2488 wurde von 28 Mitgliedern des Landtages unterzeichnet. Somit hat der Landtag die Pflicht, den Untersuchungsausschuss einzusetzen.

Gemäß § 5 Abs. 1 des Untersuchungsausschussgesetzes bestätigt der Landtag mit der Einsetzung des Untersuchungsausschusses zugleich den Vorsitzenden und dessen Stellvertreter sowie die weiteren von den Fraktionen benannten Mitglieder und deren Stellvertreter. Dazu liegt Ihnen die Drs. 6/2502 vor.

Im Ältestenrat wurde vereinbart, nach der Einbringung eine Fünfminutendebatte in der folgenden Reihenfolge durchzuführen: SPD, GRÜNE, CDU, DIE LINKE. Für die Antragsteller hat Herr Dr. Thiel das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! 28 Abgeordnete des Landtages beantragen, dass gemäß Artikel 54 Abs. 1 der Verfassung unseres Landes ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt wird.

In den letzten Wochen wurden wir mit einer Reihe von Tatsachen konfrontiert, die Fragen nach dem

Umgang mit öffentlichen Geldern, nach der Wirksamkeit der öffentlichen Kontrolle im Umgang mit diesen Geldern sowie nach dem konkreten Verwaltungshandeln bei der Vergabe von Beteiligungen des Landes durch Mitglieder oder Beauftragte der Landesregierung aufwarfen.

Die bekannt gewordenen Vorgänge hinsichtlich möglicher unrechtmäßiger Vergabe von Beteiligungen des Landes Sachsen-Anhalt an privaten Unternehmen und der Verdacht persönlicher Vorteilsnahme leitender Angestellter des Landes haben die Notwendigkeit einer konsequenten und vollständigen Aufklärung deutlich gemacht.

Bisher konnten auf diese Fragen nur teilweise zufriedenstellende Antworten gegeben werden. Nicht zu übersehen ist auch, dass die Landesregierung von ihren nachgeordneten Mitarbeitern offensichtlich nicht vollständig informiert wurde. Das haben wir auch in der Aktuellen Debatte in der Sitzung des Landtages im September 2013 deutlich gemacht.

Die Mehrzahl der bekannt gewordenen Fakten ist zunächst über die Medien bzw. deren Recherchen öffentlich geworden. Die Aktuelle Debatte in der Septembersitzung zu dieser Thematik verdeutlichte erneut, dass seitens der Landesregierung wenig Interesse vorhanden war, sich kritisch mit der Gesamtentwicklung bei der IBG zu beschäftigen.

In dem Jahresbericht 2013 des Landesrechnungshofes zur Haushalts- und Wirtschaftsführung im Haushaltsjahr 2012, der am Montag dieser Woche veröffentlicht wurde und sich mit den fortlaufend hohen Jahresfehlbeträgen bei der IBG mit ihren Risikokapitalbeteiligungen beschäftigte, wurde erneut auf mangelnde Kontrollfunktionen und offensichtliche Fehler in den Managementverträgen hingewiesen. Der Landesrechnungshof kritisierte vor allem den hohen Kapitalverbrauch in Bezug auf die Nachhaltigkeit der Verwendung öffentlicher Mittel sowie die nach seiner Auffassung unangemessen hohe Vergütung bei der Managementgesellschaft und die Gewährung von Boni.

So seien bereits im Jahr 2012 96,5% des vom Land im Zeitraum 2008 bis 2012 eingezahlten Kapitals verbraucht gewesen. Wir reden hierbei von fast 69 Millionen €. Auch wenn es kaufmännische Abschreibungen gewesen sein sollen, die die hohen Verluste ausmachen, bleibt dennoch die Frage nach den Ursachen für schwarze Löcher bei der Fördermittelvergabe. Denn das Geld ist ja nicht weg; es hat offensichtlich ein anderer.

Der Landesrechnungshof kommt in seinem Jahresbericht 2013 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung im Haushaltjahr 2012 zu der folgenden Schlussfolgerung:

„Das mit der Umstrukturierung verfolgte Ziel der Professionalisierung des Beteiligungsmanagements hat sich weder in der Ertrags

lage noch in den Jahresergebnissen der IBG-Gruppe niedergeschlagen. Der Landesrechnungshof hält es für erforderlich, das Geschäftsmodell der IBG und die praktizierte Verfahrensweise im Zusammenhang mit dem Eingehen einer Beteiligung und der Verwaltung der Beteiligungen zu evaluieren.“

Aus den genannten Gründen sind die antragstellenden Mitglieder des Landtages der Auffassung, dass eine umfassende Aufklärung im Rahmen eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses erfolgen muss. In anderen parlamentarischen Gremien ist diese umfassende Aufklärung kaum machbar.

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss soll dabei für den Zeitraum von 1997 bis Oktober 2013 untersuchen, inwieweit durch das Agieren oder auch Nichtagieren von Vertreterinnen und Vertretern der Landesregierung, der Landesministerien und der nachgeordneten Behörden oder aufgrund fehlender Kontrollmechanismen Fördermittel der Europäischen Union und des Landes in Form von stillen und offenen Beteiligungen möglicherweise nicht rechtskonform gewährt und vergeben wurden. Dabei geht es uns im Wesentlichen um fünf Sachverhalte.

Erstens geht es um die Aufklärung des Zustandekommens von Beteiligungen der IBG oder der Tochter- oder Fondsgesellschaften der genannten Gesellschaften an Unternehmen, bei denen die Fördervoraussetzungen zu hinterfragen sind. Im Fokus von offenen und stillen Beteiligungen standen und stehen eigentlich junge Unternehmen, sogenannte Seed- und Start-ups, mit nachhaltigen und überdurchschnittlichen Wachstumspotenzialen in den definierten innovativen Bereichen. So finden wir die Beteiligungsziele auf den Webseiten von IBG und GoodVent. Es geht also um die Aufklärung der Frage, welche Firmengruppen mit Beteiligungen besonders bedacht worden sind und welche Kriterien bei der Vergabe Anwendung fanden.

Schließlich geht es auch um die Frage, an welchen Standorten Firmen gefördert wurden. Bei unseren Recherchen haben wir festgestellt, dass beispielsweise auch Unternehmenskapazitäten außerhalb Sachsen-Anhalts mit eingeworbenem Kapital, möglicherweise auch aus den IBG-Fonds finanziert wurden.

Selbstverständlich - das ist uns klar - sind in diesem Geschäft Risiken nicht vermeidbar und einzukalkulieren. Jedoch sind nach unseren Recherchen von den 160 Firmen, an denen es bisher bekannte Beteiligungen gab, 52 - fast ein Drittel - in die Insolvenz gegangen bzw. haben sich aufgelöst. Das ist eine ziemlich hohe Quote. Warum dann fortlaufend immer noch von einem Erfolgsmodell gesprochen wird, entzieht sich unserem Vorstellungsvermögen.

Zweitens sollen die jeweiligen Verträge der IBG und der GoodVent mit ihren leitenden Angestellten untersucht werden. Dabei soll im Fokus der Untersuchungen stehen, ob sie eventuell so gestaltet wurden, dass hierdurch möglichen unrechtmäßigen Fördermittelvergaben oder möglichen unrechtmäßigen privaten Geschäften von Angestellten der genannten Gesellschaften Vorschub geleistet wurde. Gerade im aktuellen Bericht des Landesrechnungshofes wurde auf Fragen der Vergütung und der Erfolgsvergütung hingewiesen, inklusive der Gestaltung der Geschäftsführerverträge mit Erlaubnis oder Verbot von Insidergeschäften.

Gerade weil die Landesregierung immer wieder auf das Ausschreibungsverfahren im Jahr 2006 verweist, wenn sie uns Antworten auf unsere Fragen gibt, soll dieses Verfahren unter dem dritten Untersuchungsgegenstand betrachtet werden. Der Untersuchungsausschuss soll sich mit der Vorbereitung und Durchführung des Vergabeverfahrens zur Privatisierung des Beteiligungsmanagements, insbesondere mit den Strukturentscheidungen der Ausschreibungen und der Vergabe des Auftrages beschäftigen. Auch soll der Ausschuss die Ausgestaltung insbesondere des Geschäftsbesorgungsvertrages, des Gesellschaftervertrages und der Satzung sowie die tatsächliche Umsetzung beleuchten.

Auch dabei ist zu untersuchen, ob einer möglichen unrechtmäßigen Fördermittelvergabe oder möglichen unrechtmäßigen privaten Geschäften von Angestellten der genannten Gesellschaften mit diesen Verträgen Vorschub geleistet wurde.

Nach wie vor bewerten wir äußerst kritisch, wie die Einwerbung von 20 Millionen € Beteiligungskapital von Privatinvestoren erfolgte. Das war damals ein wesentliches Kriterium in der Ausschreibung für potenzielle Interessenten. Nur zu einem einzigen Tag soll der Zahlungseingang in der geforderten Höhe nachgewiesen worden sein. Danach sind die Gelder offensichtlich wieder verteilt worden.

In Gänze wurden von 1996 bis 2013 238,23 Millionen € an öffentlichen Geldern diesen Fonds zugeführt, darunter nach der Privatisierung 93,5 Millionen €. Dem stehen mögliche private Beteiligungen von insgesamt 9 Millionen € gegenüber, allerdings aus dem Private-Equity-Fonds bei GoodVent nur etwas mehr als 3 Millionen €. Summa summarum: Mit öffentlichen Geldern ließ sich gut hantieren, das private Risiko konnte sich in Grenzen halten.

Viertens soll hinterfragt werden, wie das Beteiligungsmanagement im Alltag funktionierte und ob es ausreichende Kontrollmechanismen gegeben hat, um hinsichtlich möglicher unrechtmäßiger Fördermittelvergaben oder möglicher unrechtmäßiger privater Geschäfte von Angestellten vorbeugend wirksam zu werden.

Gerade der Tätigkeit des Aufsichtsrates und des Begleitausschusses kommt hierbei eine herausragende Bedeutung zu. Aber auch die jährlichen Berichterstattungen an die Gesellschafter und die damit verbundenen Auswertungen und möglichen Änderungen im Beteiligungsmanagement sollen hier analysiert werden.

Der Landesrechnungshof stellt in seinem jüngsten Bericht klar, dass es an strategischen Vorgaben zum angemessenen Erhalt des Fondsvermögens gemangelt habe und ein großer Teil der bereitgestellten Mittel nicht revolvierend für neue Förderungen zur Verfügung stand.

Offensichtlich standen Fragen der Erfolgskontrolle und die Verknüpfung zur Vergütung inklusive des Anteils am Erfolg nicht ausreichend im Blickpunkt der Gesellschafter. Warum das so war und welche Mechanismen in der Geschäftsbesorgung das objektiv oder subjektiv verhinderten, soll ebenfalls mit untersucht werden. Schließlich reden wir in Gänze von einem Fondsvolumen nach Angaben der Landesregierung zum 30. Juni 2013 in Höhe von 367,5 Millionen €, das mehr oder weniger transparent verwaltet worden ist.

Schließlich ein fünfter Aspekt: Wie bereits gesagt, haben bisherige Recherchen unsererseits ergeben, dass 52 Unternehmen, an denen die IBG beteiligt war, in die Insolvenz gegangen sind bzw. aufgelöst wurden. Es steht also die Frage im Raum, ob durch das Wirken des Beteiligungsgebers diese Unternehmen möglicherweise wirtschaftlich geschädigt wurden.

Gerade in den Jahren 2005 bis 2007 wurden solche Vorgänge im Landtag, im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit sowie im Petitionsausschuss behandelt. Dabei konnte keine abschließende Bewertung vorgenommen werden, da uns Ausschussmitgliedern im Wirtschaftsausschuss beispielsweise Akteneinsicht in die Protokolle des Begleitausschusses verwehrt oder Protokolle der Aufsichtsratssitzungen teilweise seitenweise geschwärzt zur Kenntnis gegeben wurden. Mit der Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses gehen wir davon aus, dass wir uns als Abgeordnete ein umfassendes Bild über diese Vorgänge machen können.